Bundeswehr startet Ausschreibung für Logistik

Wiebke Priehn 05.08.2008 18:42 Themen: Medien Militarismus
Mit diesem bislang größten Privatisierungsprojekt will die Bundeswehr große Teile ihrer sogenannten Basislogistik auslagern. Auch die Bertelsmann-Dienstleistungstochter Arvato kann sich jetzt bewerben.
Offenbar soll jetzt alles ganz schnell gehen. Noch in den letzten Tagen hüllte sich das Verteidigungsministerium in Schweigen, wann denn die Ausschreibung beginne ( http://de.reuters.com/article/domesticNews/idDEHAG44147020080724). Jetzt ist es so weit. Angeblich beläuft sich das Volumen jetzt auf ca. 800 Mio Euro, bei einer Laufzeit von zehn Jahren. Anfang des Jahres war im "Tagesspiegel" noch von vier bis fünf Milliarde Euro die Rede ( http://www.tagesspiegel.de/politik/deutschland/Bundeswehr;art122,2449448). Zu den Interessenten zählen EADS, DHL, die Bahn AG mit ihrem Transportunternehmen Schenker und die Bertelsmann-Dienstleistungsfirma Arvato, die allerdings in aktuellen Pressemeldungen nicht mehr genannt wird. Mit diesen Privatisierungs- und Umstrukturierungsmaßnahmen baut die Bundeswehr veraltete Verteidigungsstrukturen aus Zeiten des „Kalten Krieges“ ab und bereitet sich auf vermehrte weltweite Kriegseinsätze vor. Hierzu der „Tagesspiegel“:

"Für den Fall, von russischer Seite angegriffen zu werden, bunkerte die Bundeswehr seit den 60er Jahren entlang der deutsch-deutschen Grenze in Depots Munition und Material – die Truppen sollten innerhalb von 48 Stunden auf den Verteidigungsfall reagieren können. Obwohl dieser heute praktisch ausgeschlossen ist, existieren die militärischen Lagerstätten noch: Rund 3000 Zivilisten sind derzeit mit der Lagerung und Verteilung der Bundeswehrgüter in Deutschland beschäftigt."

Eigentlich wäre das ein Grund, eine massive Abrüstung der Bundeswehr einzuleiten. Stattdessen sollen die Voraussetzungen geschaffen werden, weltweit Krieg zu führen, um Konzernen Zugang zu Märkten und Rohstoffen zu sichern. hierzu weiter der "Tagesspiegel":

"Rund 6980 Soldaten sind derzeit rund um Globus stationiert – und wie es aussieht, dürften es in absehbarer Zeit eher mehr als weniger werden. Das bedeutet, dass neben dem Personal auch immer mehr Material in die oft tausende Kilometer entfernten Einsatzgebiete geschafft werden muss – eine Aufgabe, der die Bundeswehr mit ihren logistischen Strukturen aber oft nur teilweise gerecht werden kann. Beispielsweise verfügen die deutschen Streitkräfte über kein weltweites Netz von Niederlassungen wie etwa international tätige Speditionen. Diese könnten bei Bedarf rund um den Globus auf Mitarbeiter zurückgreifen, die sich um Zollangelegenheiten oder die Verladung von Gütern kümmern. „Die sind in fast jedem Ort der Welt vertreten“, sagt General Ueberschaer. „So etwas können sich die Streitkräfte aber nicht leisten."

Klar ist: Wer auch immer den Zuschlag bekommt: Europas größter Medienkonzern Bertelsmann wird an der Privatisierung von Militär und Krieg („Friedensmissionen“) kräftig mitverdienen! Im Vergleich zu 1933 als Bezugsjahr konnte Bertelsmann im Zweiten Weltkrieg seinen Umsatz verachtfachen und seine Gewinne verdreißigfachen. ( http://www.polunbi.de/inst/bertelsmann-04.html) Darüberhinaus strebt Bertelsmann auf den Markt für die private Erbringung von Dienstleistungen in der öffentlichen Verwaltung ("Government-Services") und im Bildungssektor.

Passend zu den militärischen Ambitionen der Bertelsmann-Konzern-Tochter Arvato (siehe auch:  http://de.indymedia.org/2008/02/206987.shtml) fordert die Bertelsmann Stiftung seit vielen Jahren umfangreiche militärische Aufrüstungsprogramme für die EU. Die Bertelsmann Stiftung ist Hauptaktionärin des Bertelsmann-Konzerns (76,9 Prozent).

Ihre Studien finanziert die Unternehmens-Stiftung aus ihren Aktiengewinnen, die sie Dank staatlich anerkannter Gemeinnützigkeit steuerfrei einstreicht. Kontrolliert wird die Stiftung jedoch von der Eigentümerfamilie Mohn (23,1 Prozent), die der Stiftung 1993 die Mehrheit der Kapitalanteile am Konzern übertrug.

Aus der Pressemeldung der Bundeswehr zur Logistik-Ausschreibung:

Teilnahmewettbewerb für eine Öffentlich-Private Partnerschaft in der Logistik gestartet

Berlin, 05.08.2008, BMVg, Presse- und Informationsstab. Nach Billigung der Ausschreibung einer kooperativen Durchführung von Teilbereichen der Basislogistik der Bundeswehr („Lagerhaltung & Distribution“) durch die Leitung, hat das Bundesamt für Wehrtechnik und Beschaffung am 30. Juli 2008 die Veröffentlichung des Aufrufs zur Bewerbung um Teilnahme am Verhandlungsverfahren im Internet veranlasst. Die Abgabefrist hierfür endet mit dem 8. September 2008; 24 Uhr. [...]

Gegenstand der jetzt eingeleiteten Ausschreibung zur ÖPP „Lagerhaltung & Distribution“ sind ausgewählte Bereiche der Basislogistik:

1. Die Lagerung und Bewirtschaftung von Material der Bundeswehr (ohne Sanitätsmaterial, ohne Munition und ohne Betriebsstoffe) im Grundbetrieb in Deutschland (knapp 1,3 Mio. angelegte Versorgungsartikel, davon durchschnittlich 700.000 Artikel im Bestand) und

2. Transportleistungen für Material, Sanitätsmaterial, Munition, Betriebsstoffe und begleitendes Personal im Grundbetrieb in Deutschland (mehr als 11.000 zu beliefernde Dienststellen) sowie zwischen Deutschland und Dienststellen der Bundeswehr oder übender Truppe der Bundeswehr im Ausland.<<

(Zitat Ende.)
Link:
 http://www.bundeswehr.de/portal/a/bwde/kcxml/04_Sj9SPykssy0xPLMnMz0vM0Y_QjzKLd443DnQHSYGZASH6kTCxoJRUfW99X4_83FT9AP2C3IhyR0dFRQCsXOUq/delta/base64xml/L2dJQSEvUUt3QS80SVVFLzZfQ18zU1Y!?yw_contentURL=%2FC1256EF4002AED30%2FW27H49P8575INFODE%2Fcontent.jsp

So kam die Ausschreibung laut Bundeswehr-PM zustande:
„Eine sich an das in 2007 durchgeführte Interessenbekundungsverfahren anschließende Wirtschaftlichkeitsuntersuchung ergab, dass eine ÖPP – auch unter Einbeziehung der Remanenzausgaben – wirtschaftlicher sein kann als andere untersuchte Alternativen.“

Das erinnert an den Aufstieg von Halliburton. 1992 gab der damalige US-Verteidigungsminister Dick Cheney bei Halliburton eine Studie zur Privatisierung der Militär-Logistik in Auftrag – Kostenpunkt knapp 9 Millionen Dollar. 1995 wurde Cheney Geschäftsführer von Halliburton, wo er seine Kontakte in die Politik nutzen konnte. Von den Aufträgen in Höhe von 150 Mrd Dollar, die das US-Verteidigungsministerium in Folge an Private Military Companies vergab, gingen etwa 10 % an Halliburton. Cheney verdiente kräftig mit.
( http://www.heise.de/tp/r4/artikel/23/23388/1.html)


Weitere kritische Beiträge zu Bertelsmanns Lobby-Arbeit für eine militärische Supermacht EU unter deutscher Führung:

* Lobbyarbeit für die Militärmacht Europa (Jörn Hagenloch, 26.07.2007)  http://www.heise.de/tp/r4/artikel/25/25765/1.html
* Die Massen führen (Hans Georg 23.01.2008):  http://www.nrhz.de/flyer/beitrag.php?id=11983 Ihre Studien
* "Jetzt ist eine PR-Kampagne notwendig!" Bertelsmann-Institut fuer kriegerisches und autoritaeres EU-Regime:"Get anywhere, fight anywhere, eat anywhere, stay anywhere" (Gerald Oberansmayr in Guernica 2/2005):  http://akin.mediaweb.at/2005/11/11bertel.htm
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Ergänzungen

US-Behörde: Bundeswehr bestellt Kampfdrohne

AFP-News 05.08.2008 - 21:40
US-Behörde: Deutschland will Kampfdrohnen in den USA kaufen

Vor 13 Stunden

Berlin/Washington (AFP) — Das Bundesverteidigungsministerium hat US-Behördenangaben dementiert, wonach Deutschland für den möglichen Einsatz in Afghanistan mehrere hochmoderne Kampfdrohnen in den USA kaufen will. "Es gibt keine Planungen zur Beschaffung einer Kampfdrohne für die Bundeswehr", sagte ein Sprecher. In einem Dokument, das die für Rüstungsverkäufe zuständige US-Behörde DSCA dem Kongress in Washington übermittelte, heißt es, die deutsche Bestellung für vier raketenbestückte Drohnen des Typs "MQ-9 Reaper" solle inklusive der Wartungsarbeiten für zwölf Monate einen Umfang von 205 Millionen Dollar (130 Millionen Euro) haben.

Deutschland wünsche die unbemannten Kampffluggeräte "für die Verteidigung seiner entsandten Truppen, die regionale Sicherheit und die Kompatibilität mit den Vereinigten Staaten", heißt es in dem Papier weiter. Die Behörde erwähnt in dem Dokument an die Kongressabgeordneten, dass Deutschland derzeit mehrere tausend Soldaten in Afghanistan stationiert habe. Durch den Erwerb der Drohnen werde "Deutschland in der Lage sein, für seine eigenen Truppen das gleiche Maß an Sicherheit zu gewährleisten wie die Vereinigten Staaten". Fünf weitere Drohnen sollten an Italien gehen, das inklusive fünf Jahren Wartung 330 Millionen Dollar zahlen wolle.

Das Modell "MQ-9 Reaper" kann vier Raketen des Typs "Hellfire" sowie zwei lasergesteuerte Bomben transportieren und auf der Suche nach Zielen besonders lange in der Luft bleiben. Rüstungsexperten bezeichnen den Typ auch als "Jäger/Killer-Drohne". Das Modell wird bereits von den Streitkräften der USA und Großbritanniens in Afghanistan eingesetzt.

frage

ana 05.08.2008 - 23:43
wieso verdient bertelsmann 'in jedem Fall', auch wenn sie den zuschlag nicht kriegen?

@ ana

Wiebke Priehn 06.08.2008 - 11:47
wieso verdient bertelsmann 'in jedem Fall', auch wenn sie den zuschlag nicht kriegen?

Antwort:

Bertelsmann ist ein großer Medienkonzern kann somit erheblich Einfluss auf die öffentliche Meinung und den Informationsstand der Bevölkerung nehmen.
Bei dem Zuschlag geht es um eine Teilprivatisierung der Bundeswehr, mit dem Ziel, sie zunehmend zu weltweiten Einsätzen zu befähigen. Nun ist es aber so, dass die Menschen Umfragen zu Folge eher gegen Krieg und Auslandseinsätze sind und es eine erhebliche Opposition in der Bevölkerung gegen Privatisierung gibt. Um dies trotzdem gegen den Willen und das Interesse der Bevölkerung durchzusetzen, kommt Medienkonzernen wie Bertelsmann eine wichtige propagandistische Rolle zu. Es wäre leicht für Bertelsmann, über seine Medien die Bevölkerung zu mobilisieren, gegen diese Privatisierung und Aufrüstung. Und ließe sich damit etwas verdienen, würde Bertelsmann das auch tun. Dann müsste ich nicht für lau Artikel auf indymedia schreiben, die darüber informieren, sondern Bertelsmann würde das tun. Zu Bertelsmann gehören übrigens Europas größte Radio- und Fernsehsende-Anstalt RTL, Europas größter Zeitschriftenverlag Gruner + Jahr (Stern, Spiegel, FTD, GEO, Brigitte...), die weltgrößte Buchverlagsgruppe Random House, SonyBMG, einer der größten Musikkonzerne der Welt, und schließlich die bekannten Bertelsmann-Buchclubs. Und in diesen Bereichen erwartet Bertelsmann eine Eigenkapitalrendite von 10-15 Prozenzt.

Wollen nun die Konzerne an der Privatisierung der Bundeswehrlogistik verdienen und verhindern, dass Bertelsmann kritisch berichtet (jedenfalls in einem Maße, dass das Geschäft gefährden würde), dann müssen sie Bertelsmann entsprechend dafür bezahlen, gewissermaßen beteiligen, beispielsweise in dem sie Werbeaufträge erteilen, oder indem sie Unteraufträge an die Bertelsmann-Tochter Arvato outsourcen.

Darüberhinaus geht es aber auch um die Durchsetzung eines Trends zur Privatisierung von Militär und Krieg und eine Entscheidung zu Gunsten vermehrter weltweiter Kriegseinsätze, ausgehend von Deutschland und Europa, aber auch in Zusammenarbeit mit den USA. Diese Ausschreibung wird nicht die Letzte sein. Wenn sie durchkommt, werden weitere Privatisierungen folgen, siehe USA, und das ist für Bertelsmann/Arvato und die übrigen Bewerber wichtig. Und da kann Bertelsmann sich jedesmal wieder bewerben und wird mit Sicherheit seinen Anteil am Militariserungskuchen abbekommen. Ganz zu schweigen, von den Geschäften, die sich erst durch vermehrte Kriege direkt ergeben. Und dann danach, wenn alles zerbombt ist und irgendwo wiederaufgebaut wird, dann könnte Bertelsmann den Besatzern zukünftig ganze Service-Pakete anbieten, Aufbau öffentlicher Verwaltung einschließlich Sicherheitsbehörden (Bertelsmann/Arvato nennt das „Government Services“), bei Preisnachlass, wenn sie auch noch das Kindergarten-, Schul- und College-Paket mit maßgeschneiderten Erziehungs- und Bildungsinhalten kaufen. Nicht zu vergessen natürlich Verträge für Fernseh- und Zeitschriftenlizenzen.

DHL - olivgrün unter postgelbem Tarnanstrich

Linker 02.11.2008 - 18:00
Hier eine interessante Ergänzung, ein Kampagnenvorschlag zur Ausschreibung und dem Favoriten DHL:
 http://de.indymedia.org/2008/10/230574.shtml