Dresden: Historikerkommission und Phase2

ra0105 19.12.2008 12:03 Themen: Antifa
Der 13. Februar 2009 steht vor der Tür. Das Highlight für die rechtsextreme Szene und in der Folge wohl auch eines der wichtigsten Daten für antifaschistische Kreise. In der sächsischen Landeshauptstadt spielt der Jahrestag der Bombardierung seit jeher eine besondere Rolle und genau dieser Umgang wird von Teilen der Linken scharf angegriffen. Jüngstes Beispiel ist ein Artikel der in der Dezemberausgabe (2.30) der Phase2 erschienen ist und hier einer kritischen Würdigung unterzogen werden soll.
Unter dem Titel „Das Dresdner Finale“ wird in der Zeitschrift versucht kritisch zu den Arbeiten der Historikerkommission Stellung zu beziehen. Diese wurde von der Stadt einberufen, um ein für allemal die hanebüchenen Legenden zu zerstören, die sich um die Bombardierung ranken.
Nicht zu Unrecht wundert sich die Verfasserin, warum dies überhaupt notwendig ist. Sind die Mythen über Tieffliegerangriffe, Phosphorbomben und Totenzahlen die die Hunderttausendmarke überschreiten nicht längst widerlegt?
Wenn dem so sei, welchen Beitrag kann die Historikerkommission denn eigentlich noch leisten, außer das Gedenkritual anhand von offiziellen von der Stadt eruierten Fakten zu legitimieren? Ist die eingesetzte Arbeitsgruppe von Historikern nicht viel mehr als ein perfider Trick das Gedenken gegen die Vereinnahmung von außen zu schützen, so dass endlich wieder in Ruhe weiter getrauert werden kann?

Tatsächlich sind die Legenden, die sich um Dresden rankten, im Wesentlichen bereits vorher widerlegt worden. Die Schwierigkeit, die sich hier allerdings ergibt, ist die deutliche Differenz zwischen offizieller Geschichtsschreibung und der Erzählung über Dresden. Letzteres, die 'oral history', erwies sich dabei stets als enorm faktenresistent.
Eine mündliche Überlieferung, die wesentlich wirkmächtiger ist als andere Formen der Geschichtsüberlieferung, hat nichts mit einer Dresdner Spezifika oder einem besonderen deutschen Verhältnis zur Geschichte zu tun. Dies war und ist in allen Teilen der Welt so. Als im Mittelalter in England die Ritualmordlegende erschaffen wurde, war dies zuerst auch nur ein Gerücht. Die offizielle Kirche wandte sich zu Beginn sogar entschieden gegen diese Legende, bis sie diese selbst Stück für Stück aufnahm mit den bekannten weitreichenden Konsequenzen.
Was macht die 'oral history' so stark? Zum einen natürlich, dass Menschen solchen Überlieferungen meist wesentlich stärker ausgesetzt sind, als fachwissenschaftlichen Erkenntnissen zum selben Thema. Diese Form der Überlieferung muss auch nicht zwangsweise falsch oder gar bewusst erlogen sein, häufig stellt sie die einzige Quelle für einen Gegenentwurf der offiziellen Geschichtsschreibung dar und ist für den Historiker von unschätzbarem Wert. Wer wolle sich denn allein auf die Akten des stalinistischen Apparates verlassen wollen um Erkenntnisse zum Gulag zu generieren? Welcher ernsthafte Historiker denn die Schilderungen von Ausschwitzüberlebenden vernachlässigen? Eine 'oral history' gehört geprüft und kann manchmal wie im Falle Dresdens widerlegt werden.
Warum wehrt sich die Bevölkerung so stark dagegen? Die Behauptung es ginge den Dresdnern bei der Produktion dieser Legenden um eine Relativierung der Shoa greift zu kurz. Außer Frage wird eine Überhöhung des 13. Februars von interessierten Kreisen dazu benutzt, man denke nur an den unsäglichen Begriff des Bombenholocaust.
Nur die Gerüchte es handelt sich um 200.000 Tote wurden als erstes von einer schwedischen Zeitung aufgegriffen und dies zu einem Zeitpunkt, als das wahre Ausmaß der Shoa, weiterer Genozide und Barbareien noch nicht im vollen Umfang bekannt waren. Dass die Dresdener Bevölkerung so vorausschauend gehandelt haben soll, wirkt nicht überzeugend. Ist es nicht plausibler, dass es zu den üblichen Irrtümern gekommen ist, die jeder kennt wenn ein ungewöhnliches und emotional aufwühlendes Ereignis eintritt?

Ein vielleicht etwas zu triviales Beispiel, was aber dennoch zu einigem an Erkenntnisgewinn beitragen kann. Wer zum ersten Mal einen schweren Autounfall beobachtet hat, ist in der Regel überrascht, wie gering das Ausmaß der Verletzungen ist. Da überschlägt sich ein Pkw mehrfach und der Fahrer steigt vollkommen unverletzt aus. Was wäre, wenn sich hunderte oder tausende Unfälle zum gleichen Zeitpunkt am gleichen Ort ereignet hätten? Beim Anblick einiger Toter, denn nicht alle hatten so viel Glück, würde der unvorbereitete Beobachter schnell zu dem Schluss kommen, hier müsste es hunderte oder Tausende Tote geben.
Die Dresdner Bevölkerung, die von einem Bombenangriff und einem Feuersturm in einem für sie bisher unbekannten Ausmaß getroffen wurde, kann gar nicht die Anzahl der Toten realistisch einschätzen. Das es eine Totenzählung gab die nur knapp 20.000 Opfer nachweisen konnte und von einer Maximalzahl von 25.000 ausging, also just in etwa der Bereich den auch die Historikerkommission annimmt, muss dabei nicht zwangsweise dem entgegenstehen. Dem NS-Propagandaministerium kam diese Überhöhung nicht ungelegen. Und die Bevölkerung konnte diese Zahl abtun mit dem Hinweis, dass sind ja nur die Mindestzahlen. Aus Sicht von jemanden, der die Bombardierung und auch das anschließende Chaos erlebt hat, ist es durchaus wahrscheinlich das bei weitem nicht alle Toten gefunden worden sind. Schließlich waren die Überlebenden mit ihrem eigenen Auskommen beschäftigt, zu einem qualifiziertem Urteil ob die Toten zur fast vollständigen Gänze geborgen werden konnten, waren sie hingegen nicht in der Lage. Augenzeugen sind in Kriegsgebieten schon immer sehr unzuverlässig gewesen und das auch ohne dass eine politische Intention dahinter stehen muss, dass liegt in der Natur der Sache.
Wie sind aber die andern Mythen zu erklären, etwa die der Phosphorbomben? Auch das liegt an der Unerfahrenheit der Menschen. Die Schilderungen, die bzgl. der Bomben abgegeben worden sind, passen nämlich überhaupt nicht zu dem wie eine Phosphorbombe sich tatsächlich verhält. Phosphor, ein Synonym für einen praktischen unlöschbaren Brand, wurde mit dem Feuersturm vermengt.
Die hartnäckigste Legende ist jedoch die der Tieffliegerangriffe. Die Leute glauben sie erlebt zu haben. Wen interessiert denn da, dass es in den Aufzeichnungen der Piloten und deren Befragungen keine Hinweise darauf gab, dass es aufgrund der durch den Feuersturm ausgelösten Turbulenzen sogar als äußerst unwahrscheinlich gelten muss, dass dies überhaupt durchführbar gewesen ist.
Man es hat doch erlebt, man ist ja nicht verrückt. Irre ist man sicher nicht, nur ist das Gedächtnis kein statisches Ding. Erinnerungen können sich mit anderen Geschehnissen überlagern, Erzählungen anderer im Laufe der Zeit zum eigenen memorierten Erlebten werden.
An dieser Stelle ging die Forschungsarbeit der Historikerkommission auch dann weit über das bisher Untersuchte heraus. Das Elbufer wurde systematisch nach Munition abgesucht, welche, so sie nicht in den zerfetzten Leibern der Flüchtenden zurückblieb, sich in Massen hätte finden lassen müssen. Das Ergebnis war jedoch eindeutig. Kein einziger Hinweis, dass an dieser Stelle ein solches Massaker stattgefunden hatte. Und dieser Beweis wiegt doch um einiges schwerer als das Nichtvorhandensein irgendwelcher Aufzeichnungen bei den Piloten. Die Autorin mag recht haben, letztendlich waren, vom Ergebnis her betrachtet, die Erkenntnisse der Historikerkommission nicht wirklich überraschend. Die Methoden die dazu jedoch angewendet worden sind, waren jedoch umfangreicher und genauer als je zuvor.
Allein dies rechtfertigt die Einberufung einer solchen Kommission. In dem Artikel wird bemängelt, dass der Stadt es bisher nicht gelungen ist, sich mit ihrer Sicht sich gegenüber den Legenden durchzusetzen und sich darum um die Einsetzung der Arbeitsgruppe bemühte. Nebenbei wird süffisant angemerkt, dass die Mitglieder der Kommission bereits vorher in ihrer Forschungsarbeit zu den gleichen Ergebnissen gekommen sind, die Historikerkommission so gesehen also überflüssig war. Abgesehen davon, dass bereits gezeigt wurde, dass die Historiker in diesem Rahmen auch Untersuchungen anstellten, die vorher nicht gemacht worden sind – zur Erinnerung: Die Kommission arbeitete immerhin 4 Jahre! - wird die Wirkmächtigkeit dieser Arbeit seltsam unterschätzt.
Es ist schon interessant, dass man sich in der Phase 2 dieser widmet, ihr somit wenigstens implizit eine gewisse Bedeutung beimisst, sie aber dennoch insgesamt für eher unwichtig hält, denn die Ergebnisse waren dem aufgeklärten Antifaschisten ja bereits vorher bekannt. Erstens stimmt dies hinsichtlich der Totenzahlen so nicht, auch in antifaschistischen Kreisen wurden mit Totenzahlen von bis zu 35.000 operiert, eben auch weil es bisher keine wissenschaftlich umfassenden öffentlichen Untersuchungen gab. Zweitens wird dabei eins völlig vernachlässigt:
In einem Kommunikationsakt kommt es nicht nur auf transportierten Inhalt an, sondern auch wer der Sender, wer Empfänger ist. Es ist ein Unterschied ob ein Historiker im akademischen Diskurs zu bestimmten Ergebnissen kommt und sich seine Ergebnisse sich auch vor allem an jene Sphäre richtet und allenfalls von einer sehr kleinen hoch interessierten Minderheit zur Kenntnis genommen wird, oder ob Historiker im Auftrag der Stadt forschen und die Ergebnisse auch mit der Stadt gemeinsam vorgestellt werden und sich somit primär an die Stadtbevölkerung richten. Bereits die Arbeit der Historikerkommission ist von den Lokalmedien beständig begleitet worden und sorgte für ein entsprechendes öffentliches Forum.

Woher stammt also die Aversion gegen diese Kommission? Einige Textstellen geben ein Hinweis...

So heißt es u.a.: „Dass es diesem Bündnis [einem Zusammenschluss verschiedener städtischer Gruppen, die das offizielle Gedenken gestalten; die Historikerkommission kann zumindest als deren informeller Teil bezeichnet werden – A.d.A] weniger um eine Kritik am Gedenken selbst ging, als um eine Rettung dieses elementaren Bestandteils des Dresdner Selbstverständnisses vor Fremdvereinnahmung, wurde mehrfach deutlich gemacht.“

An dieser Stelle liegt der Hund begraben. Die Historikerkommission scheint tatsächlich nur ein Vehikel zu sein um weiter in Dresden gedenken zu können. Man beachte, dass hier nicht die Art und Weise des Gedenkens kritisiert wird, denn wie dieses Ritual vonstatten geht, dazu finden sich in dem Text keine Ausführungen. Anscheinend scheint ein Gedenken egal in welcher Form ablehnenswert und somit wird auch folgerichtig der Historikerkommission vorgeworfen, dass es ihr "[...] weniger um eine Kritik am Gedenken selbst ging[...]".
Mit dieser Stoßrichtung ist die Autorin nicht allein. In Dresden wurde von Teilen der Linken in den vergangenen Jahren immer wieder verkündet, man wolle kein besseres Gedenken, sondern gar keines. In diese Kerbe schlägt auch auf der Website 'venceremos', so heißt es auf der Mobilisierungseite zum 13./14. Februar: "Die zweite schlechte Nachricht ist, dass das öffentliche Gedenken immer noch nicht der Vergangenheit angehört. Deshalb empfiehlt sich erneut eine antifaschistische Intervention in Dresden: gegen jede Form von Geschichtsrevisionismus - Naziaufmärschen und bürgerlichem Gedenken entgegen treten!"

Man muss sich diese Forderungen die in dem 'Phase 2' Text zumindest implizit und auf 'venceremos' sehr explizit formuliert werden, einmal in Ruhe auf der Zunge zergehen lassen. Der Stadt, als Institution und ihren Bewohnern oder auch ganz allgemein der Öffentlichkeit wird also das Recht abgesprochen einem historischen Ereignis zu gedenken. Man mag ja geteilter Meinung sein, ob die Opfer des Bombenangriffes ein Recht zur öffentlichen Trauer haben, angesichts der Verbrechen des Nationalsozialismus und seinen Helfern. Lehnt man dies ab, nimmt man zumindest billigend in Kauf, dass zumindest Kinder, die nun wirklich weder durch Taten noch durch Unterlassen, irgendeine Schuld auf sich geladen haben können, einem tatsächlich natürlichem Gefühl der Trauer nicht hingeben dürfen.
Diese Diskussion führt jedoch nicht weiter, denn die Trauer steht in Dresden schon lange nicht mehr im Vordergrund. Das hat ganz praktische Gründe, denn der Anteil der 'Erlebnisgeneration' sinkt beständig und die offizielle Stadt Dresden, also die Bürgervertretung, stand auch in den letzten Jahren nie weinend an der Gedenkstätte. Trauer, verstanden als emotionaler Zustand, konnte schon seit Jahren nicht glaubhaft vermittelt werden und so kann es nur um ein Gedenken gehen.
Was bedeutet es aber, wenn man verlangt, dass auch ein Gedenken, gleich jedweder Art abgelehnt wird? Das ist nichts anderes als Geschichtsfälschung! Nicht darüber reden zu dürfen, nicht öffentlich an ein historisches Ereignis, welches unbestritten einschneidende Konsequenzen für die Stadtgeschichte hatte, erinnern, dem Gedenken zu dürfen, bedeutet historische Fakten aus dem öffentlichen Diskurs heraus halten zu wollen. Es muss verwundern, dass man angesichts der renitenten Legenden in Dresden eine Diskussion in der Öffentlichkeit über den 13. Februar verhindern will, wozu sich der Jahrestag natürlich vortrefflich eignet. Fürchtet man nicht, dass die 'oral myth' durch ein solches Verhalten nicht noch bestärkt wird? Und abgesehen davon, lässt es sich denn mit einem aufgeklärten und kritischen Geist vereinbaren, dass man Teile der Geschichte verschweigen will?
Dass der der Artikel in der 'Phase 2', von einer Geschichtswissenschaftlerin verfasst wurde, muss noch mehr zu denken geben. Ist man sich der Konsequenzen nicht bewusst, die die Forderungen nach einem verordneten Ende des Gedenkens in Dresden haben oder nimmt man dies in Kauf?
Oder sind die Folgen irrelevant, weil im Vordergrund stehen muss, dass alles was 'Die Deutschen' mit ihrer Geschichte anfangen aus einem vulgärantideutschen Reflex heraus per se schlecht und zu bekämpfen ist, auch wenn es auf Kosten eines reflektierten Geschichtsbildes geht?


Mehr Infos zu den Gegenaktivitäten anlässlich des 13./14.02.09 findet ihr unter:

No Pasaran! - Dresden - der lokale Zusammenschluss des bundesweiten Bündnis gegen den Naziaufmarsch

Venceremos
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Ergänzungen

zu der Entstehung der Totenzahlen

Ex-venceremos 19.12.2008 - 12:10
Da es immer wieder gern, wie in meinem Text den ich damals für venceremos geschrieben habe, dargestellt wird, in dem Phase2-Artikel wurde offensichtlich bruchstückhaft davon abgeschrieben, hier mal eine genauere Darstellung, wie es zu den Totenzahlen kam.
Die einzigartige Katastrophe. Die Luftangriffe auf Dresden stellten unzweifelhaft eines der schwersten und effektivsten Bombardements des Zweiten Weltkrieges dar, ehe nur wenige Monate danach in Hiroshima eine neue Epoche in der Geschichte der Zerstörung eingeleitet wurde. Für Dresden und die Menschen in der Stadt waren sie eine Katastrophe ungeheuren Ausmaßes. Die Nachricht darüber erreichte die Öffentlichkeit Europas und Amerikas binnen weniger Tage, vermittelt durch summarische Beschreibungen und durch Zahlenangaben. In den ersten drei Wochen nach dem 13. Februar 1945 lieferte die deutsche Propaganda so gut wie keine Details zu den Auswirkungen der Luftangriffe – von der Aufzählung der Schäden an Kulturgütern abgesehen - , während Sprachwahl und Bewertung den Eindruck einer vollständigen Zerstörung der gesamten Stadt erzeugten. Die Presse der Welt folgte dem rasch einhellig. Als in den schwedischen Berichten erste Schätzungen zur Zahl der in Dresden getöteten Menschen auftauchten, die alles bisher Bekannte übertrafen, griff die deutsche Propaganda dies sofort auf, stärkte die hohen Angaben aktiv und sorgte für eine weite Verbreitung – alles dies verdeckt und wider besseres Wissen. In den eigenen Darstellungen wurden dagegen niedrigere, aber ausdeutbare Zahlen genannt, was gezielt die Glaubwürdigkeit der Angaben aus dem neutralen Ausland stärkte. Am Ende des Krieges waren sowohl in der deutschen Öffentlichkeit als auch in Westeuropa und Amerika Größenvorstellungen von mehren hunderttausenden Opfern weithin verbreitet. Damit schienen die Angriffe auf Dresden tatsächlich das weitaus folgenschwerste Ereignis des Lufkrieges gewesen zu sein. In der deutschen Führung hätte man dies leicht korrigieren können. Indem stattdessen das Erzählmotiv der einzigartigen Zerstörung gestärkt wurde, suchte man sich bereits bessere Ausgangspositionen für die Schulddiskussion nach dem Krieg zu verschaffen.
aus dem Buch von Matthias Neutzner "Das rote Leuchten - Dresden und der Bombenkrieg"

Wenn man sich jetzt die Stellungnahme der Historikerkommission durchliest, stellt man auch fest, dass die eben Theorien für höhere Totenzahlen wissenschaftlich widerlegt haben. Das hat vorher niemand getan, sondern es wurde sich immer an den Toten orientiert, die bisher gefunden wurden waren. Auf Fragen wie z.B. "Was ist mit restlos verbrannte Toten?" konnte vorher keine Antwort gegeben werden. Von daher ist das mehr als nur ein Coup um den Mythos zu widerlegen.

Aufruf des bundesweiten Bündnis

Antifa 19.12.2008 - 12:14
¡No pasarán!
Kein Ort für die Verdrehung der Geschichte!

Aufruf zur antifaschistischen Demonstration am 14. Februar 2009 in Dresden

Am 13. und 14. Februar 2009 wollen wieder tausende Nazis durch Dresden ziehen. Dieser Nazi-Pflichttermin, bei dem vorgeblich den Toten der alliierten Bombardierung Dresdens im Februar 1945 gedacht werden soll, ist der größte Aufmarsch dieser Art in Europa und der letzte regelmäßig stattfindende Großaufmarsch, der den extremen Rechten in der Bundesrepublik verblieben ist. Wir wollen und werden das nicht weiter hinnehmen. Deshalb rufen wir an diesem Wochenende alle AntifaschistInnen auf, gemeinsam mit uns in Dresden zu demonstrieren und mit vielfältigen Aktionen Stärke zu zeigen.

Warum Dresden?

Der 13. Februar in Dresden ist bereits unmittelbar nach der Bombardierung zu einem Symbol geworden, welches politisch in alle möglichen Richtungen ausgenutzt wurde. Den Grundstein dafür legte Goebbels' Propaganda-Ministerium mit drastisch nach oben manipulierten Opferzahlen und gefälschten Berichten, die zum Teil bis heute unhinterfragt weiter getragen werden. Seit Jahrzehnten wird weit über Nazikreise hinaus am Mythos Dresden gestrickt. Im Rahmen des Kalten Krieges und in Abgrenzung zur Politik der BRD versuchte auch die DDR, die Bombardierung der Stadt als Argument gegen die Strategien der NATO ins Felde zu führen. Nach der Wiedervereinigung wurde Dresden benutzt, um die deutschen Kriegstoten in den Vordergrund zu rücken. Deutlich wurde dies in den öffentlichen Debatten um den Luftkrieg. In Büchern wie "Der Brand", in denen sprachlich die Luftangriffe auf Deutschland mit der Shoa auf eine Stufe gestellt wurden, wird der Tabubruch im Sinne der TäterInnen-Opfer-Verkehrung inszeniert.

Die Nazis versuchen bis heute, die Geschichte - insbesondere die Shoa - zu relativieren und politisches Kapital aus dem Mythos Dresden zu schlagen. Das zeigen auch ihre alljährlichen Aktivitäten bei der Gedenkveranstaltung auf dem Dresdener Heidefriedhof und der abendliche Naziaufmarsch am 13. Februar. Dabei wird bewusst der Kontakt zu gedenkenden BürgerInnen gesucht, mit der Absicht über das gemeinsame Element der Trauer Anschluss zu finden.

Es ist kein Zufall, dass Dresden für die Nazis eine große Bedeutung hat: Die politische Anschlussfähigkeit an Teile des bürgerlichen Lagers, das von einem rechten CDU-Landesverband dominierte Klima, ein scheinbar nazifreundliches Ordnungsamt, ein kaum vorhandenes zivilgesellschafliches Engagement und der anfänglich nur schwache antifaschistische Widerstand haben ihn so lange erhalten können. Seit 1998 wächst die TeilnehmerInnenzahl der Nazi-Aufmärsche. Nachdem sie anfangs im Wesentlichen ignoriert wurden, erreichten die Nazis um die Jahrtausendwende sogar eine Beteiligung aus der Dresdner Bevölkerung. Erst im Zuge der inhaltlichen Abgrenzung von Seiten der Stadt und in der Presse blieben die Nazis wieder unter sich.

Nicht zuletzt aufgrund der Debatten um den Nazi-Aufmarsch ist es in den letzten Jahren zu einer Reihe von sachlichen und umfassenden Darstellungen in Artikeln und Büchern gekommen. Ergebnis ist ein sich wandelndes Gedenken, bei dem der historische Kontext eine größere Rolle spielt als früher. Dennoch wird Trauer zum Teil immer noch ideologisch und politisch aufgeladen und überhöht, während die Verbrechen Nazideutschlands in den Hintergrund rücken.

Sachsen rechts außen

Der so genannte "Trauermarsch" hat die Funktion der Vernetzung, Ideologiebildung und Festigung einer neonationalsozialistischen Identität. Mit seinem positiven Bezug auf den Nationalsozialismus stärkt er die Nazis nach innen und soll strömungsübergreifende Einigkeit nach außen demonstrieren. Dadurch wird ein Klima geschaffen, in dem Angriffe auf MigrantInnen, Linke und alle anderen, die nicht in das menschenfeindliche Weltbild der Nazis passen, zur Normalität werden. Während und nach dem Aufmarsch treten die Nazis häufig und brutal in Aktion.

Gerade in Sachsen sind militante Neonazis in der Offensive. Durch die enge Verknüpfung mit dem Hooliganmilieu kam es z.B. beim Halbfinale der Fußball-EM zu einem beispiellosen Vorgehen gegen türkische und kurdische Läden in Dresden. Etwa 50 Nazis prügelten sich durch die Dresdner Neustadt; zerschlugen Geschäfte und verletzten dutzende Menschen. Nur wenige Tage zuvor versuchten 500 Nazis in das alternative Viertel einzumarschieren. Anschläge und rassistische Übergriffe gehören zum Alltag. Nazis finden Rückhalt in einer jahrelang gewachsenen sächsischen Infrastruktur in Form von Jugendclubs, Szeneläden, Sportvereinen und konkret in Dresden im überregionalen Nazitreffpunkt in der Oskar-Röder-Straße. Bekleidungsgeschäfte, wie etwa "Larvik" oder "Never Straight Clothes", ermöglichen es Nazis und deren Sympathisierenden sich unkompliziert mit Szeneutensilien auszustatten und so Neonazistrukturen wirtschaftlich zu unterstützen. Auch in den kommunalen und landesweiten Parlamenten sind die Nazis massiv vertreten und glänzen dort regelmäßig mit Skandalen und Pöbeleien.

No pasarán - Sie werden nicht durchkommen

Trotz politischem Gegenwind steigerte sich der Widerstand gegen den Aufmarsch am 14. Februar kontinuierlich. 2006 gelang es erstmals, die Nazis zum Umdrehen zu zwingen. Auch in den folgenden Jahren gab es antifaschistische Erfolge. 2008 waren mehrere Tausend Menschen aktiv daran beteiligt, die Neonazis zu blockieren. Daran werden wir anknüpfen, wir werden mehr und wir werden, wenn es sein muss, auch in den kommenden Jahren aktiv - wir geben keine Ruhe, bis der Naziaufmarsch weg ist!

Dazu finden in vielen Städten schon jetzt Aktionen statt, mit dem Ziel, viele Menschen zu bewegen und zusammen nach Dresden zu fahren. Dort sind an diesem Tag verschiedene antifaschistische Kundgebungen und Aktionen geplant. Gemeinsam mit allen fortschrittlich denkenden Menschen werden wir uns die Straßen Dresdens zurückholen!

Am Sonnabend, den 14. Februar findet eine vielfältige und kämpferische antifaschistische Demonstration statt. Wir wollen mit unserer Präsenz, unseren Inhalten und unseren Aktionen ein deutliches Zeichen setzen.

Beteiligt euch an der europaweiten Mobilisierung und kommt zu den Aktionen gegen den Nazigroßaufmarsch!


¡No pasarán!
Kein Ort für die Verdrehung der Geschichte!


UnterstützerInnen (Stand 18.12.):
No pasarán Dresden, Antifa Lausitz, Antifa Friedrichshain Berlin, Interventionistische Linke (IL), Avanti Norddeutschland, FelS Berlin, Antifaschistische Linke Berlin (ALB), Antifaschistische Initiative Südbrandenburg, AK Freiraum Dortmund, Antifaschistische Aktion Lüneburg / Uelzen, Antifaschistische Aktion Greifswald, Antifaschistische Aktion Westerwald, Antifa Haltern, Autonome Jugendantifa Köthen, Offene Antifa Recklinghausen, Antifa Demmin, Antifaschistische Koordination Köln und Umland (AKKU), Antifa Ravensburg, antifa.sozialbetrug chemnitz, FUSSBALLFANS GEGEN GEWALT UND RASSISMUS Chemnitz, Gruppe d.i.s.s.i.d.e.n.t. Marburg, Vereinigungen aller Branchen - FAU Leipzig, [a²]-Hamburg, Antifaschistische Jugend Hattingen/Sprockhövel, Sascha Wagener (Mitglied im Parteivorstand DIE LINKE und Kreistagsabgeordneter Sächsische Schweiz-Osterzgebirge), Autonomes Bündnis Sachsen-Anhalt, haltsmaulnazi Aachen, Antifaschistische Linke International >A.L.I.< Göttingen, DFV (Deutscher Freidenker Verband) Ortsgruppe Nürnberg, Antifaschistische Aktion Soest, Autonome Antifa Rheine [AAR], Antifaschistische Aktion Hannover [AAH], antifaschistische Gruppen Hamburg, Antifaschistische Aktion LEVerkusen - [AALEV], linksjugend ['solid] Hessen, Antifa Wismar [AW], Antifa Nordwestmecklenburg, Grüne Jugend Dresden, Bambam Babylon Bajasch (Ragga-Punkband aus Köln), Strom und Wasser (Punk-/Folkband aus Hamburg), Minus Apes (HC-/Punkband aus Strausberg, Brandenburg), Soldateska (Punkband aus Dresden), Rohlink (Emo-Crust-Band aus Görlitz), Wegdenkung (Punkband aus Görlitz), ashtar-DXD ("grindin trashin breakcore bastards" Leipzig/Dresden), Pseudowas (Liedermacherduo aus Görlitz), Antifagruppe Oranienburg (ago), Kommunistische Plattform (KPF) Hoyerswerda, Evrim Baba (Mitglied des Berliner Abgeordnetenhaus für Die Linke), hochschulpolitische Gruppe DIE LINKE.SDS Dresden, Julia Bonk (Mitglied des Sächischen Landtag für Die Linke), Landesverband Linksjugend ['solid] Thüringen, Antifa Prenzlauer Berg Berlin


14.02.2009
Auftaktkundgebung zur Demonstration: 11:00 Uhr, Dresden, Hauptbahnhof

 http://dresden1302.noblogs.org/

Bezugsgruppen & Sportgruppen ab nach DD

ximmigrantxcb 19.12.2008 - 12:31
Banner verlinken.

Frage an den/die

Verfasser_in 19.12.2008 - 14:18
Im letzten Teil behauptest du, dass die Forderung nach einer Abschaffung des Gedenkens einem Auseinandersetzungsverbot mit der Geschichte gleichkommen würde. Bist du tatsächlich der Meinung, dass Gedenken = inhaltliche, historische Auseinadersetzung mit Fakten ist? Oder ist es nicht vielmehr eine politische Kundegebung die eben eine solche Auseinandersetzung nicht betreibt bzw. gar verhindert, verhindern muss. Im Gegensatz zu einer tatsächlichen Auseinandersetzung geht es im Gedenken um moralische/emotionale und nicht um historische/politische Kategorien. Zudem erfüllt Erinnerung und Gedenken immer auch eine Funktion im Sinne der Identitätsbildung. Dies sei hier nur angerissen. Insofern ist es m.e. eine gewagte unterstellung an die autor_innen von phase 2 und venceremos, diese wöllten "aus einem vulgärantideutschen Reflex heraus" eine diskussion vebieten.

Zur Kritik am Gedenken bzw. den explizit auf venceremos formulierten Forderungen und deren Begründung sei auf den Aufruf des Vorbereitungskreises 13Feb 2009 verwiesen, der m.e. genau darauf weiter eingeht.

 http://venceremos.antifa.net/13februar/2009/aufruf.htm

zum Gedenken und Identität

Nathan 19.12.2008 - 15:10
Oder ist es nicht vielmehr eine politische Kundegebung die eben eine solche Auseinandersetzung nicht betreibt bzw. gar verhindert, verhindern muss. Im Gegensatz zu einer tatsächlichen Auseinandersetzung geht es im Gedenken um moralische/emotionale und nicht um historische/politische Kategorien. Zudem erfüllt Erinnerung und Gedenken immer auch eine Funktion im Sinne der Identitätsbildung.

Damit ist tatsächlich alles über den Aufruf gesagt. Unkonkreter gehts kaum. Als wenn es bei einer Auseinandersetzung nicht ebenfalls auch um moralische/emotionale Kategorien gehen würde. Der Aufruf auf venceremos ist letztendlich auch nicht mehr als ein moralischer Appell.

Ein Gedenken ist nichts was per se als politische Kundgebung verhindert werden muss. Ich verhindere ja nicht irgendwelche Kundgebungen, weil es politische Kundgebungen sind, sondern weil mir deren Inhalt nicht gefällt. Das heißt, auch ein Gedenken kann einen Inhalt haben, der in Ordnung ist. In Dresden ist es inzwischen schon so, dass um das Gedenken ein Diskurs entstanden ist, der die Dinge langsam wieder in das richtige Licht lückt.

Letztendlich ist dieses Gedenken in Dresden, ein Gedenken an einige Tausend Tote. Das hat es in der Stadtgeschichte vorher und auch nachher bis jetzt nicht wieder gegeben. Das sagt aber noch garnichts darüber aus, wie inhaltlich damit umgegangen wird, und darum kann man auch streiten. Der Hinweis auf bloße Identitätsbildung ist völlig belanglos. Immer wenn Menschen in Gruppen agieren, bzw. in Gesellschaften organisiert ist, kommt es zu Identitätsbildung, auch Antideutsche betreiben Identitätsbildung. Das kann man nicht einfach abstellen, denn es gehört zur Grundlage der Verständigung und des Umgangs miteinander, dass man gemeinsame moralische Wertvorstellungen entwickelt bzw. hat. Wie diese aussehen, darüber kann man auch nach Herzenslust streiten. Dies zu verhindern bzw. negieren zu wollen, bedeutet nichts weiter als die Verweigerung der Realität. Umgekehrt bedeutet die Verhinderung des Gedenkens im Übrigen auch nicht, dass keine Identitätsbildung mehr betrieben wird. Sie findet dann woanders statt und schlägt wahrscheinlich ins Negative aus, weil dann die Nazis tatsächlich für sich reklamieren zu können, die einzigen zu sein, die sich dem Gedenken widmen, und gestalten es dann auch dementsprechend.

Wenn man keine Identitätsbildung will, bleibt nur übrig, jeden Zusammenschluß von Menschen den Rücken zu kehren und in eine menschenleere Gegend zu ziehen, da hat man nur seine eigene Identität mit der man sich beschäftigen muss.

kritische Ergänzung

Old School AFA 19.12.2008 - 18:11
Was im oben geschrieben Text, welcher als Kritik eines Phase2 Artikels ausgeblendet wird, ist die Tatsache, dass auf keinem Fall das Verhindern einer geschichtlichen Erinnerung (im entsprechenden Kontext) oder geschichtliche Forschung torpediert wird.

Doch wofür das öffentlich(!) Gedenken? Öffentliche Gedenken und Zeremonien dienen primär der Identitätsbildung; dies kann sowohl im positiven wie im negativen Sinne Geschehen und durchzieht jede Form von Gesellschaft.

Hier dient die "Gedenkarbeit" aber primär der Selbststilisierung als Opfer ohne Verantwortung. Auch die kommenden Generationen (wie im obigen Text ja zu Recht als "Nicht-Beteiligte" bezeichnet werden) werden somit in diesen "Opfer-Zyklus" integriert, wodurch eine große Wirkmacht im gesellschaftlichen Diskurs erzeugt wird.

Dresden kann sich durch solch ein Gedenken in eine Reihe mit Städten wie Hiroshima stellen bzw. die Bombardierung von englischen etc. Städten in Eins setzen mit der Bombardierung Dresdens. Dies wird gerade am offiziellen Gedenkort getan, wo Stelen mit den Aufschriften "Hiroshima" bzw. "Shoah" stehen - wenn hier nicht eine Konstruktion der "gleichwertige" Opfer erschaffen wird; der nächste Schritt wird dann damit vollzogen, das DresdnerInnen zu "nicht-handelnden" Subjekten werden, welche jeder Form der (Geschichts-)Verantwortung enthoben werden.

Dadurch wird dem Mythos Dresden vorschub geleistet - und damit lässt sich in der aktuellen Zeit sehr wohl Politik machen. Die "unschuldige" Stadt Dresden und deren wertvollen Besitztümer wurden "unrechtmäßig" bombardiert und ergo muss eine öffentliche Trauerfeier einen Kult um diese "Unschuld" konstruieren.

Damit wird ein städtisches Kollektiv geschmiedet, welches sich als "besseres" Deutschland konstruiert und eine vermeintlich "aufgeklärte" Identität erschafft. Das gerade hier, in diesem Mythos Dresden, die Andockmöglichkeiten der Nazis bestehen (und auch die ersten Opferzahlen waren nicht von der "unschuldigen" Dresdner Bevölkerung erschaffen, sondern bewusst vom 3.Reich als Propaganda erfunden - und nur zu gerne von der Dresdner Bevölkerung aufgenommen worden, um sich als Opfer zu konstruieren und sich im Rückblick durch die NS-Propaganda des "totalen Terrors des Feindes" bestätigen zu lassen) und ausgenutzt werden liegt nicht daran, dass sich nicht genug von den NeoNazis durch die städtische Seite distanziert wird, sondern gerade in der rituellen Mythologisierung der Stadt Dresden und deren Opfer. Das dabei eine höhere oder niedrigere Opferzahl am Mythos selber nichts ausmacht, liegt an der Wirkmacht des Rituals an sich.

Das Vorurteil gegenüber "antideutsche", dass damit eine generelle Ablehnung von Trauer beinhaltet wird oder gar eine "Verschleierung" der Geschichte ist absurd. Solch eine Forderung wurde nie gestallt/niedergeschrieben! Jede/r darf um die eigenen Angehörigen individuell Trauern, dass ist das Recht eines fühlenden Menschens. Doch individuelle Trauer bedarf keinen städtischen Kontext der Ritualisierung, um sich gemeinsam in eine "Opfergemeinschaft" einzubinden. Denn genau ab diesem, öffentlichen und rituell vollzogenen Punkt, wird individuelle Trauer zur Mythenbildung verdreht/verwendet und mit einer öffentlichen, politischen Implikation aufgeladen...

So weit erst einmal dazu von mir...

mystischen Drohgebärde

Mystix 19.12.2008 - 18:30
[em]Im Gegensatz zu einer tatsächlichen Auseinandersetzung geht es im Gedenken um moralische/emotionale und nicht um historische/politische Kategorien.[/em]
- M.E. wollte Verfasser_in darauf hinaus, dass von Seiten der Silles-Gedenken-BefürworterInnen dieses als unpolitische Trauerveranstaltung dargestellt wird, wohingegen politische Gruppierungen an diesem Tag nur 'ideologisch' sind und 'instrumentalisieren'. Daraus werden Anfeindungen gestrickt, die moralisch sein sollen, aber die Produktion von Moralität missverstanden wird als einer mystischen Drohgebärde: "Wer den 13. Februar für die eigene Ideologie vereinnahmen will, der will die Versöhnung mit sich selbst ausmachen." (Ex-Ministerpräsident Sachsens Milbradt, 2005) Stilles Gedenken entkontextualisiert, das ist offensichtlich, denn zu welchen Sachverhalten sollen die Luftangriffe in Beziehung gesetzt werden, wenn keine genannt werden. Diffuse Sachverhaltsbeschreibungen gibt es: "Das nationalsozialistische Deutschland hat in Europa gewütet und versank schließlich selbst in dem Hass, der von unserem Land ausging." Die Stille selbst wird höchst emotional begründet: "Das Entsetzen sitzt tief, weil die Opfer den Feuersturm unschuldig erlebten." (s.o.) Diese emotionale Beschreibung der historischen Ereignisse erwecken Bilder eines höllischen Infernos, in dem alle Beteiligten nur noch von Hass, Gier etc. geleitet werden. Nationalsozialismus wird zu einem kaum noch politisch zu nennenden System, dem es sogar gelingt, diesen Hass auf die Alliierten zu übertragen. So die Behauptung. Und da fehlt es eindeutig an Analyse historischer Fakten.

Identität und Gedenken II

Nathan 19.12.2008 - 18:55
@Oldschool-Afa

Das ist ja alles schön und gut. Nur gehst du überhaupt nicht auf die aktuelle Entwicklung ein. Es wird kein stilles Gedenken der Stadt mehr, etwa etwa auf dem Heidefriedhof, wie in den Jahren zuvor geben. (nicht umsonst wird auch auf venceremos bisher zu keiner Aktion am Heidefriedhof aufgerufen) Eben weil dazu eine Auseinandersetzung statt findet, der sich selbst die CDU nicht mehr entziehen kann.
 http://dresden1302.noblogs.org/post/2008/12/01/neues-zum-heidefriedhof-cdu-allein-mit-nazis
 http://dresden1302.noblogs.org/post/2008/12/04/kurzer-berblick-zum-jahrestreffen-von-dresden-f-r-demokratie

Dazu kommt noch, dass das mit den Stelen deine Interpretation ist. Man kann aber auch davon ausgehen, dass die Gestalter der Anlage auf dem Heidefriedhof, das ganze in den Kontext stellen wollten. Man kann keinen Kranz an der Dresden-Stele ablegen, ohne nicht gleichzeitig Warschau, Guernica, Auschwitz mahnend um sich zu haben. Dazu kommt noch, dass der Weg dorthin von antifaschistischen Gedenksteinen (das erste was man sieht, ist der Gedenkstein der F.I.R.) und Gräbern von Antifaschisten und Zwangsarbeitern flankiert ist. Es sind also verschiedene Interpretationen möglich, die man durch eine Rede steuern könnte.

Letztendlich ist das aber alles von dir kein Argument gegen das Gedenken. Alle Kritikpunkte die du hast könnte man schließlich umsetzen. Von einer unschuldigen Stadt hat bisher im Vorfeld des 13. Februar im nächsten Jahr niemand geredet, abgesehen von den Nazis natürlich.
Im Rahmen für das Erinnern, der jetzt für die Stadt verbindlich wurde
 http://dresden1302.noblogs.org/post/2008/12/01/neues-zum-heidefriedhof-cdu-allein-mit-nazis
steht nichts von unschuldiger Stadt, und da wird auch die Vorgeschichte nicht ausgeblendet. Man sollte also schon genauer schauen, was welcher Akteur im Diskurs genau vertritt und dann auch entsprechend kritisieren, anstatt einfach pauschal alles abzutun. Das hat vor 4 Jahren vielleicht noch funktioniert. Die Zeiten sind aber vorbei.

Mystix findet zum Beispiel auch nichts anderes als ein Zitat von 2005. Bei dem anderen Zitat fehlt gleich völlig der Verweis auf die Herkunft und die Bedeutung. Richtig ist, dass die CDU tatsächlich dieses Jahr wieder auf stilles Gedenken zumindest am 14. Februar setzt. Am 13. geht das nicht, was aber konkret anders gemacht wird, ist immer noch nicht raus. Fakt ist aber auch, dass die CDU nicht der einzige bürgerliche Akteur im Diskurs in der Stadt ist. Letztendlich war auch das von Mystix kein prinzipielles Argument gegen ein Gedenken, sondern Kritikpunkte die man fordern kann, dass sie beim Gedenken berücksichtigt werden.

...

ra0105 19.12.2008 - 20:40
Erwartungsgemäß ist die These, gegen das (bürgerliche) Gedenken als solches zu sein, impliziere durch Unterdrückung von Fakten eine Geschichtsverdrehung umstritten.
Man sei ferner, um das ganze mal stichpunktartig zusammenzufassen, nicht gegen individuelle Trauer, habe aber etwas gegen den öffentlichen Rummel, u.a. weil dort es zu einer Identitätsstiftung der deutschen Nation kommt, wo man sich geläutert gibt, die deutschen Opfer in den Mittelpunkt gesetzt werden.

Der Umstand, dass man nichts gegen individuelle Trauer hat ist erfreulich, der auf venceremos publizierte Aufruf, liest sich jedoch streckenweise völlig anders. Auch im Motto, heißt es schlicht wie in den Vorjahren, "Deutsche Täter sind keine Opfer" was nach meinem Verständnis nicht danach klingt, als bestehe ein Recht zu trauern.
Der Terminus 'sogenannten [sic!]"deutsche Opfer"' spricht ihn ebenfalls ab überhaupt einen Opferstatus erlangt zu haben, als ob die Leuten am 13. Februar von Konfetti anstatt von Bomben getroffen wurden. Vielleicht kann man dies ja hier, oder an anderer geeigneter Stelle, klar stellen.

Richtig dagegen ist die im Aufruf formulierte Aussage, dass es beim 13.02. mehr als nur um Gedenken geht (eine detaillierte Auseinandersetzung mit dem Aufruf wird noch folgen), allerdings führt man ja lang und breit aus, welche Probleme man mit den dort vermittelten Inhalten hat. Nur wie hier bereits richtig hervorgehoben wurde, sind vermittelten Inhalte ja keine feststehenden Dinge sie haben sich bereits in der Vergangenheit geändert. Das heißt, der Umstand, dass es ein Gedenken gibt, definiert nicht ex ante den Inhalt selbigen.
Wer also mit den bisher kommunizierten Positionen ein Problem hat, der kann zwar das Gedenken verhindern wollen, in der irrigen Annahme ein 'suböffentlichen Diskurs' verhindern zu können, letztendlich schüttet er jedoch einfach nur das Kind mit dem Bade aus.
Ich muss hier auch nicht ewig lange Foucaults Diskursbegriff bemühen um zu zeigen, dass wenn man ein Thema (Gedenken) aus der Öffentlichkeit raushalten will (gegen das bürgerliche Gedenken) man den Diskursraum verengt. Und das hier, wenn auch nicht ausschließlich, deutsche Geschichte diskutiert wird, hat zur Folge, dass man bestimmte Aspekte der Geschichte nicht in die öffentliche Debatte einführen darf.

Mal ganz drastisch ausgedrückt (und nein ich will hier nicht Dresden mit Auschwitz gleichsetzen): Wenn es ein Verbot geben würde am Jahrestag der Befreiung Auschwitz, öffentlich über Auschwitz zu reden, wäre dies nicht eine Geschichtsfälschung durch Unterlassung?

Kann man mit zweierlei Maß messen, ich meine nein. Und auf den Gedenkveranstaltungen wird vor allem eins gemacht über das geredet was gewesen ist. Und dazu ein Kontext hergestellt. Das am 13. Februar man, anlässlich des Jahrestages der Bombardierung(!), die Ereignisse des 13. Februars ins Scheinwerferlicht stellt und zwar ohne den Blick für die anderen Geschehnisse zu verstellen (man denke nur an den Stelenkreis) kann doch kein Grund für ein Vorwurf sein.

Am Jahrestag des D-Day erinnert man sich auch eher an Omaha-Beach und nicht an Treblinka. Heißt das jetzt, dass das Gedenken an Soldaten überhöht wird??? Nein, an Jahrestagen gedenkt man gewöhnlich dem zugrunde liegenden Ereignis.

Warum man also gegen ein öffentliches Gedenken sein muss, ist bisher noch nicht schlüssig gezeigt worden.

Zahlen

Alf 20.12.2008 - 12:14
@ra0105

Du schreibst:
"Die Behauptung es ginge den Dresdnern bei der Produktion dieser Legenden um eine Relativierung der Shoa greift zu kurz. Außer Frage wird eine Überhöhung des 13. Februars von interessierten Kreisen dazu benutzt, man denke nur an den unsäglichen Begriff des Bombenholocaust.
Nur die Gerüchte es handelt sich um 200.000 Tote wurden als erstes von einer schwedischen Zeitung aufgegriffen und dies zu einem Zeitpunkt, als das wahre Ausmaß der Shoa, weiterer Genozide und Barbareien noch nicht im vollen Umfang bekannt waren. Dass die Dresdener Bevölkerung so vorausschauend gehandelt haben soll, wirkt nicht überzeugend."

Ich habe nirgends in dem phase2-Beitrag gelesen, dass die Autorin davon spricht, dass die (Dich zitierend) "Dresdener Bevölkerung so vorausschauend" die Zahl 200.000 erfunden habe.

Vielmehr lese ich: "Dass trotzdem noch vor Kriegsende im Deutschen Reich, aber auch von alliierten Medien und inernationalen Organisationen, von hunderttausenden Opfern gesprochen wurde, liegt an der simplen Manipulation der Dresdner Zahlen durch das Propagandaministerium mittels Anhängen einer Null" (S.68)

Bevor bei mir der Eindruck entsteht, dass Du (Ihr? ---> erstaunlich zeitlich enge Postingfolge, hübsch konzertiert...) eine Position herbeischreibst, um sie angreifen zu können: Kannst Du mir die Stelle im phase2-Beitrag zeigen, die ich vielleicht dann doch überlesen habe?

Dank im voraus!

Dresden08 - das inhaltlich Ende der Nazi-Ära

Luise 20.12.2008 - 12:26
Wohl einer der besseren Antifa-Aufrufe zur Dresden-Geschichte, die man kennt. Leider kamen ja in den letzten Jahren aus Dresden eher unbrauchbare Texte. Insofern würde ich auch die Situation in Dresden seit diesem Jahr als ziemlich anders einschätzen. Langsam ist erkennbar, dass die Kritik am Gedenken auch in bürgerlichen Kreisen ankommt und dort auch verstanden wird. Insofern muß man einfach feststellen, dass es den Nazis momentan kaum mehr gelingt hier noch an das bürgerliche Gedenken anzuknüpfen. Dies ist durchaus als Erfolg anzusehen. Denn die Antifaposition hat sich bzgl. des historischen Ereignisses nicht wirklich auf die bürgerliche zubewegt, sondern umgekehrt, die bürgerliche auf die Antifaposition.
Daher kann man davon ausgehen, dass die Nazis zwar den "Mythos Dresden" versuchen aufrecht zu erhalten, damit aber kaum noch Gehör finden werden (was vor Jahren noch anders war...). Man kann deshalb auch davon ausgehen, dass sich dieser Naziaufmarsch in Dresden mit den Jahren inhaltlich tot läuft und zunehmend uninteressanteer für die Naziszene wird. Zwar werden sie in ein paar Jahren immernoch zu tausenden nach Dresden pilgern, aber mehr als Spott werden sie dabei von der Normalbevölkerung dann wohl nicht mehr ernten. Und dazu hat wohl auch das Ergebnis der Historikerkommission beigetragen. Zwar hat sie auch nur die historischen Fakten auswerten können, diese aber für weite Teile der Bevölkerung einfach mal verständlich und nachvollziehbar dargestellt. Und das dürfte den Nazis gewaltig stinken. Denn ihre historischen Lügen werden in Zukunft kaum noch (außer in der extremen Naziszene selbst) Gehör finden, da man deren GeschichtENschreibung (von Geschichtsschreibung kann man ja im Hinblick auf die Nazis sowieso schon längst nicht mehr reden) sowieso nur noch gemeinsam mit wahnwitzigen Verschwörungstheorien darstellen kann.
Insofern sollte man auch den bürgerlichen etwas Anerekennung entgegenbringen für ihre (wenn auch extrem langsame) Fähigkeit sich selbstkritisch mit den historischen Fakten auseinanderzusetzen.
Die Forderung nach einer totalen Abschaffung des Gedenkens an dieses Kriegsereignis halte ich (nicht nur) deshalb für ziemlich bescheuert. Dies war ein absolut einschneidendes Ereignis in der jüngeren Stadtgeschichte und es ist durchaus vertretbar daran zu erinnern, so lange es im richtigen Kontext geschieht und die entsprechenden Fakten dabei transportiert werden. Dies war in der jüngsten Vergangenheit leider nicht immer der Fall, aber es gibt Anzeichen dafür, dass sich hier etwas bewegt und dies sollte man dann auch unterstützen. Und was die Identitätsbildung angeht, so denke ich, dass man hier auch zumindest in Teilen eine antifaschistische Identitätsbildung dadurch fördern kann. Denn "sowas kommt von sowas" ist hier durchaus ein angebrachter Spruch, denn mittlerweile wohl auch die meisten Bürgerlichen verstanden haben und dies in ihr Gedenken aufnehmen und dies ist immerhin mal ein Anfang und ein Entwicklungsschritt, den die Nazis auch nicht mehr zurückdrehen können......

@Alf

Nathan 20.12.2008 - 13:02
Ich kann nur spekulieren, aber ich vermute mal es geht um Sätze wie diese hier (S.69 links oben): "Trotz einer existierenden, mehrfach überprüften und seit langem immer wieder bestätigten Faktenlage gibt es im Falle Dresden ganz offensichtlich ein weit über die revisionistische Motivation hinausreichendes Bedürfnis nach Aufrechnung. Eine Überhöhung der Opferzahlen wird nicht nur in Dresden selbst betrieben. Es steht daher zu vermuten, dass weniger die Verteidigung des identitätsstiftenden Mythos oder die Selbststilisierung zum Opfer eine Rolle spielt, als der schlichte Wille zur Übertreibung, um in der großen und schrecklichen Geschichte des Krieges etwas einzigartiges und beispielloses illustrieren zu können. Wie auch immer aber die Motive sein mögen, der öffentliche Umgang mit den Opferzahlen bis dato erklärt die anhaltende vorherrschende Unklarheit."

Letztendlich dreht sich der ganze Diskurs darum, dass die Opfer Dresdens zur Relativierung taugen. Das wird in dem Abschnitt (S.68, Spalte 2) zu David Irving auch gesagt. "Für seine Anhängerinnen schuf er so auch eine Grundlage für die Vergleichbarkeit mit den diversen Verbrechen der Deutschen, nicht zuletzt der Vernichtung der Juden."

Möglicherweise hatte ra0105 auch die richtige Darstellung vor Augen, wie es in der ersten Ergänzung hier steht, und nicht wie es von der Autorin aus dem venceremos-Artikel abgeschrieben wurde. Vielleicht antwortet ra0105 auch noch selbst. Letztendlich war deine Anmerkung auch nur ein formaler aber kein inhaltlicher Widerspruch.

Wenn wir schon bei Zitaten sind. Bezeichnend fand ich diesen Satz: "In dieser fortschreitenden Personalisierung des Gedenkens im Sinne des Trauerns will Dresden also offenbar keinen Unterschied mehr machen: jedes einzelne Opfer bedeutet unendliches Leid - und da ist es egal, ob es sich nun um einen SS-Offizier, einen Waffenfabrikanten, einen Soldaten oder eines der wenigen noch in Dresden lebenden halbjüdischen Kinder handelt."
Mal abgesehen, von dem offensichtlichem Widerspruch im Satz, scheint es für die Autorin nur Nazis, Soldaten und Waffenfabrikanten (Mich würde wundern, wenn da auch nur ein Waffenfabrikant unter den Opfern war, die hatten ihre Villen am Stadtrand genau wie die restlichen NS-Bonzen. Es sei denn man zählt die Arbeiter aus diesen Betrieben dazu, aber dann sind selbst die dort arbeitenden Zwangsarbeiter Waffenfabrikanten gewesen...) und auf der anderen Seite nur Jüdinnen und Juden zu geben. Ein Hoch auf simplifizierende Weltbilder!

Gedenken ist keine Auseinandersetzung

sb0206 20.12.2008 - 17:35
RA0105 macht in seiner Kritik einen entscheidenden Fehler, der auch von anderen schon aufgezeigt wurde. Es findet eine Gleichsetzung von GEDENKEN und „darüber reden zu dürfen“ (gemeint ist der 13.02. in DD) statt. Wenn man sich gegen ein Gedenken positioniert, bei welchem „darüber Reden“ in einer relativierenden Form oder gar nicht stattfindet, dann hat das Ganze nichts damit zu tun irgendwelche Auseinandersetzungen zu verbieten. Das bürgerliche Gedenken in Dresden auf dem Heidefriedhof und an der Frauenkirche ist explizit A-Politisch! Das ist EINER der Gründe, warum die Nazis sich ausgerechnet Dresden ausgesucht haben, um dort ihren Aufmarsch durchzuführen. Demzufolge (und natürlich aus anderen Gründen, die man u.a. auf  http://veneceremos.antifa.net recherchieren kann) sind die Nazis nicht vom Himmel gefallen, sondern haben in Dresden wunderbar Anschluss gefunden. Wer davon spricht, dass er/sie sich „die Bekämpfung der Wurzeln des Faschismus“ zum Ziel gesetzt hat, sollte erst einmal analysieren wo diese Wurzeln sich denn befinden. In Dresden sind sie zweifelsfrei im städtischen und bürgerlichen Umgang mit diesem Datum zu finden. Und das bleibt so, auch wenn der Naziaufmarsch inzwischen so groß geworden ist, dass er auch locker ohne das bürgerliche/städtische Gedenken einen großen Event darstellt.

@Nathan: Auch die Auseinandersetzungen von denen hier gesprochen werden, denen sich „sogar die CDU anschließt“ sind bei weitem kein wirklich kritischer Umgang mit dem Datum. Es gäbe verschiedene Möglichkeiten, um das Protokoll zur Kranzniederlegung am Heidefriedhof so zu ändern, dass die Teilnahme von Nazis erschwert wird. Zum Beispiel könnte man die Stelen der von den Deutschen bombardierten Städte und der Vernichtungslager, die sich auf dem Friedhof befinden, aktiv in die Zeremonie einbeziehen, ohne dass man die Ereignisse gleichsetzt. Man könnte auch jedesmal eine Rede verlesen, in dem das Ereignis der Bombardierung ganz klar in einen historischen Kontext gesetzt wird oder ähnliches. Aber diese Vorgehensweise wird nicht gewählt, stattdessen soll eben in Zukunft einfach der Kreis der Teilnehmenden nicht mehr aus VertreterInnen aller Parteien bestehen, sondern nur noch aus Amts-und FunktionsträgerInnen. Was ist das denn bitte für eine Auseinandersetzung? Warum sagt man denn nicht klar und deutlich das man keine Nazis dabei haben will? Warum wird sich bei diesem Ritual von Seiten der Verantwortlichen nicht politisch positioniert?

Und diese Behauptung von RA 0105 halte ich schlichtweg für falsch: „Und auf den Gedenkveranstaltungen wird vor allem eins gemacht über das geredet was gewesen ist. Und dazu ein Kontext hergestellt.“ -> Genau dass findet an Frauenkirche-und auf dem Heidefriedhof in einer Form statt, die es Nazis ermöglicht daran teilzunehmen. Wenn man es wirklich richtig machen würde, dann wäre das eben nicht möglich.

Der gute Herr Matthias Neutzner, der auf dem Blog der Gruppe „no pasaran“ als der größte Historiker des 13.02. gehypt wird, war übrigens im November 2003 noch mit dem Geschichtsrevisionisten Jörg Friedrich („Der Brand“) zusammen auf einem Podium in Dresden. In dieser Veranstaltung hat er nicht etwa kritisch Position bezogen, sondern das Buch „Der Brand“ als eines der besten Bücher bezeichnet die bisher über den 13.02. erschienen sind. Das er darüber heute eine andere Meinung hat, dass hat er zumindest noch nie öffentlich von sich gegeben. [In Aktion sieht man Neutzner auf Bild 1 – der stehende Herr im Hintergrund:  http://venceremos.antifa.net/antifaaktion/jf.html]

...

ra0105 20.12.2008 - 21:56
@Alf

Beim genauen Lesen meines Textes, wird dir sicher auffallen, dass ich dort nicht zitiere. Ich spreche nur allgemein von einer Behauptung. Dies hätte sicher etwas besser gekennzeichnet werden müssen, insofern nehme ich diese formale Kritik an.
Das ändert jedoch überhaupt nichts an dem Umstand, dass diese Behauptung das Gedenken relativiere die Shoa oder andere Ereignisse im Raum steht und stand. Es sei denn mir ist etwas in all den Jahren entgangen.

So heißt es dann etwa im Aufruf, wenn es Dresden nicht gegeben hätte, hätte man die Bombardierung erfinden müssen und das zeigt (über den menschenverachtenden Zynismus der diese Aussage innewohnt sag ich mal lieber nichts), dass aus Sicht bestimmter Leute Dresden einzig ein Vehikel zur Geschichtsverdrehung ist. Aus diesem Grund habe ich darauf hingewiesen, dass als der Mythos Dresden entstand, es noch gar keinen Grund zur Relativierung gab, da die Ausmaße der NS-Verbrechen erst in Umrissen schemenhaft zu erkennen waren.

@sb026

1) eine öffentliche Veranstaltung kann per Definition nicht unpolitisch sein
 http://de.wiktionary.org/wiki/Politik

2) Selbst wenn dies grundsätzlich möglich wäre, die entsprechenden öffentlichen Verlautbarungen sprechen da eine andere Sprache. Die Gedenkveranstaltung ist vielleicht nicht parteipolitisch besetzt, politisch ist sie aber in jedem Fall.

Und dagegen vorzugehen, heißt den politischen Raum der Meinungsäußerung einengen zu wollen, und da beim 13.02. eine Menge Geschichte mitschwingt ist dies nichts anderes als Geschichtsklittung.

Es sind zwei elementar verschiedene Dinge ob ich den Inhalt der Gedenkveranstaltung kritisiere oder die Gedenkveranstaltung als solche ablehne.

Das wäre so, als ob man wegen eines schlechten Film das Kino verbietet würde. venceremos & co haben bis heute nicht begriffen welcher Kolleteralschaden daraus erwachsen kann.


sb026 hat anscheinend nicht die Veränderungen mitbekommen (wollen? / können?). Wer behauptet, dass das offizielle Gedenken der Stadt Dresden für Nazis anschlussfähig ist, scheint sich nicht im geringsten mit denen zu beschäftigen.

Geschimpft haben sie wie die Rohrspätze über die Historikerkommission. Bestelltes Gutachten etc. pp. Und nachdem die Stadt für Gegenaktivitäten wirbt, mittels einer Kommission die Lügen zerreißt, die Sächsische Zeitung massiv für die Großdemo wirbt und Zauderer wie die CDU dafür scharf angreift - da glaubt sb026 allen Ernstes, die Nazis wären in dieser Stadt anschlussfähig???

Naja im Aufruf auf venceremos will man schließlich auch ungebrochene Kontinuitäten zwischen Nazis und praktisch allen bürgerlichen Schichten erkennen. Da ist man auf dem Stand einer Gesellschaftsanalyse der RAF stehengeblieben, auch wenn man ganz tolle Adornoexegese betreiben kann...


@ra0105

sb0206 20.12.2008 - 23:26
Auch auf die Gefahr hin, dass diese Diskussion ziemlich lang werden könnte, möchte ich gern auf die Punkte die mir RA0105 entgegen gebracht hat antworten.

1.)Du meinst, dass eine öffentliche Veranstaltung per Definition nicht unpolitisch sein kann. Da mag die Definition wohl recht haben. Die Veranstaltungen auf dem Heidefriedhof und an der Frauenkirche (und ich rede hier weder von Geh-Denken, noch vom Rahmenprogramm des 13.02.) bezeichnen sich selbst als „Das wahrhafte Gedenken“ - so zumindest die Organisatoren im Jahr 2008. Begründet wird dies u.a. damit, dass man sich dagegen wehrt irgendwelche politischen Positionen zu vertreten und praktisch überparteilich zu agieren. Wenn wir das politisch nennen möchten, so ist es im hiesigen Kontext allerdings antiemanzipatorisch, da eine offensive und deutliche politische Positionierung gegen die Nazis absolut notwendig wäre. Diese findet an Frauenkirche und Heidefriedhof aber nicht statt (ich spreche nicht von anderen Orten der Stadt). Der Satz „Wir verwehren uns gegen den Missbrauch des Gedenkens durch Extremisten.“ wie er immer wieder getätigt wird ist meines Erachtens nach keine Benennung des Problems.

2.)Ich bleibe dabei, dass ich (und ich spreche hier für keine Gruppe) das Gedenken als solches wie es in Dresden praktiziert wird ablehne. Damit spreche ich mich nicht gegen eine Auseinandersetzung mit dem Datum aus, sondern gegen die Form in der es in Dresden praktiziert wird. Der 13.02. ist in erster Linie für mich eben kein Tag zu trauern, da ich mich kollektiv mit den verstorbenen der Bombardierung in keiner Weise verbunden fühle. Es lässt sich mit Sicherheit an fast jedem Tag des Jahres ein Ereignis in der Geschichte finden, bei dem genau an jenem Tag 20.000 Menschen oder mehr gestorben sind. Es war vor allem der NS, der dazu veranlassen müsste an fast jedem Tag des Jahres tausender Toter zu gedenken. Warum soll ich den Toten der Stadt in der ich lebe und in dem Land in dem ich geboren bin mehr gedenken als den vielen anderen Menschen die weltweit gestorben sind? - Das verstehe ich nicht. Ich kann nichts dafür das ich Deutscher bin und habe mir das nicht ausgesucht. Stattdessen wünsche ich mir eine Auseinandersetzung an dem Tag, ohne Gottesdienste, ohne Kränze und ohne Trauerreden. Damit möchte ich keine Geschichtsklittung betreiben, sondern Diskussion ermöglichen.

3.)Ich habe durchaus die Veränderungen mitbekommen von denen du hier sprichst. Aber ich glaube leider, dass du die zögerlichen Aktivitäten seitens der Stadt Dresden gegen den Naziaufmarsch (schließlich war einiger Druck seitens Geh-Denken notwendig, damit die Stadt sich rührt) mit dem Gedenken auf dem Heidefriedhof und an der Frauenkirche gleichsetzt. Ich habe nichts dagegen, dass die Stadt gegen den Naziaufmarsch etwas machen will. Aber ich persönlich habe ein Problem damit, wenn ich abends in einer Blockade stehe mit den gleichen Leuten die morgens davor mit den Nazis zusammen Kränze niedergelegt haben. Tut mir wirklich leid, dass ich da nicht einfach drüber hinweg sehen kann.

Ja. Auch wenn du mich damit wahrscheinlich für verrückt erklären wirst: Ich glaube allen Ernstes, (so wie du es hier beschreibst), dass das offizielle Gedenken auf dem Heidefriedhof und an der Frauenkirche (und ich rede NICHT von der Sächsischen Zeitung oder von den Geh-Denken-Organisatoren, die gute Arbeit leisten) für die Nazis anschlussfähig sind. Und zumindest waren bei den Veranstaltungen an der Frauenkirche und auf dem Heidefriedhof in den letzten Jahren immer Nazis und Bürgerliche gemeinsam anwesend. Ich glaube auch, dass der 13.02. ein typisches Thema ist, wo Nazis an bürgerliche Diskurse anknüpfen können. Nur weil ein paar Offizielle sagen dass sie die nicht dabei haben wollen, heißt das noch lange nicht, dass bei diesen Veranstaltungen Nazis und einige BürgerInnen (nein, tatsächlich nicht alle) nette gemeinsame Gesprächsthemen finden können, gerade weil unter der Trauer als verbindendes Element kleinere Unterschiede schnell verschwimmen. Eine veränderte Auseinandersetzung an diesem Tag, muss daher nach den Unterschieden suchen und sich von den Trauerritualen lösen. Der zentrale Punkt an diesem Tag ist nicht dass irgendwer gestorben ist, um die/den es zu trauern gilt, sondern dass die nationalsozialistische Realität einer deutlichen Reaktion konfrontiert wurde, die in dieser krassen Form notwendig erschien zum damaligen Zeitpunkt. Deshalb hier am Ende noch mal das gleiche, was bei meinem ersten Beitrag die Überschrift war: Gedenken ist keine Auseinandersetzung. Das sind zwei verschiedene Dinge.

[Auf weitere Gegenrede würde ich hier nicht mehr antworten, damit das nicht zum Zwiegespräch wird und auch andere Raum finden. Würde mich allerdings freuen, wenn RA0105 und andere zu einem angemesseneren Umgangston zurück finden könnten.]

...

ra0105 21.12.2008 - 10:27
zu 1)

"Du meinst, dass eine öffentliche Veranstaltung per Definition nicht unpolitisch sein kann. Da mag die Definition wohl recht haben."

So ist es und in weiteren Ausführungen stimmst du mir ja auch zu und nennst diese Politik antiemanzipatorisch.

"Der Satz „Wir verwehren uns gegen den Missbrauch des Gedenkens durch Extremisten.“ wie er immer wieder getätigt wird ist meines Erachtens nach keine Benennung des Problems."

Wir wissen doch beide, dass die typisches mitte/rechts Demokratensprech ist. Außer vielleicht in Wunsiedel, nennt niemand das Kind beim Namen. Mal sehen, ob sich nach den Ereignissen von Passau sich daran was grundlegend ändert, auschließen will ich das nicht.

zu 2)
"Ich bleibe dabei, dass ich (und ich spreche hier für keine Gruppe) das Gedenken als solches wie es in Dresden praktiziert wird ablehne."

Da bin ich bei dir. Auch ich finde die Vorstellung (siehe 3.) unerträglich, dass morgens Nazis mit Bürgern zusammen Kränze abwerfen (was im Protokoll so vorgeschrieben ist und keine Erfindung Bürger ist) und danach gegeneinander demonstrieren auch befremdlich. Ich warte aber mal lieber ab, ob die Nazis dieses Jahr auch noch auf dem Heidefriedhof sind.

Bzgl. der Trauer: Ehrlich gesagt empfinde ich auch keine Trauer beim 13. Februar, aber auch nicht bei anderen Daten aus der NS-Zeit (z.B.Pogromnacht). Ich habe dazu einfach keinen persönlichen Bezug. Für mich sind das historische Ereignisse, die ich sicher als schlimm empfinde. Aber ehrliche Trauer? Da würde ich lügen. Auch die Stadtverordneten heulen doch nicht wirklich rum, sie setzen eine ernste Miene auf, aber echte Trauer empfindet von denen auch keiner. Wie denn auch? Solange du das nicht selbst erlebt hast, respektive Angehörige verloren hast, kann das mit meinem Verständnis von Trauer nicht zusammengehen. Nicht umsonst ist ja auch immer von Gedenkveranstaltungen die Rede. Weil diesen Daten gedenken, im Sinne von erinnern, das kann und will ich - in der Hoffnung, dass aus der Geschichte etwas gelernt wird.

"Ich glaube allen Ernstes, [...] dass das offizielle Gedenken auf dem Heidefriedhof und an der Frauenkirche (und ich rede NICHT von der Sächsischen Zeitung oder von den Geh-Denken-Organisatoren, die gute Arbeit leisten) für die Nazis anschlussfähig sind."

Lass uns doch erstmal abwarten wie das aussehen wird. Bisher weiß man noch nichts genaues. Die Nazis haben insbesondere den Heidefriedhof natürlich gerne für sich genutzt. Das dieser als antifaschistische Mahn und Gedenkstätte konzipiert war, haben sie dabei komplett ignoriert, wie auch Teile der Linken - Wenn die Nazis sich mal wirklich mit der Thematik der Friedhofsanlage beschäftigen würden, bleibt eigentlich nur noch die Frauenkirche übrig. Und auch dort spricht man sich inzwischen massiv für Demokratie und Versöhnung aus. Etwas was die Nazis selbst wohl unmöglich selber wollen können. Wo ist das also noch anschlussfähig? Nirgendwo, die Nazis ignorieren nur einfach die Widersprüche in der Hoffnung auf die schweigende Masse.
Die schweigende Masse kann aber nicht 'bekehrt' werden, wenn Veranstaltungen zum 13.02. nicht mehr von bürgerlicher Seite stattfinden. Wie gesagt, über das wie kann man sich gerne unterhalten, aber nicht über das ob...

"Gedenken ist keine Auseinandersetzung. Das sind zwei verschiedene Dinge."

Naja da steckt das immerhin das Wort 'denken' drin, was eo ipse eine Auseinandersetzung mit der Welt ist...


"[Auf weitere Gegenrede würde ich hier nicht mehr antworten, damit das nicht zum Zwiegespräch wird und auch andere Raum finden. Würde mich allerdings freuen, wenn RA0105 und andere zu einem angemesseneren Umgangston zurück finden könnten.]"

Naja entweder du willst die Diskussion oder nicht. Die anderen haben hier schließlich auch die Möglichkeit sich zum Thema zu äußern. So klingt das ein bisschen als wolltest du einfach nur schnell deine Meinung kundtun, dich dann aber sofort zurückziehen. Böse Menschen könnten meinen, du hast dir hier nur eine Fluchttür aufgehalten, für den Fall das deine Argumente keinen Bestand haben sollten.

@sb0206

Ex-Venceremos 21.12.2008 - 10:46
Gut, wer austeilt muss auch einstecken können, dennoch war die Diskussion bisher weitgehend unaufgeregt. Ich fände gut, wenn das so bleibt.
Wer davon spricht, dass er/sie sich „die Bekämpfung der Wurzeln des Faschismus“ zum Ziel gesetzt hat, sollte erst einmal analysieren wo diese Wurzeln sich denn befinden. In Dresden sind sie zweifelsfrei im städtischen und bürgerlichen Umgang mit diesem Datum zu finden. Und das bleibt so, auch wenn der Naziaufmarsch inzwischen so groß geworden ist, dass er auch locker ohne das bürgerliche/städtische Gedenken einen großen Event darstellt.

Auch auf die Gefahr hin, von ra0105 ebenfalls in die RAF-Ecke gestellt zu werden, aber ich denke die Wurzel des Übels liegt nicht prinzipiell im bürgerlichen Gedenken. Sondern an der mangelnden Auseinandersetzung mit dem Nationalsozialismus in bürgerlichen Kreisen in Dresden. Letztendlich lassen sich nationalistische Tendenzen immer auf das Konstrukt Staat und Nation zurückführen. Das sind nämlich die Wurzeln des Übels. Das Gedenken wird dann eben dementsprechend gestaltet, das ist aber nicht zwangsläufig so und dem Gedenken auch nicht immanent. Auch in einer befreiten Gesellschaft kann man an die Toten von Dresden erinnern, und es dementsprechend dann natürlich gestalten, sie waren in gewisserweise eben doch Opfer, Opfer der Verhältnisse, die diesen Krieg und alles drumherum hervor gebracht haben. Einige verstehen sich als radikal und konsequent, wenn sie die völlige Abschaffung des Gedenkens fordern, in dem Glauben damit die Wurzel des Übels auszurotten. Nichts ist falscher als das. Die bestehenden Verhältnisse aus denen Antisemitismus, Rassismus und Nationalismus hervorgehen, werden dadurch keineswegs prinzipiell angetastet. Die ganzen Diskussionen ums Gedenken, auch die Forderung nach Abschaffung, sind nicht mehr als eine rein reformistische Angelegenheit. Wenn man das aber sowieso betreibt, kann man sehr wohl die Kosten-Nutzen-Rechnung aufmachen, die ra0105 hier aufgemacht hat. Nützt es mehr sich an der Diskussion um die Gestaltung des Gedenkens zu beteiligen, um es inhaltlich dahin zu kriegen, dass es eben kein Identifikationspunkt für antisemitische Nationalisten mehr sein kann und möglicherweise sogar zum Ausgangspunkt einer kritischen Betrachtung des Nationalsozialismus wird, so wie Luise es schon schrieb "Sowas kommt von Sowas". Ein nicht stattfinden des Gedenken, würde zwar heißen, dass es wie in vielen anderen Städten Deutschlands keine öffentlichen Debatten gibt, aber heißt das wirklich, dass es da besser aussieht? Rassismus und Antisemitismus gibt es nicht nur in Dresden. In Dresden gibt es durch das Gedenken einen Hebel überhaupt eine öffentliche Debatte zu führen. Natürlich kann man das auch alles ohne das Gedenken ansprechen, aber wenn es um die historische Einordnung des Gedenkens geht, hören eben doch wesentlich mehr Menschen zu. Es war in der Vergangenheit in Dresden nicht leicht, und ich gestehe auch zu, dass die Parole Bomber Harris do it again, nicht immer unangebracht war, und die antideutschen Proteste insofern Wirkung gezeigt haben, dass sie den Finger in die Wunde der falschen Geschichtsschreibung gelegt haben, und neben den nicht mehr zu übersehenden Nazis, die ganz offensichtlich vom Gedenken und dem international verbreiteten Mythos angezogen wurden, mit dazu beitrugen, dass sich der Diskurs in der Stadt gewandelt hat. Natürlich ist das keine Entwicklung von heute auf morgen, und natürlich werden CDUler auch nie zu Linksdemokraten werden. Das heißt aber nicht, dass man sich nicht trotzdem an der Diskussion um Erinnerungskultur beteiligen kann und man sollte sich schon fragen, inwiefern "Bomber Harris do it again" und alles was da so mit dran hängt, heute immer noch die richtige Wirkung entfaltet, ob es eben mehr nützt als es schadet. Sich auf die Ablehnung des Gedenkens an sich zurückzuziehen und sich nicht mehr an der inhaltlichen Debatte um das Gedenken an sich zu beteiligen, ist für mich eine sträfliche Vernachlässigung antifaschistischer Intervention.

Und du sb0206 rennst deswegen bei mir auch offene Türen ein. Du beteiligst dich auch an der Diskussion um die Gestaltung. Du kritisierst hier die konkrete Ausgestaltung des Gedenkens und ich gebe dir in allen Punkten recht. Wenn es tatsächlich so kommt, wie du beschrieben hast, wobei bis jetzt noch nichts in Sack und Tüten sein dürfte, da die Stadt immer noch keinen Verantwortlichen benannt hat, wird man auch bei No Pasarán entsprechend reagieren. Natürlich sollte man auch der CDU vorhalten, wie es sein kann, dass sie sich mit Friedensgebeten in Szene setzen, während Deutschland unter CDU-Führen in der Welt an Kriegen beteiligt ist. Letztendlich hat das alles natürlich Grenzen, da die bürgerliche Gesellschaft auch einen begrenzten ideologischen Rahmen hat. Der kann aber nicht durch die Verhinderung des Gedenkens gesprengt werden, sondern eher durch ständiges Andiskutieren gegen die Widersprüche der Gesellschaft auch im Rahmen der Diskussion ums Gedenken, bzw. natürlich durch die Überwindung der bestehenden Verhältnisse hin zu einer befreiten Gesellschaft überhaupt.

Noch kurz zu Matthias Neutzner. Deine Kritik ist mir nicht unbekannt. Das Problem ist, niemand kann sich erinnern, wie das jetzt genau bei der Veranstaltung war, und ob er das tatsächlich so und in welchem Kontext gesagt hat, und es findet sich auch nirgendwo ein Schriftstück, auf das man sich berufen könnte. Die reine Anwesenheit auf der Veranstaltung besagt gar nichts. Wenn es dazu was Konkretes gäbe, wäre das auf der Seite von No Pasarán längst entsprechend vermerkt. Man sollte auch bedenken, dass es alles auch schon ein paar Jahre her ist, und der Diskurs im bürgerlichen Lager sich seitdem weiter entwickelt hat. Im Moment macht es nicht den Eindruck, als wenn Matthias Neutzner so etwas unkritisch von sich geben würde. Zu guter letzt ist das kein Grund, die Darstellungen aus seinem Buch zu zensieren. Die sind inhaltlich richtig. Ich habe mich mit dem Zitat letztendlich selbst widerlegt und nicht einfach nur venceremos angepisst. Mir fiel auf, dass immer noch aus meinem Text von damals abgeschrieben wird, und wollte das einfach nur gerade rücken. ;)

CDU-GehDenken

Kent Brockman 21.12.2008 - 16:49
Provinzielles Dresdner Neben-GehDenken

Während die europäische Rechte für den Februar 2009 in die sächsische Landeshauptstadt mobilisiert, gefällt sich die Oberbürgermeisterin der Stadt in spaltender Attitüde zum Widerstand gegen die Rechtsextremisten.

(...) telepolis (21.12.2008)

Heidefriedhof usw.

Max 21.12.2008 - 19:51
Zu den Annahmen zum Heidefriedhof von Nathan

"Man kann aber auch davon ausgehen, dass die Gestalter der Anlage auf dem Heidefriedhof, das ganze in den Kontext stellen wollten. Man kann keinen Kranz an der Dresden-Stele ablegen, ohne nicht gleichzeitig Warschau, Guernica, Auschwitz mahnend um sich zu haben. Dazu kommt noch, dass der Weg dorthin von antifaschistischen Gedenksteinen (das erste was man sieht, ist der Gedenkstein der F.I.R.) und Gräbern von Antifaschisten und Zwangsarbeitern flankiert ist. Es sind also verschiedene Interpretationen möglich, die man durch eine Rede steuern könnte."

und ra0105 bezüglich Ablauf, Reden, Protokoll usw. bin ich deutlich skeptischer. Ich würde da weniger deuten und "davon ausgehen", sondern mich eher an dem orientieren, wie es von denen konzipiert war, die es mit Intention gestaltet haben.

Nachlesen lässt sich dies in einer Dissertation von (ganz sicher kein "Anti-Deutscher" ,;) ) Peter Fibich, die online verfügbar ist:  http://hsss.slub-dresden.de/documents/993471154921-2399/993471154921-2399.pdf
(insbesondere die expliziten Kapitel zu Dresen/Heidefriedhof und "Anonymität versus Identität")

Als Essenz lässt sich das damalige Parteiorgan "Sächsische Zeitung" (1981) Jahre nach der Einweihung zitieren: „Die Anlage dokumentiert die Vereinigung aller hier Beigesetzten
unter einem Gedanken, dem Gedanken des gemeinsamen Kampfes, des gemeinsamen Leidens und der
Gemeinsamkeit im Tod.”

Die von Nathan angeregte Deutung sowie ra0105 Verweis auf eine Konzeption als "antifaschistische Mahn und Gedenkstätte" (das nützt nix, wenn es legitimierend "vergurkt" wird) fallen meiner Meinung nach deutlich hinter Dresdner Positionen zurück, die von ihnen als positive Entwicklung beschrieben werden.
Neutzner fährt in seinem letzten Beitrag zur "Erinnerungskultur" eine scharfe Kritik an die Anlage (Bd. zum Stadtjubiläum 2006), selbst andere nicht gedenkkritische Positionen sind da schon länger voraus:  http://www.sozialistische-gedenkstaetten.de/sa/Dresden/Heidefriedhof/heidefriedhof.shtml

Wie sich die "Angelegenheit" 2009 verhalten wird, lässt sich schon grob vermuten: Etwas symbolisches gegen die sicher anwesenden Nazis, vielleicht eine "kontextualisierende" Rede, abgehakt. Wie diese Reden im copy-and-paste-Verfahren aus dem neuen Erinnerungssprech sich anhören können, ist in Dresden schon oft zu erleben möglich gewesen. Wem dies langt, ok.

Unklar bleibt, warum Ihr auf der Anlage in der Form beharrt wird, wenn es genügend ist, dem Gedenken einen erinnerungspolitisches Update zukommen zu lassen. Gesichert auf alle Ewigkeit durch den Denkmalsschutz? Mitnichten. Karin Jeschke (VVN Dresden) hat zur Präsentation der zweiten Auflage von "Dresdner Gedenkorte für die Opfer des NS-Regimes" erwähnt, dass die Anlage sich eh schon in der Umwidmung befindet. Nach ihrer Aussage wurde der Denkmalsschutz für den Ehrenhain als Gesamt(!)anlage aufgehoben bzw. genauer: er gilt nur noch für den Teil Stelenkreis, Gang zur Wand mit Inschrift. Aussortiert wurden wohl die Teile betreffend der ZwangsarbeiterInnen, Antifas, SoldatInnen der Roten Armee usw.

Für sich genommen schon bemerkenswert, aber eben auch ein Verweis, dass eine Anlage nicht für alle Zeiten steht.
(Im genannten Buch  http://www.goldenbogenverlag.de/buch/188.php, dies nur am Rande, läuft der Ehrenhain - unkommentiert, wenn ich mich recht erinnere - ganz selbstverständlich unter Opfer des Nationalsozialismus.)

Zu Matthias Neutzner: Auch hier täte ein genauer Blick Not. "No pasarán" präsentiert ihn als "Historiker" (auf der Homepage ohne Hervohebung), der eine "nüchterne und sachliche Bestandsaufnahme" mitverfasst hat (siehe  http://dresden1302.noblogs.org/post/2008/11/28/das-rote-leuchten-dresden-und-der-bombenkrieg).
Man muß nicht dem Standesdünkel der Geschichtswissenschaft Rechnung tragen, um aber doch darauf zu verweisen, dass er (Ingenieur) aus der in den 1980ern vom Staat angeregten Laienforschung kommt (die durchaus dann Probleme mit dem Staat bekommen konnte) und sich mit starker publizistischer Tätigkeit eine schwer anzutastende Position mit Büchern und Presseartikeln erschrieben hat. (Wahrlich keine Geheimnis!) Dabei durchlief er natürlich einen Wandel, der "positiv" beschrieben werden kann (Ex-Venceremos: "Im Moment macht es nicht den Eindruck, als wenn Matthias Neutzner so etwas unkritisch von sich geben würde."), "negativer", wenn er als Verteidiger des "Friedensymbols Dresden" (er selbst auf nem Symposium 2008) verortet wird.
V.a. ist MN nicht nur kein bloßer Historiker, sondern v.a. Erinnerungsakteur.
D.h., dass seine Schriften als solche zu lesen sind - und nicht nur als (nur) "sachliche Bestandsaufnahme". Dann würde auffallen, dass seine Passagen zu den 1990er und 2000er (unkommentiert online bei "no pasarán") die schwächsten seiner Analysen sind, weil deutlich unkonkreter formuliert als alles andere.
Seine Begründung
"Es ist hier kein Raum, dieses komplexe Netz von Akteuren und Aktionen, von Zielen, Bedingungen und Wirkungen darzustellen. Vermutlich benötigt es ohnehin größeren zeitlichen Abstand und breitere Forschung, um Zusammenhänge zu erkennen und ausgewogene Bewertungen zu formulieren."
verweist vielleicht auf eine Begriffslosigkeit, sollte aber mindestens stutzig machen.

MN wendet sich scharf gegen Nazis und "irgendwie" auch kritisch gegen die Gedenkentwicklung, die eine Anschlussfähigkeit gefördert hatte, kann oder will - und das weist ihn als Erinnerungsakteur aus - seine eigene Rolle und die der IG 13. Februar, in der er wirkt, verorten. Dann müsste er wohl oder übel offen dazu schreiben, welche Rolle er und die IG bei der unkritischen Tradierung der Zeitzeugen-Berichte auf zig Veranstaltungen spielte, insbesondere 1990er.
(Ganz folgerichtig wird in der Forschung zu seiner Arbeit bemerkt: "Problematisch ist, dass Neutzner in gewisser Weise den Mythos von der Einzigartigkeit Dresdens fortschreibt, den er doch gerade auf seine Bestandteile hin zu analysieren sucht, siehe die insgesamt positive Rezension bei  http://www.sehepunkte.de/2005/07/pdf/8103.pdf)
(Ich übergehe mal, dass MN sich in den 1980er-Kapitel mal eben eine Oppositionsrolle in DDR zuschreibt, wenn die von im mitkonzipierte Ausstellung im Stadtmuseum prompt an dem Tag [8.10.89] endet [was schon nicht ganz stimmt], als vor dem Haus die erste Demonstration rollte. Eine schöne Choreographie, die nach 89 natürlich gut kommt.)

Es braucht in Dresden also keine detaillierten Aufnahmen von einer Veranstaltung mit Jörg Friedrich (Ex-venceremos: Das Problem ist, niemand kann sich erinnern, wie das jetzt genau bei der Veranstaltung war...").
Dies lässt sich (bestenfalls!) noch als "neu" und "wußte ich gar nicht" aufnehmen. Die Punkte, eine als so positiv beschriebene Gedenkentwicklung, dass es eine völlig neue linke Position in Dresden nötig machen würde, mal kritischer zu durchleuchten, gibt es zuhauf.
Da immer auf die nicht absehbare Situation 2009 ("ex ante", ojemine) verwiesen wird: Ich meine damit die bisherige Entwicklung.

Möglich wäre aber auch, dass die Entwicklung von "no pasarán" und anderen hier so beschrieben wird, eben weil eine neue Position begründet werden soll.
Zu achten wäre dann auf unbewusste oder bewusste Verzerrungen bei kommenden Statements. Aufhoren lässt in dem Zusammenhang das "Update" bei Beitrag "Konzept von Geh Denken veröffentlicht" vom 16.12.08. Die Nazis sind eh doof, klar. Die CDU aber auch, weil sie sich zwar klar, wenn auch spät, positioniert, aber mit ihrer Aktionsform nicht offensiv agiert und eigentlich nur das "Stille Gedenken" fortführt. Zurecht wird auf die CDU eingeprügelt, aber agiert hier nur die CDU?
Im von "no pasarán" selbst verlinkten Pressebeitrag (SZ 18.12.08) heißt es ganz eindeutig, dass auch die Jüdische Gemeinde zu Dresden diese - neben anderen - Aktionsformen stützt.
Das bleibt von "no pasarán" lieber unerwähnt, wäre doch dann die CDU-Schelte nicht mehr so einfach. Der mögliche Verweis darauf, dass die Gemeinde "alle Vorhaben, die dazu beitragen, den alljährlich stattfindenen rechtsextremen Demonstrationen in unserer Heimatstadt wirkungsvoll entgegenzutreten", unterstützt, rettet den ganz spezifischen Blickwinkel von "no pasarán" kaum. So klar scheint das alles dann doch nicht...

Dazu passt, dass die weitere CDU-Schelte von Ex-venceremos: "Natürlich sollte man auch der CDU vorhalten, wie es sein kann, dass sie sich mit Friedensgebeten in Szene setzen, während Deutschland unter CDU-Führen in der Welt an Kriegen beteiligt ist."
Würde Ex-venceremos und/oder "no pasarán" darauf verweisen, unter welcher Regierung eine aggressivere deutsche Außenpolitik mit dem Nationalsozialismus erstmals(?) begründet wurde (und von SPD und Grünen prinzipiell immernoch wird), dann könnte es mit den Bündnispartner ganz schön schnell schwierig werden.

Nicht ganz verständlich für mich ist, warum Ex-venceremos (u.a.) nun auf einmal doch der "antideutschen" Kritik eine gewisse Wirkmächtigkeit zuschreibt, dann aber fortführt:
"Das heißt aber nicht, dass man sich nicht trotzdem an der Diskussion um Erinnerungskultur beteiligen kann und man sollte sich schon fragen, inwiefern "Bomber Harris do it again" und alles was da so mit dran hängt, heute immer noch die richtige Wirkung entfaltet, ob es eben mehr nützt als es schadet."
D.h. also, dass eine scharfe Gegenposition, nur weil sie geführt wurde, auch ihre Wirkung entfaltet hat. Nun soll eine scharfe Gegenposition dies nicht mehr können?

Von Bomber-Harris tönt es zwar kaum noch, gleichwohl wird es behauptet (= der Verweis auf die "ganzen Fahnen immer" [Vorwurf letzten Jahre], die es kaum noch gegeben hat, siehe indymedia-Fotoberichterstattung der letzten Jahrestage). Zudem wurde die "antideutsche" Position weiterentwickelt, jetzt mal unabhängig davon, ob sie gefällt oder nicht.
(Im venceremos-Aufruf dazu ganz eindeutig: "Damit war für die bisherige Kritik in der Regel der Punkt erreicht, an dem sie kapitulierte; sei es als beschämter Friedensschluss mit der neuen (und damit auch der alten) deutschen Ideologie oder als Rückzug in die selbstgenügsame Wiederholung leerer Phrasen. Dafür gibt es jedoch keinen Anlass.")

Ex-venceremos: "Auch in einer befreiten Gesellschaft kann man an die Toten von Dresden erinnern, und es dementsprechend dann natürlich gestalten, sie waren in gewisserweise eben doch Opfer, Opfer der Verhältnisse, die diesen Krieg und alles drumherum hervor gebracht haben."

Der zweite Teil des Satzes ist ein übler Hammer, verortet er doch konkrete Personen als bloße Menschen zu "Opfer der Verhältnisse". Für eine politische (!) linke (!) Position ist diese Wertung Wahnsinn. Die Menschen den Verhältnisse ausgeliefert?
Du willst nichts weniger als die "befreite Gesellschaft"? Warum - jetzt mal jenseits vom 13.2. - machst Du Politik, wenn "Opfer der Verhältnisse" also sowieso keine Chancen haben? Du meinst die nationalsozialistischen "Verhältnisse"? Was ist mit den AntifaschistInnen, die gegen die Verhältnisse gekämpft haben oder es zumindest versucht? Was ist mit denen, die ins Exil gingen? Hat die ein Magnet angezogen? Diese Menschen kämpften bewußt oder gingen bewußt! Ein kollossaler Arschtritt für all diese.
Schon das würde langen. Das mit dieser Rede auf "volksgemeinschaftliche" Deutsche ein Zustand, der nur für die tatsächlichen Opfer gilt und galt, entschuldend übertragen wird, davon ganz zuschweigen.
Und der Aufstand in Treblinka...? "Verhältnisse"...? Jetzt differenzieren, dass das ja auch nicht alle geschafft haben? Kommt dieses "Argument" jetzt?

Kurz zu ra0105: "Aus diesem Grund habe ich darauf hingewiesen, dass als der Mythos Dresden entstand, es noch gar keinen Grund zur Relativierung gab, da die Ausmaße der NS-Verbrechen erst in Umrissen schemenhaft zu erkennen waren."

V.a. in der Wiederholung ist dieser Punkt erschreckend. Du folgst ziemlich genau der üblichen verschleiernden deutschen Erzählung zu Wissen und Nichtwissen. Zutreffend ist, wenn Du mit "schemenhaft" meinst, dass vor 1945 die Forschung der späteren Jahre bis hin in die 200er nicht bekannt war. Was ungefähres Ausmaß, Umfang, grobe Zahlenverhältnisse, besonderen Charakter der Shoah als fabrikmäßige Angelegenheit angeht wußten die Bescheid in allen gesellschaftlichen Bereiche (Milieus usw.) die Bescheid, die Bescheid wissen wollten. An den Basisinfos kam niemand vorbei ("öffentliches Geheimnis" nannte dies Peter Longerich). Wer mehr wissen wollte, erreicht dies mit Recherche und den gegebenen Bedingungen. Nur: das mußte man schon wollen. (Der mögliche Verweis darauf, dass diese nicht alle konnten oder wollten oder sich getrauten, ist bloße Entlastung und zynisch gegenüber denen, die wollten.)
Selbst W. Ulbricht und Combo wußten in Moskau, dass "dort" (in Auschwitz und anderen Lager) besonderes abläuft, eben kein "normales" Töten.
Wenn das nicht in eine (Deine?) Theorie paßt, ok, dann wird das so bleiben. Wenn Du das nicht wußtest, denn nimm diesen Punkt bitte einfach auf.

Eine neue Position in Dresden? OK. Nur wenn sie auf den schiefen Annahmen bezüglich Gedenkentwicklung und noch dazu Nationalsozialismus aufbaut, bin ich nicht dabei.

Max

@max

Ex-Venceremos 22.12.2008 - 11:11
Erst einmal stelle ich fest, dass du in den wichtigen Punkten prinzipiell nicht widersprichst, sondern dich an Details störst. :)

Ich weise hier aber auch daraufhin, dass es sich hier nicht um ausformulierte Positionierungen von No Pasarán Dresden handelt. Hier diskutieren Einzelpersonen miteinander, die durchaus zu dem ein oder anderen Punkte unterschiedliche Meinungen haben können und haben.

Ok, erstmal zum Heidefriedhof. Bisher hat niemand andere Interpretationen negiert und als typisch antideutsch bezichtigt. Es wurde lediglich gezeigt, dass man es auch anders interpretieren kann, als es herkömmlicherweise oft getan wird. Die Doktorarbeit ist mir bekannt. Allerdings liefert der Doktorant auch nur eine Beschreibung und eine Interpretation aus seiner Sicht. Quellenarbeit findet an der Stelle in der Arbeit nicht statt. Deshalb ist die Arbeit in der Hinsicht keine Quelle mit der ich ernsthaft arbeiten kann bzw. alle anderen Interpretationen ausschließen kann. Auch das was die Sächsische Zeitung da abliefert, ist nichts weiter als eine wahrscheinlich auch noch von oben vorgegebene Interpretation. Den Beitrag von Neutzner in dem Dresdner Heft habe ich noch nicht gelesen, das hole ich noch nach. Der Hinweis auf der Seite der sozialistischen Gedenkstätten ist richtig aber auch banal. Ich denke nicht, dass jemand nicht weiß, dass von Deutschland und damit auch Dresden der Krieg begann, nur weil es nirgendwo explizit steht. Letztendlich ziehe ich aus dieser Detaildiskussion die Frage, ob eine Rede, die eindeutig auf den Kontext verweist ausreicht oder ob die Gedenkstätte umgestaltet werden sollte. Indem man eine Tafel anbringt, die nochmal deutlich macht, von wem der Krieg ausging, und was in Dresden noch passiert ist. Es hat hier jedenfalls niemand darauf beharrt, dass die Anlage für immer so bleiben muss. Gibt es genauere Informationen zur Umgestaltung des Heidefriedhofs auch irgendwo schriftlich?

Was 2009 angeht, würde mir tatsächlich eine Rede ausreichen, aber offensichtlich gibt es in der Stadtverwaltung auch die von sb0206 hier erwähnten Überlegungen, das würde mir wiederrum nicht ausreichen. Es gibt aber im Stadtrat auch die Einschätzung, dass das Gedenken auf dem Heidefriedhof weiter an Bedeutung verlieren wird. Stattdessen wird die Veranstaltung an der Frauenkirche weiter in den Vordergrund rücken, und in Zukunft vielleicht Kranzniederlegungen am Altmarkt, wo die CDU am 14.02. eine Gedenkschrift anbringen will. Da steht das Gedenken erst richtig ohne Kontext im Raum, abgesehen von der Gedenktafel an die Dresdner Juden an der Kreuzkirche, die aber niemand wahrnehmen wird.

Was deine Ausführungen zu Matthias Neutzner angeht, die sind zwar interessant, aber nicht wirklich von Belang für den Artikel auf der Seite von No Pasarán. Es ging nur darum das Buch einzuführen, dass tatsächlich eine nüchterne und sachliche Bestandsaufnahme ist. Ob man ihn nun Historiker oder als Laiengeschichtsforscher bezeichnet, halte ich dem Zusammenhang tatsächlich für irrelevant. Die Bestandsaufnahme von ihm was die Zeit nach 1990 angeht, mag sie unzureichend sein, aber immer noch genauer als alles andere was bisher dazu geschrieben wurde. Wenn es da inzwischen bessere Text gibt, bin ich für Hinweise dankbar. Deine Ausführungen zu Jörg Friedrich habe ich nicht verstanden.

Anliegen des Artikels war es nicht in erster Linie darum zu beweisen, dass die Bürger alle toll geworden sind, sondern um die Dokumentation des Inhalts. Es gibt sicher viele Menschen auch Antifas, die dieses Buch noch nie in der Hand hatten. Deshalb ist es auch in die Materialsammlung eingeordnet.

Nun zu deiner Kritik an unserer Kritik der CDU. Es ist niemanden entgangen, aber die jüdische Gemeinde hat sich im Vorfeld deutlich anders geäußert als die CDU, sie ist letztes Jahr nicht mehr zur offiziellen Gedenkveranstaltung am Heidefriedhof gegangen und unterstützt auch deutlich Geh Denken. Von daher wird natürlich erstmal abgewartet, bis es genauere Informationen gibt, bevor man anfängt die jüdische Gemeinde zu kritisieren. Es ist tatsächlich nicht klar, und es hat auch sonst niemand bisher eine klare Analyse dazu vorgelegt.

Dein Hinweis auf die Außenpolitik der SPD und Grüne ist richtig, aber in dem Fall auch belanglos. Da diese sich hier nicht wie die CDU, mit Friedensgebeten in Szene setzen. Desweiteren sind SPD und die Grünen bisher keine Bündnispartner von No Pasarán. Lediglich die grüne Jugend Dresden unterstützt den Aufruf zur Demonstration, und was die für eine Position zu Kosovo hat, müsste dann auch erstmal eruiert werden.

Was die Wirkmächtigkeit der antideutschen Kritik angeht, habe ich mich tatsächlich unklar ausgedrückt. Es war damals relativ egal wie man agiert hat, da alles aufs Gleiche rauskam. Man war als dem damaligen Erinnerungsdiskurs gegenüber kritischer Antifa in einer absolut marginalisierten Position, und man konnte mit diesen Provokationen überhaupt erstmal Aufmerksamkeit und öffentliche Wahrnehmung erreichen. Insofern war es tatsächlich sinnvoll gewesen. Heute ist die öffentliche Diskussion anders, und meiner Meinung nach sind solche Provokationen heute bestenfalls wirkungslos. Mich würde das auch nicht so stören, wenn ich nicht wüsste, dass es tatsächlich alles ist, was einigen Leuten zum Gedenken zu sagen haben. Was "Bomber Harris do it again" angeht, damit meine ich nicht nur die Parole, sondern die Einstellung die dahinter steht, die sich auch in Partykundgebungen und Jubelfeuerwerken am 13.02. äußert. Was man jetzt irgendwie damit versucht zu begründen, dass man nur wirklich radikal ist, wenn man gegen jedes Gedenken ist, weil damit angeblich an der Wurzel des Übels was getan würde. Dass das Quatsch ist, habe ich in meinem Beitrag gestern vormittag schon widerlegt. Letztendlich sind die von dir aus dem venceremos-Aufruf zitierten Passagen, die eigentlich hohlen Phrasen.

Was die Verhältnisse angeht. Der Nationalsozialismus kam nicht aus dem luftleeren Raum und wurde plötzlich von Hitler erfunden und den Menschen übergestülpt. Dazu gibt es inzwischen genug Analysen, den Aufsatz von Moishe Postone "Nationalsozialismus und Antisemitismus." der eine ganze Denkrichtung in der Linken begründet hat, würde ich dazu zählen. Das heißt nicht, dass ich dagegen bin, Menschen für ihre konkreten Handlungen zur Rechenschaft zu ziehen, auch in der heutigen Gesellschaft wird man nicht jeder zum Rassisten und Antisemiten, aber ich gehe auch davon aus, dass Menschen in einer befreiten Gesellschaft nicht mehr zu Antisemiten und Rassisten werden umgedreht bringen nun mal auch die heutigen Verhältnisse Antisemitismus und Rassismus hervor, und der NS lässt sich auch nicht einfach so davon abkoppeln. Das muss jetzt erstmal genügen, es würde sonst hier völlig ausufern. Ich nehme mal an, dass die Kritik im venceremos-Aufruf an der Deutschen Ideologie in eine ähnliche Richtung geht, auch wenn es völlig durcheinander geht, und nicht bis zu Ende gedacht ist. Es wundert mich auch, dass da anscheinend niemanden der offenkundige Quatsch, von wegen das Gedenken wäre die Wurzel des Übels, aufgefallen ist. Im Übrigen ist es ein uralter Widerspruch, dass man auf der einen Seite versucht ein bißchen was an den Verhältnissen im hier und jetzt zu ändern, aber gleichzeitig weitergehende Ansprüche zu haben. Im Antifabereich hat das zuletzt gerade erst wieder die Lea (Leipziger Antifa) mit ihrem Text im Antifaschistischen Infoblatt festgestellt.

Noch was anderes, du schreibst zu Recht, dass es auch Antifaschisten gab, die gegen die Verhältnisse gekämpft haben, und es gab sicher noch mehr, die aufgrund der Repression nicht gekämpft haben. Auf der anderen Seite erweckst du den Eindruck, vielleicht habe ich das auch falsch verstanden, dass alle Opfer der Bombardierung Anhänger der Nazis waren? Oder ist für dich der Begriff Volksgemeinschaft, die Ausrede dafür, dass alle Betroffenen völlig zu Recht Opfer der Bombardierung waren (die halbjüdischen Kinder, Kriegsgefangen, und politischen Gefangenen habe ich jetzt schon mal ausgeklammert)?

Der Rest ist mir ehrlich gesagt zu undurchsichtig. Was der Aufstand von Treblinka und wer jetzt was geschafft hat, mit meinen Ausführungen zu tun hat, verstehe ich nicht.

Letztendlich habe ich nicht den Eindruck, dass meine Position neu ist. Ich bin durchaus auch bereit auf Standpunkten zu beharren, wenn diese Sinn machen. Die Inhalte des Vorbereitungskreis vom letzten Jahr haben aber meiner Meinung nach immer weniger Sinn gemacht und ich denke, dass man sich da in eine ideologische Sackgasse manövriert hat, und da bin ich nicht bereit mitzugehen, vor allem wenn dabei völlig unnötig aus einem falschen Verständnis von Radikalität heraus kontraproduktiv die eigentliche Arbeit damit erschwert wird, dem Einwirken in den Diskurs oder der Mobilisierung gegen den Naziaufmarsch auswirkt.

Was mir noch immer wieder auffällt, dass auch wenig Vermittlung stattfindet. Dass in einigen Kreisen so eine Regression stattfindet, liegt nicht zuletzt auch daran, dass von venceremos und Co nur ideologisch gefärbte Beiträge kommen, mit denen man immer weniger praktisch anfangen kann. Gleichzeitig findet eine Vermittlung von Fakten immer weniger statt. Das ist auch ein Anliegen der Seite von No Pasarán erstmal wieder die Fakten und die aktuellen Diskurse zu dokumentieren und auch zu kommentieren. Das Projekt befindet sich natürlich noch in der Entwicklung, kann aber auch nach dem 13. Februar 2009 fort geführt werden. Generell wäre es gut, wenn es wieder viel mehr Output zu dem Thema gibt, damit tatsächlich mehr Inhalt von linker Seite in den Diskurs gebracht wird. Die Arbeit der Audioskript-Gruppe ist da auf jeden Fall zu würdigen, auch wenn es nicht direkt mit dem 13. Februar zu tun. Auf venceremos hatte es auch mal angefangen zu funktionieren, ist dort aber vor etwa 2 Jahren wieder eingeschlafen.

@ Ex-Venceremos

Max 22.12.2008 - 15:49
Ok, meine Antwort könnte ein kurzes "Nein" zu all Deinen Punkten sein bzw. mein ganzen Beitrag von gestern erneut zu posten.

Trotzdem:

Es scheint das Mantra (mindestens) von Dir zu sein, schwerwiegenden Einwand einhegen zu wollen, in dem auf angebliche Detailunterschiede in den Positionen verwiesen wird.

Bsp. Heidefriedhof: Klipp und klar geht aus meinem Absatz dazu hervor, dass, wenn Ihr (!) nur das Prozedere und Form enden wölltet, es für mich unklar ist, warum Ihr das ganze nicht gleich richtig angeht. Ein bloßes Nachhaken, kein Punkt mehr.
Du schreibst: "Allerdings liefert der Doktorant auch nur eine Beschreibung und eine Interpretation aus seiner Sicht. Quellenarbeit findet an der Stelle in der Arbeit nicht statt."
Interpretation und Quellenarbeit widersprechen sich nicht, Quellenarbeit ist Interpretation bzw. eine gute Interpretation stützt sich auf die Analyse von Quellen. Peter Fibich hat das relevante Material eingesehen und eine Interpretation vorgelegt, der ich folgen kann. Wird eine schlüssigere vorgelegt, lese ich diese gern. Nathan hat gemutmaßt ("Man kann aber auch davon ausgehen, dass die Gestalter der Anlage auf dem Heidefriedhof, das ganze in den Kontext stellen wollten.") und das auf schwacher Basis, sprich Quellen, so er denn überhaupt welche dafür brauchte.
(Karin Jeschke hat den Punkt der Umwidmung mündlich geäußerst. Sie ist aber in Dresden sicher ansprechbar, gerade dafür, denn sie hängt an der Anlage. Wenn es stimmt, was sie erzählt hat, gibt es sicher zudem irgendwo amtliches.)

Deine Antwort bedeutet leider in allen Punkten ein Ausweichen bzw. Ebenenwechsel, um die kribbeligen Punkte zu umgehen ("unklar", "versteh ich nicht" usw.).
Lediglich an zwei Punkten sei dies exemplarisch ausgeführt:

1) Du beharrst (meine Argumentation relatvierend) darauf, dass es egal sei, ob Neutzner nur Laienforscher sei oder "richtiger" Historiker. Dass dies irrelavant ist, hatte ich selbst bereits betont. V.a. ist dafür egal, einen Text kritisch wahrzunehmen. Das ist mein Punkt, nicht Neutzners Status. Es ist egal, ob es was besseres oder schlechteres gibt, denn der Text hat für sich Bestand zu haben. Neutzner hat für meine Begriffe neben wichtigen Hinweisen entscheidende Mängel. Thema, welchem Du ausweichst, war, dass "no pasarán" diese übergehen muss, um die Position halten zu können.

2) Meine Kritik war, dass "no pasarán" die Jüdische Gemeinde verschweigen muss, um CDU-Bashing betreiben zu können. Du schreibst folgendes:
"Von daher wird natürlich erstmal abgewartet, bis es genauere Informationen gibt, bevor man anfängt die jüdische Gemeinde zu kritisieren." Dein Absatz ist länger, aber dies ist der Satz, um Dein Ausweichen zu dokumentieren, denn:
Ich habe nicht geschrieben, dass die Jüdische Gemeinde gegebenenfalls zu kritisieren sei (hier an dieser Stelle) und auch nicht, dass, v.a. erst einmal "abgewartet" werden muß.
Mein Punkt war nicht, was noch kommt, sondern was bereits war: nämlich, dass für "no pasarán" bequeme Verschweigen der gemeinsamen Trägerschaft des "Stillen Gedenkens" von CDU, Jüdischer Gemeinde und einiger Persönlichkeiten. Das wahrt schlicht die Analyse.
Noch einmal langsam und "historisch": Am 18.12. veröffentlicht die SZ diese Nachricht, wohl ganz sicher davor gab es die Gespräche dazu, wohl auch ziemlich logisch danach veröffentlicht "no pasarán" dazu das Update. Am 21.12. kritisiere ich besagten Punkt beim "Update". Heute, am 22.12., übergehst Du den Kern der Kritik völlig und redest vom abwarten. Worauf, wenn das kritisierte offen daliegt, weil Vergangenheit...? "Genauere Informationen", die Du auf nem völlig anderen Feld vermißt, sind vorhanden.

Ich habe das Prinzip Deiner Argumentation zweimal dargelegt und dies betrifft ebenso die anderen Punkte. (Es ist vollkommen zwecklos, darauf zu verweisen, meine Auswahl, dieses Prinzip an diesen beiden Punkten aufzuzeigen, spräche für sich, weil die anderen Punkte komplizierter sein könnten.)
Kurzum: Ich brauche darauf nicht eingehen, zum copy-and-paste meines Beitrages von gestern bin ich zu faul.
Es wird sich zeigen, ob es lohnt, auf weitere Beiträge Deinerseits zu warten. "Es wird sich zeigen" heißt - um mal vorzugreifen - , nicht der Diskussion hier auszuweichen, sondern eine Diskussion zu führen, wenn diese als solche bezeichnet werden kann.

Bezeichnend - dies abschließend - scheint mir, dass Dich an meinem Beitrag so einiges stört, dagegen die - es kann deutlich formuliert werden - irrige These von ra0105 bezüglich des Nicht- und Halbwissens ("schemenhaft") der grundsätzlichen Dimensionen der Shoah usw. scheinbar unproblematisch für Dich ist. (OK, falls Du noch keine Zeit hattest für diesen Punkt, ziehe ich diese Anmerkung sofort zurück und mein Sorry ist umgehend auf dem Weg!)

Damit ist auch klar: Ich habe widersprochen, w-i-d-e-r-s-p-r-o-c-h-e-n den Grundannahmen (inkl. Blick auf NS und Umgang damit), die nichts weniger begründen als die politische Position von Dir, die entlang der Linie von "no pasarán" verläuft und also diese mutmaßlich ist.
Mich stören nicht die "Details". Daher verbitte ich mir, kumpelhaft nen smiley anzubieten.

Max

@Max

ra0105 22.12.2008 - 16:38
"Bezeichnend - dies abschließend - scheint mir, dass Dich an meinem Beitrag so einiges stört, dagegen die - es kann deutlich formuliert werden - irrige These von ra0105 bezüglich des Nicht- und Halbwissens ("schemenhaft") der grundsätzlichen Dimensionen der Shoah usw. scheinbar unproblematisch für Dich ist. (OK, falls Du noch keine Zeit hattest für diesen Punkt, ziehe ich diese Anmerkung sofort zurück und mein Sorry ist umgehend auf dem Weg!)"

"V.a. in der Wiederholung ist dieser Punkt erschreckend. Du folgst ziemlich genau der üblichen verschleiernden deutschen Erzählung zu Wissen und Nichtwissen. Zutreffend ist, wenn Du mit "schemenhaft" meinst, dass vor 1945 die Forschung der späteren Jahre bis hin in die 200er nicht bekannt war. Was ungefähres Ausmaß, Umfang, grobe Zahlenverhältnisse, besonderen Charakter der Shoah als fabrikmäßige Angelegenheit angeht wußten die Bescheid in allen gesellschaftlichen Bereiche (Milieus usw.) die Bescheid, die Bescheid wissen wollten. An den Basisinfos kam niemand vorbei ("öffentliches Geheimnis" nannte dies Peter Longerich). Wer mehr wissen wollte, erreicht dies mit Recherche und den gegebenen Bedingungen. Nur: das mußte man schon wollen. (Der mögliche Verweis darauf, dass diese nicht alle konnten oder wollten oder sich getrauten, ist bloße Entlastung und zynisch gegenüber denen, die wollten.)"

Von mir aus, aber ist denn dann die Gegenthese richtig? Also die Dresdner waren sich des Ausmaßes der Shoa und anderer (teils geplanter) Genozide vollumfänglich bewusst und haben es arrangiert, dass eine schwedische Zeitung von 200.000 Toten sprach. *Räusper* Ich glaube das kann nicht in deinem Sinne sein.

Meine These besagte, dass die Dresdner um die Ausmaße der Verbrechen nicht vollständig im Bilde waren. Ob dies an Ignoranz oder der Unmöglichkeit lag über alle Verbrechen Bescheid zu wissen, sei dahingestellt. Meines Wissen und Erachtens nach, dürfte es individuell verschieden im Maße, eine Mischung zwischen beiden gewesen sein. Das ändert aber nicht daran, dass es am 13.02.45 kein Massenbewusstsein über die Menschheitsverbrechen gegeben hat. Und wenn es dieses Bewusstsein nicht gab, entfällt das Motiv die Geschichte aus diesem Grund zu verfälschen. Die hohe Todeszahl dürfte somit auf die Unerfahrenheit der Dresdener Bevölkerung mit Bombenangriffen zu tun haben und natürlich mit der Unterstützung der Propagandaorgane.

Allerdings gilt für Propaganda, dass gute Propaganda immer ein Funken Wahrheit enthalten muss. Es musste also prinzipiell vorstellbar sein, dass in Dresden 200.000 Menschen umkamen. Und auch weil dies vorstellbar war, wurde Dresden zum Mythos. In Hamburg, Köln etc. hätte niemand 200.000 Tote auch nur ansatzweise geglaubt. Dies hat aber nichts mit Relativierung der Shoa zu tun, die man in Dresden anstrebte. (Das man nach 45 Dresden benutzte um den Alliierten Vorhaltung zu machen ist unbestritten)

Interessant in diesem Zusammenhang, der schlimmste Bombenangriff der Geschichte dürfte wohl auf Tokio stattgefunden haben. Dort geht man von 100.000 Toten aus, dennoch spielt das im Bewusstsein der Weltöffentlichkeit keine Rolle. Da denkt man an die Atombombenabwürfe, die weniger Opfer forderten.

Man sieht also, ob ein Ereignis zum Mythos wird, ist entscheidend von Nebenbedingungen abhängig. Für den Mythos in Dresden sprach so einiges, die Shoa zu verharmlosen kann in der Genese der sofort einsetzenden Mythenbildung keine Rolle gespielt haben oder wenn überhaupt, dann eine im höchsten Maße untergeordnete. Dies wechselte natürlich später und wurde zum Lieblingsthema der Revanchisten, Nazis und nicht selten des gemeinen Mobs.

Was an dieser These so irrig sein soll, ist mir nicht ganz klar. Es sei denn man glaubt tatsächlich an die große Dresdner Weltverschwörung die die Macht über die schwedische Zeitung hatten...

@ra0105

Max 23.12.2008 - 01:38
ra0105"Von mir aus, aber ist denn dann die Gegenthese richtig? Also die Dresdner waren sich des Ausmaßes der Shoa und anderer (teils geplanter) Genozide vollumfänglich bewusst und haben es arrangiert, dass eine schwedische Zeitung von 200.000 Toten sprach. *Räusper* Ich glaube das kann nicht in deinem Sinne sein."

Es wurde weiter oben bereits (von Alf) darauf verwiesen, daß im Phase2-Artikel von "simplen Manipulation der Dresdner Zahlen durch das Propagandaministerium" die Rede ist. Nix Dresdner. Du hast oben darauf verwiesen, dass Du nicht zitiert hast. Richtig, geht nämlich gar nicht, weil im Text weder explizit (noch implizit) etwas darauf verweist, wie Du es unterjubelst. (Bei mir selbst auch an keiner Stelle zu lesen, dass Dresdner in Schweden manipuliert hätten - von daher verstehe ich nicht, warum Du nachdenkst, was ich damit im Sinne gehabt haben könnte.)
Ich habe reingeschaut in den Artikel der Phase und festgestellt, dass im Beitrag lediglich davon gesprochen wird, dass hohe Opferzahlen der Relativierung dienen können und so benutzt werden. Dabei wird eindeutig von der Erinnerung nach 1945 bis heute geschrieben.
Also: Die Diskussion dazu muss nicht geführt werden, denn es fehlt ihr das Thema.

Aber ich geh mal kurz auf Deine Annahme, es hätte kein "Massenbewußtsein" zu den Verbechen bestanden ein. (Ich rede nicht von "Massenbewußtsein", sondern vom "öffentlichen Geheimnis"). Davor ist bei Dir noch von "Ignoranz" und "Unvermögen" (des Wissens) die Rede, dies in "Mischung". Fehlendes "Massenbewußtsein", "Ignoranz" und "Unvermögen" in "Mischung"sverhältnis anzuführen heißt nur eins:
Antisemiten (von konkreter Tat bis hin zu Indiffenrenz und in diesem Sinne von den Bedrohten als nahezu geschlossenes feindliches Umfeld auszuhalten) mit ihrem Antisemitimus zu entschulden. Das - und das formuliere ich mal ganz ruhig - würde ich mir nicht wagen.
Zu beiden Punkten (Phase2 + Wissen) abschließend: Ich glaube weder an die "Dresdner Weltverschwörung" noch an Deine These.

Du führst dann noch Mutmaßungen zur Propaganda und Wahrheit an und verweist darauf, dass in Köln und Hamburg und anderen Städten "niemand 200.000 Tote auch nur ansatzweise geglaubt" hätte. Zu "anderen Städten" und Köln liegt gerade nichts griffbereit, aber wegen Hamburg spekuliere ich nicht, sondern schaue lieber in das Buch von Malte Thiessen ( http://www.zeitgeschichte-hamburg.de/buch-neu-neu.html#Anker21099) zum öffentlichen Gedenken in der Hansestadt:
S. 40, Fußnote 29: "Einen ungeschminkten Überblick über die Stimmung innerhalb Hamburgs geben die vom britischen Geheimdienst abgehörten Berichte aus Hamburg vor allem ausländischer Diplomaten, diese gingen von einer Todeszahl zwischen 120.000 und 200.000 aus", folgt noch der Nachweis.
S. 41: Thiessen gibt allgemeiner Einblick in Presse- und Geheimdienstberichte und resümiert: "Kurz gesagt: Die Angriffe auf Hamburg konnten keineswegs verharmlost oder gar verschwiegen werden, zumal sich im Reich Gerüchte über 100.000 bis 350.000 Getöteten verbreiteten".

In Hamburg scheint doch "ansatzweise geglaubt" wurden. Ich nehme mal an, Du kannst Dir denken: Anderenorts war das auch so.
Das muß man nicht wissen oder gelesen haben, man muß v.a. aber nicht spekulieren.

Relevant für unsere Diskussion scheint mir, dass die Hamburger Verhältnisse nach Luftangriffen "normal" waren, die Darmstädter Verhältnisse usw. auch und die Dresdner Verhältnisse eben auch.
Deine Annahme, dass es etwas besonderes gewesen wäre, dass nur in Dresden solche Gerüchte aufgekommen wären, folgt dem nicht ganz zutreffenden Bild der ganz besonderen Katastrophe in Dresden. Wie es zu diesem Bild kam, ist hier wohl erschöpfend beschrieben wurden (nicht zuletzt betitelt Neutzner das entsprechende Kapitel: "Vom Alltäglichen zum Exemplarischen").
Ich habe auch gelesen, dass Du davon Kenntnis genommen hast. Es gilt halt, daraus Er-kenntnisse zu machen.

Max

Guten Morgen

Ex-Venceremos 23.12.2008 - 11:28
@Max
Offensichtlich hast du den wesentlichen Punkt nach wie vor nicht verstanden. ;) Es ging um die Frage, inwiefern man gegen jedes Gedenken sein muss. Dabei wird im Aufruf auf venceremos der Eindruck erzeugt und von sb0206 konkretisiert, dass man gegen das Gedenken sein muss, weil es die Quelle der Deutschen Ideologie ist bzw. in Dresden wäre der städtische und bürgerliche Umgang mit dem Gedenken die Wurzel des Faschismus. Dem habe ich inzwischen zweimal begründet widersprochen. Dagegen hast bisher weder du noch sonst jemand ein Gegenargument geliefert, anscheinend wurde es nicht mal begriffen. Deshalb hast du eben nicht w-i-d-e-r-s-p-r-o-c-h-e-n. :D Im Übrigen ist das bisher keine Position von No Pasarán, ich wüsste jedenfalls nicht, wo das bisher von No Pasarán so formuliert worden ist. Das wird vor dem 13. Februar wahrscheinlich auch nicht mehr werden, da gerade einfach andere Sachen gemacht werden müssen, aber das Gedenken wird uns sicher noch einige Jahre erhalten bleiben.

Der zweite Strang in der Diskussion ist, dass ra0105 und Nathan sagen, dass der Inhalt des Gedenkens nicht feststeht, sondern veränderbar ist. Das ist auch das zentrale Anliegen, des Artikels soweit ich das verstanden habe. Dem hat bisher lediglich Samuel prinzipiell widersprochen, mit dem nebulösen Hinweis auf die Kategorie deutsche Opfer. Alle anderen, auch du Max, beschäftigen sich lediglich mit Detailfragen. Nichts was du bisher vorgebracht hast, ist etwas was prinzipiell gegen das Gedenken spricht, sondern nur gegen dessen Ausgestaltung und so etwas kann man einfordern, da stimme ich ra0105 und Nathan zu. Obwohl auch das bisher keine öffentliche Position von No Pasarán ist. Wobei ich glaube, dass die meisten bei No Pasarán das ähnlich sehen.

Die entscheidende öffentliche Position von No Pasarán, an der sich gerieben wird, ist bisher, dass man sich gegen das Abfeiern von Kriegstoten und der unreflektierten identitären Überhöhung der Alliierten auspricht. Dazu kommt, dass man den Fokus in der bundesweiten Mobilisierung auf den Naziaufmarsch legen möchte. Im Positionspapier steht noch mehr, aber das steht nicht wirklich im Widerspruch zu bisherigen Positionen in Dresden und auch die von mir aufgezählten Punkte sind für mich keine neue Position. Das erzähl ich schon seit Jahren. :D 2006 und 2007 gab es da auch schon mal gute Entwicklungen.

Gut, jetzt nochmal zu den einzelnen Punkten: zu 1.) Was heißt deiner Meinung nach richtig angehen? Die Dresdenstele abreißen? Das ist für mich übertrieben. Mir reicht es, wenn der inhaltliche Rahmen stimmt, und der wird durch den allgemeinen Diskurs um den 13. Februar vorgegeben und äußert sich dann eben in Reden, Hinweistafeln, etc. Mehr will ich mich dem Heidefriedhof gar nicht widmen, da der jetzt schon bedeutungslos ist, und es vermutlich noch weiter werden wird.

Peter Fibich hat zu seiner Interpretation lediglich die "Sächsische Zeitung" von 1981 zitiert. Es gibt aber z.B. keinen Hinweis darauf, was sich die Gestalter gedacht haben. Letztendlich habe ich auch nie bestritten, dass seine Interpretation nicht schlüssig ist, aber sie ist eben auch nicht die Einzige. Das heißt, der Verweis auf seine Arbeit schließt andere Interpretationen eben nicht prinzipiell aus, da er sich damit gar nicht beschäftigt hat. Wegen der aktuellen Gestaltung wird dann nochmal nachgehakt werden. Läuft aber vermutlich auch auf nach dem 13. Februar hinaus.

Zu Neutzner.) Sorry, wenn ich dir jetzt wieder mit "nicht verstehen" komme, aber wieso führst du erst ellenlang aus, dass Neutzner kein Historiker ist, wenn es dann doch irrelevant ist. Wie gesagt, wurde Neutzner nicht als absolute Wahrheit eingeführt. Ich kenne bisher aber auch keine Kritik an dem Neutzner Buch, und wüsste jetzt auch nicht, inwiefern sich die Position von No Pasarán an das Buch von Neutzner knüpft. Dennoch würden mich die Schwächen des Buches interessieren. Das zeigt für mich nur auch wieder, dass es da an output mangelt. Wenn diese Schwächen so klar und selbstverständlich sind, wieso hat dann nicht längst jemand was dazu geschrieben. Ich würde mal behaupten, dass deine Kritik am Neutzner-Buch den meisten in Dresden, auch den Anhängern des venceremos-Aufrufs, unbekannt ist.

zu 2.) Gut ich gebe zu, ich wollte ausweichen, weil ich das hier nicht so auswalzen wollte. Offensichtlich kennst du die jüdische Gemeinde in Dresden nicht näher. Es ist erklärtes Ziel der jüdischen Gemeinde in Dresden, keine Angriffsfläche für Antisemiten zu bieten und nichts zu machen, was die Bürger in der Stadt provozieren könnte. Das ist den Antisemiten zwar herzlich egal, dennoch ist das der Grund warum die jüdische Gemeinde so vorsichtig und auch mal opportunistisch handelt. Das könnte eine Motivation dafür sein, den Schulterschluss mit der Stadt zu suchen und sich gleichzeitig für Geh Denken zu engagieren. Selbst wenn es in der jüdischen Gemeinde keine Einwände gegen das stille Gedenken gibt, ist die jüdische Gemeinde nicht der Adressat der Kritik. Das Ganze ist nun mal auf dem Mist der CDU gewachsen, und dafür wird sie auch kritisiert. So richtig klar ist mir immer noch nicht, was du mit diesem Einwand eigentlich wolltest.

Warum ich nicht auf ra0105 sondern auf dich reagiere, mag vielleicht auch daran liegen, dass du mich konkret angesprochen hast. ;) Ich empfand den Punkt in der Diskussion auch nicht wirklich als wichtig. Aber zu deiner Beruhigung, ja ich gehe davon aus, dass die meisten Deutschen eine Ahnung hatten was abläuft. Sonst hätte auch die Goebbelsche Propagandalüge von der Kollektivschuldthese nicht so verfangen können. Der Rest eurer Diskussion scheint mir eher von Missverständnissen geprägt zu sein. ra0105 wollte eine weitere Motivation erklären, warum die Dresdner eben eher an die höheren Zahlen geglaubt haben, und es auch lange danach noch getan haben. Ein Punkt der wahrscheinlich auch mit reingespielt hat, aber nicht nur. Da stimme ich dem Verweis auf die Rezeptionsgeschichte bei Neutzner zu. Nur was man aus dieser Diskussion jetzt noch für Erkenntnisse gewinnen will, ist mir nicht ganz klar.

...

ra0105 23.12.2008 - 13:07
@Max

Du meinst zu der Debatte die wir beide führen, fehlt das eigentlich Thema. Ja da gebe ich dir Recht, die Phase 2 hat dies nicht behauptet und ich auch nie behauptet, dass die Phase 2 das tat. Der Ausspruch von mir zielte auf den Aufruf von venceremos, der da erklärt, man hätte Dresden schon erfinden müssen, wenn es die Bombardierung nicht gegeben hätte.
Und dies ist erstmal abgesehen vom menschenverachtenen Unterton einfach Unsinn. Zuerst einmal gab es die Bombardierung und dann ist und zwar anders als in Hamburg oder anderen Städten ein Mythos gemacht worden. Du räumst ja ein, dass du nicht an die These glaubst die Dresdner hätten das erfunden um die Shoa zu verharmlosen(und natürlich bin ich nicht davon ausgegangen das du es tust), nur der Aufruf mystifiziert Dresden selber, wenn er behauptet die Bombardierung war so 'gut', um den deutschen Opferfetisch zu zelebrieren, dass sie erfunden hätte müssen. Nur hat die Historikerkommission an dieser Stelle gezeigt, dass die Bombardierung eine geringere Effizienz und Effektivität hatte als der Durchschnittsbombenangriff. Nichts taugte also weniger zur Mythenbildung als die Wucht der Bombardierung. Deswegen meine ausführliche Darstellung wie ich mir die Mythenbildung dennoch erklären kann - Unerfahrenheit.

Aber bisher und da gebe ich Ex-Venceremos völlig recht, bisher kam noch kein Argument warum man nun das Gedenken komplett abschaffen muss. Und dies war ja nun die Kernthese meines Artikels, dass dies unsinnig sei und das Kind mit dem Bade ausschütten würde.



Nachfragen

the spirit 23.12.2008 - 14:46
@ ex-vencermos:

"Dabei wird im Aufruf auf venceremos der Eindruck erzeugt und von sb0206 konkretisiert, dass man gegen das Gedenken sein muss, weil es die Quelle der Deutschen Ideologie ist bzw. in Dresden wäre der städtische und bürgerliche Umgang mit dem Gedenken die Wurzel des Faschismus. Dem habe ich inzwischen zweimal begründet widersprochen.Dagegen hast bisher weder du noch sonst jemand ein Gegenargument geliefert, anscheinend wurde es nicht mal begriffen. "

Du kannst dem auch gerne widersprechen, nur solltest du vielleicht vorher prüfen, ob die Aussage die du widerlegen möchtest, jemals so getroffen wurde. Kurz um: wo sind die Belege für deine Behauptung (heißt: Zitate aus dem diesjährigen Venc-Aufruf? Zitat von sb0206?)? Dein "Eindruck" ist mir ehrlich gesagt zu wenig, um mir die Mühe zu machen Gegenargumente aufzusagen.

@ ra0105:

"Der Ausspruch von mir zielte auf den Aufruf von venceremos, der da erklärt, man hätte Dresden schon erfinden müssen, wenn es die Bombardierung nicht gegeben hätte.
Und dies ist erstmal abgesehen vom menschenverachtenen Unterton einfach Unsinn.Zuerst einmal gab es die Bombardierung und dann ist und zwar anders als in Hamburg oder anderen Städten ein Mythos gemacht worden."

Du beziehst dich auf folgende Aufrufstelle:

"Hätte es die Bombardierung Dresdens nicht gegeben – die Deutschen hätten sie erfunden. Der Bezug auf die Bombardierung Dresdens am 13. Februar 1945 ist heute, über sechzig Jahre danach, aus dem deutschen Selbstbewusstsein nicht mehr wegzudenken. Das in der sächsischen Landeshauptstadt alljährlich zelebrierte Gedenken an die Toten der Bombardierung ist dabei weit mehr als die Erinnerung an ein historisches Ereignis."

Worin liegt hier jetzt nochmal der menschenverachtende Unterton? Das hätte ich nochmal gerne ausführlich erklärt, weil das ist mir nicht klar. Außerdem, was ist daran Unsinn? Du bemerkst schon dass die Aussage im Konjunktiv geschrieben steht? Sie lässt keinesfalls Zweifel aufkommen, dass es die Bombardierung gegeben hat (das ist eine historische Tatsache, die will auch niemand verdrängen, auch wenn du das gerne unterstellen möchtest). Die Aussage hier bezieht sich zudem auf den h e u t i g e n Umgang mit der Bombardierung Dresdens in Deutschland. Sie sagt weiterhin, dass das Gedenken eine bestimmte Funktionen erfüllt, die wiederum sehr nützlich für die Konstitution einer nationalen/deutschen Identität ist. Mit dem einleitendem Satz im Aufruf, wird also lediglich gesagt, dass die Bombardierung Dresdens gut für die Legitimierung eines deutschen "Opferstatus" ist und wenn es sie nicht gegeben hätte ein Äquivalent gefunden werden müsste, aus dem sich ebenfalls ein deutsche "Opferstatus" ableiten liesse.

"Aber bisher und da gebe ich Ex-Venceremos völlig recht, bisher kam noch kein Argument warum man nun das Gedenken komplett abschaffen muss."

Ich schlage einfach mal ein paar Zitate aus dem Venc-Aufruf vor, die aus meiner Sicht hinreichende Gründe bieten:

"Die einzige vernünftige Konsequenz aus der deutschen Geschichte bleibt der bedingungs- und kompromisslose Bruch mit ihr. Wer ihn nicht vollziehen will, kommt um eine umfassende Revision und Verfälschung dieser Geschichte nicht herum – ganz gleich ob als subtile Akzentverschiebung oder als raubeinige Lüge. Nicht nur in Dresden mündet daher die Rekonstruktion deutscher Identität in die Verdrängung der geschichtlichen Wirklichkeit durch einen Mythos. Die untereinander konkurrierenden Strömungen des Dresdner Gedenkens schreiben die deutsche Ideologie fort und stellen sich damit in die Tradition der deutschen Täter_innen."

"Dass die Dresdner Bevölkerung ebenso zum Gelingen des mörderischen NS-Regimes beigetragen hatte und Dresden keine unschuldige Kunst- und Kulturstadt war, dass die Nazi-Propaganda die Totenzahlen verzehnfachte und die deutsche Bevölkerung sich im letzten Akt des Krieges im Volkssturm sammelte um Volksgemeinschaft und Vaterland zu verteidigen, wurde und wird in dieser Erzählung komplett außer Acht gelassen, ebenso z. B. dass Dresden die zweitgrößte Garnisonsstadt des Dritten Reiches und wichtiger Standort der Rüstungsproduktion war."

"Dem modernisierten 13. Februar-Gedenken gelingt es nur durch einen äußerst problematischen Umgang mit geschichtlicher Erfahrung, einerseits den deutschen Nationalsozialismus abzulehnen und zugleich der deutschen Täter_innen zu gedenken, die für ihn verantwortlich waren. Von der deutschen Geschichte bleibt dabei nur noch ein abstrakter Mythos übrig."

"In der beliebten, und von vielen Linken unkritisch übernommenen, Sprache des Gedenkens verkommt die Geschichte des deutschen Nationalsozialismus zur „Vorgeschichte“ oder zum „Hintergrund“ der Bombardierung deutscher Städte. Sie bildet den „Kontext“, der an jeder passenden und unpassenden Stelle mitgenannt wird (...) Die einschneidende geschichtliche Erfahrung der deutschen Barbarei wird darauf reduziert, als „Kontext“ im Zuge des eigenen Gedenkens mit genannt oder „erinnert“ zu werden. Hierbei handelt es sich nicht allein um eine fragwürdige Prioritätensetzung, sondern um eine inhaltliche Verschiebung der Geschichte. Denn die geschichtliche Erfahrung des Nationalsozialismus lässt sich nicht bloß mit der Trauer um getötete Deutsche nicht vereinen, sie verbietet jeden solchen positiven Bezug auf die deutschen Täter_innen. Zur Legitimation des Gedenkens ist eine grundlegende Revision dieser Geschichte notwendig; damit um die getöteten Deutschen als abstrakte Individuen getrauert werden kann, muss ihre Verwicklung in die Geschichte des Nationalsozialismus geleugnet oder ausgeblendet werden. Die Reduktion von Geschichte auf einen „Kontext“ zeigt sich als ein Manöver, um von der individuellen Ebene komplett zu abstrahieren. Die als „Kontext“ so leicht daher erzählbare Geschichte des Nationalsozialismus ist nicht mehr als eine schlechte Sammlung von Schulbuchfakten, in der menschliche Individuen überhaupt nicht mehr vorkommen. Der eigentliche Gehalt der geschichtlichen Erfahrung wird damit vollständig abgewehrt."

"Dass die, derer am 13. Februar gedacht wird, nachgewiesenermaßen Anhänger_innen eines „eliminatorischen Antisemitismus“ (Goldhagen) waren, kommt im handlichen „Kontext“ dieses Gedenkens selbstverständlich nicht vor. Schon die Erwähnung der ideologischen Motivation im Antisemitismus enthält den Verweis darauf, dass die Deutschen ihre Taten freiwillig und ohne äußeren Zwang begingen und stört das falsche Bedürfnis nach Trauer. Zur Rechtfertigung muss der Freispruch der Betrauerten erfolgen, und dies geschieht heute durch die Reduktion der Geschichte auf einen „Kontext“, in welchem die individuelle Beteiligung gar nicht mehr formulierbar ist; übrig bleibt Geschichte als leicht greifbarer Mythos, der so nie hätte Wirklichkeit sein können."

"Geschichtliche Erfahrung konstruktiv ins eigene Handeln in der Gegenwart einzubringen, würde hier gerade bedeuten, die Identität derer, um die getrauert wird, zu beleuchten: wer sie waren und was sie taten. Dieses Wissen lässt nur eine Schlussfolgerung zu: jede Trauer um die zu „Opfern“ umgelogenen deutschen Täter_innen ist abzulehnen, da ein positiver Bezug auf sie nicht möglich ist. Die Trauer um getötete Deutsche, egal in welcher Form, wird unweigerlich zur politischen und geschichtsrevisionistischen Kundgebung."

Sollte reichen für den Anfang.




@ex-venceremos u. ra0105

Max 23.12.2008 - 15:04
Meinerseits eher zu guter Letzt und noch einmal deutlich:

Du/Ihr begründe(s)t Eure Position und führ(s)t mehrfach die Grundannahmen aus.

Einige wurden von mir kritisch hinterfragt. (Der Verweis, dass ich Argumente bringe, die Deine mutmaßliche Gegenposition venc noch nicht kennen würde, rettet nicht Deine/Eure von mir an Euch [!] kritisierten Punkte.)

Du gehst (bzw. die anderen) dann zunächst aufs Thema ein. (Deswegen ist es sinnlos, auf andere Diskussionsstränge zu verweisen, die von mir noch nicht mal aufgegriffen wurden sein sollen.)

Es wird scheinbar brenzlig, Du entziehst Dich (Eben die anderen Themen, die ich noch nicht angegangen sein soll.).

Oder es ist was „unklar“ (Nochmal Neutzner: Der Verweis auf seinen Nichthistoriker-Status ist bezieht sich auf die unkritische Reproduktion seiner schwer antastbaren Position in Dresden. Das ist aber egal für Analyse seines Textes. Die Kritik an ihm ist im relevanten Punkt [Neutzner als Erinnerungsakteur, deswegen kritisch zu verorten] in der Linken sattsam bekannt).

Oder Du räumst mit mal knapp „ausweichen“ ein, walzt dann aber doch wieder (zu Jüdischer Gemeinde) wieder ausweichend aus inkl. krampfiger Abwehr „Offensichtlich kennst du die jüdische Gemeinde in Dresden nicht näher“. (Letzteres völlig sinnlos und im Kern unpolitisch, weil in – sagen wir mal – Hamburg mitlesende Leute der kritisierte Umstand auf Eurer Homepage ersichtlich ist. Oder – kleiner zynischer Zwischenschritt – darf sich nur äußern, wer aus Dresden respektive von der Scholle ist?) + (Die Position der JG war nicht der Punkt. Thema war der Blick von „no pasarán“ [Update] auf die Gedenkentwicklung im Vorfeld von 2009).

Kurz: Die bloße Wiederholung des von mir bereits geschilderten Prinzips von Dir in meinem Beitrag 22.12.2008 - 15:49: Nicht äußern, Ausweichen, Punkte relativieren als Details.

Abschließend zum Punkt, Themen von Euch nicht aufzugreifen: Ich habe in ausgewählten Punkte Deine/Eure (die Unterschiede muss man erstmal finden und dürften deutlich im Schatten der Schnittmengen liegen!) Position angeschaut und gewichtige Punkte (herunterspielend: „Details“) kritisiert.
Ich denke, es ist deutlich geworden: ich sehe die Annahmen, die Euren grundsätzlich positiven Bezug auf das Gedenken begründet, auf – wenn das denn mal überhaupt geht – beiden Beinen hinken.
Der 1) Blick auf den Nationalsozialismus/Position der Dresdner Bevölkerung in diesem fällt deutlich hinter absolut gängige kritische Positionen, nein: Erkenntnisse zurück. Das ganz allein langt schon hinten und vorne.
Der 2) Blick auf die Gedenkentwicklung (nicht 13./14.2. 2009, sondern bis heute) ist von unkritischer Affirmation und Verzerrungen geprägt, die nötig scheinen, um die Eurige Position überhaupt begründen zu können.

Klar ist damit: Wir müssen da über Gedenken gar nicht reden, wenn 1) bei Euch schon – nun ja – schwierig ist. Aber: Sonnenklar ist auch, dass wir das Gespräch übers Gedenken mit den Ausführungen zu 1) und 2) die ganze Zeit schon betrieben haben.

Bedenklich zu 2) v.a., dass hier in der Diskussion kaum wirklich neues ausgebreitet wurde. Bzw. hätte sich dies selbst auf der Basis von vorhandenem Material erarbeitet werden können, wenn hinter dem Anspruch (denn sprachlich gebt Ihr Euch sehr abwägend, reflektiert usw.) und dem fetten Aplomb, mit dem die Positionen hier verteidigt werden, eine Substanz stehen würde, die über (bspw.) ra0105´s nicht ganz untypische Geschwätzigkeit zur Luftkriegsgeschichte hinausreichen würde (siehe bspw. seine Annahmen zu Hamburg/Köln etc., alle wissen halt irgendwie Bescheid. Dazu knapp meine Anmerkung noch mal: „Das muß man nicht wissen oder gelesen haben, man muß v.a. aber nicht spekulieren.“)
Ebenso Dein selbstgerechtes „hast bisher weder du noch sonst jemand ein Gegenargument geliefert, anscheinend wurde es nicht mal begriffen“.

Es ist zwar nicht meine Sprache, aber ich sage mal: Du hast nicht „nicht mal begriffen“, Du hast sehr wohl begriffen. Du musst halt abwehren, oder denkst es zumindest zu müssen.

Kurz @ra0105: Du schreibst, dass ich etwas einräumen würde. „Einräumen“ suggeriert, dass Du mich mit Argumenten von etwas überzeugt hast, wovon ich ne gegenteilige Annahme geschrieben, behauptet o.ä. gehabt (Das suggeriert es sehr wohl, auch wenn Du gleich nachschiebst, ich hätte das nicht geschrieben).
Nochmal: Ich habe nicht von hohen Opferzahlen gleich im Februar 45 zur Relativierung der Shoah geschrieben (ich wiederhole mich: das war unser Thema), ist nachlesbar.
Wie dann „einräumen“ geht, würde ich gerne mal erfahren.
(Wie das zumindest bei Dir funktionieren könnte, dazu meine These: Du hast vielleicht nen „Antideutschen“-Komplex. D.h., ein klar vorgefertigtes Bild vom Gegenüber, welches derart verfestigt ist, dass bloße key words u.ä. langen, um durchzuschalten, wenn Positionen sich andeuten, die nicht Deinen Annahmen entsprechen, wenn es denn überhaupt für Dich noch interessant ist, was nach den von Dir wahrgenommenen Signalen (manchmal brauchts nicht mal das) noch an ausführlicher Argumentation ansteht.
Daher setzt Du mich und den Aufruf in eins, dann klappts mit „einräumen“ trotz Deines Zugeständnisses. „Einräumen“ suggeriert sehr stark: Mein Gegenüber folgt mir, daher ich habe recht, meine Position überzeugt, ist besser.

Vorteil: Vielleicht ne gefestigte Identität. Nachteil: So ziemlich alles.
 Ich ertrage gerne den Vorwurf der Psychologisierung.)

Mal abgesehen davon, dass Du nach ner quellenbelegten Kritik (Hamburg) mal schwups zum venc-Aufruf rüberwechselst. Mich hätte ja vielmehr interessiert, wie Du den Punkt siehst, dass Deine Annahmen auf dem Mythos beruhen und Du diese reproduzierst nur fortschreiben.
Wie auch immer: hier passt noch mal die bereits zitierte Rezension zum Neutzner Buch hin: „Problematisch ist, dass Neutzner in gewisser Weise den Mythos von der Einzigartigkeit Dresdens fortschreibt, den er doch gerade auf seine Bestandteile hin zu analysieren sucht.“
(  http://www.sehepunkte.de/2005/07/pdf/8103.pdf)
Aber: Die Masche „Themenwechsel“ habe ich oben schon benannt.

Kürzer: Schlechter Stil.
Schlimmstenfalls: Taktik und Strategie im Sinne klassischer Politikführung (, d.h. gegebenenfalls unemanzipatorisch.)

Mehr gibt’s von mir (an dieser Stelle) kaum noch zu sagen.

Korrektur, die ich leider bisher vergessen habe: Ex-Venceremos, Du hast am 22.12.2008 - 11:11 vollkommen zu recht darauf verwiesen, dass SPD und Grüne nicht Eure „Bündnispartner“ sind, sondern grüne Jugend Dresden. „Bündnispartner“ ist hier von mir komplett missverständlich, weil dies genannte Parteien als Eure (Sprachregelung „no pasarán“) „UnterstützerInnen“ des Aufrufes suggeriert bzw. letzteres kann. Gemeint war an dieser Stelle „Bündnispartner“ im Sinne von den politischen Kräften, mit denen Ihr im Grundsatz im Februar eher solidarisch kooperieren wollt. (SPD und Grüne gehören da ganz sicher dazu, ich sach nur: Münte darf gelauscht werden. Wenn Du schreibst, dass SPD + Grüne „bisher“ nicht Eure „Bündnispartner“ sind, frage ich mich allerspätestens dann, wie Eure Positionierungen etwa zu „Nie wieder Krieg! Nie wieder Faschismus“ (siehe Aufruf international + Flyer) ausschauen werden.)


Max

Verbot der Naziaufmärsche am 13./14. Februar

antifa.sozialbetrug 23.12.2008 - 18:26
Deutschland: Innenminister Schäuble kündigt tiefgehende Maßnahmen gegen den Rechtsextremismus an-z. B. im Versammlungsrecht-wir fordern ein Verbot der Naziaufmärsche am 13./14. Februar 2009 in Dresden!

In der ARD - Sendung “Bericht aus Berlin” am gestrigen Sonntag (21.12.08) kündigte der Bundesinnenminister Schäuble eine härtere Gangart gegen den Rechtsextremismus in Deutschland an. Hierzu gehört, wie immer, die Überlegung betreffend eines NPD-Verbotes. Unsere Ohren wurden größer, als der Minister ankündigte, gerade im Versammlungsrecht Dinge zu prüfen, die dazu führen könnten Aufmärsche von Nazis und Rechtsextremen zu unterbinden. Erstaunlicherweise stellte er gar fest, dass das Grundproblem durch ein NPD Verbot nicht in den Griff zu kriegen sei. Hier forderte er weitere Maßnahmen (ohne genau zu erläutern wie diese aussehen könnten).

Fangen wir doch im Rahmen seiner Position als Innenminister gleich mit einem sehr großen Problem an. Der erste große Schritt wäre, mit uns und den Dresdenern gemeinsam dafür zu kämpfen, dass die geplanten Horror-Naziaufmärsche von Dresden zum 13./14. Februar 2009 per Gericht (zur Not mit Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts) endlich nach 10 Jahren untersagt werden. Dies fordern wir nun erst recht. Diese Aufmärsche sind ein Symbol für die Gewaltbereitschaft der Rechtsextremen. Hier gab es in den letzten Jahren immer wieder Angriffe auf die Synagoge von Dresden und auf Demokraten, die auf einer Gegenveranstaltung friedlich demonstrierten. Wunsiedel könnte ein Symbol für ein Verbot dieser Großversammlung von Rechtsextremisten stehen. 2005 verbot das Bundesverfassungsgericht die Rudolf Hess-Gedenkmärsche, weil demokratische Kräfte friedlich und gemeinsam mobilisiert haben.

Auch am 13. und 14. Februar 2009 wollen 5.000 bis 8.000 Nazis und Rechtsextreme wieder Geschichte verdrehen und in Dresden zeigen, dass sie wieder da sind. Für die Dauer der genehmigten Veranstaltungen (Fackelmarsch am 13.02. und großer Aufmarsch am 14.02./ jeweils als Kundgebungen angemeldet) geben sie sich anständig und gut sortiert, um ja nicht das Bild von aggressiven Nazis darzustellen. Aber bereits eine Woche vor diesem Grossereignis befinden sich diese schon in der Stadt, die die Dresdener verunsichern. Ein Bedrohungspotenzial, welches stille Angst produziert, wie uns Dresdenerinnen und Dresdener selbst in Gesprächen berichteten. In der Nacht vom 13. und 14. Februar schützen beispielsweise mehrere hundert Bürgerinnen und Bürger die Synagoge vor Angriffen der Rechtsextremen. Gewalttätige Auseinandersetzungen auf den Straßen konnten nicht gemessen werden, finden jedoch jährlich statt. Dies zeigt, welches Potenzial in denen so schlummert. Im Jahr 2009 ist zu befürchten (siehe auch Hamburg), dass die “Nationalen Autonomen” mit in die Stadt Dresden ziehen. Ein schwarzer gewaltbereiter Block, der offensichtlich wohl auch an der Planung des Attentats auf den Polizeichef Mannichl in Passau beteiligt war. Wir rufen seit sechs Wochen zu einer demokratischen Veranstaltung (GEH DENKEN) als Gegenpol in der Stadt auf.

Viel schöner wäre es doch, wenn die Nazis und Rechtsextremen garnicht erst die Möglichkeit erhalten in Dresden zu marschieren. Hier könnten doch die von Innenminister Schäuble angekündigten Maßnahmen beginnen. Das Innenministerium verfügt sicherlich über die Möglichkeit zu prüfen, wer die Nazimärsche so anmeldet und wieviel Gewaltpotenzial in den 5.000 bis 8.000 Rassisten, Antisemiten und ewig Gestrigen steckt. Auf Fotos hier auf unserem Blog erkennt man beim Anzünden der Fackeln zum Marsch am 13.02.2008 gar Nazis, die wiederum auch die Hakenkreuzfahne in das Grab in Passau legten. Also, es sind die gleichen Leute, die den Anschlag auf den Polizeichef Mannichl begrüßten. Genau diese stehen an der Spitze der Aufmärsche in Dresden und legen auf dem Heidefriedhof Kränze mit der Aufschrift “Nie wieder einen Bombenholocaust wie Dresden” nieder.

Rechtsextreme verfügen über hervorragende Anwälte, die die Genehmigungen für ihre Aufmärsche durch alle Instanzen kämpfen. Wir glauben, dass das Innenministerium dies besser kann. Gerade auch in Hinsicht auf die Personifizierung in Zusammenhang mit Passau, müßte es doch eigentlich gelingen-die Aufmärsche von Dresden juristisch zu verhindern. Wir nehmen Sie gerne beim Wort Herr Innenminister. In acht Wochen startet die NPD ihren bundesweiten Wahlkampf in Dresden und zeigt offen, welches Gesicht der neue Rechtsextremismus in Deutschland hat. Wir würden uns freuen, wenn Sie jetzt handeln!Für LGN J.M.

 http://www.lautgegennazis.de/blog/2008/12/22/deutschland-innenminister-schauble-kundigt-tiefgehende-masnahmen-gegen-den-rechtsextremismus-an-z-b-im-versammlungsrecht-wir-fordern-ein-verbot-der-naziaufmarsche-am-1314-februar-2009-in-dresden/

"GEH-DENKEN" Ein klares Stopp zum Rechtsextreismus

Unterstützt den Aufruf von Geh Denken – Ein klares Stopp zum Rechtsextremismus!

 http://geh-denken.de/joomla/weitere-unterzeichner.html

Aufruf 'GehDenken' - 14. Februar 2009 gegen Neonazis
Europas größten Neonazi-Aufmarsch stoppen
 http://antifasozialbetrug.siteboard.de/antifasozialbetrug-about1054-15.html

English, Tschechisch, Sorbisch, Polnisch, Russisch, Französisch, Spanisch, Niederländisch
 http://antifasozialbetrug.siteboard.de/antifasozialbetrug-about1091.html

Screw you guys, i'm goin home!

Ex-Venceremos 23.12.2008 - 20:04
@the spirit
hier bitte aus dem Aufruf:
Die untereinander konkurrierenden Strömungen des Dresdner Gedenkens schreiben die deutsche Ideologie fort und stellen sich damit in die Tradition der deutschen Täter_innen. Der notwendige Bruch mit der deutschen Vergangenheit dagegen impliziert die unnachgiebige Kritik des Dresdner Trauerspektakels in allen seinen Gestalten.
und von sb0206:
Wer davon spricht, dass er/sie sich „die Bekämpfung der Wurzeln des Faschismus“ zum Ziel gesetzt hat, sollte erst einmal analysieren wo diese Wurzeln sich denn befinden. In Dresden sind sie zweifelsfrei im städtischen und bürgerlichen Umgang mit diesem Datum zu finden.


@max

Mir wird immer unklarer was du eigentlich willst. Du beckmesserst hier lediglich in einigen Details rum, die mit irgendwelchen Grundannahmen für eine prinzipielle Position meinerseits nichts zu tun haben. und statt mal endlich Klartext zu reden, was du nun eigentlich genau willst, wie im Fall der jüdischen Gemeinde, wird es mit jedem mal verworrener. Auf Argumente meinerseits wird dann auch gar nicht erst eingegangen.

Was deine Annahmen zum "positiven" Bezug auf das Gedenken angeht:
zu 1.) Da hätte ich aber gern mal eine Begründung, wo ich hinter wen zurückfalle.
zu 2.) Das ist einfach nur absoluter Mist, da wir durchaus signalisiert haben, Kritik anzunehmen. Wieso ausgerechnet uns aber zum Vorwurf gemacht wird zu wenig kritisch zu sein, ist mir ein Rätsel. Wir liefern wenigstens überhaupt etwas zur aktuellen Entwicklung, von allen anderen kommt bisher gar nichts.

Diese beiden Annahmen sind auch nach wie vor kein prinzipielles Argument für das Abfeiern der Bombardierung und gegen das Gedenken an sich. Da es lediglich um Kritik an inhaltlicher Ausgestaltung des Gedenkens geht. Dein nächste Satz zeigt nur, und das muss ich leider wiederholt konstatieren, dass du immer noch nicht begriffen hast, worum es eigentlich geht. Deine Postingfrequenz lässt auch nicht unbedingt den Schluß zu, dass du dich überhaupt bemüht hast, ernsthaft über das bisher Geschriebene nachzudenken. Mein Eindruck ist, dass du einfach nur auf Teufel komm raus ans Bein pissen willst in dem Sinne:
Kürzer: Schlechter Stil.
Schlimmstenfalls: Taktik und Strategie im Sinne klassischer Politikführung (, d.h. gegebenenfalls unemanzipatorisch.)

Was deinen letzten Punkt angeht, wirst du immer noch nicht konkreter, was überhaupt dein Anliegen ist, ich habe auch keine Lust es zu erraten und mir wirds auch langsam echt zu dumm.

P.S.
Die Kritik in sehepunkte ist ziemlich dünn und haltlos. Wer den Unterschied zwischen Magdeburg und Dresden nicht verstanden hat, sollte sich nochmal grundlegend mit dem ganzen Komplex Bombenkrieg beschäftigen.

...

ra0105 24.12.2008 - 15:09
@ the spirit

Wenn man den Aufruf liest, finden sich zwar Argumentationsmuster warum man gegen diese Art des Gedenken sein kann, der Vorwurf die Abschaffung des Gedenkens trage geschichtsfälschende Züge wird dadurch nicht entkräftet, im Gegenteil:

"Die einzige vernünftige Konsequenz aus der deutschen Geschichte bleibt der bedingungs- und kompromisslose Bruch mit ihr. Wer ihn nicht vollziehen will, kommt um eine umfassende Revision und Verfälschung dieser Geschichte nicht herum – ganz gleich ob als subtile Akzentverschiebung oder als raubeinige Lüge. Nicht nur in Dresden mündet daher die Rekonstruktion deutscher Identität in die Verdrängung der geschichtlichen Wirklichkeit durch einen Mythos. Die untereinander konkurrierenden Strömungen des Dresdner Gedenkens schreiben die deutsche Ideologie fort und stellen sich damit in die Tradition der deutschen Täter_innen."

Ein Bruch der Geschichte wird gefordert. Abgesehen davon, dass ein Bruch mit der Geschichte gar nicht möglich ist, weil man schlechterdings der Weltbevölkerung keine Zwangsamnäsie verordnen kann und es wohl auch schwer fällt die Artefakte zu vernichten. Es wird ja auch kein vollständiger Bruch mit der deutschen Geschichte gefordert, sondern nur ein partieller. Das ist zumindest zu hoffen, dass, anders als im zitierten Satz formuliert, man wenigstens noch über Auschwitz reden darf, was ja, sollte mir nichts entgangen sein, ein Bestandteil der deutschen Geschichte ist.

Der Absatz im Aufruf ist tatsächlich äußerst kryptisch und kann nur so verstanden werden, dass es wohl darum geht, alle Bestandteile der Geschichte auszublenden (mit ihnen zu brechen) in denen so etwas wie deutsches Leid vorkommt.

Man beachte: Es soll die Geschichte also nur partiell erzählt werden, weil es sonst zu Geschichtsrevisionismus kommt!
Dass diese Aussage nicht im Rahmen einer Diskussion entstanden ist, wo man sich ja auch schnell mal vergaloppieren kann, sondern sich tatsächlich so im Aufruf wieder findet muss schon verwundern. Denn man kann davon ausgehen, dass dieser Aufruf mehrfach gegengelesen worden ist und eine solch himmelschreiende Unlogik jemand hätte auffallen müssen.
Zumal ja aus dem Umfeld dieses Bündnis jedem der es hören oder auch nicht hören will, erzählt wird, dass 'No Pasaran' sowohl inhaltlich als auch organisatorisch nichts leisten kann.

Der neutrale Beobachter mag dann einfach auf die jeweiligen Homepages gehen und sich selbst ein Urteil bilden.

@ Ex-Venceremos

Max 25.12.2008 - 05:13
Nun ja, hohe Postingfrequenz geht halt auch nur deswegen, weil ich ja fast nur auf Dein Diskussionsprinzip hinweisen musste. Aber ich registriere Deinen Wandel auf die „verpiss-Dich-Ebene“ („screw you guys“, siehe auch Poldis „geh doch nach hause“ unten im Keller).

Du:
„zu 1.) Da hätte ich aber gern mal eine Begründung, wo ich hinter wen zurückfalle.“

Die Frage ist nach bisherigem Verlauf hier schon eher ne Zumutung, aber bevor es wieder heißt, ich weiche aus: Du hast inzwischen darauf hingewiesen, dass die venc-Position bis zu nem gewissen Zeitpunkt dem Inhalt und der Form der Darstellung („Bomber Harris…“) nach auch Deine war und diese ihre Berechtigung hatte. Nehmen wir nur den Inhalt: zu 1.) = Blick auf den historischen Nationalsozialismus heißt das also, dass Du mit Deiner jetzigen Position hinter Deine zur venc-Zeit zurückfällst (Stichwort Dresdner „eben doch Opfer, Opfer der Verhältnisse“).
Das ist ganz logisch, denn Du änderst eben nicht nur die zukünftige Aktionsgestaltung oder bist eben nicht nur Teil einer reinen Anti-Nazi-Mobilisierung: Du änderst Deinen Blick auf den Nationalsozialismus bzw. die Dresdner Bevölkerung in diesem.
Entsprechend Deiner damaligen venc-Position, den wesentlichen Erkenntnissen der Forschung (es sei denn: konservativste Strömungen und linke absoluter old school-Wertungen) und selbst relevanten Teilen von „Geh Denken“: Rückfall.


Du:
„zu 2.) Das ist einfach nur absoluter Mist“ (ich schrieb, dass der Blick auf Gedenkentwicklung „von unkritischer Affirmation und Verzerrungen geprägt“ ist)

Das ist im Kern meine Aussage, aber überzeichnend formuliert, ok. Gemeint ist, dass Du (Ihr) einen Blick auf die Gedenkentwicklung der (mindestens) 1990er/2000er legt, die an Nicht-„Details“ unkritisch bis hin zur Affirmation ist und verzerrt ist. (Siehe etwa die Wirkmächtigkeit der „antideutschen“ Position, dann ja eben doch bejaht.)

Zur Jüdischen Gemeinde: Du willst von mir, der von Dir als kenntnislos zur Jüdischen Gemeinde gemutmaßt wird, genau zu dieser jetzt was hören? Ich übergehe mal Deine selbstgerechte Anmaßung und stimme Dir zu, dass „Opportunismus“ aus dem Sicherheitsbedürfnis heraus eine Rolle spielen kann und die Gemeinde (bzw. ihre Vertretung!) sich „ruhiger“ verhält.
Zum einen ein Vergleich zu einem solchen Verhalten (kein Gleichnis von Antisemitismus und Sexismus), wenn es denn dieses überhaupt ist: Eine Frau im Minirock provoziert mit ihrem Auftreten nicht Sexisten. Sexisten verhalten sich sexistisch aus ihrer sexistischen Position heraus.
Zum anderen: Vielleicht verstehe ich dies falsch bei Dir (ich gehe davon fast aus!), dass hinter der Formel des „Opportunismus“ folgendes Bild steht: die Jüdische Gemeinde weiß es selbst eigentlich besser (= auch öffentlich kritischer auftreten sollte), verhält sich derzeit aber besser so, wie es derzeit „scheint“. (Ich würde jetzt nicht über ein eventuelles Strippenzieher-Stereotyp herziehen.)
Ich teile das Bild vom „Opportunismus“ nicht in der Absolutheit, auch wenn der Jüdischen Gemeinde selbstredend Position und Taktik zugetraut werden darf. Ich würde, wenn das weiterführend genauer betrachten sei, die Jüdische Gemeinde aber stärker als Subjekt ernst nehmen. D.h., die ihre Geschichte und ihrer Position zum 13.2. genauer anschauen.
Man könnte das wahrscheinlich bedenkenlos ausführen, aber: Es gibt einen entscheidenden Unterschied zwischen unserer Debatte hier und der Position der Jüdischen Gemeinde. Keine Überraschung: Wir erkennen Antisemitismus als zu bekämpfen; die Gemeinde ist direkt betroffen. (Das passt auch, falls in Antifa-Gruppen JüdInnen aktiv sind.)
Daher: Wenn eine – im eigentlichen Wortsinn – unbedingte „Lehre“ ist, dass JüdInnen der Kampf gegen Antisemitismus nicht allein zu überlassen ist, dann darf auch mal weniger ausgebreitet werden, um den richtigen Feinden und falschen FreundInnen nicht unnötig zuzuspielen. (Klingt geheimnisvoll? Ist es aber nicht, denn es liegt eigentlich alles offen.)

Warum ich das schreibe? „Details“?
Ja und nein. Ja, ein Detail. Nein, weil ich glaube: im Kleinen (remember: Darstellung böse CDU) zeigt sich bei aller (von Euch deklariert) kritischen Position gegen über der Gedenkentwicklung (plattest affirmativ seid Ihr ja nun nicht!) ein ungenauer Blick aufs Ganze. „Ganze“, d.h., auf eine ganze Reihe von Akteuren ein ungenauer Blick.

Dazu ein Blick ins Positionspapier ( http://dresden1302.noblogs.org/post/2008/11/04/positionspapier) von „no pasarán“. Zu lesen ist zu den bürgerlichen Akteuren, zu deren Vielfalt und Position der äußerst dürre Satz:
„Was bei der Kritik an der bürgerlichen Demonstration‭ - und damit auch an der bürgerlichen Blockade - oftmals von linker Seite vergessen wird, ist die Tatsache, dass es sich bei dieser um keinen homogenen Zusammenschluss, sondern um eine Zweckgemeinschaft mit verschiedenen Motivationen handelt.“
Ich verweise hier erneut nur kurz darauf, dass unter „verschiedenen Motivationen“ Positionen laufen, die aus der „Erfahrung“ der Luftangriffe eine Begründung („Verantwortung“) für militärische Einsätze ableiten. Und immer wieder: „die Dresdner“ vs. „die Nazis“.
Dagegen euer herausgestelltes „Nie wieder Krieg! Nie wieder Faschismus“, eben Euer „Antimilitarismus“.
Ich denke, in Summe mit den bisherigen Anmerkungen in meinen Beiträgen der vergangenen Tage kann das nur heißen, dass eine genauere Lupe herausgeholt werden sollte.
Dies gemeint für den Blick auf den 13.2. und die Gedenkentwicklung usw.

Dazu könnte, nein müsste meiner Meinung nach insgesamt der Blickwinkel geweitet und die (typisch dresdnerische?) Fixierung auf den 13.2. überwunden werden. Dann würde auffallen jenseits der „Kontextualisierungs“-Phrasen auffallen:

a) Die Historikerkommission ist eben nahezu alleinig auf den 13.2.45 + direkt dazu bezogene Aspekte ausgerichtet. Das ist nicht wenig, daher verweist der („antideutsche“) „Vorbereitungskreis 13. Februar“ auch auf die Ergebnisse. Weniger positiv Phase2, klar. Und dabei ist doch ziemlich sicher, dass diejenigen, die derzeit über die Kommission ausschließlich (!) abziehen, früher oder später auf die Ergebnisse zurückgreifen. Nur fällt (nicht nur) Euch scheinbar schon gar nicht mehr auf, dass die Historikerkommission eben keine zu Dresden im Nationalsozialsozialismus insgesamt ist, sondern lediglich auf 13.2. Ohne kritische Einordnung bei „no pasarán“ aufgeführt unter „allerneuesten Entwicklungen“ (Positionspapier).
Üblicherweise hört man dann (nicht direkt von Dir bei diesem Punkt, aber Du redest immer vom „abwarten“): Könnte ja alles noch besser werden, die Entwicklung, die Zeit noch nicht reif usw.
Nur: „die Zeit“ ist nie reif. Eine kritische Position in der derzeitigen marginalen Position der radikalen Linken nimmt hier die Gedenkfloskeln ernst und wirft sie den Floskelnden immer und immer wieder um die Ohren. Das ist nicht die Revolution, aber das allermindeste.

Sieht es aus, als könnte es besser werden, was eine weiter gefasste Historikerkommission angeht?
Ich unterstelle, dass bei der zentralen Position von Matthias Neutzner dieser keine unwesentliche Rolle bei der Konstitution der Kommission gespielt hat. Was ist aus dieser Ecke zu erwarten, was eine „Kontextualisierung“ etwa der Stadtgeschichte im NS betrifft? Neutzner wurde bei Friedenssymposium im Februar 2008 gefragt, was denn die IG 13. Februar so weiterhin umtreiben wird. Antwort: Kleinste Spuren des Luftkrieges sollen gesichert werden, Fotoaufnahmen von Hinweisen, wo Luftschutzräume waren usw. usf. Eine zu vervollständige „Topographie“ des Luftkrieges soll angelegt werden. Also: Im wesentlichen auf sich selbst und sein Thema geworfen.

b) Ex-venceremos, Du sagst, auf dem Heidefriedhof langt Dir eine Rede. Ok, aber mich würde ja noch mindestens der Inhalt interessieren. Wie solche Reden zum 13.2. aussehen… Ok, das hatten wir schon.
Aber wir sind bei Blickwinkelweitung über den 13.2. hinaus. Bleiben wir nur mal beim Genre „Rede“. Lutz Vogel, Interims-Vorgänger der jetzigen Ober Bürgermeisterin Helmar Orosz, hielt solche üblichen Reden. „Kontext“, „Schuld“ usw.
Dagegen abseits vom 13.2. sein Grußwort zum Historikertag: Er heißt zunächst in der „Kunst- und Kulturhauptstadt“ willkommen, über Frauenkirche und Zwinger geht’s fix bis zur Porzellansammlung, „bezaubernde Stadtlandschaft“, „den Raddampfern“ und so. Und dann zur Geschichte: „Dresden ist aber auch ein Ort der Metamorphosen, erlebte Höhen und Abgründe“. (Soweit der „Kontext“.) Folgt U. Eco-Zitat.
Dann: „Am 13. Februar 1945 versank die berühmte Kunststadt in Schutt und Asche. Gleichwohl begannen die Dresdner – Herders „Deutsches Florenz“ vor Augen – noch im selben Jahr mit dem Wiederaufbau. Es gelang ihnen, trotz Pragmatismus der Nachkriegszeit und politisch motivierter Engstirnigkeit, Teile des alten Dresdens zu retten und so die Seele der Stadt zu wahren.“
Folgt dann der Segen des Wiederaufbaus der Frauenkirche. Dann „Doch die Dresdnerinnen und Dresdner können nicht nur voller Stolz auf ihre Geschichte blicken, sondern auch voller Optimismus in die Zukunft“. Folgt Wirtschaftswachstum, Infrastruktur, Bevölkerungswachstum usw.
Merke: Dresdner passiert etwas, sie müssen durch Hoch und Tief, aber in-die-Hände-gespuckt und Anpacken. Schlechtes passiert ihnen, gutes schaffen sie selbst. Homogen sind die natürlich auch. Das vor nem Historikerkongress (bei dem die Ergebnisse der Historikerkommission vorgestellt wurden), alle Achtung. Ich sach mal zurückhaltend: Bekenntnis und Substanz fallen schon im nicht allzu überbewertenden Genre „Rede“ schnell mal auseinander.
Ok, er war Bürgermeister, es ist sein Job, Gemeinschaft zu stiften, aber das Politikmodell muss man erstmal mögen und Dein Vertrauen in „Reden“, na ja.

c) Der 13.2. ist nur Teil eines größeren erinnerungspolitischen Raumes Dresden. Jenseits der Bekenntnis-Floskeln kann das heißen, dass ihm Ortsteil Unkersdorf/Gompitz ein „Denkmal für die Soldatengräber beider Weltkriege“ errichtet werden wird (16.12.08).
Keine wahrnehmbaren Sorgen nirgends dazu, auch nicht Antifa gleich welcher Ecke. Du kannst Dir ausmalen, was los wäre, wenn hier eingehakt werden würde.

Damit ist mit wenigen Beispielen aufgezeigt, in welchem breiteren Rahmen Du Dich bewegst. (Keine Sorge, auf
„Gleichzeitig muss den BürgerInnen klar gemacht werden, das‬s sie eben auch heute nicht in einer antifaschistischen Gesellschaft leben und die von ihnen immer wieder betriebene Augenwischerei,‭ das Wegsehen und Schönreden den rechten Ideologien Raum geben.“ (Positionspapier)
komm ich noch.)
Dir fällt angesichts all dessen aber scheinbar nichts Besseres ein, als den Blick auf den NS und die Gedenkentwicklung umzuwerfen.
Du ziehst mit Deinem politischen Zusammenhang aus dem immerhin benannten Umstand der „Augenwischerei“ usw. folgendes:
„Die Bevölkerung muss aufwachen und sich rühren, sonst macht sie sich schuldig,‭ wie damals 1933.“
Selbstsicher, wie Du Dich fühlst, ist für Dich die
„Kritik in sehepunkte (…) ziemlich dünn und haltlos. Wer den Unterschied zwischen Magdeburg und Dresden nicht verstanden hat, sollte sich nochmal grundlegend mit dem ganzen Komplex Bombenkrieg beschäftigen.“

Der von Dir abgewatschte Jörg Arnold hat zum Luftkriegsgedenken in Kassel und Magdeburg promoviert. Ich gestehe ihm eine „gewisse Ahnung“ zu. Ist er deswegen Gott? Unantastbar?
Sicher nicht. Nur wer 2008/2009 mit der Situation der späten Weimarer Republik („wie damals 1933“) zueinander in eine sehr enge Beziehung setzt, um derart die „Bevölkerung“ zu mobilisieren, sollte sich vielleicht mit solchen harschen Auswürfen gegenüber Jörg Arnold u.a. lieber etwas zurückhalten und die Zeit nutzen, mal wieder etwas für eigene Wissen über die Weimarer Republik tun.
Wer „wehret den Anfängen“ (das steht wohl dahinter, wer wöllte da meckern) ernst nehmen will, könnte mit der Auffrischung von Wissen zu „damals“ unter Umständen lernen, welch Annahmen die historische Linke leider aufsaß. Was wiederum fürs heute helfen könnte.
Denn: Die in Deiner Einschätzung liegende Annahme zur heutigen Situation mit den Nazis ist nicht zu verharmlosen, sondern schlichtweg gefährlich.

Du (u.a.) hast mich hier bereits mehrfach gefragt, was ich überhaupt will. Ganz einfach: Es gilt die politische Position von „no pasarán“ wahrzunehmen. Eure Anstrengungen sagen mir: das wollt Ihr doch.
Ihr habt zudem immer darauf verwiesen, dass nicht vorzugreifen sei – etwa zum Gedenken, wie es nun nächstes Jahr ablaufen wird, und die weitere Entwicklung im Vorfeld. Richtig, aber „no pasarán“ liegt halt ebenso im Blick.
Der Reihe nach: Das Positionspapier wurde veröffentlicht und machte skeptisch. In Dresden wurde Kritik laut Die Überarbeitungen des Positionspapiers hinterließen den Eindruck, dass nach der Kritik an Formulierungen gedrechselt wird, die Position aber vollkommen unberührt bleibt.
Die gemeinsame Veranstaltung mit dem „antideutschen“ Vorbereitungskreis (4.12.) bestätigte jegliche Sorgen. In der Debatte hier auf indy stellten sich Punkte dar, bei denen es nachzuhaken galt. Man kann ja mal was falsch verstehen. Die Antworten stellen aus meiner Perspektive alles bisher von „no pasarán“ wahrgenommene in den Schatten.

Du (u.a.) hast mehrfach nachgefragt, dass ich nix zum Gedenken sage, ob nun prinzipiell abzulehnen oder halt zu verbessern. Es war ja nun statt ner Nachfrage eher ein Vorwurf, der die Funktion der Ablenkung hatte.
Das ganze hat ne gewisse Penetranz entwickelt, die an die Stilisierung des „Tabubruchs“, man müsse doch „drüber“ reden dürfen, erinnert. Die Literatur, die ich dazu kenne, verweist darauf, dass diese Forderung immer genau zeitlich parallel dazu steht, dass „drüber“ geredet wird ohne Ende und zwar stets als entlastende Geschichte als pures Opfer, das bei gleichzeitiger Kritik oder erwarteter Kritik, selbst wenn sie gar nicht „drohte“. Nie kam es auf, wenn es einen möglichen Zeitpunkt des Nichtgedenkens/Nicherinnerns gegeben hat.
(Was Nichtgedenken/Nichterinnern bei [mindestens] fortwährender Bestätigung im Familienkontext heißt, muß erst einmal bestimmt werden. Nicht allgemein, sondern in der Erzählung „Deutsche als Opfer“ im Zusammenhang mit Luftkrieg.)
Dieses Bestehen auf Rede + Gedenkdürfen vermutet immer Kritik. Die gibt es tatsächlich von Außen (außerhalb der Stadt, Ausland) oder im Inneren (konkurrierende Erinnerungen bzw. kritikführende Querulanten [in Dresden etwa die „antideutsche“ Position]) oder wird halluziniert: was denkt wohl das „Ausland“? Die Sächsische Zeitung 2005 sprach vorm Jahrestag etwa von „ungeheure nationale und internationale Aufmerksamkeit“ von „gewisse Gefahren“. 2008/2009 ist nicht 2005? Schau doch mal die Wortmeldungen der Prominenten auf der Geh Denken-Seite durch:  http://www.geh-denken.de/joomla/statements.html. Kennst Du doch.

Das allein langt, um weiterhin auf das „Aufbegehren“ gegen angebliche Redeverbote nicht reagieren zu müssen.
Nun hat ra0105 nochmal weit, sehr weit ausgeholt:

„Ein Bruch der Geschichte wird gefordert. Abgesehen davon, dass ein Bruch mit der Geschichte gar nicht möglich ist, weil man schlechterdings der Weltbevölkerung keine Zwangsamnäsie verordnen kann und es wohl auch schwer fällt die Artefakte zu vernichten. Es wird ja auch kein vollständiger Bruch mit der deutschen Geschichte gefordert, sondern nur ein partieller. Das ist zumindest zu hoffen, dass, anders als im zitierten Satz formuliert, man wenigstens noch über Auschwitz reden darf, was ja, sollte mir nichts entgangen sein, ein Bestandteil der deutschen Geschichte ist.“

Ich muss ja nicht hinterm Berg halten: Da tut ehrlich gesagt copy-and-paste schon weh.

Ra0105 schon besser:

„Der neutrale Beobachter mag dann einfach auf die jeweiligen Homepages gehen und sich selbst ein Urteil bilden.“

Das ist wirklich dringend angeraten.
Mal abgesehen davon, dass der „neutrale Beobachter“ sich kein Urteil bilden soll, sondern dem von ra0105 folgen.

(@ra0105: the Spirit hat Dir ja nun den Gefallen getan, zum Gedenken ja/nein/wie – endlich, endlich! – rüberzuwechseln. Mach ruhig, warum nicht. Aber was war eigentlich aus der Hamburg/Köln/etc.-Geschichte geworden, also den Vermutungen zu Todeszahlen und dieser vorgeblichen Besonderheit Dresdens?)

Max

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