Chile: Mapuche vs. Geothermie

humanressource 14.12.2009 02:27 Themen: Weltweit
Die seit Monaten anhaltenden Spannungen zwischen Mapuche Gemeinden und Chilenischer Regierung über territoriale Rechte bekommen durch internationale Investitionen in Erneuerbare Energien wie Wasserkraft und hier Geothermie erneut Brennstoff.
Hier dokumentieren wir eine Erklärung aus der IX.Region "Araukanien"

Melipeuco, 10. November 2009.

 

ÖFFENTLICHE ERKLÄRUNG

GEGEN DIE AUSSCHREIBUNG FÜR GEOTHERMIEIM GEBIET VON MELIPEUCO

(IX. Region, Chile)

 

An die Zivilgesellschaft

An die sozialen Organisationen

An die Presse

An die Bevölkerung der Erde

 

Der Gemeinderat von Melipeuco,eingerichtet für die Verteidigung der Gebiete in der GemeindeMelipeuco und bestehend aus Mapuche Gemeinschaften, Kleinbauern ,Nachbarn der Gemeinde und Tourismusorganisationen, macht diefolgenden Ereignisse öffentlich:

 

Das Ministerium für Bergbau gab imLaufe des Monats Juli dieses Jahres eine Ausschreibung für dieErforschung von zwanzig Konzessionen betreffs Geothermie bekannt.Eine davon ist die Konzession Sollipulli in Los Nevados delSollipulli, die sich in der neunten Region Araukanien befindet.

 

Diese Konzession umfasst eine Flächevon 48.000 km² der Gemeinden Cunco, Melipeuco und Curarrehue. Etwa40% der ausgeschriebenen Fläche gehört zum Nationalen SchutzgebietVillarrica, das aus Araukarien-Bäumen besteht und ein Ort reicherArtenvielfalt in Flora und Fauna ist.

 

Aber schlimmer ist, dass der Staat dasGebiet von 15 Mapuche-Gemeinschaften der Gemeinde Melipeuco und einerder Gemeinde Curarrehue in die Ausschreibung aufgenommen hat. Aufdiese Art und Weise, bekannt durch Geschehnisse im Norden unseresLandes, in El Tatio, sind ihre Gebiete und natürlichen undkulturellen Ressourcen ernsthaft bedroht.

 

Es sind religiöse Aspekte betroffen,da innerhalb der Ausschreibungsfläche Orte für das Nguillatúnbestehen, sowie Friedhöfe und natürliche Elemente, die für sichbereits Teil der Religion und Weltanschauung der Mapuche sind.

 

Sie sehen sich in ihrer kulturellenReproduktion bedroht, da sie in diesen Gegenden ihre den Mapucheseigenen sozialen Feiern erneuern und erschaffen.

 

Sie sehen sich in der Möglichkeitwitschaftliche Aktivitäten zu entwickeln bedroht, da eine engeBeziehung zwischen dem Leben der Gemeinden und ihrer Umgebungbesteht: die Anden, das traditionelle Pinienkern-Sammeln, oder dasSammeln anderer Nicht-Holz-Produkte, etc. Auf der anderen Seite sinddie Wasserquellen bedroht, denn das Geothermie-Gesetz sieht vor, dassdie Firmen durch Konzession zu Besitzern des kompletten Grundwasserwerden, das sie finden. Dies Grundwasser versorgt die Flüsse undBäche von denen die Mapuche Gemeinschaften abhängig sind. Allediese Elemente sind fundamentale Teile ihrer Ökonomie undtraditionellen Subsistenzwirtschaft.

 

Es ist auch ein weiterer Zweig derproduktiven Entwicklung bedroht, der große Bedeutung in diesenBereichen gewonnen hat: die Möglichkeit für die Familien einennachhaltigen Tourismus zu gestalten, der auf dem Schutz und derErhaltung der äußerst reichen natürlichen Ressourcen basiert, wieder Vulkan Sollipulli und seine Umgebung.

 

Die Gemeinden widersprachen beimMinisterium für Bergbau diesen Ausschreibungen und der traditionelleFührer der Gemeinde (Lonko) Jose Relmucao Porma rief dasBerufungsgericht in Santiago an, auf Basis einer Schutzklage, abersein widerspruch wurde abgewiesen. In dem Widerspruch legten siealle vorstehenden Argumente dar, fügten kommunale Landtitel undindividuelle Besitztitel bei, um ihre individuellen Rechte über dasLand zu beweisen, aber keines dieser Argumente wurde beachtet.

 

Überraschend zu sehen war, dass die Nationale Behörde für Indigene Entwicklung (CONADI), die dasMinisterium für Bergbau um Stellungnahme gebeten hatte, sich nichtzu dieser Frage äußerte, was wiederum das Bergbauministerium als"positves Schweigen" auslegte, in der Annahme, dass einNicht-Äußern der Behörde eine Zustimmung zur Erteilung derKonzession bedeute.

 

Darüber hinaus stellte sich dasMinisterium für Bergbau taub gegenüber den Argumenten, die sich aufdas IAO-Übereinkommen Nr. 169 bezogen, was die Verpflichtung deröffentlichen Einrichtungen zu einem Prozess der Konsultation undTeilnahme verpflichtet, immer wenn diese Projekte in indigenenGebieten beginnen wollen.

 

Kurz gesagt, das Ministerium fürBergbau hörte sich nicht eines der vorgetragenen Argumente an,überging die Rechte der indigenen Bevölkerung über ihrTerritorium, und die Vereinbarungen in der IAO-Konvention 169, die inChile bereits Gültigkeit hat.

 

Die Antwort stellt wiedereinmal dieInteressen der großen Konzerne über die lokalen Interessen, und indiesem Fall über die Interessen der Mapuche Bevölkerung, dabei ohneKonsultation und erst recht ohne Genehmigung ihre angestammten Rechteübergehend, sowie die Mapuche Gemeinschaften und ihre Rechte, diesie als Bevölkerung über ihre Territorien haben.

 

Deshalb rufen wir, die Gemeinden undder Gemeinderat Melipeuco, die Regierung auf, die angestammtenRechte, betroffen durch die Gesetzgebung bezüglich Geothermie,durchzusetzen. Gleichzeitig machen wir einen erneuten Appell an alle,die von diesen Praktiken betroffen sind, uns zusammenzuschließen undauch weiterhin, unser Territorium zu verteidigen!

 

 

 

GEMEINDERAT MELIPEUCO




Weitere Infos zum Thema:

Seite von "de.mapuches.org"
ZDF-Beitrag "Reise ans Ende der Welt" von Carsten Thurau
Kirchliche Seite (Adveniat) "Blickpunkt Lateinamerika" zu den vorhergehenden Landkonflikten
Radiobeiträge von Radio Corax, Halle:


Schreibt eure Solidarität (auf Spanisch) an den Gemeinderat von Melipeuco!
... oder euren Protest an die Chilenische Botschaft in Berlin oder die Deutsche Botschaft in Santiago.

Oder schaut euch die Sache selbst an: Trafkura expediciones, Chile, IX. Region
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Ergänzungen

Erschreckend, dass...

Loméc 14.12.2009 - 11:10
sich die Entwicklungen überall ähneln.

Aktueller Bericht aus Oaxaca, Mexiko über Proteste gegen eine kanadische Mine:
 http://www.narconews.com/Issue57/article3522.html

Radiobericht von Radio Onda über das Infrastruktur-Projekt IIRSA:
 http://www.npla.de/onda/content.php?id=992

Wikipedia:
 http://en.wikipedia.org/wiki/Initiative_for_Infrastructure_Integration_of_South_America

Die Mapuche können also schon mal Blaupausen für weitere Schreiben aufsetzen.

hä?

hä? 14.12.2009 - 17:15
Habe ich nicht gecheckt, die wollen 20 Geothermie-Kraftwerke bauen. Wie kann das 48.000km² Fläche beanspruchen?

Hoffentlich wird das zu einem Konflikt über Aneignung und kein stumpfer Konservatismus. Ich meine idealerweise, würden die Kraftwerke von den Indigenen selber betrieben, dann hätte sie eine Einnahmequelle und könnte mit dem Strom eine eigene Infrastruktur aufbauen. Dann hätten sie politisch was gewonnen. Die ganzen 48.000km² können ja nicht heilig sein.

Doppel-Hä

georix 14.12.2009 - 18:46
Hmm...stimme ich meine/rm Vorredner/in völlig zu - Geothermie ansich ist eine saubere Sache (kein Co2-Ausstoss, keine sonstigen Abgase, keine vergifteten Abwässer, recht kostengünstig) und würde den Menschen dort eine neue, ökologisch sinnvolle Einkunftsquelle geben.

Zum Wasser: Das Grundwasser geht hierbei doch nicht verloren! Im Artikel steht das so drin, als ob die gesamten Flüsse und Bäche ab jetzt trockenliegen, für Geothermie braucht man doch nur wenig Wasser&das ist in einem Kreislauf drin...

Ich frage mich, was mit diesem Artikel beabsichtigt ist: Soll hier einfach alles neue, industrielle verteufelt werden? (Klar sollten "heilige" Gebiete auch respektiert werden!) oder ist hier jemand zu doof simple Technik zu verstehen?

Ich verstehe die Planung von Geothermie-Anlagen als durchaus Zukunftsgewandt und Sinnvoll - anders würde ich reagieren, wenn jetzt 20 Kohlekraftwerke dort geplant wären...

Vielleicht kann mich jemand aufklären, das wäre schön.

Aufklärung

humanressource 15.12.2009 - 03:03
Es geht hier nicht um umweltfreundlich oder nicht. Es geht hier um die Enteignung von Menschen, konkret ihrer kulturellen Lebensgrundlagen, ihre heiligen Stätten, ihre Friedhöfe und die Ressourcen der Natur um ihre Gemeinden herum. Was wäre, wenn ein Mapuche käme und im Kölner Dom eine Geothermie-Station bohren will? Die Natur ist hier eher wie eine Kathedrale zu sehen, als wie ein Stück unberührte Ressource.
Das mag alles ziemlich romantisch klingen, es ist aber nicht unsere Kultur, die damit kaputt gemacht wird. Deshalb sollten die Wünsche dieser Menschen respektiert werden.

Die Kritik geht auch eher in die Richtung, dass sie eben nicht gefragt wurden. Dass ihnen wie schon 500 Jahre lang erzählt wird, was gut für sie sei (oder dass es sie doch nicht stören dürfte). Das können sie denke ich selbst ganz gut entscheiden.

Und sie haben sich für Sanften Tourismus entschieden und eine Lebensweise, die ihren Traditionen gerecht wird. Es sind Mapuche und keine Ruhrpötter - natürlich kann man so Identitäts-Kram diskursiv versenken, es ist aber für ihr Selbstbewusstsein wichtig. So sehen sie das und das muss respektiert werden. Sonst wäre es eben eine Art Paternalismus "Ich weiß, was für dich gut ist" - wichtiges Element des Kolonialismus.

Zur Technik: Es geht um die Ausschreibung zur Erkundung. D.h. es werden Straßen in die Natur gebaut, um das schwere Bohrgerät an die Orte der Erkundung zu bringen. Es wird auch nicht nur ein Loch gebohrt, sondern viele, weil es ja eine Erkundung ist. D.h. die "unberührte Natur" (also die Natur in der die Mapuches seit jeher leben) sieht hinterher anders aus. Oder zumindest befürchten sie das, weil es an anderen Stellen im Land so war (und das auch durchaus gängige Praxis ist).
Solchen Projekten folgen oft weitere, z.B. Holzeinschlag. Auch muss für die Energie eine Leitung gelegt werden. da dürfen auch keine Bäume drunter wachsen, oder?
Die Geschichte mit dem Wasser: mag sein, dass so ein Kraftwerk einen geschlossenen Kreislauf hat. Den haben Atomkraftwerke auch. Trotzdem werden sie über Wärmetauscher gekühlt, müssen sie sogar, damit das Wasser mit einer größeren Temperaturdifferenz gefahren werden kann. Das bedeutet nähmlich mehr Ausbeute. In BRD müssen in heißen Sommermonaten, bei Niedrigwasser in den Flüssen, die Teile dann immer mal wieder abgschaltet werden, weil sie nicht mehr abkühlen können. Warum? Weil die Flüsse sonst für Fische nicht mehr genug Sauerstoff gelöst haben. In BRD ist die Ökobewegung etwas stärker als in anderen Ländern. Kurzer Schluss: es wird mit Sicherheit Kühlwasser gebraucht. Wieviel weiß ich auch nicht. Es ist nur berechtigt, sich darüber Sorgen zu machen, wenn den Konzessionären alle echte am Wasser in dem Gebiet zugesprochen werden. Das bedeutet, die Gemeinschaften haben keine Mitsprache mehr.
Ich verweise mal auf die Wikipedia zu Geothermie und die Machbarkeitsstudie für die BRD:
"Sachstandsbericht „Möglichkeiten geothermischer Stromerzeugung in Deutschland“ (2003, PDF)"
Dort kann auf Seite 66 ein Fleißschema betrachtet werden - mit Kühlturm, also scheint Kühlung zumindest irgendwann notwendig zu sein (Bild im Anhang).

Was ist das alles anderes als Enteignung?

Ohne jetzt den Revolutionstourismus fördern zu wollen: Fahrt einfach mal hin. Die bieten alles mögliche an Wandertouren an. Da könnt ihr dann sehen, ob es gut ist, eine Geothermie-Erkundung zu machen. (Ich hoffe, ihr seid nicht von der GtZ oder KfW :-) Die dienen nämlich als Türöffner für "ökologische", "humanitäre" oder "nachhaltige" Enteignung).

Ergänzung zur Aufklärung

humanressource 15.12.2009 - 03:13
Hab ich vergessen:
Du glaubst doch nicht wirklich, dass die Leute vor Ort irgendetwas an der Stromerzeugung verdienen, oder?
Der Investor verschenkt da keinen Cent. Das ist Marktwirtschaft.
Und unausgebildetes Personal braucht so eine High-End Technik auch nicht, nicht mal am Straßenbau werden die Menschen dort verdienen. Das machen Firmen aus den Städten, oder sogar aus Europa.
Ich empfehle das Buch "Der Schlangenbaum" von Uwe Timm. Das handelt von einer Papierfabrik-Baustelle in Chile zu Zeiten Pinochets - mit einer BRD-Baufirma. Den Schluss verrate ich nicht, aber er ist der einzig richtige! Lesen.