Superhelden - Prozess

Tom 09.10.2008 16:17 Themen: Medien Repression Soziale Kämpfe
Am 08. Oktober 2008 fand im Hamburger Landgericht eine Verhandlung in zweiter Instanz darüber statt, ob eine Beklagte bei der Aneignungsaktion der Superhelden im Frische Paradies am Hamburger Fischmarkt beteiligt war.
Am Morgen um ca. 8:30 versammelten sich vor dem Gebäude des Landgericht nach und nach immer mehr Menschen, die im Zuschauerbereich des Superhelden - Prozess teilnehmen wollen.

Ende April 2006 gingen ca. 30 prekäre Superhelden in bunten Kostümen in das Feinkostgeschäft Frische - Paradies und entwendeten Delikatessen. Als Spidermum und Co füllten sie Einkaufskörbe mit Hirschkeule, Champagner, Luxusschokolade und weitere Lekkerein, die von der Preisklasse eher nur für Reiche auf dem Speiseplan stehen. Als Dankeschön hinterließen sie der Kassiererin einen Blumenstrauß mit Bekennerschreiben. Nach ca. 3 Minuten Aktion waren die Superhelden wieder verschwunden. Im Anschluss betrieb die Polizei unter anderem mit dem Suchhubschrauber Libelle viel Aufwand, die Superhelden zu fassen. Doch wie war es noch, die Superhelden sind alle unerkannt entkommen und verteilten ihre Beute diskret an prekär Beschäftigte, Ein-Euro-JobberInnen und weitere, die viel mit ihren Existenzgrundlagen zu kämpfen haben. Diese Umverteilungsaktion wird wahrscheinich als lustigster Coup in der deutschen Kriminalgeschichte eingehen.

Kurz vor Beginn der Verhandlung lange Schlange vor der Sicherheitsschleuse des Landgericht. Alle mussten Ihr Handy und Kameras abgeben, sich auf metallische Gegenstände überprüfen lassen und dann kahm heraus, das die Verhandlung kurzfristig in einem anderen Saal verlegt wurde. Der Gerichtsaal, die Zuschauerloge vom Verhandlungsraum mit Sicherheitsglas getrennt und mit elektrischer Akustik ausgestattet, füllte sich. Auf den harten alten und knarrenden Holzbänken nahmen ca. 40 ZuhörerInnen Platz. Zwei Polizisten und ein Kamerateam verweilten weiter draußen.

Um 9:00 ging es dann auch los. Der Richter mit zwei Schöffen eröffnete die Verhandlung. Vor diesem Prozess ging eine Verhandlung vor dem Amtsgericht wegen des Verdacht des Diebstahl voraus, bei der die Beklagte zu 700 Euro Geldstrafe verurteilt wurde. Nun in Berufung, ging der Richter den Stand der Dinge durch und begann mit der Verlesung der Tatvorwürfe. Darin heißt es, das die Angeklagte anhand ihres Pferdeschwanz und Daten ihres beschlagnahmten Labtob an der Umverteilungsaktion der Superhelden beteiligt gewesen sein könnte. Der Wert der Beute konnte nur geschätzt werden, da man sich nur auf die Fotos aus den Medien stützte und auf ca. auf 800 Euro kam.

Die Rechtsanwältin der Beklagten erklärt dazu, es handelte sich schon beim Amtsgericht um einen Gesinnungsprozess und das Urteil beruht nur auf reine Indizien. Ihr kann keine Mittäterschaft angelastet werden, da polizeiliche Ermittlungsergebnisse aus Veröffentlichungen in Presse und Internet sowie Ergebisse aus Krimalistischen Gutachten des BKA nicht ausreichen. Zudem wurden Hausdurchsuchungen vorgenommen, die sich später als rechtswidrig heraus stellten.

Nun ging der Richter zu Verlesung, was die Ermittlungen der Polizei und dem Staatsschutz ans Licht bringen. Fotos und Texte, die unter Interessierten von den Medien her bekannt sind. Für die ZuhörerInnen zum Schmunzeln und teilweise gähned langweilich zugleich. Geflüster und Lachen boten im Zuhörerbereich Abwechslung und manche gingen auch mal eine kleine Pause machen.

Zeitgleich fand vor dem Gerichtsgebäude eine Aktion statt, wo sich Sympatisannten der Superhelden Augenmasken aufsetzten und mit ihren Schildern in Form von Comic - Sprechblasen Solidarität bekundeten. Ein Polizist wurde aufmerksan, holte Verstärkung und sie zielten darauf los, das dies eine unerlaubte Kundgebung sei. Auf den Sprechblasen war Prekarisierung zu lesen. Unterschiede der Sprechblasen waren nur durch Ausrufezeichen, Fragezeichen und Rautezeichen zu erkennen. So, wie sich das für einen Polizeibeamten Herr Ganz Genau gehört, fotografierte er jede einzelne Sprechblase. Rückseiten der Sprechblasen wollte er auch ablichten, doch sein Kollege lenkte ein und die Sympatisannten bewegten sich zurück zum Gerichtssaal.

Dort wurde weiter verlesen, was so alles beschlagnahmt wurde und welche Erkenntnisse daraus kamen. Darunter einen Labtob der Angeklagten. Der Richter hatte es nicht leicht, ständig Verzeichnissketten zu wiederholen, unter der Dateien gespeichert waren, die Inhaltlich zum Thema Superhelden passten. Verständlich, das auch mal Versprecher bei den Verlesungen vorkamen. Viele Indizien, die nur bewiesen, das Euromayday, Hamburg Umsonst und Blauer Montag die Superhelden anerkennen. 15 cm Aktenstapel lagen dem Richter zur Hand, die zur Klärung des Falles dienen. Ungeklärt, ob es Verbindungen der Beklagten zu den Superhelden gibt, was die Verteidigung auch kritisierte.

Um 10:15 ging es weiter zur Beweisaufnahme. Die erste Zeugin, eine Kassiererin aus dem Frische - Paradies, die auch ein Pferdeschwanz trug. Der Richter befragte sie, wie sie den Vorfall erlebte. Ihr fiel es erst auf, wie die Superhelden mit gefüllten Einkaufskörben zum Kassenbereich kamen. Sie bekam es mit der Angst zu tun, als sie die bunt kostümierten Gäste sah. Als sie den blau - orangen Blumenstrauß mit Bekennerschreiben bekahm raffe sie nichts mehr, worum es ihr geschah. Der Zeugin wurden viele Fotos und ein Bekennerschreiben gezeigt. Sie konnte keinen im Gericht wiedererkennen und das Bekennerschreiben war auch anders und viel kürzer.

Anschließend fragte die Verteidigerin den Richter, ob die Zeugin nicht auch im Täterkreis passen könnte weil sie auch einen Pferdeschwanz trägt. Darauf mussten sich die Zeugin und Beklagte nebeneinander aufstellen und es wurde deren Pferdeschwänze verglichen. Diese Einlage löste positive Stimmung bei den Zuschauern aus. Alle lachten und klatschten Beifall.

Dann kam die 2. Zeugin zu Wort. Sie kam gerade aus dem Lager des Geschäft und bemerkte, das ca. 15 Leute gerade dabei waren, mit ihren Einkaufskörben den Laden zu verlassen. Sie konnte sich an den Blumenstrauß erinnern und empfand das damalige Bekennerschreiben als Drohung und sah den Superhelden zu, wie sie in schnellen Schritten verschwanden.

Um ca. 11:00 wurde der 3. Zeuge reingeholt. Im nachblauen Anzug akkorat bekleideter Ermittler vom Staatsschutz. An ihm glitzerte eine kleine goldene Auszeichnung in Form von zwei Handschellen. Wie Walther Wichtig hat er sich auf seine Zeugenvernehmung perfekt vorbereitet. Er erzählte auch über Erkenntnisse aus dem Internet und der Presse. Die Abt.72 des LKA konnte anhand eines Fotos erkennen, wo es gemacht wurde und darauf folgte eine Razzia in der Kinderstube Altona. Dabei wurde eine Tüte Lekkereien aus dem Frische - Paradies gefunden und ca. 15 Leute beim Fotoshooting angetroffen.

Als der Zeuge dannach gefragt wurde, was denn in der Tüte war, leistete er ganze Arbeit. Er ist heute morgen noch Mal in die Aservatenkammer gegangen und hat sich alles über die sichergestellten Lekkerein auf einen Zettel geschrieben. Er las seine Notizen vor und der Richter fragte mit einem Lachen, ob alles noch in der Aservatenkammer liegt, wegen der Haltbarkeit. Der Zeuge, staubtrocken und kein Sinn für Humor sagte ja. Gelache kam dabei im Zuhörerbereich auf. Dann fragte die Verteidigung, ob sich der Staatsschutz mit Diebstahl beschäftigt. Darauf die Antwort des Staatsschutzagenten Nein eigendlich nicht. Aber bei dem damit verbundennen gesellschaftlichen und politischen Hintergrund waren wir dann schon veranlasst zu ermitteln. Darauf wurde Herr Wichtig als Zeuge entlassen und hinterlies Eindruck, was Staatsschutz angeht.

Um 11:11 verlas der Richter weiter aus den Polizeiberichten und Kriminalistischen Gutachen. Dabei wurde deutlich, das sich die Ermittlungsbehörden mit enormen technichem Aufwand regelrecht den Anus aufgerissen haben, Spuren und andere sichergestellte Materialien zu analysieren und zu bewerten. Arbeitsfrust dürfte bei den Kriminaltechnikern aufgekommen sein weil ihre Bemühungen zu keinem positiven Ergebnis führten. Zeitaufwändig wurden Biometrische, Mikroskopische und Computertechniche Untersuchungen durchgeführt. Interessant für Leute, die auf Autopsi oder ähnliches abfahren, jedoch immer mit dem Ergebnis, das der Beschuldigten die Beteiligung nicht nachgewiesen werden konnte. Auf Grund der schlechten Bildqualität in Veröffentlichungen war die Identifizierung Mittels Biometrischen Abgleich nicht möglich. Eine weitere Einführungsverwertung von möglichen Beweisen wurde auf Antrag der Verteidigung auf Gund der Unrechtsmäßigkeit einer Hausdurchsuchung nicht zugelassen.

Um 11:40 läutete der Richter bis 14:10 die Mittagspause ein. Der Gerichtssaal leert sich, viel Disskussionen im Flur des Gebäude. Unter der Menge taucht die Vermutung auf, das die Verhandlung mit einem Tag nicht ausreichen könnte. Mit Hoffnungen, das dies nicht passiert, verließen sie das Gebäude.

Um 14:00 wieder lange Schlange vor der Sicherheitsschleuse und die Fortsetzung des Verfahren begann um 14:15 mit der Stellungnahme der Verteidigerin zum Thema Prekarität. Das Abgehängte Prekariat, bestehend aus Erfahrungen des Abstiegs. Fachleute und Politiker meinen, das Prekariat Menschen sind, die prekärer Beschäftigung nachgehen und das Prekariat weiter wächst. Dies teilt sich in mehreren Zonen. Praktikannten, LeiharbeiterInnen und Ein-Euro-JobberInnen. Im Jahre 2006 waren bereits rund 22 % der Beschäftigten dem Prekariat zuzuordnen. Pekariat bedeutet für Betroffene Ausbeutung ihrer Arbeitskraft. Anbei beantragte die Verteidigung, eine weitere schriftliche Zeugenaussage aufzunehmen. Darauf zieht sich der Richter und die Schöffen zur Beratung zurück. Aus der schriftlichen Zeugenaussage geht hervor, das die Beklagte nicht an der Erstellung eines bestimmten Dokumennt beteiligt war. Der Richter lehnt die Aufnahme der Zeugenausage ab, da dies wahreitsgemäß aus bereits vorhandenen Verhandlungserkenntissen bestätigt wird und von daher nicht notwendig ist. Weiter wurden wieder Akteninhalte verlesen. Labtop hier, Verzeichnisbäume da und Dateninhalte dort.

Nun zum Plädolie.. Die Rechtsanwältin der Beklagten kann den Vorwurf auf politisch motivierten Diebstahl nicht nachvollziehen. Der Euromayday macht auf sozialer Ungerechtigkeiten aufmerksam. Sie findet die Aktion der Superhelden witzig, hat jedoch keine Verbindung zur meiner Mandantin. Verfahren und Ermittlungen verliefen wie am Schüttelbaum. Mal sehen, was runter fällt. Viele Durchsuchungen und Bilder, auf der die Beklagte selbst durch Biometrische Untersuchungen nicht identifiziert werden kann. Alle Untersuchungen brachten kein positives Ergebnis und die Erkenntnisse aus dem beschlagnamten Labtob sind absurd, die Beklagte der Mittäterschaft zu verurteilen. Unter Gesinnungsgenossen werden Dokumennte kopiert und auch einschlägige Veröffentlichungen beweisen nicht eine Verbindung zu den Superhelden. Die Verteidigung beantragt Freispruch.

Als der Staatsanwalt zu Wort kam und davon sprach, das er auch keine Beweise darin finden kann, das die Beklagte in Verbindung mit den Superhelden stehen könnte, kam in der Zuschauerloge Erleichterung auf. Der Staatsanwalt hebt alle Anklagepunkte auf, da die Beweise eine Mittäterschaft nicht bestätigen. Anhand von Wahrscheinlichkeiten zu verurteilen, würde zu weit gehen.

Das Gericht zieht sich zur Urteilsberatung zurück. Unter den Wartenden macht sich Vorfreude auf. Eine Flasche Champagne ist schon auf dem Weg zum Gericht bestellt und um 15:15 das erlösende Urteil.

Freispruch und Kosten aller Auslagen fallen der Staatskasse zur Last. Lautes Beifallklatschen im Zuhörerbereich und nachdem der Richter die Verhandlung beendete verließen die ZuhörerInnen mit Augenmaske den Saal. Ein Polizist stöhnte, geht das Theater jetzt wieder los und die nun feigesprochene wurde von ihren Gesinnungsgenossen beglückwünscht. Draußen, vor dem Gerichtsgebäude traf dann auch die Flasche Champagne ein. Die Freigesprochene füllte die Sektgläser. Die Schöffin, die in der Verhandlung manchmal grinsen musste fragte, ob die Flasche gekauft oder angeeignet wurde. Fröhliche Gesichter stoßen auf den Erfolg an. Kurze Zeit später verließen sie das Gelände.

Auf welcher Art nun die Flasche Champagne de Luxe beschafft wurde, ist unbekannt und ob dies wieder enormen Ermittlungsaufwand nach dem Schüttelbaumprinzip mit sich zieht ? Wer weiß.. Genauso wenig bekannt ist, was mit den Superhelden los ist. Eins ist klar. Sie sind da, in vielen Herzen des Abgehängten Prekariat. Das Abgehängte Prekariat ist vermutlich bereits auf 25 % der in diesem Land Beschäftigten angewachsen. Und ob oder wann Spider-Mum, Multiflex und Co wieder in Erscheinung treten, weiß keiner. Hoffnungen leben, das die Superhelden nicht wie die Mainzelmänchien für immer verschwunden sind.

Irgendwie, irgendwo können wir alle Superhelden werden.

Mit solidarischen Grüßen Tom
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Ergänzungen

Mainzelmännchen

besserwisser 09.10.2008 - 19:35
Gemeint sind wohl die "Heinzelmännchen", siehe  http://de.wikipedia.org/wiki/Heinzelm%C3%A4nnchen

Die "Mainzelmännchen" wiederum tauchen sehr wohl regelmäßig im öffentlich rechtlichen deutschen Fernsehen auf, ob gut oder schlecht sei beiseite gestellt.

Know your enemy!

@ besserwisser

genau 09.10.2008 - 19:43
das is das schlusswort zur anklage der anwällte bzw staatanwälte worauf nochmal die urteilsbegründung sich richten sollte .

Beiträge die keine inhaltliche Ergänzung darstellen

Verstecke die folgenden 4 Kommentare

Plädolie

besserwisser 09.10.2008 - 18:30
das heißt "Plädoyer".

Aneignung?

Enteignung 09.10.2008 - 20:42
Superhelden sind Super! Aber ist es wirklich eine -Aneignungs-aktion, oder nicht vielmehr eine Enteignung? Aneignung klingt so egoistisch, sich etwas aneignen, hier geht es aber odch gerade nicht um einen Diebstahl um etwas zu haben, sondern um es zu verteilen. So doch das Konzept? Ich würde sagen: Vergesellschaftung (ok sperrig) oder Vergemeinschaftung klingt viel treffender..

feeeehler

noch ein besserwisser 09.10.2008 - 22:55
Ich weiß, es ist wirklich kleinlich von mir, aber sowas wie Plädolie oder LaBtop.
Das geht nun wirklich nicht. Es gibt noch etliche andere Fehler.
Dass es "Plädoyer" heißt, wurde schon gesagt.
Aber es heißt auch LaPtop. "Lap"=Schoß. ein Laptop ist also das gegenstück zum Desktop.

Schluss mit Korinthenkackerei. Ansonsten feine sache. Hätte mir das auch gerne angeschaut.

Sind das diese jungen Frauen,die Erzäh-

no name here 10.10.2008 - 22:59
lungen zufolge auf die Ursachen von prostitution aufmerksam machen wollten und im Kaufhaus oder so immer gesagt haben " Komm mit ,schöne Sache " ,so im Ton von Märchenfeen und dann Zeug mitgenommen haben ? Das hörte sich effektiv an ..