Flughafenprozess: ein politisches Urteil

AusbaugegnerInnenkollektiv 07.05.2010 16:46 Themen: Repression Ökologie
„Eichhörnchenprozess“, Amtsgericht Frankfurt, 3. Prozesstag, Do 15.04.10
Verhandlung bis 22.00Uhr, Zwanzig Beweisanträge, kein Zeuge, Plädoyers und Urteil.

Richter Henrici trickst mit auffällig mildem Urteil weiter gegen die Rechte der Angeklagten.
15 Tagessätze wg. angeblichem dreifachem! Hausfriedensbruchs, davon einmal in Tateinheit mit Nötigung.
Der Dritte Prozesstag war geprägt durch das Verlesen von insgesamt 20 Beweisanträgen durch die Angeklagte, durch die Plädoyers von Staatsanwaltschaft, Verteidigung, vor allem durch das beeindruckende Plädoyer der Angeklagten selbst und durch ein taktisches Unrechts-Urteil.
Prozesstag 1:  http://de.indymedia.org/2010/03/275774.shtml
Prozesstag 2:  http://de.indymedia.org/2010/04/278049.shtml

Vorläufiges Ende eines politischen Strafprozesses am Amtsgericht in Frankfurt.
Angeklagt waren angebliche Straftaten im Rahmen von Protesten gegen die Rodung von 250 Hektar „Bannwaldes“ für den Ausbau des Frankfurter Flughafens und eine Kletteraktion in der Dachkonstruktion des Hauptbahnhofes in Frankfurt/Main.

Der dritte Prozesstag begann vor dem offiziellen Beginn mit einer Klettereinlage vom „Eichhörnchen“ Cécile Lecomte an unerwarteter Stelle.
Während die schon obligatorische Polizei-Hundertschaft (inkl BFE + „5-Stern-Einsatzleiter“ Peter Seiler) im Bereich eines Infostandes von Frankfurter AktivistInnen -unter dem Motto „Gerichte sind zum essen da“ an der Gerichtsstraße auffuhr, kletterten das „Eichhörnchen“ zusammen mit einem zweiten menschlichem Eichhörnchen vor dem Dienstgebäude der Staatsanwaltschaft und praktisch vor der Tür des Polizeirevieres auf zwei Flaggenmasten bis auf Höhe des Büros von Staatsanwalt Links um diesen mit einem eigens gefertigten Transparent zu „Begrüßen“.
Mit den üblichen Folgen/Nebenaktionen: Panisch rennende Wachleute die, zu spät für die Eichhörnchen, friedlich dabeistehenden anderen Menschen, rechtswidrig und brutal Transparente entreißen.
Herbeieilende Bullen, die den Opfern der rechtswidrigen Übergriffe nicht zum Recht verhelfen, u.s.w.

Die Verhandlung fand wieder im „Hochsicherheitssaal“ des Landgerichtes statt.
Begleitumstände der Verhandlung die dort üblichen offenen und versteckten Schikanen für Angeklagte und Verteidigung, aber auch für die Zuschauer des Prozesses.

Zugang für Zuschauer durch einen schmutzigen, verstaubten Nebeneingang, durch den es zunächst eine Treppe hinab in Kellerräume geht.
Dort wurden alle ZuschauerInnen in geschlossene ca. 2x2m große Durchsuchungszellen geführt, in denen sie alle Bekleidungstaschen komplett entleeren, (JEDEN Zettel, jeden Schlüssel ALLES aus den ´Taschen) und sich mit festen Griffen bis in den Intimbereich abtasten lassen mussten. Außer Schreibblock und Schreibmittel durften die meisten Zuschauer nichts mit in den Gerichtsaal nehmen. Jede Art von Speisen, Getränken, aber auch Handys, Kleincomputer oder Laptops mussten im Durchsuchungsbereich bleiben.
Später in der Verhandlung log der Richter dreist, die Zuschauer würden „lediglich nach Waffen detektiert“ werden.
Diese Durchsuchungen wurden aber völlig willkürlich gehandhabt. Mehre Zuschauer wurden gar nicht durchsucht, und durften Handys und alle Arten von Getränken und Speisen in den Zuschauerbereich mitnehmen. Auf Nachfrage verweigerten die duchsuchenden Justitzbeamten jede Erklärung. Auch sprachen die solcherart privilegierten Zuschauer kein Wort mit den andern Zuschauern.
Sodann mussten die Zuschauer wieder viele Treppen und div. Flure in denen alle Türen und Fenster verriegelt waren zum Gerichtssaal weitergehen.
Im Saal konnten die Zuschauer dann feststellen, dass der Zuschauerbereich (mit ca. 40 Plätzen) durch eine ca. 3m hohe Wand aus Plexiglas vom Verhandlungsbereich abgeteilt war.
Was dort, im „Verhandlungsbereich“ gesprochen wurde, war nur über eine Lautsprecheranlage zu verstehen.
Somit war eine vollständige Kontrolle der Gerichtsverhandlung durch die Öffentlichkeit nicht gegeben, mehrmals drehte der Staatsanwalt sein Mikrofon zur Seite, bevor er etwas sagte. Diese Worte waren dann von der Öffentlichkeit nicht wahrnehmbar.

Da die durchaus vorhandenen Toiletten im Zuschauerbereich ohne Begründung abgeschlossen waren, mussten ZuschauerInnen zum Toilettengang die vielen Gänge und Treppen und durch den Durchsuchungsbereich zurück und bis auf die Straße gehen. Um sich dann im angrenzenden Gerichtsgebäude nochmals Kontrollieren zu lassen (hier tatsächlich nur nach Waffen detektiert) und konnten erst dort in dem Gebäude wiederum nach passieren von zwei Treppen und zwei Fluren ihre Notdurft verrichten.
Um wieder in den Verhandlungssaal zu gelangen mussten diese ZuschauerInnen sich dann, nach dem langen Rückweg im Durchsuchungsbereich in einer der Durchsuchungszellen erneut bis auf den Intimbereich abtasten und erneut auf den Inhalt aller Bekleidungstaschen durchsuchen lassen.
Um danach wieder über die vielen Treppen und Flure zum Gerichtssaal zu gelangen.
Diese doppelten Durchsuchungsprozeduren mit den künstlich langen Wegen, mussten die Zuschauer auch jedes Mal über sich ergehen lassen wenn sie einen Schluck trinken oder irgendetwas Speisen wollten.

An der Linken Seite der Trennwand war eine Tür, durch welche ab und zu Justizbeamte hindurchgingen.
Dort an einem Tisch hinter der Trennwand saß aber auch ein Mann in ziviler Kleidung, welcher während der ganzen Verhandlung durch die Scheibe hindurch, also von vorne die Zuschauer beobachte (nur die Zuschauer) und der Reihe nach jeden und jede Zuschauerin reihum aufmerksam und aufdringlich fixierte und musterte.
Dieser Herr in Zivil hatte offensichtlich eine absolute Sonderrolle, er hatte einen Schlüssel für die Tür in der Trennwand, ging auch während der laufenden Verhandlung, ohne den Richter zu fragen hindurch in den Zuschauerraum und bis in Flure oder durch die Türen im „Verhandlungsbereich“
Es ist mit Worten kaum zu Beschreiben, wie bedrückend und einschüchternd dieser Verhandlungssaal auf die Zuschauer wirkt.
Es ist absolut sicher, dass viele Menschen durch diese Umstände von der Prozessbeobachtung abgehalten wurden.
Es ist eben nicht nur der Saal selber, sondern alle diese meist versteckten Umstände in und um DIESEN Gerichtssaal

Und natürlich ist die Anordnung, eine vorgeblich „neutrale“ Gerichtsverhandlung in solchen räumlichen Bedingungen abzuhalten eine Vorverurteilung der Angeklagten.

Die Verhandlung begann verspätet, weil die Angeklagte, „Eichhörnchen“ Cécile, die Einschränkung der Öffentlichkeit rügte und einen Antrag stellte, solange mit dem Beginn zu warten., bis alle Zuschauer die noch herein möchten, auch da waren.
Das lehnte der Richter mit der oben schon erwähnten Lüge ab.
Worauf sich im Zuschauerraum von den ca. 20-25 Zuschauern, die ja alle noch unter dem Eindruck der beschriebenen erniedrigenden Prozedur waren, spontan sehr lautstarker, hell empörter Protest erhob.
Was der Richter aber nicht zu Anlass nahm den Beschwerden irgendwie nachzugehen, sondern er drohte die Räumung aller Zuschauer an. Letztlich war es dann nicht der Richter, sondern der Protest des Publikums, welcher den Beginn der Verhandlung dann doch so weit verschob, bis die letzte Zuschauerin (sichtlich geschockt und mit Tränen in den Augen) im Saal war.

Dann ging es mit einer kleinen Überraschung weiter; Richter Henrici verkündete, dass die Beweisanträge 1 bis 7 vom letzten (2.) Verhandlungstag, über die im übrigen schon beschieden worden ist, noch öffentlich verlesen werden müssten.
Er bot der Angeklagten an, dass diese die Anträge, vortragen könne.
Da die Verteidigung diese gar nicht in gedruckter Form vorliegen hatte, reichte er großzügig die entsprechenden Aktenteile der Gerichtsakten zum Verteidiger-Tisch hinüber.

Ein erstaunliches Entgegenkommen im Vergleich zu den ersten beiden Prozesstagen. Die Verteidigung sieht jedoch keine Wende, keine Motivation ein faires Verfahren zu gewährleisten. Vielmehr schien es Richter Henrici um die Vermeidung von Rechtsfehlern – es sollten bloß keine Revisionsgründe geliefert werden.

Die Anträge betrafen Beweise, dafür, dass der mit der Kletteraktion im Dach der Bahnhofshalle kein Hausfriedensbruch begangen worden sei.
Dass die Angeklagte zu keinem Zeitpunkt zum Verlassen der Dachkonstruktion aufgefordert worden sei. Dass die Angeklagte nicht über den Gleisen sondern deutlich sichtbar viele Meter vor den geklettert war. (Der Hauptbahnhof in FFM ist ein Kopfbahnhof!)
Dass es nicht möglich ist eine etw. Aufforderung in 20m Höhe akustisch zu verstehen.
Dass die Dachkonstruktion kein Bereich ist, in dem sich normalerweise Menschen aufhalten.
Dass die Räumungsaktion der Polizei von dem besetzten Harvester lebensgefährlich und stümperhaft durchgeführt wurde.
Dass der Zaun im ehemaligen Kelsterbacher Forst keine Einfriedung des Waldes, sondern eine Einfriedung des Protestdorfes darstellte.

Sodann stellte die Angeklagte weitere Beweisanträge:
Dass es wenige Tage nach der Protest-Bekletterung des Harvesters auf genau der Fläche eine Demo mit ca. 500 Teilnehmern gegeben habe.
Diese Tatsache widerspricht der Behauptung, dass das Areal nicht öffentlich, sondern befriedeter Besitz der Fraport gewesen sei, über welchen sie ein Hausrecht ausüben könne.

Dass alle Medienvertreter davon schrieben, dass ein Zaun das Protestdorf einschloss, aber keiner dass ein Zaun den Wald einschloss.
Dieses widerspricht der Behauptung, dass mit dem Überklettern des Zaunes ein Hausfriedensbruch begangen sein könne.
Hausfriedensbruch stellt ein Eindringen unter Strafe nicht ein Ausbrechen.

Dass ein von der Fraport angeblich erlassenes Hausverbot für den Flughafen 1. unwirksam sei, weil es nicht hinreichend präzise den Bereich des Verbotes beschreibt. 2. Keineswegs den
damals noch vorhandenen Wald betreffen konnte.
Dass nach allen Waldgesetzen Wald in Deutschland grundsätzlich öffentlich zugänglich ist.
Wenn Wald nach allen Gesetzen grundsätzlich öffentlich zugänglich sein muss, kann eine Waldfläche kein Befriedetes Besitztum sein, und dann kann auch kein Waldeigentümer dort ein Hausrecht ausüben.

Dass der Fahrer des bekletterten Harversters sich während der ganzen Aktion in der Mittagspause befand und nicht bei seiner Maschine, und schon von daher nicht genötigt worden sein kann. Dies war bereits durch (Polizei)Zeugenaussagen am ersten Verhandlungstag belegt worden.
Dass die Leute auf dem Harvester eine Versammlung darstellten, und dass diese nicht von der Polizei aufgelöst wurde.
Dass die Baumbesetzung im Rodungsgebiet am 11.2.2010 eine Versammlung darstellte, die ebenfalls nicht von der Polizei aufgelöst wurde.

Alle diese Beweisanträge wurden klar und sachlich vorgetragen und sehr umfangreich mit Verweisen auf aktuelle Urteile von Obergerichten begründet. Die Anträge wurden von Richter Henrici teils durch Wahrunterstellung und teils als bedeutungslos abgelehnt.

Indessen gelang es den Zuschauern der bedrückenden Realität des Hochsicherheitssaales die phantasievolle Kreativität von freien Menschen entgegenzusetzen.
So gelang es, die absurde, dreiviertelhohe Trennwand mit Aufklebern, den Zuschauerraum mit Girlanden und Konfetti aufzulockern.
Staatsanwalt Martin Links glänzte dabei beeindruckend durch seine schlampige Konzeption von Ermittlung- und Strafverfolgungsarbeit, was ihm ja als Staatsanwalt obliegt: es vergaß dabei, dass dabei, dass seine Aufgabe zumindest in der Theorie nicht nur darin besteht, Menschen anzuklagen, sondern auch ernsthaft zu ermitteln und anhand von Beweisen zu arbeiten. Als ZuschauerInnen die Plexiglastrennwand in einer Fläche für freie Meinungsäußerung umwandelten und justitzkritische Sprüche mit Stiften anbrachten, unterbrach Staatsanwalt Martin Links den vorsitzenden Richter und warf den Vorwurf der Sachbeschädigung im Raum. Cécile lobte ironisch die gründliche und professionelle Arbeit der Staatsanwaltschaft – die sie ja bereits im Ermittlungsverfahren gegen die Angeklagte zeigte - und fragte Staatsanwalt Links nach entsprechenden Beweisen für eine Sachbeschädigung: Anforderung des Paragrafes ist das Eintreten einer nicht nur vorübergehenden Substanzverletzung/Veränderung. Daraufhin musste Staatsanwalt Links seinen Vorwurf kleinlaut zurücknehmen.Die Tatwaffe war nämlich einfache Kreide in flüssiger Form.

Mehrfach versuchte Richter Henrici die Beweisaufnahme zu schließen. Er wollte endlich zu den Plädoyers kommen und es wurde schnell klar, dass das Gericht noch am selben Tag – egal wie spät – sein Urteil sprechen wollte.
Richter Henrici bemühte sich, der Angeklagten keine offensichtliche Revisionsgründe zu liefern und ließ die Angeklagte vortragen.
Mit den Anträgen wies sie unter anderem darauf hin, dass der Bau einer neuen Landebahn eine Gefahr für die Natur, Leib und Leben darstellte. Es bringe mehr Flüge, mehr Lärm und für die Bewohner der Region gesundheitliche Gefahren mit sich, wie unlängst die sogenannte Greiser-Studie bestätigt habe. Ein deutlich höheres Vogelschlagrisiko als bei den bereits bestehenden Bahnen sei zudem wegen der Trassenführung der neuen Bahn am Main entlang zu erwarten – was zu einer Gefährdung von Fluggästen und Personal führe.
Es folgten weitere Beweisanträge zu den Seilschaften zwischen Politik und Flug-Industrie, die die Erteilung der Genehmigung für den Flughafenausbau durch die Politik trotz der Gefahren für Mensch und Natur und gegen den Willen der Bevölkerung möglich machten. Die Angeklagte prangerte die Rechtsmäßigkeit der Genehmigungen in sich an.
Die Beweisaufnahme wurde von Richter Henrici mit unterschiedlicher Begründung abgelehnt. Die Gefahr für Natur und Mensch wurde als wahr unterstellt (Fluglärm, Klimawandel, etc.). Andere Beweisanträge wurden als unzulässig oder ohne Bedeutung zurückgewiesen.

Es folgten gegen 20 Uhr die Plädoyers.
Staatsanwalt Martin Links beantragte eine Verurteilung der Angeklagten zu 50 Tagessätze wegen dreimaliger Hausfriedensbruchs, davon einmal in Tateinheit mit Nötigung. Die Anklage wegen Widerstand gegen Vollstreckungsbeamter ließ er fallen.
Als straf-verschärfend sah er das Verhalten der Angeklagten, die ihre Unrechtsansicht durchsetzen wolle, an. Er warf der Angeklagten vor, die Würde des Gerichtes durch ihr prozessuales Verhalten – damit sind die zahlreiche Anträge gemeint – zu verletzen. Weiter würde das „Zirkus“ - damit sind die Zuschauer gemeint - das Anliegen der Angeklagten schaden.
In Sache Hausfriedensbruch setzte er sich keinerlei mit den Verfahrenshindernissen – spricht die fehlerhaften Strafanträgen der Fraport und der Deutschen Bahn ( Gegenstand des zweiten Verhandlungstags) - auseinander ein.
Die Nötigung sah als gegeben an, weil die HarvesterbesetzerInnen den Fahrer am weiterarbeiten gehindert hätten, wäre er zurückgekommen.
Unter dem Schutz der Versammlungsfreiheit hätten die AktivistInnen nicht gestanden. Die Ansprache der Polizei „Kommen Sie darunter“ sei zudem als konkludente Versammlungsauflösung zu verstehen. Die Rechtsauffassung widerspricht höchstrichterliche Rechtsprechung – interessiert aber Staatsanwalt Links und Richter Henrici nicht.
Einen Notstand im Sinne von § 34 StGB verneinte er. Die Angeklagte hätte nicht dargelegt, dass sie das mildeste Mittel angewendet habe, um die Gefahr abzuwenden.

Die Verteidigung plädierte daraufhin auf Freispruch. Pflichtverteidiger Döhmer regte eine Einstellung des Anklagepunktes Hausfriedensbruch nach § 260 StPO (Verfahrenshindernis) an. Er verwies dabei auf die Vernehmung der Zeugen am zweiten Verhandlungstag und auf die entsprechenden Ergebnisse der Beweisaufnahme.
Eine Verurteilung wegen Nötigung käme zudem nicht in Frage, weil es kein Nötigungsopfer gebe. Ein Polizeizeuge habe ausgesagt, dass der Harvesterfahrer in der Mittagspause war, als die DemonstrantInnen die Maschine erklommen. Beim Nötigungsvorwurf sei auch auf die Mittel-Zweck-Relation zu achten. Die AktivistInnen haben keine Gewalt angewendet und ihre Aktion stand unter dem Schutz von Art. 8 Grundgesetz (Versammlungsfreiheit).

Die Angeklagte hielt daraufhin ein halbstündiges Schlusswort. Sie knüpfte an die Argumentation ihres Verteidigers an und bekräftigte ihre Beweggründe. Das Verfahren werde sie nicht vor weiteren Aktionen abschrecken, so Lecomte. Die betonte die Legitimität von Demonstrationen – auch in der Form von Sitzblockaden – als wesentlicher Beitrag zu politischen Bildungsprozessen und Entwicklungen. Sie erklärte auch, ihr Handel nicht nach Gesetzen richten zu wollen, weil Gesetze keine Antwort auf sozialen und Umweltproblemen geben können. Gesetze seien viel mehr ein Instrument zur Verfestigung von Gefahren und der herrschenden Verhältnissen. Wer auf dem Schmutz hinweise und dagegen vorgehe, werde vom Staat für viel gefährlicher gehalten, als die Schmutzverursacher selbst. Ziviler Ungehorsam sei notwendig, um die Verhältnisse zu ändern und die Gefahren abzuwenden. Es folgten Beispiele aus dem Ausland. In England wurden Menschen vom Vorwurf des Hausfriedensbruchs nach einer Kohlekraftwerkbesetzung freigesprochen. Das Gericht was mehrheitlich aus Schöffen bestand, erkannte eine Notstandsituation auf Grund des drohenden Klimawandels.
Nach dem Gesetz gebührt der Angeklagten das letzte Wort. „Ohne Fraport, wäre ich gar nicht hier“, sagte Cécile in Anspielung auf die Parolen, die die DemonstrantInnen bei ihren Aktionen im Kelsterbacher Wald riefen.

Nach allein am dritten Verhandlungstag über acht Stunden Verhandlung wurde kurz vor 22Uhr das Urteil angeblich im Name des Volkes aber in der Tat im Name von Richter Henrici und Staatsanwalt Links gesprochen.
15 Tagessätze à 8 Euro wegen dreifachem! Hausfriedensbruchs, davon einmal in Tateinheit mit Nötigung.
Das klingt nicht viel. Das Perfide dieser Verurteilung ist aber schon die Verurteilung selbst. Es hätte rechtlich einen Freispruch geben müssen. Richter Henrici wollte aber politisch eine Verurteilung. „Ja, die Frau Lecomte nervt“, äußerte er sogar in seiner mündlichen Urteilsbegründung. Als ob Justizkritik und die Wahrnehmung von Verteidigungsrechten (was der Richter als Nerven bezeichnet) eine Straftat in sich wären. Der Richter folgte im wesentliche die abenteuerliche Argumentation seines Verurteilungshilfsbeamten Staatsanwalt Links und verhängte genau 15 Tagessätze. 15 Tagessätze, weil ein solches Urteil besonders schwer mit Rechtsmittel anzufechten ist.

Bei einer Geldstrafe von nicht mehr als 15 Tagessätzen ist nur eine Annahmeberufung möglich. Das ergibt sich aus § 313 Abs. 1 StPO. Diese Vorschrift ist durch das "Justizentlastungsgesetz" in die Strafprozessordnung eingefügt worden. Sie hat zwar nicht zu einer nennenswerten Entlastung der Justiz geführt, stellt aber eine bedenkliche Zulässigkeitsbeschränkung dar.
Gerade bei Bagatellstrafsachen, die von der Beweislage her nicht ganz einfach gelagert sind, greifen Amtsrichter schon mal gerne in diesen Topf und verhängen genau 15 Tagessätze. Erst recht, wenn sie den (oder die) Angeklagten für einen "Querulanten" halten. Der soll sich so ohne weiteres nicht noch einmal - diesmal im Berufungsverfahren - vor Gericht produzieren dürfen. Nach § 313 Abs. 2 StPO wird die Berufung angenommen, wenn sie nicht offensichtlich unbegründet ist.
Klingt gut. Aber auch hier liegt die Tücke im Detail. Nach § 322a StPO entscheidet das Berufungsgericht über die Annahme der Berufung durch unanfechtbaren Beschluss. Unanfechtbar! Das Berufungsgericht hat also über sich nur den blauen Himmel (und das Bundesverfassungsgericht). Da ist es verlockend, die Berufung eines mutmaßlichen "Querulanten" schnell als offensichtlich unbegründet anzusehen. Vor allem, wenn der Schreibtisch ohnehin mit Akten voll ist.
Jedenfalls werden Annahmeberufungen des öfteren nicht angenommen.
Also, das Rechtsmittel, das einlegt wird, muss auf jeden Fall schriftlich begründen werden. Wenn es eine Berufung wird, dann müssen Ausführungen zu den Erfolgsaussichten erfolgen.
Auch seitenlange klare Begründungen werden gerne als offensichtlich unbegründet verworfen.Wie manchmal bei Revisionsentscheidungen. Ohne inhaltliche Begründung. Nur mit einer floskelhaften Leerformel.

Und im Falle vom Eichhörnchen war das Urteil schon geschrieben und abgesprochen. Das heißt eine politische Ablehnung einer möglichen Berufung ist zu erwarten, so die Einschätzung eines Zuschauers, der den Saal vor Urteilsverkündung verließ, um diesen Nonsens im Name des Volkes nicht anhören zu müssen. Insbesondere vom Landgericht, was bislang mit einer sehr dubiosen Rechtsprechung in Sache Hausfriedensbruch glänzte, ist eine Ablehnung zu erwarten. Das Eichhörnchen hat bereits seine Erfahrungen mit dem Landgericht gemacht... Das Landgericht Frankfurt am Main hatte eine über 24stündige Ingewahrsamnahme des Eichhörnchens im Zusammenhang mit Kletteraktionen zum Jahreswechsel 2008-9 für rechtmäßig erklärt. Begründung war die Abwehr von Gefahren, der Gewahrsam sollte die Betroffene von der Begehung einer Straftat abhalten. Es ging konkret um Hausfriedensbruch – ja, selber Vorwurf wie im jetzigen Verfahren!Erst das Oberlandesgericht Frankfurt am Main erklärte in März 2010 diesen Beschluss für RECHTSWIDRIG (Beschluss:  http://www.eichhoernchen.ouvaton.org/deutsch/repression/Fassadenklettern-OLG-Beschluss-2010.pdf ) ! Im Strafverfahren hier, soll verhindert werden, dass Rechtsmittel bis vor dem Oberlandesgericht eingelegt werden kann.
Amtsrichter Henrici war bewusst, dass das Landgericht sein willkürliches Urteil mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit decken wird.
BeobachterInnen bezeichnen das Ganze als organisierte Justizkriminalität... Mit Richter Ralph Henrici als Hauptfigur.


Infos:

Prozesstag 1:  http://de.indymedia.org/2010/03/275774.shtml
Prozesstag 2:  http://de.indymedia.org/2010/04/278049.shtml

 http://www.eichhoernchen.ouvaton.org/deutsch/wald.html#Kelsterbach
 http://waldbesetzung.blogsport.de/
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Ergänzungen

Noch ein schöner Prozess in Frankfurt

k.o.b.r.a.__antirepressionsplattform____ 08.05.2010 - 10:35
Montag, 10.5., 8.30 Uhr im Amtsgericht Frankfurt, Hammelsgasse 1 (Raum E 23, 2. Stock): Verfahren gegen Jörg Bergstedt, weil er Polizisten beschimpft hat, die ihn zusammengeprügelt haben (auf Video super erkennbar, aber wer sich von Bullen vermöbeln lässt, kriegt immer ein Verfahren an den Hals)
Aus der Presseinfo: "Angeklagt ist ein Aktivist. Der soll im Rahmen einer polizeikritischen Demonstration in Frankfurt Polizisten beleidigt haben. Die Szene ist auf dem Video klar zu erkennen, dass die Polizei selbst gefertigt hat. Nicht angeklagt sind die Polizeibeamten. Die haben – auch das zeigt der Video – den Angeklagten vorher geschlagen. Grundlos, denn gewehrt hat der sich nicht. „Das ist die Logik der meisten Strafanzeigen in Konflikten zwischen Demonstranten und Polizei“, kritisiert der Angeklagte Jörg Bergstedt seine Verfolger aus Staatsanwaltschaft, Polizei und Gerichten. „Und mit diesen Anzeigen wird dann Politik gemacht, wenn zunehmende Brutalität von Polizisten zu mehr Angriffen auf die Polizei umgedeutet und härtere Gesetze gefordert werden“. Bergstedt ist seit Jahren Kritiker von Polizei und Justiz, hat mit mehreren Veröffentlichungen Fälschungen und Falschaussagen öffentlich gemacht. Immer wieder ist er deshalb von Verfolgungsbehörden angegriffen und vor Gericht gestellt worden. Doch die Stellung des Angeklagten bietet ihm Chancen, sein Wissen vorzutragen und den jeweiligen Fall als neue Recherche in die Reportagen aufzunehmen: „Ich stelle die Fragen, die Täter in Uniform sind Zeugen im von ihnen selbst angezettelten Verfahren“, kündigt er eine intensive Beweisaufnahme über die Abläufe an."

Seite zu Polizeigewalt:  http://www.projektwerkstatt.de/antirepression/polizeigewalt.html