Bundesweiter Bildungsstreik setzt Zeichen

GB-AAK 19.06.2009 16:49 Themen: Bildung Kultur Soziale Kämpfe
Am Mittwoch den 17. Juni 2009 nahmen ca. 270.000 Schüler_innen und Student_innen an dem bundesweiten Bildungsstreik in über 80 Städten Deutschlands teil. Von Seiten der bürgerlichen Medien werden die Zahlen jedoch auf ein paar wenige Zehntausende reduziert damit ja niemand bemerkt das etwas nicht passt. Statt die Forderungen der Demonstrant_innen genauer zu erläutern und darauf einzugehen, verweisen Medien und die Kultusministerin lediglich darauf, dass Deutschland sich in einem europaweiten Lernsystem befindet und das Bachelor-Master-System auf keinen Fall abgeschafft werden kann. So wird das Bewusstsein geweckt die Viertelmillionen Menschen die sich an diesem Tag getraut haben, statt brav zur Schule oder Uni zu gehen, zu streiken, seien geistig umnachtet. Auch der „Gesellschaftskritische Blog – Antikapitalistisches Autorenkollektiv“ nahm an dem bundesweiten Bildungsstreik teil und schildert im folgenden seine Eindrücke von diesen Tagen.
Populismus der konservativ-liberalen Hochschulgruppe RCDS zum Bildungsstreik

Die Hochschulgruppe der Union „RCDS“ redet den ganzen Bildungsstreik nichtig und behauptet er sei von „dubiosen“ Gruppierungen veranstaltet worden. Dass deren Horizont nicht weit reicht, wird durch eine Publikation klar, in der sie schreibt: „Bestreik nicht deine Zukunft!“ Wahrscheinlich soll man sich lieber damit abfinden statt Forderungen für ein sozialeres Bildungssystem zu stellen. Will man 270.000 Menschen die Mündigkeit absprechen über ihr eigenes Leben selbst zu entscheiden?

Der RCDS geht soweit, dass er den Bildungsstreik als allgemein zu „gesellschaftskritisch“ bezeichnet und den Inhalt als „sinnlosen Populismus“ diffamiert Außerdem hätten die Proteste im letzten Jahr gezeigt, „dass es letztendlich nicht um die Sache geht sondern in Gewalt gegen jeden und alles ausartet“ und verweist auf die Zerstörung der jüdischen Ausstellung an der HU Berlin im November 2008. Dass allein an diesem Tag über 10.000 Schüler_innen trotz geringer Mobilisierung für ein besserer Bildungssystem protestierten bleibt vergessen, denn alle sind nur auf „Randale“ gegen alles und jeden aus.

Aber wer schon in einer Selbstdarstellung verlangt, dass nur „die Fähigsten an die Hochschulen gehören“, der ist auch nicht in der Lage zu verstehen, warum überhaupt jemand auf die Idee kommt ein besseres Bildungssystem, geschweige denn Chancengleichheit oder gar eine Einheitsschule zu verlangen, weil er/sie wahrscheinlich schon Teil der „Elite“ ist und sich daher keine Sorgen um seine/ihre Zukunft machen muss. Der RCDS scheidet somit als „demokratische Vertretung“ für die große Massen an Student_innen kategorisch aus, da er sich nur für die Interessen von Massenopportunist_innen und Elitekindern einsetzt. Damit macht er sich selbst eigentlich fast schon unbrauchbar und ist lediglich ein Auffangbecken für rebellische Student_innen die wieder zur „Vernunft“ kommen sollen.



Politisierung der (jungen) Schüler_innen

Die noch so unpolitischsten Schüler_innen und Student_innen die aus Unmut und Protest an dem Bildungsstreik teilnahmen, zeigten an diesem Tag überall, dass ihnen die Rettungsaktion der Banken überhaupt nicht gefällt. Sie fordern überall mehr Geld für Bildung statt für Banken und Konzerne. Vielerorts wurden symbolisch Banken besetzt und „überfallen“ um dies nicht nur in Worten, sondern auch Taten zu zeigen. Überdies weckte dieses Gemeinschaftsgefühl am Mittwoch in den meisten innere Wärme, die sie zuvor nicht kannten – die Solidarität. Kamen viele ohne Wissen um was es genau geht, wurden sie auf dem Bildungsstreik 2009 genau aufgeklärt und betrachten das Geschehen nun kritischer. Dieser Bildungsstreik war der bisher größte in der Geschichte der BRD – d.h. seit über 60 Jahren! Die Schüler_innen und Student_innen werden endlich wieder politisch und lassen sich nicht alles gefallen.



Forderung der Schüler_innen und Student_innen

Anders wie der RCDS behauptet, haben die Streikenden sehr wohl genaue Vorstellungen und Vorschläge für ein besseres Bildungssystem. Hier ein paar Beispiele:
- Mehr selbsbestimmtes lernen fördern
- Kleinere Klassen schaffen
- Mehr Lehrer_innen einstellen
- Rücknahme des Turboabis (G8)
- Eine Schule für alle statt Mehrgliedrigkeit und Selektion
- Bachelor/Mastersystems abschaffen
- Keine Zulassungsbeschränkungen
- „Bildungs für alle und zwar umsonst!“ (Demospruch)
- Rücknahme von jeglichen Studiengebühren und Büchergeld
- usw.

Wenn dies eine Viertelmillionen Menschen verlangen ist das kein Spaß mehr, es ist eine Forderung und hat mit Randale oder ähnlichem gar nichts zu tun! Will man denn warten bis es beim nächsten Bildungsstreik insgesamt 300.000 und beim übernächsten dann 500.000 sind? SPD- und Unionspolitiker_innen bezeichnen die Jugendlichen als „gestrig“ und reden ihre Forderungen nichtig, weil sie selbst an dem jetzigen Bildungssystem schuld sind.


Position des GB-AAK zum Bildungsstreik 2009

Auch wir fordern freie Bildung für alle und eine Einheitsschule, in der jede/r die selben Chancen hat und nicht abhängig vom Geldbeutel der Eltern ist. Wir unterstützen jeden Bildungsstreik und solidarisieren uns mit diesen Veranstaltungen! Statt Milliarden-Pakete in Banken zu stecken, unterstützen wir die Forderung dieses Geld lieber in die Bildung zu investieren, denn „Geist ist geil“ wie es am Mittwoch vielerorts hieß! Schluss mit Bevormundung und Selektion! Für eine freie, solidarische und selbstbestimmte Gesellschaft jenseits vom Kapitalismus!


Repression

Wie wir aus sicherer Quelle wissen, hat das Kultusministerium Bayern verlangt, allen Schüler_innen Sanktionen zu erteilen, würden sie am Mittwoch nicht in die Schule gehen. Ferner war dies ein indirekter Aufruf an die Direktor_innen Verweise zu verteilen. Daraufhin sperrten sie sogar die Türen der Schule zu, damit während der Protest, die Schüler_innen im Schulgebäude blieben. In vielen Städten standen bis zu 20 bewaffnete USK-Beamte vor den Eingangstüren. In Nürnberg wurden 15-Jährige mit Pfefferspray lahmgelegt als sie in das Hans-Sachs-Gymnasium (HSG) eindringen wollten um dort friedlich zu demonstrieren. Danach wurden etliche Menschen verhaften und Personalien aufgenommen (sogar von 12-Jährigen!!).


Hilfe für Betroffene von Repression

Viele Vereine wie die Rote Hilfe, SDAJ, usw. bieten allen, die trotz Abmeldung/Entschuldigung an diesem Tag Verweise bekommen haben oder Probleme mit der Polizei hatten/haben, rechtlichen Beistand an. Wenn ihr Betroffene seid, nehmt bitte dieses Angebot wahr und lasst euch diese Einschüchterungsversuche nicht gefallen! Dem Grundgesetz seid Dank, kann euch niemand die Grundrechte wie „Versammlungsfreiheit“ (Artikel 9 GG) streitig machen, und diese stehen über allen anderen.

Eine offizielle Entschuldigung bekommt ihr hier:  http://bildunginsig.files.wordpress.com/2009/06/entschuldigung-sfa.pdf
Rechtliche Hilfe hier: www.rote-hilfe.de & www.sdaj-franken.de


Die Woche ist nun vorbei, aber die Forderungen bleiben! Mal sehen was sich die nächsten Wochen tut und ob ein weiterer Bildungsstreik nötig ist um den Forderungen mehr Druck zu verleihen. Auf jeden Fall setzte dieser Streik Zeichen für die nächste Zeit!
Creative Commons-Lizenzvertrag Dieser Inhalt ist unter einer
Creative Commons-Lizenz lizenziert.
Indymedia ist eine Veröffentlichungsplattform, auf der jede und jeder selbstverfasste Berichte publizieren kann. Eine Überprüfung der Inhalte und eine redaktionelle Bearbeitung der Beiträge finden nicht statt. Bei Anregungen und Fragen zu diesem Artikel wenden sie sich bitte direkt an die Verfasserin oder den Verfasser.
(Moderationskriterien von Indymedia Deutschland)

Ergänzungen

falsch

tagmata 19.06.2009 - 19:34
"Von Seiten der bürgerlichen Medien werden die Zahlen jedoch auf ein paar wenige Zehntausende reduziert damit ja niemand bemerkt das etwas nicht passt. Statt die Forderungen der Demonstrant_innen genauer zu erläutern und darauf einzugehen, verweisen Medien und die Kultusministerin lediglich darauf, dass Deutschland sich in einem europaweiten Lernsystem befindet und das Bachelor-Master-System auf keinen Fall abgeschafft werden kann."

Nein. Das war eigentlich immer so, soweit ich die Studiproteste überblicken kann, aber die Massenmedien die ich gesehen haben berichteten diesmal, offenbar sauber, über rund 250000. Selbst am Nachmittag, als wohl in einigen Orten noch was lief, hieß es bereits offiziell "100000".

Und wenn die Neue Osnabrücker Zeitung schreibt, "Jetzt setzen [Schüler und Studenten] völlig zu Recht ein deutliches Signal" und die Eßlinger Zeitung Schavan asl "vorgestrig" bezeichnet, dann deckt sich das mit eurer Behauptung ungefähr Null.

 http://www.n-tv.de/politik/pressestimmen/Sie-haben-uns-etwas-zu-sagen-article371085.html

Eine saubere Leistung, SchulerInnen & Studis. Könnt ihr echt dick stolz drauf sein. Damals als man noch nicht wegen 2mal Fehlen das Studium riskierte und es sich leichter streikte, wären wir über so Zahlen sehr froh gewesen.

und was den rcds angeht:

tagmata 19.06.2009 - 19:42
seid ihr viel zu harmlos.

wenn es nach der rcds-führung ginge, hätte jetzt die hälfte von euch platzwunden, prellungen und den einen oder anderen knochenbruch, und gegen die linksradikalen rädelsführer liefen ermittlungsverfahren.

die typen meinen, euch sollten grundlegende freiheitsrechte entzogen werden, und ihr lämmchen tituliert die als "vertretung von elitestudis" statt als "brandstifter" und "gefahr für freiheit und demokratie"? mannmannmann. ihr müßt das kind beim namen nennen. "der rcds will eine andere republik" heißt das (das ist nämlich vor allem *deren* slogan ;-) ).



"straßenproteste sind der falsche weg und müssen aufhören. der staat läßt sich nicht davon einschüchtern und wird illegale forderungen nicht erfüllen."

... aber das war nicht der vorsitzende der cdu/csu-studenten, sondern der großayatollah chameinei in tehran.

Beiträge die keine inhaltliche Ergänzung darstellen

Zeige den folgenden Kommentar an

BILDUNGSSTREIK — antifa.sozialbetrug