Griechenland kommt nicht zu Ruhe

Ludwig Börne 07.12.2008 15:33 Themen: Repression Soziale Kämpfe
Nachdem vor zwei Wochen ein Hungerstreik in griechischen Gefängnissen beendet worden war und die Gefangenen und die Solidaritätsbewegung einen Erfolg verbuchen konnten, da von der Regierung die Entlassung tausender Gefangener in Aussicht gestellt wurde, gibt es im Land seid gestern Abend große Unruhen.
Ein Land in Bewegung

Griechenland ist in Bewegung möchte man meinen, wenn man die ständigen Ereignisse in der öffentlichen und der alternativen Presse liest. 5000 Gefangene haben bis vor zwei Wochen zunächst mit der Verweigerung des Gefängnisessens und danach mit dem Hungerstreik gegen das Elend der Gefängnisse und die Gleichgültigkeit des Justizministeriums gekämpft. ( http://de.indymedia.org/2008/11/233851.shtml). Einige hatten dabei ihren eigenen Mund zugenäht. Unter anderem wurde gegen die Haftbedingungen protestiert, die medizinische Versorgung, welche kaum vorhanden ist und zudem sitzt fast ein Drittel der Gefangenen sogar nur in Untersuchungshaft, die in Griechenland bis zu 18 Monate dauern kann. Immer wieder gibt es Proteste gegen die Regierung, im Oktober fand der letzte Generalstreik statt. Ausländer kämpfen offensiv für ihre Rechte ( http://news.bbc.co.uk/2/hi/europe/7769071.stm) , zuletzt halfen ihnen beider Verteidigung auch Autonome, als im Agios Panteleimon Rechtsradikale wahllos Migranten angriffen. Mehrere hundert Autonome eilten daraufhin den bedrängten Ausländern zur Hilfe. ( http://tagesschau.sf.tv/nachrichten/archiv/2008/11/24/international/strassenschlacht_in_athen)


Ursprünge in der Zeit des Widerstandes gegen die Obristenjunta

Die griechische Autonomenbewegung sieht ihre Ursprünge in der Zeit es Widerstandes gegen die Obristenjunta (1967-1974). Der Stadtteil Exarchia im Zentrum Athens ist sehr linksgeprägt, ausgerechnet hier ist gestern ein 15-Jähriger durch die Schüsse eines Polizisten zu Tode gekommen. Kurz nach dem Vorfall gingen viele Menschen auf die Straße, bewarfen die Polizei mit Steinen sowie Brandsätzen und zündeten Müllcontainer und Autos an. Die zum Großteil maskierten Demonstranten protestierten gegen die nach ihrer Meinung willkürlichen Polizeieinsätze und die konservative Regierung von Ministerpräsident Kostas Karamanlis. Schnell wurden es immer mehr Menschen, in den späten Abendstunden wurde unter anderem ein ganzes dreistöckiges Einkaufszentrum in Monastiraki total verwüstet. Die Bilanz der ersten Nacht in Athen lautet mindestens 60 zerstörte Geschäfte, 16 Banken und mindestens 40 Autos. Zeugen sagten, das die Zerstörung nicht wahllos gewesen sei. Während Bekleidungsgeschäfte und Banken zerstört wurden, wurde die große Anzahl der kleinen Imbissgeschäfte und Kneipen alle intakt gelassen.


Verschiedene Versionen um den Tod des Jugendlichen

Doch woher kommt dieser große Hass auf die Staatsgewalt. Im Vorfall um den getöteten Jugendlichen, welcher laut den Medien der Sohn eines bekannten Athener Schmuckhändlers gewesen sein soll gibt es unterschiedliche Versionen, welche durch verschiedene Presseorgane verbreitet wurden und deren Verschiedenheit anders nicht sein könnte. Nach Polizeiangaben hatte der getötete Jugendliche mit etwa dreißig anderen Autonomen in Exarchia einen Polizeiwagen mit Steinen beworfen. Ein Polizist sei aus dem Auto ausgestiegen, um die Jugendlichen aufzuhalten, und habe den 15-Jährigen mit drei Kugeln tödlich in der Brust getroffen. Der 37 Jahre alter Polizist, der den tödlichen Schuss abgegeben haben soll, bekräftigte, er habe lediglich drei Warnschüsse abgefeuert. Einer davon habe den Jugendlichen als Querschläger getroffen. Zuvor habe eine Gruppe Autonomer seinen Streifenwagen, in dem er zusammen mit einem Kollegen gesessen habe, mit Steinen und anderen Wurfgeschossen angegriffen. Die beiden Beamten hätten versucht, die Randalierer festzunehmen, hieß es. Nach Darstellung von Augenzeugen soll es jedoch nur zu einer verbalen Auseinandersetzung zwischen den Autonomen und der Besatzung des Polizeiwagens gekommen sein. Anschließend habe der Polizist direkt in die Richtung des Jungen geschossen. „Es war kaltblütiger Mord“, meinte ein Augenzeuge gestern Abend im Radio. Andere Zeugenaussagen gibt es auch, die sagten, einer der Polizisten hätte eine Blendgranate gezündet, der andere Polizist daraufhin die tödlichen Schüsse abgegeben.


Innenminister bietet Rücktritt an

Auch die Politik beschäftigte der Vorfall noch gestern Nacht, der Innenminister Prokopis Pavlopoulos drückte sein tiefes Bedauern über den Tod des Jugendlichen aus und machte umgehend ein Rücktrittsangebot. Dies lehnte der Regierungschef Karamanlis ab, sprach aber ebenso der Familie des getöteten sein Beileid aus. Pavlopoulos beauftragte umgehend drei Staatsanwälte mit der Untersuchung der tödlichen Schüsse. Die linke Oppositionspartei Pasok verurteilte den Tod des Jungen und sah die Schuldigen bei den Verantwortlichen in Politik und Polizei. In einer Mitteilung versprach der Innenminister, die Verantwortlichen für den Tod des Jugendlichen zur Rechenschaft zu ziehen. Griechischen Medienberichten zufolge wurden die beiden an dem Vorfall beteiligten Polizisten zunächst festgenommen und dann zusammen mit dem Chef der Wache in Exarchia vom Dienst suspendiert. Prokopis Pavlopoulos wies jedoch vorschnelle Schuldzuweisungen zurück und erklärte: „Wir warten auf die gerichtsmedizinischen Ergebnisse.“ Die Verantwortlichen würden zur Rechenschaft gezogen hieß es.


Unruhen weiten sich auf das ganze Land aus

Während die Justiz ermittelt, gibt es weiteren Proteste auf der Straße, Medien sprechen schon nicht mehr nur von Jugendkrawallen. Auch im nordgriechischen Thessaloniki wurden fünf Banken beschädigt, ein Polizeirevier angegriffen und eine Straße blockiert. 2000 Demonstranten versammelten sich in der Innenstadt von Thessaloniki und zogen zum Sitz des Regionalministeriums. In Patras wurde ein Polizeirevier mit Brandsätzen angegriffen, es gab Ausschreitungen. In Komotini und Ioannina, ebenso wie auf der Mittelmeerinsel Kreta kam es zu Krawallen. In Heraklion entstand an drei Bankfilialen Schaden durch Brandsätze. Polizisten versuchten die Lage unter Kontrolle zu bringen, Tränengas wurde eingesetzt. Es sei die schlimmste Bürgerunruhe in Griechenland seit 25 Jahren schreibt die Presse. In Athen wurde in der Nacht ein Gebäude der polytechnischen Hochschule besetzt, die Fassadenfenster des Rathauses zerstört und auch andere Universitätsgebäude der Hauptstadt wurden okkupiert. Etwa 2000 Menschen gingen in die Polytechnische Fachhochschule, wo der Kampf gegen die Diktatur in den 60er angefangen hatte. Eine entscheidende Schwächung erfuhr dort damals die Junta am 17. November 1973 durch den Aufstand der Studenten, der unter Einsatz von Panzern brutal zusammengeschossen wurde und das Regime innerlich und äußerlich diskreditierte. Die Sicherheitskräfte sperrten das Stadtzentrum von Athen ab und gingen gegen die Protestierenden vor. Autonome und andere Gruppen haben für Sonntagnachmittag weitere Proteste angekündigt, mehrere Aktionen sollen im Laufe der nächsten Tage im Ausland vor den griechischen Botschaften stattfinden.
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Ergänzungen

Solispontandemo Berlin

Ich 07.12.2008 - 15:43

no justice - no peace

@ 07.12.2008 - 15:55
New rules of engagement for capitalist police. You throw a bottle, they shoot to kill. Resist now, or we are next.

Around 10 o'clock tonight (7/12) a police car was making its regular runs around Eksarchia Square in the center of Athens. The area of Eksarchia has always been a focal point for radical leftists and has a tradition of militant political activity. Police presence in the area is always vigilant and the cops who patrol the streets of Eksarchia are always trigger-happy and act like they are in occupied territory.

Some comrades saw the police car and decided to openly declare their opposition to its provocative presence in the square. They threw some stones and a few bottles of water against the pigs and told them to leave. The cops who were riding in the squad-car, are part of a new elite police unit, the “blue-suits”, which has been created for the specific purpose of taking repressive measures against militant demonstrators. They are specially-trained and politically indoctrinated.

Two of them got out of the car. They threw flashbang grenades against those present in the square and one of them pulled his gun and shot in cold blood the 15-year old in the stomach. Apparently, their orders are to respond with full force against anything they might interpret as “provocation”. The youngster died 15 minutes after he was transferred to the hospital. His name was Grigoropoulos Andreas and he is the latest victim in a long list of state-murders.

Comrades are assembling everywhere in Greece to avenge the murder of Andreas and make the bastards pay. Athens will see no peace until his death is vindicated.

Solidemo Frankfurt am Main

Frei 07.12.2008 - 17:21
Solidemo am 09.12.2008 auf der bockenheimer warte um gegen den polizei mord gegen den 15 jährigen im zentrum von Athen zu protestieren.
16.30 Bockenheimer Warte!!!

Köln: Montag, 16 Uhr, Bahnhofsvorplatz

tommi 07.12.2008 - 17:31
Wann? Montag, 8. Dezember, 16:00 Uhr
Wo? Bahnhofsvorplatz, Köln

Am Samstagabend wurde in Athen ein 15jähriger Anarchist bei einer Auseinandersetzung mit der Staatsmacht von einem Polizisten erschossen. Seitdem gibt es in ganz Griechenland heftige Proteste, sodass der Innenminister schon seinen Rücktritt angeboten hat, der aber vom Regierungschef abgelehnt wurde. Mehrere Universitäten sind besetzt und auf den Straßen mehrerer Städte gibt es Demos und direkte Aktionen. Näheres ist über die Medien zu erfahren, auch bei de.indymedia.org.

Wir wollen von Köln aus die Proteste in Griechenland unterstützen und unsere Solidarität mit dem getöteten Genossen ausdrücken, der im Kampf gegen die tägliche staatliche Gewaltherrschaft starb.

Treffpunkt hier in Köln ist am Montag, 8.12., ab 16 Uhr die Kundgebung des "Bündnisses für eine Gesellschaft ohne Knäste" auf dem Bahnhofsvorplatz (Hbf.), die wegen der hungerstreikenden Gefangenen in den griechischen und italienischen Knästen sowieso stattfindet. Die Demo geht dann !pünktlich! um 17.30 Uhr von dort los.

Bisher zur Demo aufrufende Gruppen:
- SSK-Salierring
- SSK-Ehrenfeld
- Bündnis für eine Gesellschaft ohne Knäste
- Autonomes Knastprojekt
- Antifa-AK

Wut

@ 07.12.2008 - 19:23

Fotoeindrücke

antifa 07.12.2008 - 19:26
Hier ein paar Fotos, die ich auf BBC gefunden habe. Sie zeigen die heftigen Reaktionen, die dieser staatliche Mord in Griechenland ausgelöst hat.

Unruhen gehen weiter, Brände, Plünderungen

f44 07.12.2008 - 19:59
BBC: Unruhen am Sonntag erneut aufgeflammt, POlizei machtlos, Athen, Saloniki, schwere Brände, Angriffe auf Polizeistationen, Minister entschuldigt sich bei Eltern des Toten, Polizisten verhaftet

das Land bereite sich auf das schlimmste vor, Hauptbericht mit video:  http://news.bbc.co.uk/1/hi/world/europe/7770086.stm

videos
 http://news.bbc.co.uk/1/hi/world/europe/7770243.stm
 http://news.bbc.co.uk/1/hi/video_and_audio/default.stm
 http://news.bbc.co.uk/1/hi/world/europe/7770277.stm

letzte Agenturmeldungen:

(Reuters) - Thousands of protesters rampaged through Athens and the northern Greek city of Thessaloniki on Sunday, burning dozens of shops and vehicles in a second day of rioting
 http://www.washingtonpost.com/wp-dyn/content/article/2008/12/07/AR2008120700687.html

Calls were posted on Web sites for more people to join the protests in the two main cities as well as the city of Iraklio on the island of Crete
 http://www.cbsnews.com/stories/2008/12/06/world/main4652385.shtml
 http://www.telegraph.co.uk/news/worldnews/europe/greece/3659485/Riots-break-out-in-Greece-after-police-shoot-teenage-boy.html

am Mittwoch Streik und allgemeiner Aufstand

we 07.12.2008 - 20:16
Griechenland: Unruhen werden bis Mittwoch weitergehen, dann allgemeiner Aufstand am Mittwoch erwartet, da am Mittwoch ein seit Tagen angekündigter landesweiter Streik stattfindet. Unruhen auch Ergebnis der Wirtschaftskrise, weite Unzufriedenheit mit sozialer Situation,
 http://garizo.blogspot.com/2008/12/blog-post_07.html
 http://athens.indymedia.org/front.php3?lang=en&article_id=933804

Photos:  http://athens.indymedia.org/front.php3?lang=en&article_id=933804
Photos:  http://athens.indymedia.org/front.php3?lang=el&article_id=933717
Video:  http://athens.indymedia.org/front.php3?lang=en&article_id=933

VV in Flora

nn 07.12.2008 - 21:03
Am Montag findet um 19 Uhr eine VV (ggf Demo) in der Roten Flora statt. Kommt alle und bringt Transparente etc mit!

No Nation No Border -Fight Law and Order!

soli mit griechenland

kameramann arschloch 07.12.2008 - 21:23
200 menschen auf der soli demo in hamburg

Solispontandemo Dortmund

ich 07.12.2008 - 22:19
Am Dienstag, dem 9. Dezember gibt es in Dortmund eine Spontandemo!
Treffpunkt: 18 Uhr,vorm U-Bahnhof Kampstraße

Solidemo in Bremen

Name 07.12.2008 - 23:57
Sponti am Montag, 8. Dezember, um 18.00 Uhr am Ziegenmarkt.

video: widerliches verhalten der polizei

xy 08.12.2008 - 00:17
dieses video zeigt die auswirkungen der "null-toleranz"-linie der polizei und offenbart die ganze widerwärtigkeit der polizeimoral.

 http://garizo.blogspot.com/2008/12/blog-post_08.html

tränengas

awm 08.12.2008 - 06:55
wollt noch mal schnell hinzufügen, dass die polizei in athen anscheinend kein tränengas mehr zur verfügung hat
kam vorhin in der ard in den nachrichten
in magdeburg wird es demnächst auch aktionen geben, nicht nur wegen griechenland, da dies nur die spitze des eisberges darstellt

Beiträge die keine inhaltliche Ergänzung darstellen

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solidemo??? — citoyen

riot — riot

@ A 07 — Warum Kiel?

na dann — zynischer gedanke

@ na dann — 0

Dortmund fake? — egal

genug ist genug — diezelle

Solidemo Bremen — gerade gefunden