Interview mit israelischem Deserteur zu Gaza

Yitzhak Ben-Muha + ROSSO 25.01.2009 02:57 Themen: Militarismus Weltweit
Die interne Opposition gegen die offiziell als „Operation Gegossenes Blei“ verharmloste „Horror-Show“ (Gideon Levy) der israelischen Armee im Gaza-Streifen war deutlich schwächer als erhofft und erwartet. Dennoch gingen mindestens zehn Soldatinnen und Soldaten das Risiko der öffentlichen Ächtung und einer mehrwöchigen Inhaftierung im Militärgefängnis ein statt sich an dem Gemetzel und der Zerstörungsorgie zu beteiligen. Einer dieser „Refusniks“ genannten Verweigerer war der Fallschirmjäger und Unteroffizier Ben-Muha. Ein Interview mit ihm erschien in der linken, italienischen Tageszeitung „il manifesto“ vom 21.1.2009.
Interview:

„Was für eine Verteidigung des Staates? Wir verewigen nur die Besatzung.“

Es spricht der Unteroffizier Ben-Muha, einer der wenigen israelischen Reservisten, die den Mut hatten zur Offensive gegen den Gaza-Streifen Nein zu sagen.

Innerisraelischer Dissens gegen die Offensive „Gegossenes Blei“ wird nicht geduldet. Die Armee geht mit harter Hand gegen jene wenigen Reservisten vor, die die Beteiligung am Angriff auf Gaza verweigerten. Eine schwierige Entscheidung, mit der sich die „Refusniks“ gegen eine öffentliche Meinung stellten, die massiv (96% ((der jüdischen Israelis))) für die Bombardements war, die unter den Palästinensern in Gaza mehr als 1.300 Tote und Tausende Verletzte verursachten.

Im Gefängnis oder in Hausarrest landeten in den letzten Tagen Refusniks wie der Unteroffizier Yitzhak Ben-Muha, der Oberleutnant Noam Livneh und die Soldatin Maya Yehieli, deren Schuld darin besteht, die Bombardierung Gazas nicht zu unterstützen. Ein Militärsprecher erklärte, dass „in Kriegszeiten alle Fälle von Insubordination und Desertieren mit extremer Strenge behandelt werden“. Darüber diskutierten wir mit dem Unteroffizier Yitzhak Ben-Muha (25), einem ehemaligen Fallschirmjäger und Mitglied einer Eliteeinheit der israelischen Armee.

Unteroffizier Ben-Muha, Ihr seid wenige, aber sorgt – wie es scheint – für Ärger.

„Ja, in der Tat sind es wenige Reservisten, die jetzt den Kriegsdienst verweigern. Trotzdem haben die militärischen Befehlshaber in einigen Fällen harte Maßnahmen gegen uns ergriffen. Noam Livnah zum Beispiel wurde verhaftet, in Handschellen abgeführt und ins Gefängnis geworfen wie irgendein Deserteur, während er ein sehr bekannter Verweigerer aus Gewissensgründen ist, der sich bereits in den vergangenen Jahren geweigert hat, in Nablus im Norden des besetzten Westjordanlandes Dienst zu tun. In diesem Klima fühlt sich die Armee offensichtlich autorisiert mit harter Hand vorzugehen und denjenigen den Mund zu stopfen, die mit der Operation ‚Gegossenes Blei’ nicht einverstanden sind.“

Erzähl’ uns Deinen Fall!

„Ich bin Fallschirmjäger und ehemaliges Mitglied einer Eliteeinheit. Vor circa zwei Wochen wurde ich einberufen. Ich war sehr niedergeschlagen, weil ich in den Tagen zuvor die Bilder von den schweren Luftangriffen gegen die palästinensischen Wohngebiete in Gaza gesehen hatte. So viel unschuldiges Blut war bereits vergossen worden und ich wusste, dass viele weitere Zivilisten in den kommenden Tagen getötet würden. Als ich in der Kaserne ankam, hatte ich meine Entscheidung bereits getroffen. Ich habe dem Kommandanten gesagt, dass ich nicht die Absicht hätte, an dem Militärfeldzug teilzunehmen. Am nächsten Tag haben sie mir gesagt, dass ich nach Hause gehen und mich zur Verfügung halten solle. Sie haben mir das Gefängnis erspart, aber nicht alle hatten solches Glück wie ich.“

Was Dich zurückgehalten hat, war also die konkrete Möglichkeit auf unschuldige Menschen zu schießen?

„Ja, aber nicht nur das. Die Gründe dafür reichen weiter. Ich betrachte mich nicht als Pazifist im klassischen Sinne und glaube an das Recht eines Staates sich gegen Bedrohungen aus dem Ausland zu verteidigen. Aber mit ‚Gegossenes Blei’ verteidigen wir Israel nicht, sondern verewigen nur die militärische Besatzung, die seit über 41 Jahren andauert. Vor einigen Jahren glaubte ich, dass unsere politischen Führer sich wirklich dafür einsetzen würden, eine Friedenslösung zu finden, aber dann habe ich gemerkt, dass das Leiden einer ganzen Nation unter der Besatzung und auch die Situation vieler junger Soldaten auf der Prioritätenliste des Establishments an der letzten Stelle stehen. Deshalb sage ich heute im Namen des palästinensischen Volkes und aller Israelis, die die Besatzung ablehnen: ‚Nie wieder!’ Ich fühle mich weiterhin als Kämpfer, aber nur für den Frieden.“


((Vorbemerkung, Übersetzung und Einfügung in doppelten Klammern: * Rosso))

Der Name * Rosso steht für ein Mitglied des Gewerkschaftsforums Hannover und der ehemaligen Antifa-AG der Uni Hannover, die sich nach mehr als 17jähriger Arbeit Ende Oktober 2006 aufgelöst hat.
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Ergänzungen

ja gibt es auch in gaza

egal 25.01.2009 - 15:20
kolaborateure müssen mit drakonischen strafen durch die hamas rechnen.

@ Knobelbrecher

Peter G. 28.01.2009 - 13:54
Idioteken, natürlich gibt es keine Kriegsdienstverweigerer in Gaza, es gibt ja auch keinen Kriegsdienst! Mann mann, wie blöde muss man sein...

Beiträge die keine inhaltliche Ergänzung darstellen

Zeige die folgenden 4 Kommentare an

AngeTreten — Knobelbecher

Hintergründe zum Krieg in Gaza — Bernd Kudanek alias bjk