Kiel: 750 Cops, 200 Antifas, 20 ANs +7 NPDler

Autonomer Antifaschist 13.06.2008 15:01 Themen: Antifa Repression
- 200 AntifaschistInnen m 12. Juni donnerstagnachmittags gegen Nazikundgebung in Kiel auf der Straße
- 750 PolzistInnen aus ganz SH und HH riegeln Rathaus(platz) ab und setzen Kundgebung für 7 NPDler durch
- Auseinandersetzungen zwischen selbsternannten „autonomen“ Nazis und Antifas abseits der Kundgebung
- Über 20 Antifas in Gewahrsam genommen
Am Donnerstag, 12. Juni fand die konstituierende Ratssitzung im Kieler Rathaus statt, in das nach der Kommunalwahl am 24. Mai erstmals auch die NPD in Person ihres Spitzenkandidaten Herrmann Gutsche eingezogen war. Dies nahm die NPD zum Anlass eine Kundgebung auf dem Rathausplatz anzumelden, die entsprechende antifaschistische Gegenmobilisierungen hervorrief.

Schon ab mittags wurde rund ums Rathaus sichtbar, dass die Polizei ihre Ankündigung eines Großeinsatzes mehr als wahr machen sollte: Der Rathausplatz war mit Einsatzfahrzeugen zugeparkt und ringsherum mit Hamburger Gittern abgesperrt, die nur nach Gesinnungskontrolle durch PolizistInnen passiert werden durften und allerorts waren in der Innenstadt Polizeiheere in Kampfmontur unterwegs.
Ab 13 Uhr sammelten sich AntifaschistInnen, die den Aufrufen des Runden Tischs gegen Rassismus und Faschismus und der Autonomen Antifa-Koordination gefolgt waren, auf dem Asmus-Bremer-Platz oder streunten durch die Gegend rund ums Rathaus. Als gegen 13.30 Uhr die Kundgebung des Runden Tischs begann, dürften hier etwa 150 AntifaschistInnen anwesend gewesen sein. Da die Nazikundgebung ab 14 Uhr angemeldet war, entfernte sich ein Großteil der TeilnehmerInnen bald darauf und sammelte sich im Hiroschimapark. Kurz nach 14 Uhr erschien ein Häuflein von maximal 7 Nazis samt einer Fahne, eines Pappschildes und eines Transparentes auf dem Rathauspatz Ecke Deutsche Bank, woraufhin sich etwa 80 AntifaschistInnen aus dem Park in Bewegung setzen, jedoch wie zu Erwarten, auf halber Strecke von mehreren Ketten Polizei und nach kurzen Rangeleien mit BFE-Einheiten gestoppt wurden. Da von der anderen Seite aus Richtung Holstenbrücke ein näheres Rankommen an die Nazikundgebung möglich war, sammelten sich vor allem hier im Folgenden konstant etwa 100 GegendemonstrantInnen, die leider nur zeitweise lautstark die Naziredner störten. Die Beteiligung an der NPD-Miniaturkundgebung blieb zu Höchstzeiten bei lächerlichen 7 Nazis, darunter Jens Lüdtke und vor Beginn der Ratssitzung Herrmann Gutsche von der NPD Kiel/Plön und der extra angereiste Hamburger Nazikader Thomas Wulff. Dafür, dass hinter den weiträumigen Polizeiabsperrungen niemand die Nazireden gehört geschweige denn verstanden haben dürfte (dies war schon vom nächstmöglichen Standpunkt auf Antifa-Seite äußerst schwierig), hielten diese immerhin 1 ½ Stunden damit durch, ihr Gelaber im Wind verpuffen zu lassen.

Neben der durchgehend fortgesetzten Kundgebung des Runden Tisch bewegten sich parallel verschiedene Gruppen von AntifaschistInnen rund ums Rathaus. Hierbei kam es zu heftigen Auseinandersetzungen mit den mittlerweile auch in Kiel angekommenen selbsternannten „autonomen“ Nazis: Etwa 15-20 ANs, unter ihnen natürlich die beiden gaardenflüchtigen Nazis Peter Borchert und Thomas Krüger, griffen gegen 14.30 Uhr in der Waisenhofstraße hinter dem Rathaus eine kleinere Gruppe Antifas an, wobei ein Antifa so verletzt wurde, dass er ins Krankenhaus eingeliefert werden musste. Immerhin soll ein Teil der Nazis bei ihrem Fluchtversuch dank eines antifaschistischen Gegenangriffs einige Meter weiter auch nicht gänzlich unbescholten davon gekommen sein. Die in Sichtweite anwesende Polizei schien damit überfordert, AntifaschistInnen und Nazis auseinander zuhalten und reagierte dementsprechend konzeptlos. Erst nach einiger Zeit gelang es ihr neben zwei am Boden liegenden Antifaschisten, insgesamt 11 Nazis festzusetzen und sie war sich nicht zu schade, wiederum 20 Minuten dafür zu brauchen, einen Krankenwagen für den Verletzten zu rufen (der währenddessen mit dem Gesicht zum Boden liegen musste). Nachdem nach einer halben Stunde die festgenommenen Nazis abtransportiert waren, begann die Polizei nahezu alle AntifaschistInnen (gut zwei Dutzend), die sich mittlerweile aus Solidarität mit dem verletzten Genossen eingefunden hatten, einzukesseln und etwas später nach und nach in Gewahrsam zu nehmen. Immerhin war die Stimmung im Kessel (besser als draußen) und deren Versorgung mit Getränken und Essen durch die mehr und mehr von der mittlerweile beendeten Kundgebung eintrudelnden AntifaschistInnen recht gut. Die Polizei hatte bei der Überbeschäftigung an diesem Tag wohl unerträgliche Langeweile und zettelte immer mal wieder Ärger an oder baute schwachsinnige Korridore zwischen Kessel, Straße und den Solidarischen außerhalb des Kessels.
Die Gefangenen wurden in Transportern weggefahren und größtenteils in den Polizeikomplex in der Blumenstraße gebracht. Einige andere wurden bereits eine Straßenecke weiter wieder ausgesetzt.
Auch in der Blume setzte sich die scheinbare Verwirrtheit der Bullen fort: So wurde mehrfach versucht, AntifaschistInnen mit in die Zellen der Nazis zu setzen, was in einem Fall auch gelang.
Während 10-15 solidarische AntifaschistInnen vor der Wache auf ihre GenossInnen warten, sollten nun auch die 11 festgenommenen Nazis entlassen werden, was sich jedoch als schwieriges Unterfangen entpuppte: Eine Nazifrau wählte beim Anblick der Antifas den Rückwärtsgang in den Bau und musste auch am anderen Ausgang feststellen, dass alles unter antifaschistischer Beobachtung war. Zusammen mit weiteren, mittlerweile auch entlassenen KameradInnen rief sie sich nun ein Taxi, welches allerdings lieber eine Leerfahrt einlegte, nachdem sein Fahrer darüber aufgeklärt wurde, dass er Nazis befördern sollte. Nachdem ein zweiter Taxifahrer offensichtlich weniger Probleme damit hatte und die erste Naziladung wegfuhr, wiederholte sich das Spiel mit den leeren Taxis noch ein paar mal bis die Bullen sich erbarmten, die übrigen Nazis mit ihren Wannen in sicherere Gefilde zu bringen. Kurze Zeit später wurden dann auch endlich kleckerweise alle noch eingeknasteten Antifas entlassen.

Zu den leider wenigen erfreulichen Momenten des Tages gehörte neben den solidarischen wie antifaschistischen Aktionen am Knast sicherlich die mit etwa 200 AktivistInnen für einen Donnerstagnachmittag und einer Woche Mobilisierungszeit befriedigend hohe TeilnehmerInnenzahl an den Antifa-Aktivitäten ums Rathaus.
Zu kritisieren ist dagegen die leider sehr unmotivierte und leise Stimmung am Rande der Nazikundgebung. Auch beim Kessel hätte eine kämpferische Atmosphäre die Bullen sicher etwas mehr unter Druck gesetzt und hätte ein angebrachtes solidarisches Zeichen für die Insassen sein können.
Neben den Ingewahrsamnahmen war das unangenehmste Ereignis des Tages unbestritten die Verletzung des Antifas (Gute Besserung!) durch die ANs. Dieser Angriff stellte wieder einmal ein neues Level des Aktionismus der noch frischen Borchert-Truppe dar. Damit dieser genauso schnell wieder abflaut, wie er in den vergangenen Monaten angewachsen ist und solche Angriffe wie gestern wieder der Unmöglichkeit angehören, bedarf es für die Zukunft einen überlegten Umgang und angepasste antifaschistische Strategien auf die neue Herausforderung.
Ein Rätsel hat uns erneut die Kieler Polizei aufgegeben: Ist sie wirklich so überfordert und fern jeglicher Realitäten, dass sie an einem Nachmittag mitten in der Woche ein Bedrohungsszenario herbeihalluziniert, dass sie für eine Naziminikundgebung einen Teil der Kieler Innenstadt komplett lahm legt und mit einem Aufgebot auffährt, das vor einigen Jahren noch für ein Nazigroßaufmarsch hätte ausreichen müssen, und trotzdem keinen Überblick hat? Oder sind die zahlreichen polizeilichen Fehleinschätzungen und –Tritte der letzten Wochen Teil eines geschickten Verwirrspiels, das ganz andere Dinge vorbereiten soll? Die vielen Ingewahrsamnahmen sprechen für die erste Variante. So scheint die Kieler Polizei offensichtlich erstmal wieder ganz klein anfangen zu müssen und zumindest irgendwelche Namen antifaschistischer AktivistInnen zu sammeln, um überhaupt irgendwas und irgendwen einschätzen zu können.

In der Ratsversammlung selbst, die für BesucherInnen nur mit Eintrittskarte und unter scharfen Kontrollen zugänglich war, soll übrigens so gut wie nichts passiert sein: Herrmann Gutsche war isoliert, die Grünen haben ´ne Imageaktion bei der Verpflichtung des NPDlers hingelegt und vereinzelte Pfiffe soll’s auch gegeben haben. Ansonsten gibt der Naziratsherr sich als Rebell und hat alles Abzustimmende abgelehnt, überflüssiger Beisitzer im Finanzausschuss ist er auf eigenen Antrag auch geworden. Wir dürfen uns in den nächsten Jahren seiner Amtszeit wohl auf zahlreiche rührende Geschichten über verschwendete Steuergelder freuen, wenn er denn durchhält...


Weiterer Bericht:  http://de.indymedia.org/2008/06/219773.shtml
Creative Commons-Lizenzvertrag Dieser Inhalt ist unter einer
Creative Commons-Lizenz lizenziert.
Indymedia ist eine Veröffentlichungsplattform, auf der jede und jeder selbstverfasste Berichte publizieren kann. Eine Überprüfung der Inhalte und eine redaktionelle Bearbeitung der Beiträge finden nicht statt. Bei Anregungen und Fragen zu diesem Artikel wenden sie sich bitte direkt an die Verfasserin oder den Verfasser.
(Moderationskriterien von Indymedia Deutschland)

Ergänzungen

berichtigung

Ich 13.06.2008 - 15:14
Thomas Wulff lebt seit 1999 in Amholz (Landkreis Ludwigslust, Mecklenburg-Vorpommern) und ist somit kein "Hamburger" mehr.

Sehr guter Bericht

Kiela 13.06.2008 - 17:42
Also erstmal: das ist einer der besten Berichte in den letzten Jahren indymedia von einem Tag, bei dem ich persönlich vor Ort war und mir ein eigenes Bild machen konnte.

Hatte ebenfalls das Gefühl, dass die meisten Polizisten den Einsatz nicht verstanden haben. Positiv fand ich den Kundgebungsort der Nazis (hinter einer Ecke, weit weg vom Rathaus - dachte schon die dürften auf den Rathausplatz direkt vor's Rathaus). Weiß allerdings nicht, ob die Nazis vielleicht scheiße angemeldet haben oder ob das Polizeientscheidung war. Bis auf wenigen Ausnahmen waren die Polizisten zurückhaltend - bei den Übergriffen offensichtlich zu zurückhaltend. Ich hoffe, dass es bezüglich des Verletzten bald zuverlässige Infos gibt - bislang alles eher Gerüchte und Mutmaßungen (ebenso wie beim verletzten Nazi).

Die Polizei schwafelte im TV und Zeitung von fehlenden Informationen zur Mobilisierung und versuchen damit diesen Polizeiaufmarsch zu rechtfertigen. Da hat der Verfassungsschutz wohl geschlafen.... Hoffe, dass dieser Einsatz demnächst öffentlich und kritisch thematisiert wird (Ratsversammlung?). Allein im (wie bereits berichtet hermetisch abgeriegelten Rathaus) waren laut Kieler Nachrichten 105 Polizisten. Diskussionen oder Zwischenfälle soll es am Einlass nicht gegeben haben - allerdings wurde mindestens eine Frau trotz Platzkarte abgewiesen.

Die Gegenkundgebung war recht nah an den Nazis (dazwischen mehrere Polizeiketten). Aber niemand hatte Bock 1 1/2 Stunden lang zu rufen und die Zahl der Trillerpfeifen bei uns stimmte ungefähr mit der Zahl der Nazipfeifen überein.

NPD "Kundgebung"

echt nix los bei denen 13.06.2008 - 21:58
NPD "Kundgebung" vor der ersten Kieler Ratsversammlung:
 http://de.youtube.com/watch?v=scWmx7r8-Jk

Das Rathaus glich einer Festung

http://www.kn-online.de 13.06.2008 - 23:50
„Is' hier 'n Anschlag oder was?“ Dem Mann mit der Zeitung unter dem Arm ist es mulmig zumute, als er die martialisch anmutende Polizistenkette entlang der Absperrgitter um das Rathaus herum betrachtet. Der Beamte schüttelt den Kopf. Kein Anschlag. Aber was hier wann genau passiert, weiß der Uniformierte auch nicht zu sagen.

Der Aufmarsch von insgesamt 750 Beamten aus dem ganzen Land und aus Hamburg rund um das Rathaus angesichts der dort tagenden ersten Ratsversammlung nach der Kommunalwahl hatte offenbar einen ebenso ernsthaften wie schwer einschätzbaren Hintergrund. „Es liegen uns Schreiben des runden Tisches gegen Rassismus und Faschismus vor, dass mit Störaktionen im Rathaus zu rechnen ist“, berichtete Rathaus-Sprecher Tim Holborn. Außerdem blieb bis zuletzt unklar, wie viele Aktivisten der linken Szene gegen den Einzug des NPD-Kandidaten ins Rathaus mit welcher Vehemenz protestieren würden.

Ab 14 Uhr glich das Rathaus einer Festung. Der Haupteingang war weiträumig abgesperrt, auf dem Rathausplatz standen die Einsatzfahrzeuge dicht an dicht. Im Kabuff des Hausmeisters am Hintereingang Waisenhofstraße installierte die Polizei eine mobile Befehlsstelle, um die 105 Beamten im Rathaus im Falle eines Falles schnell zu mobilisieren. Rathausmitarbeiter gaben Platzkarten für die Zuschauer aus, Beamte durchsuchten Taschen nach Mitbringseln, die sich möglicherweise in Wurfgeschosse verwandeln ließen. Diskussionen oder Zwischenfälle gab es dabei keine.

Kurz zuvor hatte eine der Sprecherinnen des runden Tisches bei einer Kundgebung den Hintergrund des Protestes deutlich gemacht. „Wir nehmen den Einzug der NPD in die Ratsversammlung nicht einfach hin“, rief Bettina Jürgensen den rund 150 Kundgebungsteilnehmern zu: „Wir werden ein antifaschistisches Klima in der Stadt schaffen und damit zeigen, dass Nazis in der Stadt keine Zukunft haben.“ Etwa eine halbe Stunde später bezogen sieben von der Polizei massiv abgeschirmte Sympathisanten der NPD Posten vor der Deutschen Bank, ließen per Megafon wissen: Die NPD sei nun in Kiel angekommen, ihr Vertreter werde künftig der „Stachel im Fleisch der etablierten und abgewirtschafteten Parteien“ sein.

Die Polizei hielt die kleine Fraktion der Protestierer in gebührendem Abstand, nur gelegentlich verhallten Schmährufe und Pfiffe im Wind. Der NPD-Kandidat selber hielt sich zurück. Hermann Gutsche schwieg, zog sich bald zur Sitzung auf seinen einsamen Platz im Ratssaal zurück.

Laut Polizeiangaben wurden bei Auseinandersetzungen rivalisierender Gruppen elf Personen vorläufig festgenommen, ihnen werden unter anderem Landfriedensbruch und Körperverletzung vorgeworfen. Eine Person wurde verletzt – noch ungeklärt sind laut Polizei Anlass und Hintergrund. Weitere 29 Personen wurden sicherheitshalber in Gewahrsam genommen.

"Autonome" Nazis

Maddel 15.06.2008 - 22:34
;-P

ein link

?!? 03.07.2008 - 17:09
hier ein Link zu einem Spiegel-TV-Beitrag, der auch im TV ausgestrahlt wurde...Besagtes Haus ist übrigens der Wohnblock, links neben der IGS Hassee, wo in letzter Zeit auch immer mal wieder Nazi-Sticker auftauchen.

 http://www.spiegel.de/panorama/0,1518,537646,00.html

Beiträge die keine inhaltliche Ergänzung darstellen

Zeige die folgenden 3 Kommentare an

polizei und so — mensch