B: Fahrraddemo gegen europäische Sicherheitsarchitekturen

Out of Control 30.04.2010 14:41 Themen: Globalisierung Militarismus Repression Soziale Kämpfe Weltweit
Am 28.4., dem Tag vor Walpurgisnacht fand in Berlin die erste größere Straßenaktion im Kontext des diesjährigen 1. Mai statt. Etwa 70 Menschen waren dem Aufruf von Out of Control gefolgt und besuchten, zumeist mit Fahrrädern die Kettenkundgebung gegen europäische Sicherheitsarchitekturen.
Pünktlich um 16:30 Uhr trafen die ersten Teilnehmer_innen vor der Vertretung der europäischen Kommision, Unter den Linden/ Wilhelmstraße ein, wo sie bereits von uniformierten Cops erwartet wurden. Mit Flugblättern und Redebeiträgen wurde über die europäischen Sicherheitsarchitekturen informiert. Da linksradikale Europa-Kritik selten gehört wird, waren viele Tourist_innen und sonstige Passant_innen gespannt und blieben zum Teil die ganze Kundgebung über stehen. Eine wirklich ablehnende Haltung gegenüber der Kundgebung wurde nur selten geäußert und die Flugblätter, die im wesentlichen den Aufruf (in deutsch und englisch) enthielten fanden reißenden Absatz unter dem Laufpublikum. Bei dieser Kundgebung wurden Redebeiträge zur EU als aufsteigende Supermacht und die fehlende Kritik daran, sowie einer zur europäischen Grezschutzagentur Frontex gehalten.
Nach einer Stunde war die Gruppe von Demonstrant_innen auf circa 70 Leute angewachsen und die Kundgebung wurde aufgelöst.
Da das nur die erste von drei angemeldeten Kundgebungen war, setzte sich die Menge jetzt in Bewegung. Darunter nicht nur die üblichen Verdächtigen sondern auch einige frische Gesichter, sowie Radkurier_innen. Ein Teilnehmer hatte an seinem Rad ein kleines aber effektives Soundsystem angebracht und konnte somit auch zwischen den Kundgebungen die Menge mit dem schlimmsten aus den letzten 30 Jahren Radiogeschichte unterhalten. Die Bullen machten zunächst keinerlei Anstalten, uns aufzuhalten. Im Folgenden gehörte Unter den Linden uns. Über die komplette rechte Fahrbahn ausgebreitet fuhren wir gemächlich Richtung Alexanderplatz. Hinter der Demo stauten sich die Autos im Berufsverkehr und die Wanne, welche die Demo verfolgte konnte auch nicht überholen. Kurz vor dem Alexanderplatz entschied sich der Mob in die Spandauerstraße aubzubiegen. Schließlich war die zweite Kundgebung vor dem Rüstungs- und Software-Konzern SAP in der Weinmeisterstraße angekündigt. Via Hackescher Markt traf die Fahrraddemo ein paar Minuten zu früh (ca 17:50) bei SAP ein, so dass sich einige noch für eine kleine Schleife über den Rosenthaler Platz entschieden um noch etwas mehr Verwirrung zu stiften. Während der ersten Worte aus dem Lauti stieß die Gruppe wieder zur Kundgebung.
Hier war die Polizei so freundlich, wirklich die ganze Kreuzung zu sperren, so dass ein angemessenes Setting für die zweite Kundgebung gewährleistet war. Die Kundgebung vor SAP war zahlenmäßig sicher der Höhepunkt und es waren nochmal gute 20 Leute mehr am Start als Unter den Linden. Einige waren auch erst zu SAP gekommen. Dies war möglich, da der Zeitplan, der auf den zuvor verteilten Flyern stand ziemlich exakt eingehalten wurde. Das Laufpublikum war anders strukturieret als am Touri-Hotspot Unter den Linden aber mindestens genauso wissbegierig. Ein Redebeitrag zur Beteiligung von Softwareunternehmen an Repressionsstrukturen klärte auf.
Nach einer halben Stunde wurde auch diese Kundgebung aufgelöst und die Demo setzte sich einmal mehr in Bewegung. Über kleine Straßen in Schicki-Mitte fuhr die Demo in Richtung Alexanderplatz und von dort aus weiter auf die Gruner Straße und Mühlendamm. Da dies Teil der auf den Flyern abgedruckten Route war, und es den Bullen inzwischen wohl doch etwas zu bunt wurde, wartete dort eine Wanne, die sich vor der Demo querstellte. Einzelne Aktivist_innen mussten hier ihre Personalien zeigen und sich Ansagen über die StVO anhören. Hier ist anzumerken, dass einer der Cops auf seiner Uniform Landesabzeichen von Schleswig-Holstein trug, jedoch in Kombination mit Berliner Kennzahlen (1221, oder so) und einer Berliner Mütze. Darauf angesprochen, gab er zwar zu, dass da etwas nicht zusammen passe, verweigerte aber im Folgenden die Auskunft.
Da auf mysteriöse Weise durchgesickert war, dass die Bullen einige besonders rücksichtslose Verkehrsrowdys rausziehen wollen, war die dritte Kundgebung vor EADS am Potsdamer Platz nur sehr dünn besucht.

Als Fazit bleibt festzuhalten, dass es gelungen ist im Vorfeld des 1. Mai unangemeldet in Berlins Mitte freiheitlich zu demonstrieren. Neben einer Anzeige wegen Überfahrens einer roten Ampel ist uns bis jetzt keine Repression bekannt. Ob das an einer Deeskalation vor dem 1. Mai, dem tollen Konzept oder der personellen Überlastung der Büttel liegt ist unklar. Die Geschichte mit dem falsch etikettierten Cop spricht für letzteres. Dennoch ist das Konzept Fahrraddemo ein viel zu selten genutztes und sollte vor allem im Sommer öfter aus der Schublade geholt werden, zumal, wenn sich damit auch mal andere Leute mobilisieren lassen. Das Thema europäische Sicherheits- und Großmachtpolitik muss aber noch auf andere Weise in den Diskurs gebracht werden.
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