Offener Brief der Besetzer_innen Grevener Str

Die Besetzer_innen 30.03.2009 16:35 Themen: Freiräume Repression Soziale Kämpfe
Nach der brachialen und lebensgefährdenen Räumung der Häuser Grevener Str. 51-55 in Münster
haben wir einen Offenen Brief zu den Ereignissen der letzten Wochen verfasst und diese an alternative Medien, Presse, Parteien und Initiativen verschickt.
Offener Brief der Besetzer_innen Grevener Straße 51-55 (Münster) an Presse und Parteien

Die Ereignisse der letzten Wochen und Tage, die in einer völlig unverhältnismäßigen Räumung gipfelten, werfen etliche Fragen auf, deren Antworten ein klares Bild von den politischen und wirtschaftlichen Interessen der Rathauskoalition und Wohn+Stadtbau liefern.

Im Laufe der Besetzung hat sich der mediale und politische Fokus immer mehr von der inhaltlichen Auseinandersetzung um Häuserzeile und verfehlte Wohnungsbaupolitik auf die bevorstehende Räumung verschoben. Eine Aussetzung der Abrissplanung kam für CDU, FDP, UWG und W+S zu keiner Zeit in Betracht. So versuchte die W+S den Eindruck zu verfestigen, dass es sich um marode Gebäude handele, die Bewohner_innen einvernehmlich ausgezogen wären und die Neubebauung mehr preiswerten Wohnraum schaffe. Doch woher bezieht die W+S ihre Glaubwürdigkeit, wenn sie keinerlei Belege für ihre Argumente vorweisen können und offizielle Verwaltungsdaten die W+S sogar widerlegen? Fakt ist und bleibt, dass keinerlei Prüfung der Bausubstanz erfolgte, nahezu alle Bewohner_innen der Häuserzeile 31-59 in einer Unterschriftenliste (Ende 2007) gegen den Abriss und für einen Verbleib in ihren Wohnungen ausgesprochen haben und nur aufgrund massiven Drucks und Geldzahlungen dem Auszug zustimmten. Mehr sozialer Wohnraum ist bei den Neubauten Nr. 57-59 nicht entstanden und auch bei der restlichen Zeile bedient sich die W+S und Koalition eines Rechnungstricks, um ihre Gewinn orientierten Ziele durchzusetzen: Die Stadt vermietet den Leerstand nicht mehr und unterschlägt diesen in der Gesamtfläche. Wir finden diese Vorgänge nicht nur unsozial, sondern auch eine bewusste Täuschung der Öffentlichkeit, um veraltete Planungen mit einer Stimme Mehrheit zu legitimieren.

Der Spatenstich für die Neubebauung des Uppenberggeländes (direkt gegenüber der Grevener Str.) verdeutlicht ein weiteres Kapitel falscher Versprechungen: Die als soziokulturelles Zentrum genutzte Uppenbergschule wurde 2000 mit der Begründung abgerissen, unmittelbar sozialen Wohnraum schaffen zu wollen. Jetzt, neun Jahre nach dem dringlichen Abriss, werden nicht einmal 15 % als sozialer Wohnraum gebaut, das zugesagte Ersatzgebäude für politisch, sozial und kulturell engagierte Einzelpersonen, Gruppen und Vereine blieb ein leeres Versprechen.

Wir verstehen die Vorgehensweise der W+S als Provokation und Eskalationstrategie, da sie die Geschichte der abgerissenen Uppenbergschule und der Übergangslösung des Kulturcafes Versetzt sehr wohl kennt. Zu dem vereinbarten Gesprächstermin ist sie nicht erschienen, vor dem erneuten Treffen hat sie mit einer Hundertschaft die Versorgungsleitungen kappen lassen und direkt nach dem "feierlichen" Spatenstich am 26.3.09 einen brachialen Polizeieinsatz eingeleitet.

Es ist unverantwortlich und nicht zu rechtfertigen, dass ein Räumfahrzeug der Polizei ohne vorgeschriebene Vorankündigung durch die Glasfront in den Aufenthaltsraum des Versetzt hinein stieß. Die Polizeiführung hat aus strategischen Gründen in Kauf genommen, dass Menschen verletzt oder getötet werden können. Denn woher hätten sie wissen wollen, dass sich nicht gerade eine Person hinter der verhängten Scheibe befindet? Auch Erstürmung und Einbruch in die von der Stadt vermietete Dachwohnung der Nr. 49 vermittelt den Eindruck, Münster würde sich in einem bürgerkriegsähnlichen Zustand befinden. Die Polizei verkündete daraufhin, dass sie von der Eigentümerin der Nr. 49, also der Stadt (!) ermächtigt worden sei. Dass nach der Zahlung eines Schmerzensgeldes seitens der W+S an den Mieter das Vorgehen keinen schweren Hausfriedensbruch mehr darstellen soll, während gegen zwei Menschen, die im Garten aufgegriffen wurden, die Strafanzeige wegen Hausfriedensbruch bestehen bleibt, zeigt zudem sehr deutlich, wie hier mit zweierlei Maß gemessen wird. Die W+S darf Wohnungen stürmen und kriminalisiert gleichzeitig Hausbesetzungen.

Die Frage, warum nach mehrtägiger Observierung der Häuserzeile durch (Zivil-)Polizei, Hubschraubertiefflüge und Kontakt zu politischen Vertreter_innen in Stadt und W+S diese lebensgefährdene Vorgehensweise gewählt wurde, lässt folgende Antworten zu: Entweder verfügte die Einsatzleitung und W+S über keinerlei Kenntnis der Situation vor Ort oder sie wollte mit mehreren Hundertschaften der Polizei ein klares Zeichen gegen den Kampf um preiswerten Wohnraum und ein selbstverwaltetes Zentrum in Münster setzen. Das Konfliktpotenzial einer Jahrzehnte langen verfehlten Wohnungsbau- und Sozialpolitik kann sie damit allerdings nicht aus dem Weg räumen, wie die monatelange Unterstützung von Nachbar_innen, politischen Initiativen und Parteien durch Geld-, Essen-, Wasser- und Stromspenden sowie Solidaritätsbekundungen verdeutlicht.

Auf der anschließenden Demonstration stellten ca. 150 Personen trotz schikanierender Polizeibegleitung lautstark klar, dass die Forderungen bestehen bleiben und die unsoziale und lediglich Gewinn orientierte Politik abgeräumt und planiert werden müsse.

Die Besetzer_innen der Grevener Straße 51-55


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super aktion

weiter so 30.03.2009 - 23:16
gute argumente sind gut... in verbindung mit direkten aktionen,
die das business as usual eben nicht zulassen, noch besser!!
be the sand in the getriebe!
wir bleiben alle!

gruss aus'm pott!