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Brb: Esos und Holocaustleugner kauften Schloss

Inforiot 28.02.2009 03:26 Themen: Antifa
Ein neues Germanien in alten Gemäuern

Prignitz: Im „Fürstentum Germania“ droht ein Tummelplatz für Antisemitismus, eso-romantische Lebensvorstellungen und Verschwörungstheorien zu entstehen

INFORIOT Nur knapp 3900 EinwohnerInnen hat die Gemeinde Plattenburg im Nordwesten der Prignitz. Und trotz dieser bescheidenen Größe gerät das Örtchen immer wieder in die Schlagzeilen. 2007 etwa gab es Aufregung, weil der Neonazi Jürgen Rieger angeblich einen ehemaligen Bauernhof für die NPD kaufen wollte. Und nun hat tatsächlich eine rechtslastige Gruppe eine Immobilie erworben: In der Plattenburger Teilgemeinde Krampfer wurde ein bis dato verlassenes Schloss gekauft – die neuen Eigentümer wollen dort am 15. Februar ein „Fürstentum Germania“ gegründet haben. Die alt eingesessenen PlattenburgerInnen sind verunsichert und in der Tat produziert das Auftreten der Schlossbewohner mehr Fragen als Antworten. Fest steht aber: Ihre krude Mischung aus antisemitischen Ideologien, Verschwörungstheorien und Deutschtümelei ist knallhart reaktionär, revisionistisch und antidemokratisch. Am Wochenende könnte weitere Bewegung in die Sache kommen. Am Samstag veranstalten die Fürstentümler ein „Planungstreffen“, zu dem sie auch die Bevölkerung von Plattenburg und Umgebung einladen.
Worum es geht – ein antidemokratischer Abenteuerspielplatz

Das Schloss in Krampfer mitsamt 4000 Quadratmetern Boden habe – nach Eigenangaben gegenüber der Märkischen Allgemeinen Zeitung (MAZ) – zum 1. Januar ein Jessie Marssen gekauft, um dort das „Fürstentum“ einzurichten. Angeblich sollen demnächst noch 4700 Hektar Boden rumherum dazu gekauft werden. Bei der Gründungsveranstaltung, an der rund 30 Personen beteiligt waren, wurde der Besitz von Marsson an das neue „Staatsoberhaupt“ Michael Freiherr von Pallandt überreicht – ob nur symbolisch oder auch rechtlich verbindlich ist unklar. Das „Fürstentum“ soll nach Bekunden der Protagonisten ein „Kirchenstaat“ werden – allerdings ohne Glaubensbekenntnis – und nach dem feudalistischen Lehensrecht funktionieren. Von Demokratie halten die FürstentümlerInnen also nicht viel – und darauf aufbauend auch nichts vom bundesdeutschen Parlamentarismus. Die MAZ merkt an, dass bei der Gründungsveranstaltung davon die Rede gewesen sei, „dass jeder Stich, der der BRD zugefügt wird, positiv sei. Es war von einem Parallel-Staat die Rede, in dem wahrscheinlich die bundesdeutschen Gesetze nicht mehr gelten sollen.“ Auf ihren Internetseiten beziehen sich die Fürstentümler unkritisch auf die so genannten „Kommisarischen Reichsregierungen“ – also jene rechtsextremen VerschwörungstheoretikerInnen, welche die Bundesrepublik für inexistent halten und das ihrer Meinung nach weiter existente „Deutsche Reich“ zu neuem Glanz führen wollen. Bekanntester „Reichsbürger“ ist der Neonazi Horst Mahler. Nach Ansicht der Fürstentümler gelte aktuell die Reichsverfassung von 1871.

Derzeit sieht die Realität des Projekts „Fürstentum Germania“ allerdings wenig glanzvoll aus. Es gibt – erstens – das verfallene, nicht winterfeste Schloss, in dem sich nach einem weiteren MAZ-Bericht ganze drei Personen eingerichtet haben: „Sven, Manuel und Jens verstehen sich als Pioniere der ersten Stunde. Ein vierter Pionier strich gleich in der ersten Woche die Segel, weil er zur Familie musste, wie gesagt wird.“ Und es gibt – zweitens – eine Unzahl von mittelmäßig gestalteten Internetseiten, auf denen die Fürstentümler ihre kruden Theorien ausbreiten. Nichtsdestotrotz sollte es beunruhigen, dass eine antidemokratische, dem Rechtsextremimus mehr als nur nahe stehende Gruppe sich in der Prignitz ein Refugium geschaffen hat.

Das Personal

Auf der Esoterik-kritischen Webseite Esowatch ist inzwischen ein umfangreiches Dossier zum „Fürstentum Germania“ erschienen. Dort finden sich auch zahlreiche Hinweise, dass „Fürstentum“-Sprecher Jessie Marsson nicht der ist, der er vorgibt zu sein. Folgende mögliche Pseudonyme werden aufgelistet: Byron Michael Jessie Marsson-Dumanch, Jessie Dumanch, Jesse Dumanch, Michael Jessie Freiherr von Pallandt, Michael Hitzler, Julian Dumanch. Als Realname wird hingegen Frank Büntner vermutet. Durch Internetrecherchen lässt sich leicht nachvollziehen, dass Marsson Anhänger verschiedener Verschwörungstheorien wie der angeblicher Chemtrails ist.

Dem „Fürstentum“ nahe steht übrigens Jo Conrad, dem auf „Fürstentum“-Webseiten gedankt wird und der das Projekt unter anderem als Moderator und mittels eines Interviews mit Jessie Marsen unterstützt. Jo Conrad ist Autor von verschwörungstheoretischen und antisemitischen Bücher. Er bezieht sich in seinen Schriften auf die antisemitische Fälschung der „Protokolle der Weisen von Zion“. Sein Internetforum ist Anlaufplatz für rechte Esoterikfans.

Verbindungen zur knallharten Holocaust-Leugner-Szene

Wenn man über das „Fürstentum Germania“ recherchiert, landet man auch blitzschnell bei der ganz harten, rechtsextremen Propaganda. Nur ein Beispiel: Wer die Homepage vom „Deutschen Volksblatt“ aufruft, wird mit Zitaten willkommen geheißen, die zeigen sollen, dass das Judentum 1933 Deutschland den „heiligen Krieg“ erklärt habe. Die dafür benutzten Grafiken entstammen dem Film „Schwindler‘s List“ – einem antisemitischen Machwerk von HolocaustleugnerInnen. Nach dieser Begrüßung lädt die Internetpublikation „Deutsches Volksblatt“ sogleich dazu ein, sich über einen „neuen Staat innerhalb der Grenzen der BRD“ zu informieren. Der dazugehörige Link führt direkt zur Homepage vom „Fürstentum Germania“. Kein Wunder: Der „German News Service“, der das „Deutsche Volksblatt“ herausgibt, ist eine mittlerweile erloschene Firma, deren Adresse auf den Namen „Jessie Micheal Freiherr von Pallandt“ registiert ist.

Auf der Gründungsveranstaltung waren wenig überraschend auch Holocaustleugner zugegen. Ein Foto dokumentiert etwa die Anwesenheit des einschlägig bekannten Bernhard S. Arnhold. Auch der mehrfach vorbestrafte „Reichsdeutsche“ Christoph Kastius ist für das „Fürstentum“ aktiv.

„Hilfe“ für Opfer sexuellen Mißbrauchs

Bei der Gründungsveranstaltung wurden auch so genannte „Ritter der Menschenrechte“ gewählt. Diese sollen als Schutzpatrone für Kinder und Jugendliche fungieren, welche Opfer von sexuellem Mißbrauch geworden sind. Marsson selbst wurde nach eigener Aussage 1993 mißbraucht. Im „Fürstentum“ soll laut Marsson ein Heim für jugendliche Opfer sexueller Gewalt entstehen. Welche Qualität würde diese Betreuung durch antidemokratische Verschwörungstheoretiker wohl haben, wenn es tatsächlich dazu kommen sollte? Welchen Schaden würden diese Kinder und Jugendlichen wohl nehmen? Das schon erwähnte Dossier auf Esowatch berichtet indes über Hinweise, dass „Fürstentum“-Sprecher Marsson sich zugunsten eines wegen Volkverhetzung und Kinderporno-Delikten vorbestraften Mannes eingesetzt und geäußert hat.

Verwirrungen in der Bewertung

Die Äußerungen und die Traktate, die aus dem Umfeld des „Fürstentum Germania“ öffentlich werden, sind zahlreich und häufig widersprüchlich. Mal wird beispielsweise verkündet, man wolle mit Alternativgeld experimentieren, mal wiederum heißt es, Geld solle komplett abgeschafft werden. So ist es nicht verwunderlich, dass die EinwohnerInnen von Plattenburg verunsichert sind, was sie von ihren neuen Nachbarn halten sollen. Der Plattenburger Gemeinderat fühle sich laut der MAZ-Berichte „überrumpelt“ und die Bürgermeisterin gibt sich ratlos: „Ich weiß nicht, was für Ziele diese Leute verfolgen.“ Bis auf Polizeistreifen scheint es übrigens staatlicherseits bisher keine Reaktionen gegeben zu haben. Auch der Brandenburger Verfassungsschutz scheint desinteressiert – es lägen derzeit keine Anzeichen für verfassungsfeindliche Bestrebungen vor, berichtet die MAZ. Die Verbindungen der Fürstentümler bis in die neonazistische Holocaustleugnungs-Szene scheinen dort also nicht bekannt zu sein oder für nennenswert gehalten zu werden. Der Sektenbeauftragte der evangelischen Kirche in Berlin-Brandenburg gab gegenüber der MAZ ebenfalls eine bemerkenswert realitätsferne Einschätzung ab: Er könne im „Fürstentum“ nichts „rechts gestricktes“ erkennen sondern sehe eher links angehauchte Anarchisten am Werke.
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