Frankreich: Protest gegen AKW-Bau vor Gericht

eichhoernchen 06.06.2009 16:00 Themen: Atom Repression Weltweit Ökologie
Am 9. Juni stehen französische AtomkraftgegnerInnen vor Gericht in Cherbourg (Frankreich).
Vier AktivistInnen von Sortir du nucléaire haben 2007 aus Protest gegen den AKW-Neubau in Flamanville (Niedernormandie) einen HSL-Strommast in Flamanville für 40 Stunden besetzt. Sie werden nun wegen Störung öffentlicher Versorgungsbetriebe angeklagt. Das Thema Hochspannungsleitung ist im Zusammenhang mit dem EPR sehr brisant, weil für den EPR-Reaktor eine neue HSL gebaut werden soll. Die HSL-Trace soll über mehrere Regionen führen. Der Widerstand ist jeweils sehr aktiv und wird zum
Symbol für den Widerstand gegen AKW-Neubauten. Die Aktion der BesetzerInnen sorgte jedenfalls für viel Aufmerksamkeit in Frankreich. Die Aktionen von Greenpeace AktivistInnen, die die Bauarbeiten in Flamanville behinderten, fanden ebenfalls große Presseresonanz. Die Greenpeace-AktivistInnen stehen nun auch vor Gericht in Cherbourg. Der 9. Juni wird der erste große Prozess gegen AtomkraftgegnerInnen im direkten Zusammenhang mit AKW-Neubauten in Frankreich sein.
Wir nutzen die Gelegenheit, die Hintergründe des Protestes und der kommenden Verfahren zu beleuchten im Himblick auf eine notwendige internationale Vernetzung gegen deise Neu-Baupolitik.
Frankreich bricht schon unter dem Atommüll aus Frankreich, Europa und Japan zusammen.
Für uns, für unsere Kinder und für tausende von kommenden Generationen gibt es keine vernünftige Lösung zur Entsorgung von abgebrannten Brennelementen. Es ist Zeit die Atommüllproduktion zu stoppen und sich gegen den Bau neuer Atomkraftwerke zu wehren!
Doch Frankreich baut neue Atomkraftwerke.

EPR steht für European Pressurised Reactor. Der Reaktor wird als „Reaktor dritter Generation“ gepriesen,obwohl es sich dabei um einen üblichen Druckwasserreaktor mit wenigen Änderungen handelt, dessen Baupläne bereits seit Anfang der 90er vorliegen. Also eigentlich keine Innovation. Vielmehr sollen beide Prototypen, die gerade in Flamanville (Frankreich, Nieder-Normandie) und Olkiluoto (Finnland) entstehen, als kommerzielle Vorzeigewerke für die Renaissance der Atomkraft weltweit fungieren. Frankreichs Präsident
Sarkosy hat trotz der zahlreichen Pannen bei den Neubauten in Flamanville und Olkiluoto bereits den Bau eines weiteren Reaktors in Penly angekündigt.

Dabei müsste jedoch klar sein, dass Frankreich keine neuen Reaktoren braucht! EDF (der Betreiber)verkauft 15% seiner Stromproduktion an die Nachbarländer. Sowohl das Problem der Abhängigkeit (das Uran für den AKW-Betrieb kommt aus Niger, Australien und Kanada) als auch das Problem der Klimaerwärmung werden nicht gelöst. Und die Gefahren der Atomkraft bleiben bestehen: Verseuchung durch die Freisetzung von radioaktiven Stoffen und Chemikalien im Normalbetrieb, Gefahr eines GAU. Laut einer Studie von IPPNW besteht beim EPR die Gefahr einer Explosion, sollte Wasser bei einer Kernschmelze im so genannten Auffangbecken Core Catcher gelangen. Zudem ist bereits bekannt geworden, dass die Sicherheitsanforderungen beim AKW-Bau nicht eingehalten werden, es wurde beispielsweise am Beton gepfuscht.
Mit den über 3 Mrd. Euro (Verkaufs-Preis des Reaktors, in der Tat werden es über 4,5 Mrd. sein) könnten eigentlich Energiesparmaßnahmen finanziert werden sowie der Ausbau von dezentralisierten erneuerbaren Energien gefördert und Arbeitsstellen geschaffen werden.

Was hat Deutschland damit zu tun?
Deutsche Unternehmen ermöglichen den Bau neuer Atomkraftwerke.

- Der AKW-Betreiber EDF
Ca. 80% der französischen Stromversorgung kommt von Atomkraftwerken, die Atomkraft deckt ca. 16% des französischen Energiebedarfs. Betreiber der französischen Atomkraftwerke ist EDF (éléctricité de France), zu 88% im Staatsbesitz. Für den Betrieb neuer Atomkraftwerke sucht EDF nach Partnerunternehmen. So wird sich der italienischer Konzern BFL am EPR in Flamanville beteiligen. E-On hat Interesse für den EPR in Penly gezeigt. Noch ist es Zeit dies zu verhindern!
EDF ist zudem zu 45% an dem deutschen Konzern EnBW beteiligt und somit indirekt am Atommüll- Zwischenlager Ahaus (Westfalen) beteiligt.

- Der Hersteller: AREVA NP
Areva NP (Nuclear Products) ist der weltweit größte Hersteller von atomaren Anlagen (AKW, UAA, etc.)AREVA ist ein französischer staatlicher Konzern. Siemens ist auch am EPR-Bau in Flamanville beteiligt. Bis vor kurzem war das Unternehmen zu 34% an AREVA Beteiligt. Der Konzern hat sich aber nun von AREVA verabschiedet, jedoch nicht aus den Atomgeschäften. Siemens strebt nun Geschäfte im Osten an.
Die Firma AREVA hat mehrere Niederlassungen in Deutschland (Sitz von AREVA Deutschland liegt in Erlangen), zudem betreibt der Konzern die Deutsche Brennelementefertigungsanlage in Lingen.

- Die UAA Gronau
Atomausstieg? Alles Lüge! Durch die Erweiterung der Urananreicherungsanlage (UAA) Gronau wird die Versorgung von bestehenden und neuen Atomkraftwerken weltweit gesichert. Auch französische Atomkraftwerke erhalten angereichertes Uran aus Gronau. Die bundesweit einzige UAA in Gronau wurde zum Jahreswechsel laut Firmenwebsite von 1800 t auf 2200 t Urantrennarbeit pro Jahr erweitert. Genehmigt ist der Ausbau auf 4500 t - damit könnten 35 große Atomkraftwerke weltweit mit Uranbrennstoff versorgt werden.
Mit Frankreich gibt es weitere Verflechtungen: seit 2005 hat die Urenco ein Joint-Venture mit AREVA, um gemeinsam neue Atomanlagen zu bauen.

Der Prozess gegen die 4 von Sortir du nucléaire:

Die AktivistInnen von „Sortir du nucléaire“ (Französisches Netzwerk Atomausstieg) müssen sich also vor dem Tribunal Correctionel (Strafgericht) in Cherbourg wegen einer HSL-Strommastbesetzung verantworten. Zivilpartei ich das staatliche Stromnetzunternehmen Réseau de Transport d'Electricité (RTE). Es wird sowohl über eine Zivilklage auf Schadenersatz von RTE als auch über den Vorwurf der Störung eines öffentlichen Stromversorgungsbetriebes verhandelt. Ein Gesetz aus 1906 verbietet nämlich in Frankreich Anlagen, die der Stromproduktion und -versorgung dienen, zu berühren, verändern oder betreten.

Verhandelt wird also über die Aktion von April 2007 in Flmanville, wo es bereits zwei Atomreaktoren in Betrieb gibt und somit eine HSL. Die Aktion fand in unmittelbarer Nähe von der EPR Baustelle statt (Die Vorarbeiten begannen bereits in Dezember 2006 also vor Erteilung der endgültigen Baugenehmigung). Ziel der Besetzung war, ein Zeichen gegen die kurz zuvor dem staatlichen Stromkonzern EDF erteilte Baugenehemigung für diesen Reaktor zu setzen. Das Dekret wurde damals wenige Tage vor der Präsidentschaftswahl unterschrieben und verkündet.

Zudem findet diesen Prozess mitte in der „Enquête d'utilité Publique“ die den Bau der Hochspannungsleitung betrifft: sechs Wochen Lang werden die Akten samt Planfeststellungsverfahren im Rathaus in den Betreffenden Kommunen ausgelegt, die Bürger dürfen Kommentare formulieren. Erfahrungsgemäß werden diese aber gar nicht berücksichtigt. Das ist also Scheindemokratie. Demokratur sagen andere.

Der Staat hält an diesem Bau fest, trotz neuer Erkenntnissen: Neulich wurden zahlreiche Beweise, die für die Gefährlichkeit von Hochspannungsleitungen sprechen, angebracht. Eine unabhängige bürgerliche Untersuchung hat Gesundheitsproblemen bei Menschen und Tier festgestellt. Hinzu kommt, dass RTE (das staatliche Strommnetzunternehmen) vor kurzem dazu verurteilt wurde, Bauern aus der Gegend Corrèze in Höhe von 400 000 Euro wegen nachgewiesene Schäden durch die Hochspannungslaitung unmittelbar über Feld und Bauernhof (in Frankreich ist es üblich, das 400 000 Volt HSL-Tracen direkt über Wohngebiete führen) zu entschädigen.

Die gewaltfreie Aktion der Angeklagten fand im Rahmen Protestes der Bevölkerung für ein Moratorium über den Bau der HSL und den sofortigen Stopp der AKW-Baustelle.

„ Vor Gericht werden wir unsere Handlung mit klaren Worten verteidigen– auch wenn wir deswegen verurteilt werden. Wenn bis zu 60 000 – wie 2007 - auf die Straße gegen den AKW-Neubau gehen und die Regierung unseren Protest ignoriert, müssen wir zu anderen Aktionsformen greifen, um unserem Prozess Gehör zu verschaffen.“ erklärte Kletteraktivistin Cécile L., eine der Angeklagten. „In diesem Hinsicht ging unsere Aktion in die richtige Richtung, unsere Argumente wurden dadurch einer breiteren Öffentlichkeit bekannt gemacht. In Frankreich sind Aktionen gegen den geplanten Bau der HSL zum Symbol des Widerstandes gegen den AKW-Neubau geworden. Den Bauplatz können wir schwer besetzen, weil das Gelände bereits seit der 80er umzäunt ist. Bei bestehenden Strommasten, oder dem Gelände von der noch nicht gebauten HSL ist es dagegen einfacher.„ Erläuterte die in Lüneburg wohnende gebürtige Französin.

Cécile liegt die internationale Vernetzung von der Antiatombewegung am Herzen. Sie stand am gestrigen Donnerstag bereits vor Gericht – aber nicht in Frankreich, sondern in Deutschland. Sie musste sich wegen der luftigen Blockade eines Atomtransportes aus der Gronauer Urananreicherungsanlage in Steinfurt verantworten – und sie wurde freigesprochen! „ Ich bin sowohl in Deutschland als auch in Frankreich politisch kletternd aktiv.“ Für sie ist es ja selbstverständlich, beide Aktionen (Steinfurt und Flamanville) hängen zusammen: „die deutsche Urananreicherungsanlage in Gronau wird gerade ausgebaut. Zahlreiche ausländische Atomkraftwerken werden somit mit angereichertem Uran aus Gronau beliefert. Damit wird klar, dass die deutsche Atompolitik den Weiterbetrieb sowie den Neubau von Atomanlagen unterstützt.“

Indybericht zu der damaligen Strommastbesetzung:
 http://de.indymedia.org/2007/12/203503.shtml
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