Krisenproteste reloaded

lesender arbeiter 17.05.2009 02:17 Themen: Globalisierung Soziale Kämpfe
Der DGB mobilisierte am Samstag nach Berlin – aber die Frage nach den Perspektiven der Proteste bleiben
Hier ein subjektiver bericht über die Demo und zwei Veranstaltungen in Berlin im Vorfeld
Am vergangenen Samstag kam es in es Berlin die bisher größten Demonstrationen gegen die Abwälzung der Krisenlasten auf die Beschäftigten. Dazu hat der DGB im Rahmen der Aktionstage des Europäischen Gewerkschaftsbundes für ein soziales Europa aufgerufen..
Sie begannen bereits am vergangenen Donnerstag mit Demonstrationen in Madrid und Bukarest. Am Samstag wurde auch in Berlin auch in Brüssel und Prag demonstriert.
Der Auftakt am Breitscheidplatz zog sich mehrere Stunden hin. Die Wortbeiträge lagen dabei weit unter 30%, dafür gab es mehr oder wenige langweilige Musik, das Übliche bei DGB-Veranstaltungen dieser Art also.
Kritische Beteiligung
Was eher aus dem Rahmen fiel, waren drei Blöcke mit kritischen Tönen über die Politik der DGB-Führung. Erwerbslosengruppen und verschiedene soziale Initiativen trafen sich am Hauptbahnhof übten auf Transparenten und Plakaten auch an gewerkschaftlicher Verzichtspolitik.
Vom Breitscheidplatz ging ein klassenkämpferischer Blocks unter dem Motto „Schluss mit dem Schmusekurs der DGB-Führung“ los. Daran beteiligten sich einige Hundert Menschen auch mit eigenen Lautsprecherwagen. In den Reden wurde auf aktuelle Kämpfe im Arbeitsbereich aber immer wieder auch den anstehenden Bildungsstreik Mitte Juni hingewiesen. Der war auch das Thema eines SchülerInnen- und Studierendenblocks, an dem sich auch einige Hundert Menschen beteiligten. Der anstehende Bildungsstreik scheint auch wieder mehr junge Menschen motiviert, sich auch in Bündnissen zu engagieren. Das ist schon im Vorfeld des Bildungsstreiks ein Erfolg der Aktion.
Insgesamt hielt sich die Beteiligung bei allen drei kritischen Blöcken in Grenzen. Vielleicht wäre eine bessere Koordinierung besser gewesen.
Außerdem gab es auch außerhalb der kritischen Blöcke, zum Beispiel im IG-Metall-Block hör- und sichtbaren Unmut über die Abwälzung der Krisenlasten auf die Lohnabhängigen. Die KollegInnen wurden von der Bühne mehrfach ermahnt, keine Feuerwerkskörper zu verwenden. Diese Interventionen blieben ohne große Resonanz. Das zeigt nicht und nicht weniger, als dass sich die KollegInnen angesichts von Drohungen mit Entlassungen und Betriebsschließungen nicht mehr so leicht ruhigstellen lassen, auch nicht von RednerInnen des DGB. Dazu tragen auch Meldungen wie jetzt von Scheffler bei. Die Belegschaft hat sich dort den Bossen gegenüber völlig kooperativ verhalten und Lohnkürzungen akzeptiert und nun wird doch entlassen. Da gibt es auch viele andere. Diese Vorfälle zeigen zumindest an, dass ein noch so kooperatives Verhalten nicht den Arbeitsplatz garantiert.
Exkurs zu Co-Management in der betrieblichen Gewerkschaftsarbeit
Die Erfahrungen, dass selbst die größte Kompromissbereitschaft wenig nichts, machen mittlerweile viele Beschäftigte auch in großen Betrieben erklärte die Sozialwissenschafterin Stefanie Hürtgen am Freitagabend in Berlin. Sie hatte dort ihr vor einigen Monaten im Dampfboot-Verlag herausgegebenes Buch mit dem Titel „Transnationale Co-Management“  http://www.dampfboot-verlag.de/buecher/749-2.html
Veröffentlicht. Dazu hat sie 25 GewerkschaftlerInnen aus Deutschland, Polen und Frankreich befragt. Ihr Fazit: Die Krise hat auch die Kernbelegschaften in den großen Unternehmen erreicht. Auch dort sind die Arbeitsbedingungen von Verunsicherung geprägt. Betriebliche Vereinbarungen werden von der Kapitalseite auch nach kurzer Zeit wieder infragestellt. Immer wieder kommt es zu Firmenumstrukturierungen, die Zahl der LeiharbeiterInnen nimmt zu. Diese Situation führt bei den GesprächspartnerInnen von Hürtgen oft zu noch mehr Co-Management. Oft wird die prekäre Lage des Unternehmens als Folge von Managerfehlern diagnostiziert. Das hat dann aber zur Folge, dass nicht die kapitalistische Verwertung für die beschissene Lage verantwortlich gemacht werden. Manche Gewerkschaftler ziehen daraus den Schluss, eigentlich die besseren Manager zu sein und tatsächlich präsentieren sie sich auf europäischer Ebene oft auch als besseren Lobbyisten. Man muss nur das aktuelle Wirken des Opel-Betriebsrates Franz beobachten, um hier unschwer einen solchen Betriebsrats-Lobbyisten am Werk zu sehen . Hürtgens Analyse ist sehr realistsich und lässt wenig Spielraum für Hoffnungen, dass sich die Lohnabhängigen in der Krise und Verunsicherung automatisch nach links entwickeln werden. Das Buch sei allen empfohlen, die sich in sozialen Kämpfen engagieren. Denn eine realistische Bestandsaufnahme ist die Bedingung für eine erfolgreiche Intervention.


Was tun?
Auch auf einer Diskussionsveranstaltung, die unter dem Motto “Wie weiter mit den Krisenprotesten“ am Donnerstagabend in Berlin stattfand, leistete der Vertreter der Antifaschistischen Linken Berlin ebenfalls eine solche realistische Analyse. Er kam zu dem Schluss, dass der DGB insgesamt nicht zu kontinuierlichem Widerstand bereit und in der Lage sei, , aber eine Kooperation mit Teilen der Gewerkschaft möglich ist. Diesen Ausführungen stimmte auch der Podiumsteilnehmer Bernd Riexinger von verdi-Stuttgart zu. Er erklärte, dass auch Arbeitskämpfe nicht mehr ausschließlich Betriebskämpfe sein dürfen, sondern in politische Kämpfe umgewandelt werden müssten.
Auf der Veranstaltung wurde eine Agenda 2009 vorgestellt, in der Leitlinien für künftige Protestziele fixiert ind. Dazu gehört der Bildungsstreik Mitte Juni, die kontinuierliche Beteiligung an Solidaritätsaktionen vor Jobcentern und eine bundesweite Großdemonstration im Frühjahr 2010. Auf der Veranstaltung wurde mit Verweis auf Rosa Luxemburg für eine revolutionäre Reformpolitik plädiert. Allerdings darf nicht vergessen, werden dass Luxemburg diese revolutionäre Realpolitik als taktisches Mittel ansah. Ihr Ziel war die Stärkung von klassenkämpferischen kommunistischen Organisationen. Was bedeutet das für heute? Während des 1. Weltkriegs trafen sich die zersplitterten Reste der einst klassenkämpferischen Linken in der Zimmerwalder Konferenz. Hier wurde in de tiefsten Krise der damaligen Linken der Baustein für den Wiederaufbau einer kämpferischen Linen gelegt. Können wir darauf die Konsequenz ziehen, dass sich auch die zersplitterten kommunistischen Linken, die sich heute in verschiedenen Bündnissen (Ums Ganze, Interventionistische Linke) aufteilt und dazu noch viele Einzelpersonen etc. in einer neuen Organisation sammeln sollten? Über diese Frage sollte sich die Linke ernsthafte Gedanken machen ? Denn eine stärkere Linke würde auch die Rahmenbedingungen für Sozialproteste verbessern. Einstweilen aber müssen wir uns noch mit der Agenda 2009 etc. um Koordinierung der unterschiedlichen Proteste bemühen. Da sind wir nicht ganz erfolglos. Das zeigte sich schon an dem Motto der Antikrisendemo vom 28.März 2008. „Wir zahlen nicht für Eure Krise“. Dieses von den Linen entwickelte Motto wird nun abgewandelt auf vielen gewerkschaftlichen Veranstaltungen getragen. Hier zeigt sich doch, dass es gelungen ist, ein Motto zu popularisieren, dass weit über autonome/linksradikale Kreise ankommt. Die Vorstellung die Kapitalseigner, die jahrelang am Kapitalismus profitiert haben, sollen stärker zu Kasse gebeten werden, ist weit verbreitet und wurde durch linke Interventionen noch popularisiert. Hier lohnt es sich weiter zu arbeiten.
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Ergänzungen

"revolutionäre Realpolitik"?!

Carsten 17.05.2009 - 19:25
Ein netten Slogan habt ihr da ausgegraben, nur leider nicht die damit verbundenen Inhalte. Das was ihr nicht seht, oder besser sehen wollt, ist, dass es einen klitzekleinen Unterschied zwischen der SPD des Jahres 1903 und dem DGB und der Linkspartei des Jahres 2009 gibt. 1903, als Luxemburg so die SPD beschrieb war Friedrich Engels gerade acht Jahre tot. Die SPD war eine Partei, die sich offen marxistisch gab und die sich in ihrer überwiegenden Mehrheit aus Menschen zusammensetzte, die die Revolution befürworteten. Bebel war noch Vorsitzender und so jemand wie Bernstein war ein Aussenseiter.

Im Jahre 2009 als "Revolutionär" sein Engagement in diesem DGB, in dieser Linkspartei, bzw. sein Intervenieren auf deren Veranstaltungen damit zu begründen ist in etwa so blöde, als wenn Luxemburg 1903 Mitglied der Zentrumspartei gewesen wäre und eine "revolutionäre Realpolitik" postuliert hätte.

Eine Bezugnahme auf den DGB, der auch in Zeiten des größten Aufschwungs noch jede Lohnzurückhaltung begründen konnte und auf diese Linkspartei, die sehr gerne exponierte Rassisten als Vorsitzenden hat, bringt für eine Überwindung der bestehenden Verhältnisse rein gar nichts. Es bringt, meine Damen und Herren von f.e.l.s., Gruppe Soziale Kämpfe, ALB,... allerdings euren Arsch näher in Richtung Heizung und euren ObercheckerInnen das Bundestagsmandat ein Stück näher. Auf diesem Wege wünsche ich euch viel Glück(das ist ernstgemeint!), nur lasst doch bitte die paar Wenigen, die sich noch mit dem Umwerfen aller menschenverachtenden Verhältnisse beschäftigen mit solchen Begriffsentfremdungen in Ruhe.
Oder alternativ begründet mal wirklich schlüssig, dass dies ein Weg in die befreite Gesellschaft ist, aber nur die Verwendung eines solchen Begriffes zur Legitimation des Weitermachens, dessens, was ihr auch schon gemacht habt, als ihr noch bei der Verdi/IGM-Jugend, Attac oder den Jusos wart, ist arm!

"Operation ruhiger Herbst"

s 17.05.2009 - 20:44
Passend zu den Karriereträumen der Herr- und Frauschaften von ALB, Soziale Kämpfe, Fels usw passt natürlich dass man über den Wahlkampf der Linkspartei hinweg und hinweg über mögliche Rot-Rot-Grüne Koalitionsverhandlungen unmittelbar nach der Bundestagswahl am 26. September keine soziale Unruhe möchte. Man möchte natürlich den künftigen Vorgesetzten den Rücken für Verhandlungen frei halten und ihnen Wahlkampf und Regierungsbildung nicht mit möglichen Krawall-Bildern in den Medien versauen - was ja auch der eigenen Karriere schaden könnte.

Da ja die nächste Großdemo wieder von der finanziellen Unterstützung der Linkspartei abhängig ist, geht man darüber hinaus was man vor dem 28. März tat.

Ging es der "Radikalen" Linken bei der Vorbereitung der Frühjahrsdemo darum konkrete Forderungen und jede Kritik an der Linkspartei abzuwehren (Forderungen die dann kurioserweise doch von der Linkspartei übernommen wurden: 500 Euro Hartz IV und 10 Euro Mindestlohn) muss offenbar nun alles getan werden den Protest zu konservieren (als Option) ihn aber so runterzukochen dass es die Linkspartei nicht in Probleme bringt.

Dabei hatte doch der Vorbereitungskreis der Demo vom 28. 3. selbst damit argumentiert, nach den Wahlen würde eine CDU-FDP-Regierung die Kosten der Krise auf die Bevölkerung abwälzen.

So ein machiavelistisches Verhalten Sozialprotest aus und ein zu knipsen wie Licht erinnert stark an den autoritären Eurokommunismus, DKP und SPD in den streikwilden Siebzigern.

Längst sind nicht mehr die Gewerkschaften, Linke und SPD - oder der deutsche Nationalcharakter das Problem hierzulande sozialen Widerstand aufzubauen, sondern Teile der sogenannten Radikalen Linken.
etzen muss der soziale Bewegung gegen die Wand fahren

zu den KritikerInnen

lesender arbeiter 18.05.2009 - 02:19
Ich gehöre keiner der kritisierten Organisationen (fels, alb, interventionistische linke)an.
Ich habe ich auch habe Kritik an der Reduzierung von Rosa Luxemburg auf eine revolutionäre Reformerin. Sie war Kommunistin, deshalb fand ich den Hinweis auch richtig, dass man Luxemburgs revolutionären Reformismus in ihren gesellschaftichen Kontext sehen muss. Allerdings war auch die damalige SPD längst schon nicht mehr so revolutionär, wie manche denken.
Doch die kritik entbindest uns nicht, zu überlegen, wie ein radikaler Reformismus heute aussehen kann. Die totale Denunzierung aller Organisationen, die von der revolutionären Linie abweichen, (wer gibt die überhaupt vor?) hilft da bestimmt nicht weiter. #Und Gewerkschafter, wie der im artikel erwähnte bernd riexinger, verdienen auf jeden fall meinen respekt. auch die kritik, dass hier krisenproteste instrumentell eingesetzt werden, finde ich merkwürdig. wäre die demo am 28.3. nicht organisiert worden und hätten sich dafür genossInnen nicht krummgelegt, wäre hier in dieser hinsicht nämlich gar nichts passiert. die demos haben also keine revolte verhindert. wenn eine großdemo nicht vor den wahlen geplant ist, hat das wenig mit einer verbeugung vor irgendwelchen parteien zu tun, im gegenteil: es soll gerade eher verhindert werden, dass eine solche demo zu wahlkampfzwecken genutzt wird.
sollten in den nächsten monaten spontane unruhen ausbrechen, werden sie sicher nicht von den menschen be- und verhindert, die die demo am 28.3. organisiert haben. Im Gegenteil.
die kritikerInnen gehen auch nicht auf den konkreten vorschlag in dem text ein, dass sich emanzipatorische kommunistINNEN aus den verschiedenen bündnissen nach dem vorbild zimmerwald
zusamenschließen. dass wäre sinnvoller als die ewigen klagen über die bösen reformistInnen.



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