Köln: Zahltag und Prozess

hkkhj 30.11.2009 18:59 Themen: Soziale Kämpfe
Heute war es wieder soweit, "Zahltag" in Kölle. An die achtzig AktivistInnen aus den sozialen Bewegungen nahmen morgens das Foyer der ARGE in Beschlag und veranstalteten einen Umsonstflohmarkt. Zudem gab es anschließend einen Prozess gegen zwei AktivistInnen.
Geld her!
Aus Anlass eines Prozesses gegen zwei AktivistInnen aus den sozialen Bewegungen startete um 9:30 morgens, zum wiederholten Male, ein Zahltag in der ARGE an der Luxemburgerstraße in Köln. Diesmal konnten ohne Probleme an die achtzig AktivistInnen das Foyer der Arge entern. Sogleich wurde eine Raumumgestaltung vorgenommen. Eine Anlage und Musikband untermalten den Aufbau des Umsonst-Flohmarktes und des all for free Frühstückes. Die Polizei und die ARGE-Leitung hatten wieder eine Deeskalation-Strategie auf die Tagesordnung gesetzt und hielt die Hunderschaft in einer Seitenstraße bereit, während innerhalb der ARGE 15 Streifenhörnchen und eine Menge Zivi-Bullen umherstreunten. Zudem waren die alten Bekannten von Kötter Security gekommen, um neben den Ständen des Flohmarktes planlos rumzustehen.

Der Flohmarkt wurde gut angenommen, und viele zeigten sich erfreut »Nikolaus« Geschenke mit nach Hause nehmen zu können. Ein spontaner ARGE Rundgang offenbarte nebenbei, dass die Polizei inzwischen getarnt als »Kunden« der ARGE in den Arbeitszimmern rumlungerte und auf Besuch wartete. Aber vielleicht haben einige Cops ja auch keine Lust mehr der Knüppel für das System zu sein. Mehrere echte »Erwerbslose« jedenfalls suchten wieder Beratung und Hilfe, denn auch heute wollte die ARGE wieder nicht auf Willkür und Demütigungen verzichten. So ging der Zahltag ohne größere Zwischenfälle kurz vor 12 Uhr zu Ende.

Hintergrund des Prozess:
Immer wieder greifen die ARGE´n zu Repression und Kriminalisierung der sozialen Bewegungen. So entwickelte sich letzte Woche in der ARGE Mülheim in Köln, nach einem Übergriff von Kötter Securitys gegen einen Erwerslosenaktivisten, ein kleiner Kampf um die Hohheit über die Wartemarken (www.die-keas.org ).Der Hintergrund zum heutigen Prozess war eine Begleitung am 9. Juni 2009. Damals hatten AktivistInnen eine Diabetikerin zur ARGE begleitet, die ihre Geldbörse verloren hatte, aber dringend Insulin brauchte. Wie sich herausstellte, hatten ARGE-Mitarbeiter die Person von der Krankenkasse abgemeldet und ihr dies nicht mitgeteilt, weshalb sie nicht krankenversichert war.

Die Sachbearbeiterin hatte sich stur gestellt – also sind die Betroffene und Begleitung zur Standortleitung gegangen und haben gefordert, sofort zu helfen. Die Frau war bereits am Ende ihres Insulinvorrats angelangt. Was dann geschah, nennt mensch einen »kleinen Zahltag«: Das unangekündigte Auftreten der Begleitgruppe zeigte seine Wirkung, so oder so. Diese setzte sich aus bis zu 20 Leuten zusammen, die vor Ort oder über Mailing-Listen mobilisiert wurden. Die herbeigerufene Polizei stellte sich auf Seiten des Amtes und entschied, die AktivistInnen hätten das Haus zu verlassen. Die Situation eskalierte im weiteren Verlauf. Einer Filmemacherin wurde ihr Film entwendet und sie wurde dabei verletzt. Zusätzlich wurde ein sechsmonatiges Hausverbot gegen zwei AktivistInnen erteilt, um diese von der ARGE fernzuhalten.

Interview mit einer Aktivistin zum Prozess

Prozess-Bericht
Wieder einmal erging ein Klassenurteil von der politischen Justiz Kölns. Richter Wiegelmann, zuständig für die Bestrafung Linker in Köln, konnte wieder in voller Fahrt erlebt werden. Die Herren in den Roben legten sich eine interessante Story zurecht, die an manch einen Schauprozess in anderen Ländern erinnerte. Dananach hätten gemeingefährliche Linksradikale am 9. Juni eine lang vorbereitete Aktion in der ARGE inzeniert, um das "Schweinesystem" mal wieder vorzuführen. Zu diesem Zwecke seien die »Krawallmacher« auf die Suche nach einer Diabetikerin gegangen, die so voraussehend war, dass sie sich von der ARGE bei der Krankenkasse hat abmelden lassen, dann ihr Portmonai verliert, dann ohne Erflog bei der ARGE vorstellig wird, um Geld für Insulin zu beantragen und schlußendlich auf die »Politkriminellen« in der ARGE trifft, die sich der Frau aufdrängen. Staatsanwalt zu der Betroffenen: "Wenn man das Portmonai verliert, dann muss man selber sehen, wo das Geld halt herkommt!".

Nachdem diese Wahnvorstellungen von Staatsanwaltschaft und Richter ausgeführt worden waren, wurde es seitens der BesucherInnen im Gerichtsaal ein wenig lauter, so dass sich der Richter gezwungen sah, die Hundertschaft als möglicherweise notwendige Reserve wieder zu rufen. So wurde unter Polizeischutz und Entzug des Rederechts der Angeklagten der »Wahrheitsfindung« gedient und »deutsches Recht« gesprochen. 45 Tagessätze und 40 Tagessätze für Hausfriedensbruch und Widerstand gegen Bullenschweine. Naja, vielleicht sollen kranke Menschen und Hungernde auch in der ARGE zusammenbrechen. Bullen und Gerichte sind halt Teil des Schweinesystems BRD. Achja, passend zur Aussage des Staatsanwalt: "Wenn Polizeibeamte angegriffen werden, dann hört der Spass auf!". Der Spass ist schon lange zu Ende und eure Fressen stehen auf unseren Zetteln!
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Ergänzungen

Flyer und Jingel

... 30.11.2009 - 19:30
Verteilte Flugis beim Zahltag:

ZAHLTAG GEHT WEITER!
BESUCHEN SIE UNS!
PICKNICK UND UMSONST-FLOHMARKT IN DER ARGE


Täglich verstoßen ARGE-MitarbeiterInnen gegen das Gesetz, das auch unter Hartz 4 vorschreibt, dass jedem in Not geratenen Menschen sofort zu helfen ist. „Unterlassene Hilfeleistung“ nennt man solches Verhalten, was nicht nur unmenschlich sondern auch kriminell ist. Während Gesetzesbrüche zum normalen Arbeitsalltag der MitarbeiterInnen gehören, lässt die ARGE fast täglich protestierende und fordernde Arbeitslose durch die Polizei rausschmeißen.

Heute Mittag findet ein Prozess gegen zwei Leute im Amtsgericht statt, die ebenfalls durch Polizeigewalt aus der ARGE geschleppt wurden. Der Grund dafür war, dass sie mit mehreren Menschen zusammen im Juni eine kranke Frau zur ARGE begleitet haben, die ihre Geldbörse verloren hatte. Die Frau war in Not und brauchte dringend Geld, um sich als Diabetikerin mit Insulin zu versorgen. Sie war bereits Tage vorher in der ARGE gewesen und ohne Geld wieder nach Hause geschickt worden. Einige Tage später hatte die Frau mit einigen Leuten als Begleitung erneut in der ARGE um Unterstützung gebeten und war von der Standortleiterin wieder abgewiesen worden. Nur durch die Beharrlichkeit der zahlreichen BegleiterInnen konnte schließlich eine Barauszahlung erkämpft werden. Die von der ARGE herbeigerufene Polizei eskalierte allerdings die Situation und räumte gewaltsam. Zwei Menschen aus der Begleitung wurden seitens der ARGE mit einem Hausverbot belegt und gegen sie wird heute Anklage wegen Hausfriedensbruch und Widerstand erhoben. Noch weitere sechs Menschen erwarten in gleicher Angelegenheit Prozesse.

Dies war nicht die erste Begleitung zur ARGE und wird auch nicht die letzte gewesen sein. Seit einiger Zeit haben sich in Köln und anderen Städten Menschen zusammengefunden und unterstützen sich gegenseitig beim Gang zur ARGE. Wir haben die Erfahrung gemacht, dass sie uns, wenn wir mit Begleitung kommen, nicht so leicht verarschen können. Das nervt die ARGE, denn sie wissen ganz genau, dass der Ärger immer größer werden kann.

Wir werden jeden Tag mehr! Denn ihr kaputtes Wirtschaftssystem spuckt nämlich täglich neue Arbeitslose aus, die sich ungerecht behandelt fühlen und ihr Einkommen und ihre Würde verteidigen müssen. Hausverbote, Polizeigewalt und Anklagen sollen uns deshalb abschrecken und unsere erneute Vereinzelung in der ARGE erzwingen. Aber so läuft das nicht!

Aus Solidarität und als Protest haben wir uns heute in der Eingangshalle der ARGE versammelt. Besucht uns und den Umsonst-Flohmarkt, kommt zum Prozess um 12 Uhr im Amtsgericht Zi. 33

Geht nur in Begleitung zur ARGE!
Mischt euch ein, wenn sie Polizei holen und jemand fertig machen wollen!
Und denkt dran:
Es ist unser Geld nicht ihres – Es ist unser Leben nicht ihres.

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Für ein, zwei, drei, ganz viele gallische Dörfer: Einladung zur 1. „Soziale Kämpfe“-Vollversammlung

Die sozialen Verhältnisse um uns herum spitzen sich zu – immer unübersehbarer werden die Zwänge und Zumutungen, denen wir in der Schule, in der Ausbildung, im Job, auf dem Ausländeramt, im Jobcenter oder im Knast ausgesetzt sind. Immer mehr „Zugeständnisse“ hinsichtlich unserer ökologischen, ökonomischen und sozialen Sicherheit werden uns abgepresst. Diesen zahllosen Angriffen des kapitalistischen Systems auf uns – auf unser Leben, auf unsere Selbstbestimmung und unsere Würde - gilt es, lautstark und deutlich vernehmbar etwas entgegenzusetzen. Wir denken, daß es an der Zeit ist, uns mit Euch und vielen anderen zusammenzutun, statt uns gegeneinander ausspielen zu lassen, um uns kennenzulernen und auszutauschen. Dabei wollen wir keine linken Selbstvergewisserungen abfeiern, sondern jenseits von Gruppenzugehörigkeiten und Zuschreibungen auf Basis einer radikalen Gesellschaftskritik gemeinsam ins Handeln kommen.

*Daher laden wir euch ein zur ersten „Soziale Kämpfe Vollversammlung“. Jede/R ist herzlich eingeladen vorbeizukommen, mitzudiskutieren und die eigenen Ideen in den Raum zu werfen – am Freitag, dem 04. Dezember, ab 19.00h im Naturfreundehaus in Köln-Kalk, bei Schnittchen und noch mehr Speis und Trank.

Da Jammern und Klagen allein bekanntlich wenig weiterhilft, und wir Apathie, Vereinzelung und dem Rückzug ins Private wenig halten, sollten wir überlegen, welche Chancen von Widerstand sich uns in der gegenwärtigen Situation und zu den vielfältigsten Gelegenheiten bieten. Denn manch ein "gallisches Dorf" zeigt, dass es auch anders geht, und daß Wut, Gegenwehr und Widerstand durchaus erfolgreich sein können. Ob das gemeinsame Erstreiten von Leistungen auf dem Amt wie bei „Zahltag“ auf der ARGE, die Abwehr sich verschlechternder Arbeitsbedingungen beim Gate Gourmet Streik, die generationen- und klassenübergreifenden Bildungsstreiks in Frankreich oder der Aufstand der Jugend in Griechenland im letzten Jahr – all die verschiedenen Versuche lassen spüren, dass diejenigen mehr werden, die sich nicht länger alles gefallen lassen.

Den Kampf gegen die sozialen Verschärfungen können wir aber nicht jede/R für sich allein gewinnnen! Es ist Zeit, daß wir uns unserer selbst, unserer gesellschaftlichen Situation und unserer politischen Möglichkeiten wieder bewußt werden und zusammenzutun – daß wir als kämpfende Bewegungen wieder laut und deutlich wahrnehmbar werden, um uns und unsere Wut nicht länger in Schule, Job oder Amt vereinzeln zu lassen. Vielmehr gilt es, die Mauern zu überwinden, die uns trennen, und die Kämpfe in Schule und Betrieb, gegen ARGE und Knast, in Abschiebeanstalten oder gegen Zwangsräumungen zusammen zu denken, zu erleben und gemeinsam daran teilzunehmen.

Wir wollen die Erfahrungen und die Konsequenzen aus den Kämpfen, die wir führen, gegenseitig vermittelbar machen und miteinander verbinden. Es gilt, das scheinbar Unmögliche wieder zu denken, uns gegenseitig anzustecken mit unseren Ideen, und uns zu organisieren. Daher:

*Auf zur ersten „Soziale Kämpfe“-Vollversammlung:
Am Freitag, dem 04. Dezember, ab 19.00h
Im Naturfreundehaus Köln-Kalk*
(Kapellenstr. 9a, U-Bahn Linien 1 oder 9 bis Kalk-Kapelle)


*P.S.: Die Diskussion, aber vor allem auch das Buffet leben von Euren Beiträgen ... Bringt also gern etwas zu Essen und zu Trinken mit.

P.P.S.: Die Initiative zu dieser Vollversammlung ist bei Gesprächen zwischen Leuten aus den Zusammenhängen Zahltag!, agenturschluss, Antifa AK (Köln) und den K.E.A.s entstanden.*

Das Scheisshaus ARGE zum Überlaufen bringen!

bäh 30.11.2009 - 19:48
Als ich heute bei den Bullen vorbeilief, sprang da so ein Anzugträger rum und brüllte was von: "Die haben die Klos einbetoniert!". Naja keine Ahnung, ob das eine kreativer Umfinanzierungsvorschlag von Ein-Euro-Jobs hin zur Sanierung der Toiletten war, oder schonmal perspektivisch eine Kostenangleichung bzgl. des danach stattfindenen Prozesses sein sollte. Auf jeden Fall bin ich für mehr überlaufende Klos in den ARGEN!

3 Toiletten

anderer Antifa 01.12.2009 - 00:09
Ich habe von nem Security zu nem Bullen gehört das drei Kloschüssel voll zu betoniert worden sind.

Verlinkung

Verlinker 01.12.2009 - 01:12

noch ein Artikel

KölnerIn 02.12.2009 - 17:21
aus dem Kölner Stadtanzeiger:  http://ksta.de/html/artikel/1256137097187.shtml

Beiträge die keine inhaltliche Ergänzung darstellen

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yeah

aus Bonn 30.11.2009 - 20:07
Kreativer Widerstand in der ArGe und überall!