Gegen Nazistrukturen in Schleswig-Holstein

Reportario 12.04.2010 14:29 Themen: Antifa Blogwire
Am 10.04.2010 trafen sich ca. 25 AntifaschistInnen, um den angekündigten NPD-Stand in der Möllner Innenstadt (Schleswig-Holstein, Kreis Herzogtum Lauenburg) zu verhindern.
Im Anschluss wurden im 10 km entfernten Ratzeburg Flyer verteilt, die auf ein Haus in der Innenstadt aufmerksam machen, das ausschließlich von Neo-Nazis bewohnt wird und diesen als Anlaufstelle dient. Nicht selten gingen Angriffe von diesem Haus aus. Doch fangen wir am Anfang an...
Seit Anfang 2009 gab es in Ratzeburg ein Haus, in dem es fünf Wohnungen gibt, von denen drei von Nazis bewohnt wurden. Im Internet bewarben sie dieses als "NS-Haus" und luden "national gesinnte Jugendliche" ein, sich dort zu "informieren" oder "Anschluss zu finden". Dieses "NS-Haus" wurde von Sven Witte, einem regional bekannten Neo-Nazi ausgerufen. Als Plattform dazu diente eine Nazi-Seite, die seit 2007 versuchte, die Nazis der Gegend zu vernetzen und auch darüber hinaus Kontakte zu knüpfen.

Von dem Haus gingen politische Aktionen, Übergriffe, das Hängen und Stecken der NPD-Propaganda und, last but not least, die Vernetzung der Nazistrukturen aus. Wegen dieser offensichtlichen Umtriebe wurde auch ein Bündnis in Ratzeburg gegründet, das sich zur Aufgabe machte, die Nazi-Aktionen mit Protest zu begleiten. Leider gab es dabei immer wieder Gleichsetzungen der Antifa mit den Nazis und ein Festhalten am überholten Extremismusbegriff.

Anfang 2010 tauchte dann die Ankündigung der Nazis auf, die Anlaufstelle aufzulösen und im Innenstadtbereich eine "national besetzte Zone" einzurichten. Näher erläutert wurde dies nicht. Der Ort ist sicherlich nicht zufällig gewählt wenn mensch weiß, dass Sven Witte direkt in einem Bäcker am Marktplatz in der Innenstadt arbeitet und auch der Treffpunkt für "national gesinnte Jugendliche" neuerdings auf dem Marktplatz sein soll.

Wie nicht anders zu erwarten, zogen die Nazis wieder zusammen. Diesmal mieteten sie ein ganzes Haus mit zwölf Zimmern, das ebenfalls in der Innenstadt zu finden ist und verzichteten dieses Mal auf eine öffentliche Ankündigung. Nun haben die Nazis ein ganzes Haus für sich allein, inklusive einem Garten und versuchen, ihre "national befreite Zone" aufrecht zu erhalten.
So wurden 2 alternativ aussehende Jugendliche von einem Mob Nazis, der von dem Haus kam, verfolgt und ihnen mit einem Messer gedroht.
Die Polizei, die daraufhin eintraf, ging in das Haus und nahm Sven Witte mit auf die Polizei-Wache.
Ein weiterer Zwischenfall ereignete sich, als eine Gruppe Punks auf dem Marktplatz herumsaß(was äusserst selten vorkommt). Eine Gruppe Nazis griff diese an, was dann zu einem Tumult führte. Dabei wurde mindestens ein Punk verletzt.

Am 10.04.2010 startete die Antifa Herzogtum Lauenburg [AHL] ihre Kampagne, um darauf aufmerksam zu machen und die "national besetzte Zone" für nichtig zu erklären.

Vorher jedoch galt es, den angekündigten NPD-Infostand in Mölln mit Protest zu begleiten, im besten Fall sogar zu verhindern. Also trafen sich bis zu 25 AntifaschistInnen in Mölln und besetzten den Platz, an dem die NPD den Stand aufbauen wollte. Karsten Bäselt, Kandidat der NPD in Mölln, versuchte mit zwei seiner KameradInnen zum Platz zu gelangen. Dies wurde ihm verwehrt und so zog er unverrichteter Dinge von dannen.Die Polzei hielt sich sehr bedeckt. Die AntifaschistInnen verblieben noch ein wenig an dem Platz und zogen dann weiter nach Ratzeburg....

In Ratzeburg angekommen, wurden Flugblätter auf dem Marktplatz zum Nazi-Haus verteilt und Gespräche mit BürgerInnen geführt. Die Reaktionen reichten von "Ich bin geschockt!" bis "Ist mir doch egal!". Die eintreffende Polizei war sichtlich darum bemüht, Ruhe in die Situation zu bringen. Ein völlig aufgeregter Sven Witte hatte diese wohl aus der Bäckerei "Allwörden" angerufen, weil er sich beleidigt fühlte. Wovon, das wurde nicht klar. Wir konnten entspannt weiter verteilen, während vom 200 Meter entfernten Nazi-Haus immer wieder Neo-Nazis den Weg zum Bäcker suchten. Diese blieben dann aber die restliche Zeit in ihrem Haus, das durch die Polizei "geschützt" wurde. Nachdem die 200 Flyer verteilt waren, machten wir noch ein Foto im Herzen der "national besetzten Zone" und fuhren dann guter Laune nach Hause.

Am Abend hörte ich dann, dass eine Bekannte und ihre Freunde von der Polizei aufgefordert wurden, den Bereich der Innenstadt zu verlassen, weil eine Gruppe Neo-Nazis streitsuchend durch die Gegend ziehen würde. Tatsächlich verfolgten die Nazis an dem Abend so einige Menschen, von denen sie meinten, sie entsprächen ihrem Hassbild. Die Zahlen schwanken von 15 bis 30 Nazis.

Hier noch der Text des Flyers:

Same shit – different house
oder
der Nazis neue Häuser

Seit Anfang letzten Jahres haben Neo-Nazis eine feste Anlaufstelle in Ratzeburg. Doch nicht etwa für den Ausstieg, sondern vielmehr für den Einstieg in die rechte Szene. Im Internet wurde das Haus als nationalsozialistisches Haus beworben und „national gesinnte Jugendliche“ wurden „herzlich eingeladen“.

Wie es im Umgang mit den Leuten steht, die nicht national gesinnt oder sogar „nicht-deutsch“ sind, zeigen diverse Überfälle und Pöbeleien gegen diese. Dass es sich dabei nicht um Lapalien handelt, zeigt z.B der Fall eines Jugendlichen, dem mit einer Holzlatte so heftig in das Gesicht geschlagen wurde, dass dieser bis heute nur einen Bruchteil seiner Sehkraft auf einem Auge zur Verfügung hat. Der Täter, der in dem „NS-Haus“ wohnte, zeigte keinerlei Reue, sondern hetzte auch im Gerichtssaal noch gegen Linke.
Genau dieses Verhalten zeigt, wie gefährlich solch ein Zusammenleben von Rechten sein kann: Das Propagieren von Gewalt, der Bezug zum 3. Reich und der Hass auf Linke im weitesten Sinne, auf Juden, auf sogenannte „Ausländer“ und Homosexuelle führen in eine Spirale, die immer tiefer in das Umfeld zieht, das Individualität und Freiheit bekämpft.

Anfang diesen Jahres gaben die Neo-Nazis überraschend ihren Auszug aus dem Haus bekannt und riefen im gleichen Artikel eine „national besetzte Zone“ in der Innenstadt aus. Faktisch bedeutet dies eine NoGo Area für oben genannte „Zielgruppen“. Es sollte auch unbedingt ein Zusammenhang zwischen der Arbeitsstelle eines Neo-Nazis im Bäcker „Allwörden“ am Markt und dem neuen Treffpunkt auf dem Marktplatz für „national gesinnte Deutsche“ gesehen werden. Bis jetzt gab es lediglich einen bekannten Zwischenfall, bei dem ein Jugendlicher von einem Mob Nazis mit Knüppeln und einem Messer bedroht worden ist.

Die Neo-Nazis kamen aus ihrem neuen, komplett gemieteten Haus in der Langenbrücker Straße, das sie offiziell zu viert bewohnen. Allerdings gehen dort Jugendliche und alteingesässene Neo-Nazis ein und aus. Neben Feiern für NS-Verbrecher finden dort politische Abende in gemütlicher Runde statt, sodass es nur eine Frage der Zeit ist, wann solche Einstellungen und das Neo-Nazi Zentrum durch Taten noch sichtbarer werden.

Bei dem Zentrum sollte nicht nur die politische Dimension gesehen werden, sondern vor allen Dingen auch die individuelle, die dazu führt, dass Menschen nicht mehr gerne auf die Straße gehen oder junge Menschen meinen, in diesem Zentrum eine Freizeitbeschäftigung entdeckt zu haben. Dem muss entschieden entgegen gewirkt werden, damit dieser Zustand nicht zu einem andauernden Zustand wird.

Kampagne für Freiheit und häuserlose Nazis!

Antifa Herzogtum Lauenburg [AHL]  AHL@Lnxnt.org

Für mehr Infos empfehle ich einfach mal die Seite der regionalen Antifa: antifaherzogtumlauenburg.blogsport.de
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Ergänzungen

Kindermord durch Nazis

Antifaschist 12.04.2010 - 21:12
Auszug aus

"...Am 23. November 1992 starben bei einem von Neonazis verübten Brandanschlag auf zwei Wohnhäuser drei Türkinnen, darunter zwei Kinder..."

Dadurch erlangte der Name Mölln damals traurige Berühmtheit in der ganzen Bundesrepublik sowie im Ausland.




rechte Vorfälle

Die Provinz und ihre Nazis 13.04.2010 - 01:16
Hier einer der Vorfälle aus den letzten Jahren. Einer von vielen - nur dieser ist dokumentiert.  http://www.ln-online.de/regional/2282142

Beiträge die keine inhaltliche Ergänzung darstellen

Zeige die folgenden 6 Kommentare an

Auf jeden Fall... — Roter Sprühling

Zum Thema Messer — tutnixzursache

Nazi-Trolls löschen — Ortskundiger

@ratzeburger — Dein Name

@die Nazis hier — Dein Name

Richtigstellung — Wissender