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AntiPat- und Organisationsdebatte

riotqueer 17.02.2009 21:04
Da im allgemeinen Umgang, um Vernetzung innerhalb von Stadtteilen und ehemals besetzten Häusern, die Struktur des 'Feierns' in bester Laune, wie am Wochenende in der Köpi/Berlin, mal eine Wiederholung der Debatte um anti-sexistische Basisarbeit und das Fortkommen darin,...gerade weil der Schwenk an die Generation 20+ längst am machen und tun ist.
However abominable may be the conditions being brought into being by capitalism, it is clear that these very same forces are creating the conditions for a new society, and the worse things become, the stronger become the forces to overthrow them. But this cannot be a case of holding on to or going back to what we had in the past. That is self-evident.
The separation of public works from the state, and their migration into the domain of the works undertaken by capital itself, indicates the degree to which the real community has constituted itself in the form of capital. ... The highest development of capital exists when the general conditions of the process of social production are not paid out of deductions from the social revenue, the state's taxes [or via family obligations or by plundering the colonies - AB] ... but rather out of capital as capital. This shows the degree to which capital has subjugated all conditions of social production to itself, on one side; and, on the other side, hence, the extent to which social reproductive wealth has been capitalised, and all needs are satisfied through the exchange form; as well as the extent to which the socially posited needs of the individual, i.e. those which he consumes and feels not as a single individual in society, but communally with others — whose mode of consumption is social by the nature of the thing — are likewise not only consumed but also produced through exchange, individual exchange. ...

Versuch zur Organisationsdebatte, Autonomie und Männern

„Unsere Subjektivität war immer eine kollektive. Sie war in einer Bewegung eingebunden, die aktiv ihre eigene Existenz thematisiert hat.“ 1

Im folgenden Text wollen wir eine Einschätzung zur Situation der Linken abgeben. Unsere Motivation dabei ist, einen Standort für uns als Männer in autonomen Strukturen zu entwickeln. Wir wollen dabei auch die Diskussionen und Entwicklungen in der Organisationsdebatte kritisieren.
Selber gehen wir davon aus, dass sich die BRD in einem fortschreitendenden Prozess der Militarisierung und eines patriarchalen „Roll-backs“ befindet. Militarisierung beschreibt hierbei die schrittweise Funktionalisierung aller gesellschaftlichen Gruppen für das „nationale Interesse“.
Die AG Männerdiskussion aus Dortmund beschreibt dies so: „Frauen haben einen Begriff von Nation geprägt, der ein tieferes Verständnis für den Zusammenhang zwischen Nation, Imperialismus und Patriarchat ermöglicht. Sie beschreiben Patriarchat als innere Kolonialisierung anderer Nationen, insbesondere der Frauen. Für weiße Männer ist die Beherrschung und Ausbeutung von Frauen und anderen Nationen eine nationale Aufgabe.“ 2

Die Militarisierung der Gesellschaft

Die Männer schließen dabei einen Pakt quer durch die gesamte Gesellschaft. Linke Männer profitieren von der Stabilisierung ihrer in den 70er Jahren ins Wanken geratenen Männerrolle erst mal ebenso wie Rechte und Bürgerliche. Die Einschränkung von Frauenrechten wie dem § 218, die Streichung von Geldern für Frauenprojekte und die stärkere Rollenzuweisung für Frauen in Werbung, Kunst und in den Medien, das alles sind Verhältnisse, die es Männern (auch in linken Zusammenhängen) ermöglichen, eine repressive Männeridentität einzunehmen und auszuleben.

Waren vor wenigen Jahren Männerbünde wie Bundeswehr, Fußballfanclub oder Burschenschaft noch als überholte Kraftmaiervereine betrachtet worden, so hat sich dieses Bild heute gewandelt. Soldaten erscheinen als Friedensengel am Blauhelmhorizont. Endlich kann der Mann seine Männerrolle in der Bundeswehr auch wieder wirklich beweisen. Während soldatische Pflichten durch die Macht zu töten und dem Wochendausflug ins kenianische Bordell belohnt werden, bietet die Burschenschaft in Zeiten der beginnenden Rezession eine attraktive Möglichkeit zur Sicherung der Karriere.

Mit der neuen Attraktivität traditioneller Männerbünde vermitteln sich auch hierarchische Normvorstellungen und starre Wertmaßstäbe wieder besser in der Gesellschaft. Die stärkere Identifikation auf das „wir-Gefühl“ der Männerbünde führt geradewegs zum „Über-Wir“, dem comeback des Nationalismus und deutschen Konservatismus. War in den 70ern das Männerbild gerade wegen dem schlechten Ruf der traditionellen Männerbünde auf wackligem Posten, so hat heute ihre neue Attraktivität eine Formierung männlicher Interessen zur Folge.

So lassen sich von den Kapitaleliten mit dem Verweis auf die „anstehenden Konkurrenzkämpfe der 90er“ fast widerspruchslos Sozialkürzungen, Betriebsschließungen, neue „Ausländergesetze“ und die Aufstockung von „Sicherheitskräften“ durchziehen. Alles wird unter seiner Funktionalität für das „nationale Interesse“ betrachtet, letztlich auch die soziale Rolle der FrauenLesben.

Einen besonders starken Kick hat diese Entwicklung mit der Wiederaneignung der DDR bekommen. Weite Teile der Linken, vor allem jene, die sich auf sozialistische oder kommunistische Modelle bezogen, waren in der Krise. Sowohl die theoretischen Konzepte waren überholt, als auch die Linke überhaupt „megaout“. Die gesellschaftliche Stimmung hatte sich auch insoweit geändert, dass klassische Männerverhaltensweisen wieder Aufwind hatten.

Innerhalb der Linken macht sich dies beispielsweise dadurch bemerkbar, dass die Intervention und Herausbildung von Frauenzusammenhängen deutlich nachgelassen hat. Bestehende FrauenLesbengruppen arbeiten in ihren eigenen Strukturen oder bewegen sich resigniert in gemischten Zweckbündnissen. Während sich noch 87 zur IWF-Vorbereitung in Berlin die gemischten Gruppen immer mehr auflösten und sich auch autonome Männer immer mehr gezwungen sahen, in Männergruppen politisch zu arbeiten, sind linke Männer heute wesentlich weniger unter Druck gesetzt, sich unter Männern auseinander zu setzen. FrauenLesben und Männer haben sich vorläufig eingerichtet in den Verhältnissen. Neue „Brüche“ werden kommen. Wie dann damit umgegangen wird, ist offen.

Zur Organisationsdebatte

Die Rückkehr zu klassischen Werten entwickelt sich unserer Meinung nach auch in der derzeitigen Organisationsdebatte. Diese Diskussion, die eigentlich schon immer geführt wurde, bekam in den letzten 3 Jahren mehr Raum und es gründeten sich Gruppen und Organisationen aus ihr heraus. Am bekanntesten sind die Gruppen „Antifa M“ und „Für eine linke Strömung“ (FelS), die mit verschiedenen Antifa-Gruppen in der „Antifaschistischen Aktion – Bundesweite Organisation“ (AA-BO) organisiert sind.

Es liegt uns hier nicht im Sinn, Organisierungsansätze grundsätzlich schlecht zu machen. Uns geht es vielmehr darum, zunehmende patriarchale Tendenzen in autonomen gemischten- und Männerstrukturen darzustellen. Wir denken, dass der Drang nach festeren Rahmenbedingungen und Organisationen ein Beispiel dafür ist, wie linke Männer von den veränderten Bedingungen profitieren (wollen?) und ihr Handeln dabei an männlichen Kampfbedingungen orientieren.

a) Für eine linke Strömung

Während weite Teile der Linken theorie- und kopflos durch die politische Landschaft zockelten, schoben in Berlin Heinz Schenk (späteres FelS-Spektrum) und in Göttingen die „Antifa (M)“ die Organisationsdebatte erneut an. Beide schrieben dabei viel Wahres, manches Falsche, jedoch nix Neues. Heinz Schenk beispielsweise kritisierte die „autonomen Normen“ und Hierarchien, Unverbindlichkeit und fehlende Kontinuität in politischen Gruppen. Dabei sehen beide die Wurzel des Übels vor allem in der „Kampagnenpolitik“. Ein Schwachpunkt war dabei, dass keine Erklärung geliefert wurde, woher denn nun diese verbreitete Oberflächlichkeit in Beziehungen und Kämpfen kommt. Folglicherweise fehlte ein kritischer Männeransatz auch völlig in der Papieren der Gruppe, was sich fatal auswirkte. Anstatt auch die eigenen Verhaltensweisen kritisch zu reflektieren und von der Szene eine Auseinandersetzung um ihre männerdominanzgeprägten Strukturen zu verlangen, machten sich Schenk’s daran, ihren eigenen gemischten Zusammenhang zu schaffen. Wir dagegen denken, dass die typischen oberflächlichen, von Konkurrenz und Distanz geprägten Verhaltensweisen nur in einer kritischen Auseinandersetzung unter Männern aufgebrochen werden können. Der FelS-Zusammenhang macht inzwischen eine Zeitung (arranca) und „Schulungen“. Insgesamt stellt sich die Organisierungsdebatte als Ersatzdiskussion dar. Es wurde nicht überlegt, wie unsere Zusammenhänge „HERRschaftsfreier“ werden können und wo die Ursachen liegen, dass Männer ihre Privilegien nicht in Frage stellen. Stattdessen wurden altbekannte Ansätze locker aufgearbeitet, intellektuell verwurstet, und bunt gemixt serviert. Raus kommt nicht mehr oder weniger als bei anderen bestehenden Gruppen. Insofern war es zwar nervig, in der Arranca Nr. 2 ein Interview mit der italienischen HipHop-Gruppe „Lion Horse Posse“ zu finden, in dem mit keinem Wort auf deren Sexismus eingegangen wurde, obwohl in mehreren Städten hierzu Diskussionen liefen. Aber dies entspreicht durchaus dem patriarchalen Konsens der Gesamt-Linken.

b) Antifa M

Die Antifa M trat mit ihren Organisationsvorschlägen erstmals bundesweit in Erscheinung, als die restliche Göttinger Szene in die Sexismusdiskussion verstrickt war. Kein Wunder ist das männerbündlerische Auftreten der Gruppe doch kaum zu überbieten. Mackermilitanz, Publicityfixiertheit und militaristisches Auftreten werden bei der Antifa M wie von sonst kaum einer linken politischen Gruppe zum Programm stilisiert und forciert. Mit dem Auftreten als schwarzer Block mit Helmen, Knüppeln und Ordnern wird die vermeintliche politische Stärke zum Männlichkeitsritual. Besonders skurril mutet dies angesichts der Tatsache an, dass die Demo-eigenen Ordner militante Aktionen im Rahmen der Demo verhindern sollen. So haben sich diese beispielsweise auf der Göttinger Sylvesterdemo 91 vor Banken gestellt, um Sachschäden zu verhindern. Das „kriegerische“ Auftreten mit polierten Helmen wird Selbstzweck zur Förderung der männlichen Gemeinschaft. Die drückte sich auch am Beispiel der Demonstration in Adelsleben am 20.3.93 gegen das dortige Nazizentrum aus. Brachte die Gruppe doch nach der Demo eine Hochglanzbroschüre heraus, die im wesentlichen aus vierfarbigen Hochglanzfotos vom schwarzen Block bestand. Mit der Heraushebung der Organisierung des (männlichen) Feindes (Faschist) wird eine eigene, auf männliche Riten und Gebräuche orientierte Politik betrieben und legitimiert.

c) Die AA-BO

Beide Gruppen, Antifa M und FelS, sind in der AA-BO organisiert. Diese schreibt in der Broschüre „Einsatz“ über ihre Gründung: „Im Sommer 91 fand in Offenbach ein bundesweites Antifatreffen statt,... Sehr schnell kristallisierte sich eine Diskussion um das Stichwort „Organisierung“ heraus. Jedoch gingen Vorstellungen über den Sinn einer Organisierung ebenso wie über die Form auseinander.“ Ein Drittel der Gruppen verließ diesen Zusammenhang schließlich im Februar 93 aus inhaltlichen Gründen und gründete ein eigenes Netzwerk. Inhaltlich sieht sich die AA-BO immer wieder dem Vorwurf ausgesetzt, sich an das Organisationsmodell der KPD aus den 20/30er Jahren anzulehnen. Sie selbst schreibt dazu: „(...) schon die Namensgebung der antifaschistischen Aktion verpflichtet zu einer kritischen Auseinandersetzung und historischer Aufarbeitung der Geschichte des Widerstandes... Dabei sollen progressive Elemente historischer Organisationen bzw. Aktionsformen weiter entwickelt werden.“3

Eine militante Gruppe formulierte in der „Radikal“ Nr. 148 ihr kritisches Verhältnis zur AA-BO so: „Am meisten kritisieren wir die Einseitigkeit, z.B. wie Medienpolitik begründet wird, woran Relevanz und Erfolg gemessen werden, oder viel allgemeiner, was außer der Organisation selbst und ihrem Schwerpunkt Antifa überhaupt noch gesehen und akzeptiert wird. Diese Einseitigkeit kann in Starrheit und Dogmatismus enden... Viele ehemalige GenossInnen haben sich verändert in Organisationen, die zu Apparaten wurden. Dann wird mit Sachzwängen und Notwendigkeiten argumentiert, von denen vorher keine Rede war... Damit muss sich auseinander gesetzt werden, als Pflichtübung, bevor eine solche Organisation gegründet wird. Denn danach fangen die Sachzwänge an. Mir ist nicht bekannt, dass innerhalb der AA-BO Gründe für das Scheitern ähnlicher auf Masse, Öffentlichkeit, Relevanz und Erfolg ausgerichteter Versuche erarbeitet wurden.“ Allgemein stellt die Gruppe fest: „Wenn über die AA-BO diskutiert wird, dann gibt es eine konkrete Praxis, über die kritisiert oder gutgeheißen werden kann.“4

Zu ihrem Umgang mit Sexismus schreibt die AA-BO: „Trotz oder wegen teilweiser hoher Ansprüche konnten die linken (autonomen) Zusammenhänge weder mit Hierarchien umgehen, noch in den meisten Fällen partiarchale Strukturen konstruktiv thematisieren.“ Und stellt an anderer Stelle hierzu fest: „In politischen Gruppen, in denen Zufalls- oder „Bock“prinzipien vorherrschen, setzen sich zwangsläufig die Privilegierten durch – also acuh partiarchale Rollenmuster. Erst verbindliche Strukturen können überhaupt die praktische Durchsetzung theoretischer Ansprüche ermöglichen“5 Diese Kritik der AA-BO finden wir richtig. Allerdings denken wir, dass verbindliche Strukturen alleine an der Männerdominanz in gemischten Gruppen nichts ändern.

Realität ist nämlich, dass auch in „verbindlichen Strukturen“ meist die Männer vorschreiben wollen, wie denn die „theoretischen Ansprüche“ nun aussehen. Der Männerzusammenhang „Tenkile“ schreibt zu dieser Frage einer Organisierung: „Jeder Organisationsansatz, sofern er aufs Ganze zielt, konfrontiert uns mit der historischen Erfahrung, dass er bereits das Prinzip der Machtergreifung und Machtausübung durch die Organisation in sich trägt. Das hat sich in männerdominierten Kollektiven und Parteien (...) immer gegen die Frauen ausgewirkt. Konkret, auf unsere linken Verhältnisse übertragen heißt dies, dass in gemischten Zusammenhängen trotz und wegen der Beschwörung von „Gleichheit“ und „Einheit“, das Verhältnis zwischen den Geschlechtern unauflösbar von der männlichen Vorherrschaft geprägt ist. Wie eine Organisierung unter der Bedingung der Unterschiedlichkeit der Kämpfe hier und weltweit für uns auszusehen hat, kann sich nur in der Praxis, im Prozess, schrittweise zeigen. Eines ist gewiss, die autonome Organisierung von Männern für eine umfassend revolutionäre Politik ist die adäquate Antwort auf den Geschlechter-Reformismus der gemischten Zusammenhänge. Sie schließt die autonome revolutionäre Organisierung der Frauen, Schwarzen, usw. mit ein bzw. leitet sich selber daraus ab.“6

Während die AA-BO fehlende Organisationsstrukturen als eine Ursache für männliches Verhalten ausmacht, sieht „Tenkile“ in gemischten Zusammenhängen grundsätzlich eine Form des „Geschlechter-Reformismus“.
„Geschlechter-Reformismus“ soll hierbei beschreiben, dass Männer sich nur soweit verändern, wie es nötig ist, um die gemischten Bündnisse, und damit die eigene Machtposition aufrechtzuerhalten. Je fester dabei die Struktur (Organisation), desto festgeschriebener sind dann auch die patriarchalen Wurzeln verankert. So ist beispielsweise der „Spaltungsvorwurf“ ein Kind der Organisationen, mit dem allerdings auch autonome Männer versuchen, Kritik von Frauen abzuschmettern.

Insgesamt stellt sich die Organisationsdebatte für uns als Ausdruck eben jener Militarisierung der Gesellschaft (auch der linken) dar, die vom Dortmunder Autorenkollektiv beschreiben wurde. Statt eben jene patriarchalen Strukturen aufzubrechen, werden diese in funktionalisierenden Verhältnissen ausgebaut. Es geht dabei nicht darum, den einzelnen Männern eine größere Täterschaft oder stärkeren Sexismus vorzuwerfen, hier schenken sich organisierte & unorganisierte Männer nichts, sondern es geht darum, auf Strukturen aufmerksam zu machen, die männerdominante (Gewalt-)Verhaltensweisen zementieren und festschreiben. Eine punktuelle Vernetzung und die Schaffung von arbeitsfähigen Strukturen halten wir durchaus für sinnvoll und nötig. Aber jede Organisationsform mit „allgemeinem Anspruch“ beinhaltet zwangsläufig Herrschaftsverhältnisse bzw. hält diese selbst mit aufrecht.

Die autonomen Gruppen

Eine Kritik an der Organisationsdiskussion ist das Nichtwahrnehmen bereits bestehender organisierter Gruppen. Außer den Autonomen gibt es eine Vielzahl mehr oder minder organisierter Gruppen. Von der „Föderation Gewaltfreier Aktionsgruppen“ und der „FAU“ bis hin zu kommunistisch oder sozialistisch ausgerichteten Gruppen wie dem „KB“ oder die Gruppe „Avanti“, die wir aber alle im weiteren nicht näher betrachten wollen. Vielmehr soll es, da auch wir uns in diesem Spektrum bewegen, um die autonomen Gruppen gehen. Die oben genannte Gruppe „Avanti“ schreibt hierzu: „Zuerst sind die „Autonomen“ keine politisch einheitliche Strömung. Sie sind eher eine linke Jugendkultur mit revolutionärem Anspruch. Dies muss auch so akzeptiert werden. Schließlich ist die Entwicklung von Gegenkultur – so schwach oder brüchig sie auch sein mag – ein wichtiger Ansatz für revolutionäre Politik. Innerhalb dieser Kultur oder Szene finden sich nun die verschiedensten „Organisationen“. Es gibt Publikationen, Arbeitsgruppen zu bestimmten Themen, Plena und Antifajugendfronten, Frauengruppen, Lesbengruppen, antiimperialistische Gruppen („antiimps“), etc., insofern sind weite Teile der Autonomen organisiert. Es kann bei der Debatte um autonome Organisierung daher auch nicht darum gehen, die gesamte Szene zu organisieren, oder gar eine autonome Partei an die Stelle der Jugendkultur treten zu lassen. Solch eine „Partei“ würde aufgrund der großen inhaltlichen Differenzen entweder vollkommen programmlos sein, oder durch autoritäre Maßnahmen zusammen gehalten werden müssen. Beides kann nicht in unserem Sinne sein.“7

Dies trifft in der oben beschriebenen Struktur zwar grundsätzlich zu, übergeht aber dabei, dass es um die Stärke und/oder Organisierung der meisten oben beschriebenen Gruppen nicht so weit her ist. Fakt ist: bei einem breiten Spektrum der Linken widerspräche eine gemeinsame Organisierung ihrer Geschichte, ihrer inhaltlichen Bestimmung und vor allem ihrer Praxis und Authentizität. Beste Beispiel hierfür sind die Autonomiebestrebungen der FrauenLesben, Schwulen und Migranten. Eine gemeinsame Organisierung der Linken kann insofern nur punktuell sinnvoll sein.

Über die autonome Bewegung wurde viel gescholten in ihrer Geschichte. An vielen Punkten zurecht. Unverbindlichkeit, Medienfixiertheit, Mackermilitanz, fehlende Kontinuität, das alles sind Vorwürfe, die sich die autonome Bewegung gefallen lassen muss. Nicht erst seit der Wiedervereinigung und dem Erstarken des Rassismus und Faschismus, wird den Autonomen ihr politisches Ende vorher gesagt. Bereits 87, nach den Schüssen an der Startbahn West und 83, als die Autonomen politisch von anderen sozialen Bewegungen (z.B. der Friedensbewegung) isoliert waren, zeigten sich autonome Strukturen zäher als vermutet. 1983 stellte eine Revolutionäre Zelle/Rote Zora zur Frage ihres Verhältnisses zu großen teilen der sog. Neuen sozialen Bewegungen fest:
„Die Neuen Sozialen Bewegungen – das hat die Friedensbewegung auf den Punkt gebracht – verlaufen zunehmend quer zur Klassenfrage, überlagern soziale Inhalte und entwickeln sich in Teilen nach rechts. Als ausschließlicher Bezugspunkt einer revolutionären Praxis werden sie fragwürdig. Jenes „Ab in die Bewegung“, das die Frage der Mobilisierung vor ihre Inhalte und Ziele stellt, reicht als Kriterium nicht länger“8

Trotz aller Unzulänglichkeiten und Unverbindlichkeiten haben sich die Autonomen seit den 80ern als kontinuierlichste politische Kraft gezeigt. Während „bürgerliche“ Bewegungen des Friedensbewegungs- Anti-AKW-, etc. –Spektrums im Laufe der Zeit ihre Basis verloren, konnten sich autonome Strukturen immer wieder erneuern, weiter entwickeln und auf veränderte Situationen eingehen. Der Tupamaro-Aktivist Huidobro beschreibt diese Stärke der westdeutschen Linken, trotz seiner Kritik an der „Aufsplitterung“ dieser, in einem Interview so: „Die Autonomie der westdeutschen Linken hat ihr eine große Lebendigkeit eingehaucht, sie ist nicht zusammen gebrochen, als der Realsozialismus fiel. Das ist sehr positiv. Unabhängig davon, ob es viele sind oder nicht, die Linke hier lebt. Die Größe spielt da nur eine Nebenrolle.“

Eine Wurzel der Lebendigkeit autonomer Zusammenhänge hat ihren Ursprung in der Sponti- und Alternativbewegung Ende der Siebziger, Geronimo beschreibt die Geschichte nach dem „Tunix“-Kongress im Januar 78 im Buch „Feuer und Flamme“: „In den Jahren 78-80 kommt es zu der bis dato stärksten Gründungswelle von ökonomischen Alternativprojekten(...) Gerade in West-Berlin wurde die Alternativbewegung zum Mobilisierungsboden für die in den Jahren 79/80 entstehenden Ansätze einer Instandbesetzerbewegung, die sich um die Jahreswende 80/81 zu einer nicht erwarteten Hausbesetzerbewegung entwickelte“9

Eben jene Häuserbewegung wurde zur politischen Manifestation der Autonomen. Der Ansatz für eine befreite Gesellschaft zu kämpfen, wurde hier praktisch im Kampf um eigene „Freiräume“. Diese Sichtbarkeit der Ziele war und ist wesentlicher Bestandteil des Überlebens der Autonomen wie der radikalen Linken in der BRD überhaupt. Trotzdem sich immer wieder Organisierungsdebatte an Organisierungsdebatte reihte, konnten sich Organisationen im autonomen „Biotop“ nie etablieren oder als größere politische Kraft herausbilden. Lediglich an punktuellen Fragen war langfristige Zusammenarbeit möglich. Geronimo beschreibt daher die Organisierungsfrage als „vorsichtigen Prozess (...), der auf schwankenden Grundlagen ständig neu in einem wechselseitigen Theorie-Praxis-Verhältnis gesucht werden muss.“

Weitergehend meint er: „Die derzeitige Struktur der Autonomen ist durch eine, wenn auch schwache, so doch existente, teilbereichs- und lokal orientierte Organisierung gekennzeichnet. Diese dezentrale und zersplitterte Organisierungsform ist sowohl ein Ausdruck der existierenden gesellschaftlichen Verhältnisse, als auch ein Hinweis darauf, dass es aufgrund zerstreuter Erfahrungszusammenhänge kaum gemeinsame verallgemeinerbare Strategien von politischen Zielen und Mitteln einer Autonomen-Organisierung geben kann. (...) Die Unübersichtlichkeit des politischen Zusammenhangs (...) darf nicht nur allein unter formalen Organisationsaspekten als diskfunktional betrachtet werden. In umgekehrter Sichtweise bieten die autonomen Zusammenhänge einen weiten Raum, die herrschende Realität anzugreifen, sich selbst dabei zu verändern und sich wieder zurückzuziehen, zum Beispiel um neue Ansätze mitzubekommen...“10

Ein solcher Weg zwischen Gegen-, Alternativkultur und politischer Bewegung ist dabei immer ein Tanz auf des Messers Schneide. Nicht umsonst bewegt sich die BRD-Linke, und mit ihr die Autonomen, auf einer Bandbreite von dogmatisch-intellektualisierend auf der einen bis zu verallgemeinernd-reformistisch auf der anderen Seite. Aus der Entpolitisierung weiter Teile der Alternativkultur sollten wir ebenso lernen wie aus der Systemintegrierung der K-Gruppen-Kader der 70er in die Parlamente. Es gibt die von uns angestrebten „Freiräume“ nicht. Der Irrglaube, ein besetztes Haus oder eine formale Verhaltensänderung mache einen besseren Menschen, hat so manche Zusammenhänge an der eigenen „Unzulänglichkeit“ scheitern lassen. Die Feststellung, dass weder die große Familie („Szeneeinheit“) noch Verbindlichkeit, Nähe und Sicherheit in unseren engeren Zusammenhängen so existieren wie formuliert, hat viele Menschen aus dem linken Spektrum zermürbt und aufgeben lassen. Das Kleinfamilienmodell, mit mittelprächtigem Einkommen und bequemer, systemintegrierter Alternativkultur boten scheinbar mehr Perspektiven als Konkurrenzkämpfe im autonomen Klüngel.
Das Anti-Olympia-Komitee formuliert folgende Einschätzung: „In den letzten Jahren, und dies wird sich noch verschlechtern, müssen alle mehr und/oder beschissener ackern, um sich materiell abzusichern, für viele stellt sich die Frage nach Nischen, in denen – oft zu unrecht – an die bürgerliche „Karriere“, an die „große Liebe“, an das „Glück durch Kinder“, etc. neu - und doch so alt – wieder geglaubt wird. Berechtigte und irrationale Ängste und Zweifel, an der Kollektivität, an der Verlässlichkeit und Solidarität der Szene entstehen. Wie leben wir z.B. das Alter? Diese Fragen und Gefühle sollten politisiert werden, wen wir uns selbst überhaupt ernst nehmen.“11

Wenn der autonome Kritiker Paul in einer Diskussion in der Radikal zur Organisierungsfrage sagt: „Wir gehen davon aus (...), dass die autonome Szene in Göttingen, aber auch in der BRD in der Krise ist. Mit der Krise müsste so umgegangen werden, dass die Diskussion um partiarchale Strukturen(...), die Diskussion über Militanz, warum sich Leute zurückziehen, im größeren Rahmen geführt wird.“12 dann beschreibt er das, dass die Ursachen der Krise zum Teil bereits erkannt sind und diskutiert werden. Gerade die „Basis“ unserer Kämpfe, unsere Wohnprojekte, WG’s, Zentren und politische Gruppen, lösen sich in regelmässigen Abständen aufgrund der patriachalen Strukturen dort auf. Erst wenn wir unsere Hierarchien und unser Dominanzverhalten aufbrechen, können wir auch wieder langfristige Erfolge in unseren Strukturen und nach außen erzielen. In Verhältnissen, in denen wir eigentlich schon selbst gar nicht mehr wirklich an die Verwirklichung unserer Utopien glauben, wird uns auch immer der Mut und die Kraft fehlen, diese anderen näher zu bringen.

Wenn wir unsere patriarchale Sozialisation als Ursprung für die Auflösung unserer Strukturen von innen ausmachen, dann heißt das auch, dass lediglich die Entwicklung geschlechtsspezifischer Ansätze zur Veränderung dieses Verhältnisses führen können. Dabei ist dann nicht nur die Entwicklung der Theorie, sondern gerade unsere Praxis ein wesentlicher Punkt. Männergruppen müssen für uns zum festen Bestandteil unseres Alltags und unserer politischen Kämpfe werden. Unsere Utopien können sich nur unter uns und in unserem Verhalten zueinander entwickeln. Allerdings dürfen wir dabei unsere Privilegien, unseren alltäglichen Sexismus und Rassismus, nicht aus den Augen verlieren, da wir uns sonst lediglich zu einem reformierten Männerbund entwickeln würden. Im Bezug auf Antifaschismus heißt dies z.B., dass Männer ihr Verhalten auf Antifa –Aktionen usw überprüfen und sich über die Männerdominanz in der Szene auseinandersetzen müssen.

Und die Männerbewegung?

Der weiter oben beschriebene patriarchale Roll-back, der die Linke in die Krise geführt hat, hat seinen Ausdruck auch gerade in der „Männerbewegung“ gefunden. Wo einst Männer aus linken Zusammenhängen angefangen haben, ist ein großer Markt konservativer Männerwerte entstanden. Immer mehr und immer reaktionärere Männerbücher drängen auf den Markt. In gleicher Weise, wie die breite Masse der „interessierten Männerszene“ entpolitisiert und psychologisierend wurde, hat sich ein rechter Rand aufgebaut. Einer der Heerführer der „Neuen Männerrechten“ ist Robert Bly, der die Männer dazu auffordert, wieder zu althergebrachten Tugenden wie Härte und Kampfbereitschaft zurückzufinden. „Männer sollen wieder ihr Schwert zeigen“, ist die Parole der „Wilden Männer“13 Wichtigster Vertreter und Organisator von „Männersemisnaren“ in der BRD ist John Bellicchi.

Bellicchi, der sich selbst gerne als „Troublemaker“ bezeichnet, wurde gar auf das jährliche Männertreffen des bürgerlichen Spektrums eingeladen. In einem Video, das dort geziegt wurde, griff er Frauen sexistisch an und sagte darauf: „Ein Mann muss die Kraft haben, eine Frau zu verletzen, Männer werden von Frauen auch verletzt. Ich muss die Barrieren der Frau durchbrechen, ich muss sich schneiden. Eine Frau mit Kraft kann hundert Männer haben, die ihr auf den Knien liegen. Sie muss bluten (...), er muss penetrieren, seine Kraft zeigen.“14
Zwar stießen solch offen sexistische Äußerungen bei vielen dort auf Ablehnung, doch anstatt den Typ und seine Anhänger einfach rauszuschmeißen, wurden sich auf dem weiteren Treffen toleriert. Wie so ein Schwätzer überhaupt eingeladen werden kann, bleibt ein Rätsel. Doch statt dass Veranstaltungen mit Belicchi verhindert und diese Strukturen bekämpft werden, bekommt dieser immer mehr Raum in der bürgerlichen Mänerszene. Männerbüros wandeln sich ebenso zu Helfershelfern der „Wilden Männer“ wie Medien und breite Männermasse.

Welche Bedeutung dieser rechte Männerrand hat, zeigt sich am Beispiel seiner Rolle im Golfkrieg. So berief sich der damalige US-Außenminister James Baker bei der Vorstellung der Gewinne durch den Krieg für die USA auf Robert Bly mit der Propaganda, dass Amerika neue Helden brauche.15 Wenn die Linke die momentane Militarisierung der Gesellschaft stoppen will, dann müssen Männerstrukturen wie diese als reaktionäre Elite erkannt und angegriffen werden. Für uns Männer heißt das, dass wir, ausgehend von der Kenntnis unserer eigenen sexistischen Sozialisierung, Kampfformen gegen diese Männergewaltpropaganda anstreben müssen.

Perspektiven für die autonome Bewegung

Trotz aller Unzulänglichkeiten innerhalb der autonomen Strukturen ist dieses politische Organisierungsmodell jenes, welches am nächsten an unseren Bedürfnissen ist. Nicht zuletzt deshalb schlingerte der autonome Brei besser und stärker durch alle veränderten Bedingungen der letzten Jahre als alle anderen linken sozialen Bewegungen. Die vielfältigen Gruppen Bündnisse und Szenen, die in und um den autonomen Dunstkreis existieren, geben eben diesem jene Lebendigkeit. Alle Versuche, diese gewachsenen Strukturen unter einen Hut zu bringen, behindern dabei die Entwicklung und Entfaltung von politischen Bezugsgruppen. Ein Vorteil der „Bewegung“ ist zum Beispiel, dass neue soziale Brennpunkte wahr genommen werden oder sich sogar in ihr entwickeln können. Letztlich bietet nur die Autonomie Kleingruppen die Möglichkeit, in einem größeren Zusammenhang zu stehen und dabei doch nicht ihre Identität zu verlieren. Besonders deutlich wird dies bei FrauenLesben-, Schwulen-, und MigrantInnengruppen. Der Begriff Autonome umschreibt dabei eher die Autonomie der Gruppen, weniger den oder die Autonome. Das bestehende Bild der/des Autonomen ist meist sowieso mehr durch die Medien geprägt, als dass dieser Begriff unseren Alltag, unsere Bedürfnisse oder unser politisches Handeln gänzlich beschreiben könnte.

Die Männer (nicht nur) der autonomen Szene sind gefordert, sich geschlechtsspezifisch mit Entwicklungen und HERRschaftsverhältnissen auseinander zu setzen. Der Zusammenhang von Rassismus, Sexismus und Klassenwiderspruch darf nicht in Parolen unter Flugblättern stehen bleiben.
Männer sollten sich unter Männern organisieren, um für sich sowohl ein kollektiveres und gefühlvolleres Miteinander zu entwickeln, als auch die herrschenden Männerprivilegien (auch eigene) anzugreifen. Ziel muss dabei die Zerstörung der repressiven Männeridentität und des Mann – Krieger – Verhältnisses sein. Wenn das dominante Männerbild ins Wanken gerät, dann gerät auch eine faschistische und imperialistische Struktur ins Wanken. Zentrale Punkte der Männersozialisation müssen dabei bekämpft werden. „Wilde Männer“, Burschenschaftler und „Lebensschützer“ bieten dabei ebenso Ansatzpunkte wie z.B. die Bundeswehr, Schulen und Medien.
Wenn sich in diesem Kampf für die jeweiligen Männer nicht auch an ihren eigenen Verhältnissen zueinander etwas ändert, dann wird er kraft-, ausdrucks- und perspektivlos sein. Wenn er nicht geführt wird, wird die rechte Propaganda und die Zurichtung der Gesellschaft auf männlich/militaristische Werte sich weiter ausbreiten können. Die männliche Linke wird so zwar immer wieder punktuelle Erfolge erzielen können, jedoch nie an die Wurzel der Verhältnisse gehen und so insgeheim die Entwicklung vorantrieben und ihr Bestandteil sein.

In unseren Männerstrukturen müssen wir dabei auch an anderen sozialen Brennpunkten präsent sein. Sowohl in Stellvertreterkämpfen (Internationalismus & MigrantInnensolidarität), als auch in eigenen Strukturkämpfen um kollektiven Wohnraum, autonome Zentren, bessere Sozibedingungen, u.s.w., muss sich unsere geschlechtsspezifische Orientierung ausdrücken. Sei es, um punktuell gemischte Bündnisse möglich zu machen und FrauenLesben dort Raum zu lassen, oder um eigene Männerstrukturen erst mal auszuprobieren. Männerwohnprojekte, -cafes oder –läden sind dabei konkrete Ansatzpunkte. In unserem Erleben und Handeln dort werden unsere Bedürfnisse nach Solidarität, Zuneigung, Nähe und Veränderung sichtbar.
Wir wollen der herrschenden Individualität wieder unsere Kollektivität entgegensetzen. Unser Leben muss sich untereinander entwickeln. Scheinbare Stützen bei unseren Schritten in Richtung einer herrschaftsfreieren Gesellschaft wie z.B. auch Organisationen, engen uns dabei mehr ein als dass sie uns Möglichkeiten eröffnen und binden uns an vorgezeichnete Räume.
„Der Sinn der Organisation ist ihr Scheitern, sagten einmal die GenossInnen aus der Subversiven Aktion. Kein Wunder, dass sich da alle Vereinsvorsitzenden und Schatzmeister die Haare raufen.“16
Der Glaube, sich in Organisationen zusammenschließen zu müssen, um dem „Gegner“ gewachsen zu sein, siegen zu können, birgt die Aufgabe des Eigenen.

„mir kommt es vor als ob genau das immer unser großes Unglück gewesen ist und dass wir jedes Mal dachten dass es im Grunde genommen nur darauf ankommt zu siegen oder zu verlieren während doch alles was wir gemacht haben wirklich nie etwas mit Siegen oder Verlieren zu tun hatte denn wenn es nämlich nur darum geht zu siegen oder zu verlieren dann ist klar dass wir hier schon längst alles verloren haben aber Tatsache ist dass ich glaube und viele andere glauben das gleiche wie ich dass wir im Grunde niemals weder daran gedacht haben zu siegen noch siegen wollten und auch mit keinem Gedanken gedacht haben dass es irgendwo was zu siegen gäbe und weißt du wenn ich es mir recht überlege dann erscheint mir das Wort siegen jetzt wahrhaftig gleichbedeutend mit sterben“17

1 aus einem Vorbereitungspapier zum Autonomie-Kongress (Quelle Interim)
2 „Die Bereitschaft zum Krieg ist die Bedingung für den eigenen Frieden“ Männerrundbrif Nr. 2
3 „Antifaschistische Aktion“ hieß die KPD-Organisation gegen Nationalsozialismus
Quelle ebenfalls die Broschüre „Einsatz“
4 Radikal Nr. 148 „Interview mit einer militanten Gruppe“
5 aus „Einsatz“
6 Männerrundbrief Nr. 2 „Das Gewaltverhältnis zwischen den Geschlechtern“
7 Radikal Nr. 148 „Sein oder Nichtsein – Anatomie der Autonomen“
8 „Krise – Krieg – Friedensbewegung“ Revolutionäre Zellen/Rote Zora
9 S.71 „Feuer und Flamme“, Geronimo, erschienen im ID Archiv Verlag c/o Aurora, Knobelsdorfstr. 8, 1000 Berlin 19
10 „Feuer und Flamme“ s.o.
11 Interim 274 „AOK informiert“
12 Radikal Nr. 147 „Interview mit Antifa M und KritikerInnen“
13 „Spiegel“ Nr. 22/1993
14 aus „Moritz – Zeitschrift antisexistischer Männer“ Nr. 18, Lindenstr. 82, 10969 Berlin
15 ebenfalls aus „Moritz“
16 aus „Feuer und Flamme“ S. 161. Steht auch im „Baader Meinhof Komplex“ was zu drin
17 Nanni Balestrini: „Die Unsichtbaren“ (ein Lieblingsbuch)
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Ergänzungen

schnee von gestern

autoopa 18.02.2009 - 11:57
der text ist von 1995 oder sogar noch früher, erschien damals im männerrundbrief und kann 2009 nur noch anchronistisch und irgendwie nicht von dieser Welt wirken (wie riotqueer auch)

allerdings war er auch damals schon (zurecht) weitgehend unbeachtet und undiskutiert. aus heutiger sicht fällt noch mehr als damals auf, dass er sich an eine angenommene interne Szene wendet, die damals schon fragil und heute in der form nicht mehr existent ist.

Wer heute gesellschaftliche Ralität und patriarchale Wirklichkeit analysieren, diskutieren und verändern will, wird sich an anderen Texten orientieren...zum Glück.

Das Schöne am organisierten Teil der heutigen radikalen Linken ist, dass sie, zumindest teilweise, endlich wieder in der gesellschaftlichen Realität angekommmen ist, und auf dieser grundlage diskussionen, Kämpfe und Organisierung vorantreibt. Das sie derzeit (viel zu) wenige sind, keine Frage.

Linke

todde 18.02.2009 - 17:50
Erst mal finde ich es gut, dass dieser text wieder ausgegraben und bei indymedia eingestellt wurde. Unmöglich finde ich, dass es keinen hinweis darauf gibt, dass er schon mehr als 10 jahre alt ist. Und ganz unmöglich finde ich, dass ganz selbstherrlich von "der linken" gesprochen wird, wenn die "autonomen" gemeint sind. Als ob die linke in deutschland nicht ein wenig größer wäre.

 http://www.scharf-links.de/68.0.html
 http://www.sozialismus.ch/Links/linkeOrganisationen.htm
 http://www.trend.infopartisan.net/links/org.html
die drei links, nur so mal als beispiel

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