Berlin / Alt-Treptow: Aktion gegen Baugruppe

hatmuth weide 19.02.2009 13:10 Themen: Freiräume Soziale Kämpfe
Eine AnwohnerInneninitiative in Alttreptow wehrt sich gegen Aufwertung ihres Kiezes und Verdrängung sozial Schwacher
Berlin Alt-Treptow (Kungerkiez)- Mittwoch 18. Februar 2009 : An der Ecke Karl-Kunger- / Lohmühlenstrasse sind zum frühen Nachmittag viele FußgängerInnen unterwegs. Einige schauen neugierig auf die angebrachten Schilder und Graffiti an der Brache auf der Ecke, auf denen Sätze wie "Mit Bäume fällen gewinnt man nicht die Herzen der Menschen im Kiez" oder "Stoppt den Kahlschlag im Kiez" stehen. Von ursprünglich 16 Pappeln wurden neun bereits am Vortag gefällt.

Der Grund für den Kahlschlag ist die geplante Bebauung der beiden Grundstücke von zwei Baugruppen. Wo jetzt noch Garagen und die letzten sieben Pappeln stehen sollen schon bald die Bauvorhaben "KarLoH" und "Zwillingshaus" entstehen.
Durch den Zuzug von einkommensstarken Bevölkerungsgruppen wird ein Verdrängungsprozess gegenüber einkommensschwachen Gruppen in Bewegung gesetzt. Diese „Aufwertung“ eines Stadtteils, auch Gentrifizierung genannt, welche in Mitte und Teilen Prenzlauer Bergs fast abgeschlossen ist und in Friedrichshain und Kreuzberg in vollem Gange ist, beginnt nun seit einiger Zeit auch auf den Kungerkiez überzugreifen. Die zentrumsnahe Lage unweit von Kreuzberg, wenig Durchgangsverkehr, viel Wasser und viel Grün und überwiegend gründerzeitliche Bebauung machen diesen Stadtteil sehr attraktiv.
Durch den Aufkauf von über 100 Wohnungen, durch den US-Hedge-Fond Cerberus, den Bau von Stadtvillen am Kanal und der Luxussanierung von Altbauten wird der Druck auf die angestammte Bevölkerung größer. Momentan leben in Alttreptow mehrheitlich ArbeiterInnen, HandwerkerInnen, Arbeitslose, KünstlerInnen, StudentInnen, Menschen mit Migrationshintergrund und andere einkommensschwache Gruppen. Bei einem Fortschreiten dieser Entwicklung würden sich die meisten derer die Mieten im Kiez nicht mehr leisten können und müssten, auf der Suche nach billigem Wohnraum, ihr Viertel verlassen.
Gegen diese Verdrängungsprozesse kämpft die „AnwohnerInneninitiative Kunger-Kiez/ Alt-Treptow“. Auf einem Zettel an der Bushaltestelle vor dem Grundstück der Baugruppe ist zu lesen:
„Für die VerlierInnen und die Ausgegrenzten dieser Stadt wird es Zeit sich zusammenzufinden, um über die Aufkündigung des sozialen Friedens zu beratschlagen. Die Eigentumsfrage, und das Recht auf bezahlbare Mieten gehören auf gesellschaftlich breiter Basis diskutiert und gegen neoliberalen Mainstream erstritten. Auch gegen profane Baugruppen des Mittelstandes mit ihrer Schaffung von Eigentumswohnungen.“

Ob und wie sich die Menschen, nicht nur im Kungerkiez, sondern auch in anderen „bedrohten“ Stadtteilen, erfolgreich gegen finanzkräftige Investoren zur Wehr setzen können, wird letztlich vom Grad der Mobilisierung abhängen. Betroffen sind viele, aber die Zeit, den Mut und die Kraft, durch direkte Aktionen und Schaffung von Öffentlichkeit Druck auszuüben haben oft nur wenige. Die Zeit zum Handeln ist gekommen.
Creative Commons-Lizenzvertrag Dieser Inhalt ist unter einer
Creative Commons-Lizenz lizenziert.
Indymedia ist eine Veröffentlichungsplattform, auf der jede und jeder selbstverfasste Berichte publizieren kann. Eine Überprüfung der Inhalte und eine redaktionelle Bearbeitung der Beiträge finden nicht statt. Bei Anregungen und Fragen zu diesem Artikel wenden sie sich bitte direkt an die Verfasserin oder den Verfasser.
(Moderationskriterien von Indymedia Deutschland)

Ergänzungen

Fotos

hartmuth weide 19.02.2009 - 15:37

hier noch ein paar bilder von vor ort

Dass die Welt ein wenig komplexer ist...

hillybilly 22.02.2009 - 11:12
als die Indymoderatoren meinen, ist ja allen bekannt. Allerdings scheinen die ModeratorInnen das nicht dulden zu wollen. Daher wird mit stetiger Zensur aller Erläuterungen und Argumente versucht die Welt zu zwingen so schwarz / weiß wie die Indyberichte zu sein...

hier also noch einmal:
Halluzinationen?
gönyl 21.02.2009 - 13:41
"Durch den Zuzug von einkommensstarken Bevölkerungsgruppen wird ein Verdrängungsprozess gegenüber einkommensschwachen Gruppen in Bewegung gesetzt", das ist ja eine schöne und allgemein nicht falsche Aussage... doch im vorliegenden Fall greift sie nicht. Es geht hier um alternative Wohnprojekte die entstehen sollen, das sin weder einkommensstarke Bevölkerungsgruppen, noch irgendetwas in der art. Es ist zwar nicht schön wenn Pappeln gefällt werden, andererseits lässt sich auch die Frage würdigen Wohnraums für alle nicht unbedingt ohne das Fällen der einen oder anderen Pappel lösen. Zumindest nicht so lange die Enteignung der Einkaufszentren nicht gesellschaftlich durchgesetzt ist.
Ich frage mich was Leute dazu bringt sich genau an diesen alternativen Projekten aufzuziehen und sich in eine solche Auseinadersetzung zwischen vermeintlich ganz Armen (das sei auch nochmal dahingestellt, den meisten Baumschützern in Berlin bisher ging es um den Erhalt einer kleinbürgerlichen Alternatividylle) und unterer Mittelschicht zu begeben?
Warum können täglich in Berlin Bäume gefällt, Grundstücke bebaut werden usw. aber plötzlich wenn für ein alternatives Wohnprojekt 16 Pappeln gefällt werden, dann geht's ab. Haben sich da Leute gewollt oder ungewollt einspannen lassen und falsche Konflikte zu schüren? oder erhoffen sich einige Leute endlich mal einen Erfolg nach 20 Jahren erfolgloser linker Politik, weil man ja jetzt irgendwelche kleinen Fische, die kaum Alternative haben unter Druck setzen will?
Wirklich komische Sache. In einer anderen Situation oder in einem anderen Land würde ich schnell davon ausgehen das ist eine Aktion von Infiltrierten. So operieren sie zumindest häufig in globalen Großstädten um Konflikte zu schüren, die der linken schaden. Aber hier in Berlin gibt es wahrscheinlich genügend Knaller, dass es gar nicht notwendig ist...

Hilfe, Veränderung!

Bob der Anwohner 22.02.2009 - 21:40
Ich muss hillybilly unterstützen! Wenn ihr es nicht schafft, bei indymedia eure feigen ZensorInnen von der Moderationsmacht zu entbinden, könnt ihr bald eurer partizipatives Modell vergessen und eine Tendenzzeitung draus machen! trotzdem noch ein kleiner Beitrag von mir - auch wenn er nicht lange stehen bleibt ... gönyl fragt sich: " ... was Leute dazu bringt sich genau an diesen alternativen Projekten aufzuziehen und sich in eine solche Auseinadersetzung zwischen vermeintlich ganz Armen (das sei auch nochmal dahingestellt, den meisten Baumschützern in Berlin bisher ging es um den Erhalt einer kleinbürgerlichen Alternatividylle) und unterer Mittelschicht zu begeben?" hatmuth weide sagt: "Ob und wie sich die Menschen, nicht nur im Kungerkiez, sondern auch in anderen „bedrohten“ Stadtteilen, erfolgreich gegen finanzkräftige Investoren zur Wehr setzen können, wird letztlich vom Grad der Mobilisierung abhängen." Vielleicht ist das ein Teil der Antwort. Ich habe als Anwohner die Veränderungen der letzten 20 Jahre seit der Maueröffnung in Kreuzberg, Friedrichshain und Treptow bewusst erlebt und tlw. mitgestaltet.
hatmuth weide hat völlig recht, die Umstruktrurierung im Innenstadtbereich ist voll im Gang ... übrigens schon seit es eine Innenstadt gibt.
Was mich an der Argumentation stört, ist die undifferenzierte Gleichmacherei der Kiez-KlassenkämpferInnen und die passive Opferrolle, die sie der "angestammten Bevölkerung" gewähren. Dabei sind sie es doch, die in den pauperisierten Bezirken immer die Veränderungsprozesse einleiten und solange mitmachen, bis sie selbst entweder von der Umstrukturierung profitieren oder zusammen mit der "angestammten Bevölkerung" woanders hin ziehen. Ich rede von den StudentInnen, den prekären Kreativen, den Hartz-IV-Selbstständigen, den PsychotherapeutInnen, den Kunstgalerien, die an jeder Ecke den Leerstand in den Gewerberäumen mit subventionierten Zwischennutzungsverträgen deckeln und sich für mehr "Lebensqualität" stark machen. Um keine Missverständnisse aufkommen zu lassen: ich hab nichts gegen diese Leute, aber sie sollen sich, wenn sie sich schon politisch einmischen, auch selbstkritisch ihrer Rolle als KiezverändererInnen bewusst sein.
Und vor allem sollten sich die ach so authentischen "AnwohnerInnen" auf die eigentlichen Probleme konzentrieren. Warum wird nicht der Investorengruppe Cerberus auf den Leib gerückt, warum werden nicht die teilweise leerstehenden Räume in den Treptowers besetzt oder das Arena-Imperium angegriffen, das für den Massentourismus im Kiez maßgeblich mitverantortlich ist? Warum werden die Bebauungspläne für das Gelände der Lohmühlenwagenburg nicht öffentlich debattiert? hatmuth weide weiß es sicher: weil die Initiative kein politisches Konzept, keine gemeinsame gesellschaftliche Perspektive hat. Da sind doch gefällte Pappeln und ein paar linksalternative HäuslebauerInnen, die nicht gleich die Repressionskeule schwingen ein super Angebot, sich die nicht vorhandene Stärke und Geschlossenheit einzureden. Und wenn die Pappeln gefallen sind, ist der Spuck wieder ebenso schnell zu Ende ... Sorry, aber wer in einem Flugblatt Hegde Fonds, Investoren und Baugruppen in einen argumentativen Brei schmeißt (so gesehen im Kunger-Kiez) betreibt dumpfe Agitation und disqualifiziert sich als politische/r BündnispartnerIn im Kampf gegen die kapitalistische Vernutzung von innerstädtischem Lebensraum und um mehr gesellschaftliche Partizipation bei der Gestaltung desselben.
Mit Leuten, denen nix besseres einfällt, als auf abgesägte Baumscheiben "Mord" zu sprühen und sonst markige Sprüche kloppen, will ich nix zu tun haben. Mit einer antikapitalistischen und emanzipatorischen Perspektive hat das nüscht zu tun. Eher mit identitärer Selbstbezogenheit.

Beiträge die keine inhaltliche Ergänzung darstellen

Zeige die folgenden 9 Kommentare an

begriff — checker

begriff ad 2 — stutziger

neuköllner — egal

Mods! — jes!

@ jes! — gegen deppen

Halluzinationen? — gönyl

nix mit alternativ — neuköllnerin

Blabla.... — olga