Begleitaktionen bei Berliner Krisendemo

Edith Hübner 28.03.2009 21:35 Themen: Globalisierung Soziale Kämpfe Weltweit
Begleitet wurde die Krisen-Demonstration in Berlin heute von einigen netten Aktionen an der Demoroute. So setzten Linksradikale neben der großen Beteiligung an der Demo und v.a. im antikapitalistischen Block zusätzlich aktionistisch Punkte und verstärkten nochmal eine inhaltliche Kritik, an der nun selbst bürgerliche Medien nicht vorbei kommen.
"Das auf Transparenten am häufigsten verwendete Wort war nicht „Krise“ sondern „Kapitalismus“: Jugendliche Linke hielten ein Plakat mit der Aufschrift hoch: „Kapitalismus braucht keinen Arzt, sondern Totengräber“. Bei anderen hieß es „Kapitalismus funktioniert nicht“." ist auf der Onlinepräsenz des Berliner Tagesspiegel zu lesen ( http://www.tagesspiegel.de/berlin/G-20-Demonstration;art270,2761837).
Und auch wenn darunter viele Transparente und Schilder zu finden sind, die eine Einordnung als antikapitalistisch nicht wirklich verdienen, wurde doch der Fokus der Kritik schonmal deutlich verschoben. "Die Krise heißt Kapitalismus" als Übergang des Themas der Demonstration zum eigentlichen Problem oder "Staat abschieben!" als subtile Kritik an affirmativen Forderungen an den Staat - solche und ähnliche Transparente waren nicht nur in der Demo dominant präsent.
Vor allem rund um den Rosenthaler Platz gab es auch einige Begleitaktionen, die zusätzlich noch die Stimmung innerhalb der Demo deutlich hoben. Besonders hervorzuheben ist natürlich die Dach-Transpi-Aktion in der Torstraße mit Flugblättern und pyrotechnischer Verstärkung. Gleich um die Ecke in der Rosenthaler Straße wurde die Demonstration am "Lokal" mit guter Musik und einem weiteren Transparent begrüßt. Und direkt am Rosenthaler Platz war schon seit dem Morgen an einer Baustellenwand großflächig die Parole "Häuser denen die drin wohnen" geklebt worden, was leider von den meisten Teilnehmern der Demo nicht wirklich wahrgenommen wurde.

Video von Dach-Transpi-Aktion in der Torstraße:
 http://www.flickr.com/photos/iguerilla/3392882782/
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Ergänzungen

Beitrag zum Transparent

... 28.03.2009 - 23:18
Hier ein Text zu dem Transparent am Lokal:

"STAAT. NATION. KAPITAL. SCHEISSE.
Gegen die Herrschaft der falschen Freiheit!

Beitrag von TOP B3RLIN zur antinationalen Kampagne des ›…ums Ganze!‹-Bündnisses gegen das Superjubiläumsjahr 2009

Im Jahr 2009 feiert sich Deutschland anlässlich seiner beiden großen Jubiläen – 60 Jahre Grundgesetz und 20 Jahre Mauerfall – als freie und geeinte Nation. ›Freiheit‹ und ›Einheit‹ sind die Leitmotive nationaler Selbstvergewisserung, die durch Presse, Zivilgesellschaft und Kulturindustrie ausgestaltet werden. Selbst die globale Krise des Kapitalismus liefert weitere Argumente für das ›Modell Deutschland‹. Denn hier soll der Kapitalismus unter dem Ordnungsmodell der ›sozialen Marktwirtschaft‹ eingehegt werden. Sie soll Lohnabhängige, Unternehmer und alle Übrigen in gemeinsamer Arbeit für Deutschland zusammenführen.

Überall Freiheit?
Das vergleichsweise gute Image der Berliner Republik erscheint plausibel im Kontrast zur staatlichen Vernichtungsmaschinerie des Nationalsozialismus und zum piefigen Sozialismus der DDR. Werden diese noch gleichgesetzt in der Rede von “den zwei deutschen Diktaturen des 20. Jahrhunderts”, erscheint die Bundesrepublik tatsächlich als der liberalste Gewaltmonopolist, der jemals deutsche Pässe ausgegeben hat. Doch damit fängt die Arbeit der Kritik erst an. Denn zu kritisieren ist die real existierende Gesellschaftsordnung des demokratischen Nationalstaats. Krisen, Armut und Existenzangst entstehen in demokratischen Staaten nicht durch falsche Politik oder die Gier irgendwelcher Manager, sondern viel grundsätzlicher durch die Art und Weise, wie diese Gesellschaft ihre Menschen organisiert. Dass inmitten staatlich garantierter Freiheit ständig drückende Abhängigkeit und Ohnmacht entstehen, zeugt nicht von schlechter Politik, sondern von den verselbständigten Zwängen der kapitalistischen Produktionsweise, deren Verwaltung seit 200 Jahren Aufgabe der Politik ist. Allgemeine Ohnmacht durch allgemeine Freiheit – das ist das Paradox und Kennzeichen der Welt von Staat und Kapital.

Risiken und Nebenwirkungen der falschen Freiheit
Dass gerade staatlich garantierte Freiheit die Quelle von Unfreiheit und Ohnmacht sein soll, ist erklärungsbedürftig. Schließlich beansprucht der bürgerliche Staat ja gerade, mit seinem allgemeinen Recht die Freiheit jedes Einzelnen mit der Freiheit aller anderen zu versöhnen und so insgesamt größtmögliche Freiheit zu verwirklichen. Die staatliche Garantie allgemeiner Freiheit bewahrt diese ›Einzelnen‹ nicht nur vor unrechtmäßigen Übergriffen. Die allgemeinen Gesetze, das bürgerliche Recht, befreite die Menschen aus persönlicher Herrschaft. Doch unterjocht wurden sie einem viel umfassenderen Zwang: dem unaufhörlichen Zwang zur gesellschaftlichen Konkurrenz als vereinzelte Individuen, dem Zwang zur Selbstverwertung und zur Ausnutzung anderer. Die allgemeinen Gesetze – die des Rechts und die der Warenproduktion – entfalten als unpersönliche Herrschaft einen stummen Zwang, der dem freien Menschen zur zweiten Natur wurde.

Freiheitlich-demokratische Grundordnung und soziale Marktwirtschaft bestätigen vor jeder sozialpolitischen Wohltat zuallererst die gesellschaftliche Konkurrenz der Menschen als Privateigentümer, die auf eigene Rechnung und eigenes Risiko wirtschaften. Gesellschaftlich stiftet die kapitalistische Produktionsweise einen für alle Menschen unmittelbar lebensbestimmenden Zwang, dem sie sich eigenverantwortlich unterwerfen müssen, einen endlosen Zwang zum Selbstzwang. In der Konkurrenz der Lohnabhängigen um Arbeitsplätze, der Unternehmen um Marktanteile und der Standorte um Investitionen verwirklicht sich der kapitalistische Verwertungszwang global als unpersönliches Prinzip gesellschaftlicher Herrschaft. Weil die Menschen nicht nach Bedürfnis und Plan produzieren dürfen, sondern mit ihren jeweiligen Leistungen am Markt als Konkurrenten gegeneinander antreten müssen, bleibt ihre Lebensgrundlage den blinden Marktmechanismen unterworfen. Die gegenwärtige Rezession offenbart das, was immer gilt, in grellen Farben: Krisen sind im Kapitalismus keine Betriebsunfälle, sondern ein wiederkehrender Effekt der privaten Konkurrenz, in der sich diese Gesellschaftsordnung erneuert.

Nationale Schicksalsgemeinschaft
Die globale Konkurrenz trifft die ökonomischen Subjekte nicht unvermittelt. Konkurrenzchancen sind von Erfolg oder Misserfolg der nationalen Reichtumsproduktion in der Weltmarktkonkurrenz abhängig. Denn im unbestechlichen Weltmarktvergleich der Leistungen und Potentiale eines Standorts entscheidet sich täglich aufs neue, ob und in welchem Umfang dieser auch zukünftig als Verwertungszone des Kapitals in Frage kommt. Bevölkerung und Staat bilden damit eine reale nationalökonomische Gemeinschaft in der Weltmarktkonkurrenz. Gefühl und Gewissheit nationaler Zusammengehörigkeit sind also keine bloßen Hirngespinste. Sie sind Ausdruck der ganz realen Abhängigkeit des Individuums vom ökonomischen Schicksal ›seines‹ Staates.

Gegen die wiederkehrenden Bedrohungslagen gesellschaftlicher Konkurrenz entwickelt sich die Ideologie nationaler Schicksalsgemeinschaft klassenübergreifend als vermeintlich vorpolitische und außerökonomische Anspruchsgrundlage auf Solidarität und staatliche Fürsorge in der Not. Paradox ist dieser Impuls, weil der Staat die Rahmenbedingungen der Konkurrenz sichert und zugleich das Gegengift zum Konkurrenzzwang liefern soll. Im nationalen Appell ans gemeinsame Schicksal soll der Staat genau das gewährleisten, was seine Gesellschaftsordnung ständig in Frage stellt: ein Leben ohne Angst und Mangel.

Nationale Identitätsarbeit
Die strukturellen Bedrohungen des verstaatlichten Individuums spiegeln sich in versichernden Imaginationen kollektiver Identität wider. Als Substanz nationaler Einheit wird ein selbstverständlicher, ursprünglicher Zusammenhalt vorgestellt. Für das nationale Identitätsbegehren ist es zweitrangig, wie dieser Zusammenhalt inhaltlich begründet wird, ob in natürlicher Anlage, Kultur und Geschichte, oder in einem völlig diffusen ›Gefühl‹ und ironisch gebrochen. Entscheidend ist der ideologische Ertrag der nationalen Identitätsarbeit: der Anspruch und die Gewissheit unverbrüchlicher Zusammengehörigkeit. In wiederkehrenden Ritualen nationaler Kommunion (von Nationalfeiertagen bis zu Fussballländerspielen) inszeniert und genießt sich diese Gewissheit und befriedigt die Sehnsucht nach schützender Identität. Deshalb ist dieser vitalen Imagination mit Einsicht kaum beizukommen, deshalb auch ist es beinahe egal, welches ›Kulturerbe‹ als nationale Referenz geltend gemacht wird, ob Otto der Große, Volkswagen oder Graf Stauffenberg. Entscheidend ist die ideelle Überwindung der realen gesellschaftlichen Spaltung.

Die gegenwärtige Rede von den ›Herausforderungen der Globalisierung‹ ist der Imperativ, der zur ständigen Selbstaktivierung der nationalen Gemeinschaft aufruft. Jedem droht jederzeit das Urteil der Untauglichkeit fürs nationale Projekt. Je brüchiger der tatsächliche Zusammenhalt, desto dringlicher wird die Rückversicherung auf die nationale Identität und desto gnadenloser der Hass auf die, die dem nationale Fortkommen im Weg stehen.

Etwas besseres als die Nation
Die Unsicherheit und Verzweiflung, die die kapitalistische Konkurrenz tagein tagaus produziert, und die stumpfen, armseligen Entschädigungen, die sie bietet, lassen nur einen Schluss zu: Es lohnt sich nicht, die Welt von Staat und Kapital zu reformieren. Das Ding ist verkorkst. Wo die Grundlage der Gesellschaft, die Produktion des gesellschaftlichen Reichtums, als feindliche Konkurrenz der Privateigentümer und der Standorte organisiert ist, erscheinen Leistungszwang, Hierarchie und nationale Identität als naturwüchsige Bestimmungen des Menschen. In Wahrheit aber sind sie nur Ausdruck der systemischen Zwänge kapitalistischer Verwertung. Nichts garantiert, dass diese Zwänge jemals durchbrochen werden. Doch was sich da gegen die Menschen verselbständigt, bleibt Menschenwerk. Es kann durch eine Ordnung überwunden werden, in der private und nationale Konkurrenz keinen Sinn mehr haben, weil der gesellschaftliche Reichtum solidarisch erarbeitet wird.

Das schöne Leben ist nur gegen die herrschende Gesellschaftsordnung zu verwirklichen, gegen den Verwertungszwang des Kapitals und gegen den Staat, der die falsche Freiheit garantiert und das allgemeine Glück verhindert. Die Freiheit, die wir meinen, heißt Kommunismus."

Videos

Pfandpirat 28.03.2009 - 23:30
Videos von den Demos, der Dachaktion und der Eier-Tomate-Attacke gibt's hier:  http://rapidshare.com/files/214686637/Wir_zahlen_nicht_fuer_eure_Krise_.zip

Bild fehlt immernoch!

Edith Hübner 29.03.2009 - 04:08
Im Beitrag fehlt leider immernoch das erste Bild - eines von der Dach-Transpi-Aktion. Könnt ihr das bitte noch einfügen?

Fotos und Video von der Demo

Dieter G. 29.03.2009 - 15:40

"Häuser denen die drin wohnen"

Sebastian 01.04.2009 - 17:57
Hier ein Bild von dem Spruch "Häuser denen die drin wohnen" am Rosenthaler Platz:

Beiträge die keine inhaltliche Ergänzung darstellen

Zeige die folgenden 4 Kommentare an

Bild fehlt! — Edith Hübner

Bestes Transpi — war

@pfandpirat — wurde ausgefüllt

Nach der Demo.. — Max Raabe