Der "Hakenkreuzfall" von Mittweida

Asasello 17.11.2008 16:00 Themen: Antifa
Im Indizienprozess um den sogenannten Hakenkreuz-Fall von Mittweida ist die angeklagte 18-Jährige vom Amtsgericht Hainichen in Sachsen schuldig gesprochen worden. Nach Überzeugung des Gerichts ritzte sich die junge Frau selbst ein Hakenkreuz in die Hüfte und behauptete anschließend, von Neonazis überfallen worden zu sein. Wegen Vortäuschens einer Straftat verurteilte sie das Gericht zu 40 Arbeitsstunden. Das Urteil habe die Auffassung der Anklagebehörde bestätigt, sagte Oberstaatsanwalt Bernd Vogel sagte gegenüber der Nachrichtenagentur AP. Doch so klar, wie die Ankläger behaupten, ist dieser Fall dann doch nicht. Eine Rekonstruktion:
3. November 2007. Vier Neonazis sollen vor einem Supermark der sächsischen Kleinstadt Mittweida ein sechsjähriges Mädchen aus einer Spätaussiedlerfamilie herumgeschubst haben. Der damals 17jährigen Jugendliche, die dem Kind helfen wollte, sei daraufhin ein Hakenkreuz in die Hüfte geritzt worden. Obwohl sich direkt gegenüber ein fünfgeschossiger Platten befindet, gab es keine Zeugen. Der Staatsschutz übernahm die Untersuchungen. Medien und Öffentlichkeit reagierten empört. Vom »Nazirattenloch«, das man »wegbomben müsse« und von »rechtsradikalen Ossis«, denen man die Fördergelder streichen solle, konnte man im Gästebuch der 16000-Einwohner-Stadt lesen.
Tatsächlich gilt Mittweida als Hochburg der Neonazis in Sachsen. Allein 2007 gab es nach Angaben von »Amal«, einer Hilfsorganisation für Betroffene rechter Gewalt, 66 neofaschistische Straftaten im Landkreis. Eine zentrale Rolle spielt die verbotene Kameradschaft »Sturm 34«. Laut Verfassungsschutz möchte die bis zu 50 Mitglieder zählende Truppe, die sich nach einer SA-Brigade benannte, in Mittweida eine »national befreite Zone« schaffen.
Bürgermeister Matthias Damm (CDU) hält die Schilderung der jungen Frau seinerzeit für nachvollziehbar, nachdem er Mädchen am 27. November besucht hatte. „Im Gespräch machte das Mädchen einen sehr aufgeweckten und vor allem glaubhaften Eindruck, auf Widersprüche angesprochen, antwortet sie spontan und überzeugend“, so Damm damals zur Tageszeitung „junge Welt“.
Am 18. Dezember äußerte der Chemnitzer Oberstaatsanwalt Bernd Vogel plötzlich Zweifel an der Schilderung des Mädchens. Zwei neue Gutachten hätten ergeben, dass eine Selbstverletzung »zumindest nicht ausgeschlossen« werden könne, teilte Vogel in einer Presseerklärung mit. Dass ein anderes Gutachten zuvor vom Gegenteil ausging, kommentierte Vogel gegenüber dem Magazin Focus mit den voreiligen Äußerungen einer »etwas übermotivierten Polizistin«. Zudem, so der Staatsanwalt, habe das angeblich bedrängte Kind nur aufgrund von Suggestivfragen den Übergriff bezeugt. Einige Ungereimtheiten bleiben. Merkwürdig mutet unter anderem an, dass Staatsanwalt Vogel moralische Erwägungen statt eines konkreten Verdachts zum Ausgangspunkt seiner Untersuchungen macht. Gegenüber der in Misskredit geratenen Mittweidaer Bevölkerung sei es ein »Gebot der Fairness«, auch gegen das Mädchen zu ermitteln, zitierte ihn die Nachrichtenagentur ddp.
Der Rechtsbeistand der jungen Frau äußert scharfe Kritik an der Arbeit von Polizei und Staatsanwaltschaft. So hätten die Beamten nur 20 bis 30 Prozent der Mieter des gegenüberliegenden Wohnblocks angetroffen und auf einen zweiten Befragungsversuch, sagte Anwalt Axel Schweppe am 15. Januar der „jungen Welt“. Auch die Behauptung, das kleine Mädchen habe den Hergang nur aufgrund beeinflussender Fragengestellt, bezweifelte er. Das Kind habe bei beiden Anhörungen erzählt, dass sie von vier glatzköpfigen Männern bedrängt wurde, zudem sei bei der zweiten Vernehmung eine eigens vom Landeskriminalamt angeforderte Psychologin anwesend gewesen. Fragwürdig sei auch die Behauptung der Mutter des Kindes, ihre Tochter wäre zur Tatzeit gar nicht in Mittweida gewesen. „Weder wurde die Mutter als Zeugin befragt und damit über ihre Rechte und Pflichten aufgeklärt worden, noch habe man den Wahrheitsgehalt ihrer Aussage überprüft“, kritisierte Schweppe in der „jungen Welt“. Am vergangenen Freitag wurde die 18-jährige Frau aus Mittweida nun verurteilt. Die Verteidigung kündigte Widerspruch gegen das Urteil an. Die Indizienkette sei nicht vollständig, so Schweppe. «Es gibt kein Motiv in der Psyche, in der Persönlichkeit meiner Mandantin, es passe nicht zu ihr, dass sie auf sich habe aufmerksam machen wollen“, zitiert ihn die Nachrichtenagentur AP.
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Ergänzungen

“Hakenkreuz-Fall” von Mittweida

antifa.sozialbetrug.de 18.11.2008 - 12:54
Vom 19.12.07
Zitat:
Die Aussagen eines kleinen Mädchens aus einer Aussiedlerfamilie, das den Tathergang weitgehend bestätigte, hatten sich als falsch erwiesen. Nach Angaben des Chemnitzer Oberstaatsanwalts Bernd Vogel war sie zum Zeitpunkt der Tat nicht in Mittweida.
 http://www.sz-online.de/nachrichten/artikel.asp?id=1695015

Also kein drangsaliertes Mädchen, keine Skinheads, kein eingeritztes Hakenkreuz?

Die Geschichte vom eingeritzten Hakenkreuz ist tatsächlich eine Geschichte von Fehlschlägen. Zunächst weil die Ermittler - Polizisten und Staatsanwälte - der jungen Frau glaubten und erste rechtsmedizinische Erkenntnisse auf eine Fremdeinwirkung hinwiesen. Also verbreitete sich die Geschichte im vergangenen November: "Mehr als 100 Medien auf der ganzen Welt haben damals über den Vorfall berichtet", sagt Mittweidas Bürgermeister Matthias Damm SPIEGEL ONLINE. Vor allem, wegen der angeblichen feigen Zeugen. Die Landespressekonferenz Sachsen zeichnete Anfang des Jahres die Ermittlungsbehörden für ihre Patzer mit dem Negativpreis "Tonstörung 2007" aus.
 http://www.spiegel.de/politik/deutschland/0,1518,553210,00.html

Im Landkreis Mittweida hatte es im Jahr 2007 nach Angaben der beiden Beratungsprojekte für Betroffene rechtsextremer Gewalt in Sachsen (RAA Sachsen e.V. und AMAL - Hilfe für Betroffene rechter Gewalt e.V.) mehr als 50 rechte Angriffe gegeben.

 http://npd-blog.info/?p=2431

 http://antifasozialbetrug.siteboard.de/antifasozialbetrug-about49.html

Beiträge die keine inhaltliche Ergänzung darstellen

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gähn — ...

Schrott Aktion — GUERILLA - ZONA ANTIFASCISTA

@ Zoni — xxx

Haftbefehle nach Neonazi-Überfall — http://www.rp-online.de

interessant — xxx

naja... — tscha

Warum? — Rosbo