Berlin: Über 100 Roma nach Räumung wieder obdachlos

Pressegruppe der Unterstützer/innen 12.06.2009 16:12
Pressemitteilung-

Nach knapp zwei Wochen in der "Unterkunft" Motardstr. wurden die 108 Roma-Flüchtlinge gestern geräumt und obdachlos ausgesetzt. Mitarbeiter der AWO, des Landessozialamtes (LaGeSo Berlin) und der rumänischen Botschaft forderten die Roma unter Androhung von polizeilicher Gewalt auf, das Haus zu verlassen.
Pressemitteilung zu gestrigen Räumung der Romafamilien aus der "Unterkunft" Motardstr.
Über 100 Roma in Berlin seit gestern wieder obdachlos

Nach knapp zwei Wochen in der Unterkunft Motardstr. wurden die 108 Roma-Flüchtlinge gestern geräumt und obdachlos ausgesetzt. Mitarbeiter der AWO, des Landessozialamtes (LaGeSo Berlin) und der rumänischen Botschaft forderten die Roma unter Androhung von polizeilicher Gewalt auf, das Haus zu verlassen.

Damit geht das seit Wochen andauernde humanitäre Drama von obdachlosen Roma in der Bundesdeutschen Hauptstadt in die nächste Runde.
Gestern zogen Senatsverwaltung und Arbeiterwohlfahrt in diesem „Romapoly“ die Ereigniskarte Räumung . Sie setzten die Romafamilien wieder auf das obdachlose Los und händigten ihnen gleichzeitig eine Abschiebungskarte aus, die für jede/n Rechtsexpert/in halt auch nur das Papier wert ist, worauf die Roma ohne Rechtskenntnisse unterschrieben.
In der Motardtstrasse anwesende rumänische Botschaftsmitarbeiter drohten den Roma nicht nur mit der Polizei, sondern auch mit einer zwangsweisen Abschiebung – eine Abschiebung von Unionsbürgern ist rechtlich unter den gegebenen Umständen aber vollkommen ausgeschlossen

Sie sind nun nicht nur dem Wetter, sondern auch den allnächtlichen Polizeischikanen wieder ausgesetzt, die sie zum Weiterziehen bewegen sollen. Auch an der Situation der Kinder und Schwangeren, die ja ursprünglich der Beginn des Eingreifens der Stadt war, hat sich weiterhin nichts verändert.

Wir erinnern daran ,das Auslöser dieser Ereignisse die überzogene Polizeiaktion am 19.05.2009 war, bei der gedroht wurde, den im Görlitzer Park campierenden rumänischen Romafamilien ihre Kinder wegzunehmen.Erst dadurch gerieten die Roma plötzlich in das öffentliche und politische Interesse.

Die politisch Verantwortlichen geben sich seit dem hilflos, überrascht und nicht zuständig angesichts einer seit Jahren bestehenden und sich mit der EU-Osterweiterung erwartungsgemäß erschwerenden Situation. Als einzige und kurzfristige Nothilfe wurde von der Stadt eine Unterbringung in der Erstaufnahmeeinrichtung und "Ausreisezentrum" in der Spandauer Motardstraße angeboten, dessen Schließung anti-rassistische Gruppen seit langem fordern. Aber auch dort dürfen die Roma seit gestern nicht länger bleiben . Alternativen gibt es weiterhin nicht. Unter den geräumten Romafamilien sind - was der AWO und der Sozialverwaltung bekannt war - zahlreiche Kinder, einige Schwangere und Kranke.
"Diese Familien sind unverschuldet in diese menschenunwürdige Situation geraten", so Pavao Hudik, Vorstandsmitglied des Migrationsrates Berlin-Brandenburg.
Große Sozialverbände und Kirchen haben sich bisher nicht der Roma angenommen, obwohl immer wiederin den vergangenen Wochen versucht wurde sie miteinzubeziehen. Diese zeigten sich angesichts der Situation jedoch handlungsunfähig und waren auch gestern am Tag der Räumung zu keinerlei Hilfsangeboten bereit bzw. in der Lage. So wurde unter anderem gegenüber dem Flüchtlingsrat Berlin erklärt, kirchliche Hilfen für die obdachlosen Roma-Flüchtlinge seien nur möglich, wenn dafür eine Kostenerstattung seitens des Landes Berlin garantiert sei.
„Die Behörden haben nun eine weitere Chance verpasst, diesen Menschen eine Perspektive zu bieten. Ein sozialer Umgang ist wohl weiterhin nicht gewollt.“ sagt dazu Rosa Masse,vom Unterstützer/innenkreis.

Die Vorgänge der gestrigen Räumung aus unserer Sicht
Am frühen Morgen,des 11.Juni 2009, fand eine konzertierte Aktion im „Ausreisezentrum Motardstraße“ statt. Dazu hatten sich der Senat Berlin mit dem Lageso unter Leitung von Herrn Klein, die rumänische Botschaft mit ihrem Botschafter an seiner Spitze und die AWO, als Hausherrin der Unterkunft, in der Motardstraße eingefunden. Aus der Sicht der Romafamilien stellte sich die Situation wie folgt dar: es gab keine angemessene Übersetzung, die Familien waren nicht ausreichend darüber informiert, dass dieser Tag der letzte war. Sie bekamen keine ausreichende Rechtsberatung. Sie wussten nicht, was jetzt mit ihnen passiert. Der Botschafter drohte damit, dass man sie mit Polizeigewalt in den nächsten Flieger setzen und in rumänische Knäste verfrachten könnte. Um das abzuwenden, könnten sie ein Papier unterschreiben, dass ihnen Geld für eine Rückfahrt gewährt würde. Nach Augenzeugenberichten war unklar, wer hier welche Verantwortung übernommen hat. Klar ist nur, dass jeder Beteiligte die Verantwortung für die Situation von sich schob, z.B. vermied es die AWO, eindeutig darüber Auskunft zu geben, dass sie keine polizeiliche Räumung beantragen würden. Sie hatten Angst davor, dass der Senat die Kosten der letzten 2 Wochen nicht übernehmen würde. Auch der Botschafter wollte nicht allein dafür verantwortlich sein. Er gab auf Nachfragen an, dass er nicht anders hätte handeln können. Immerhin ist er der Vertreter der Staates Rumänien, der nie zugeben würde, dass Roma in Rumänien keinen Minderheitenschutz genießen. So kam es zu dramatischen Szenen: Menschen wurden aus ihren Räumen ausgeschlossen und wussten nicht, was nun passiert. Menschen, die in ihrem Heimatland permanent von Polizeigewalt verfolgt, gedemütigt und inhaftiert werden, waren der Verunsicherung durch die Staatsmacht ausgeliefert.Einige Frauen und Kinder wiedersetzten sich angesichts der völligen Aussichtslosigkeit ihrer Situation der Räumung. Sie wurden darauf von der Heimleitung wieder in die Unterkunft zurückgebracht. Allerdings wurden nur wenige Stunden später auch diese zurückgebliebenen Frauen und Kinder wieder vor die Tür gesetzt. So stiegen alle in den Bus, fuhren in das Bürgeramt Mitte, und unterschrieben ohne Rechtsbelehrung einen Zettel. Das steht in krassem Gegensatz zu ihren Rechten als EU-Bürger/innen, wonach sie sich in der EU frei bewegen können. Auch ist unklar, was mit den, von den Romafamilien von Behörden gespeicherten Daten, weiter passiert.

Der Unterstützer/innenkreis der Romafamilien verurteilt diese Form der staatlichen Repression aufs schärfste und behält sich kämpferische Formen des Widerstandes und zivilen Ungehorsam dagegen vor.
Weiterhin verlangen wir die Löschung aller persöhnlichen Daten der Roma und fordern Aufklärung darüber, ob in Berlin wieder oder noch immer sogenannte „Zigeunerakten“ des Landeskriminalamtes existieren.

Weitere Informationen unter:0179-851 77 bzw.  berlin-fuer-roma@gmx.net

Die Pressegruppe der Unterstützer/innen
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