Hessen: Abschaffung der Studiengebühren

Christina Geller 11.06.2008 13:34 Themen: Bildung Kultur Soziale Kämpfe
Zwischen GesetzgebungsINkompetenz und demonstrierenden Studenten

Hessens StudentInnen dürften ab dem kommenden Semester vollere Brieftaschen haben. Die linke Mehrheit im hessischen Landtag hat am 03. Juni ein Gesetz zur Abschaffung der Studiengebühren verabschiedet. Hessen schafft damit als erstes Bundesland die Studiengebühren wieder ab.
Doch Halt! Ein Formfehler hat sich in den Gesetzesentwurf eingeschlichen, der die Hoffnung tausender Demonstranten darstellt.
Ist die „Hürde Koch“ erstmal überwunden, können sich hessische Studenten auf bessere Zeiten freuen: In einer Sondersitzung am 17. Juni wird Ministerpräsident Roland Koch (CDU) verfassungsrechtliche Bedenken zur Abschaffung der Studiengebühren vortragen, weshalb er den Gesetzesentwurf von SPD, Grüne und der Linken bislang nicht unterzeichnet hat.
Während CDU und FDP vergebens für die Gebühren stimmten, hielten SPD, Grüne und die Linke ihre im Wahlkampf versprochene Zusicherung, die Studiengebühren zu erlassen.


GesetzgebungsINkompetenz?

Ein Wirrwarr der Gesetzgebung durchzieht die Studiengebühren in Hessen wie ein roter Faden: Im Mai 2006 wurde das Gesetz zur Einführung der Studiengebühren verabschiedet. Vier Monate später wurde die Höhe der Studiengebühren erneut verändert (von 1500€ pro Semester für ein Zweitstudien auf einheitlich 500€). Nun sollen die Studiengebühren komplett abgeschafft werden. Doch der Entschluss hängt bislang in der Schwebe: ein Formfehler hat sich in den Gesetzesentwurf eingeschlichen! Wer da nicht den Überblick verliert…!
Doch damit nicht genug Verwirrung: Der hessische Staatsgerichtshof entschied am 11. Juni, dass Studiengebühren prinzipiell nicht gegen die hessische Verfassung verstoßen. Somit könnte der Gesetzgeber bei Neuwahlen nach Lust und Laune wieder Studiengebühren einführen. Die hessischen Studenten müssen folglich weiter bibbern. Doch um Ihr Recht auf Bildung wissen sie sehr wohl zu kämpfen.


Demos sei Dank

Was die Studentenbewegung der 60er Jahre konnte, können hessische Studenten schon lange: Sie demonstrieren seit 2006 gegen die ein Jahr später eingeführten Studiengebühren. Der Kampf um das Recht auf freie Bildung hat bislang weite Ausmaße genommen: 2006 besetzten ca. 5.000 Studenten die Frankfurter Autobahn, 10.000 Demonstranten marschierten durch Wiesbadens Straßen, 70.000 Klageformulare erreichten den Staatsgerichtshof. Auch in den kommenden Wochen sind wieder Massenkundgebungen geplant. Anlass ist die erneut entfachte Debatte um die Studiengebühren seit SPD, Grüne und Die Linke eine Mehrheit im Landtag haben.


Formfehler

So gut die Idee der Abschaffung der Studiengebühren ist, so unvorsichtig war die linke Mehrheit mit ihrem Gesetzesentwurf: Durch eine nachlässige Überarbeitung haben sich Formfehler in das Dokument eingeschlichen. Geschäftsführender Ministerpräsident Koch freut sich über den Faux- Pas. Doch ein solcher Formfehler ist schnell behoben- und wird den demonstrierenden Hessen wohl endlich ihren ersehnten Erfolg bringen: Freie Hochschulbildung für Jedermann!


Quellen

 http://www.zeit.de/2008/15/Seitenhieb
 http://www.spiegel.de/unispiegel/studium/0,1518,425464,00.html
 http://www.studis-online.de/HoPo/art-778-zu-frueh-gefreut.php
 http://hessen.uebergebuehr.de/de/aktuell/news/meldung/ansicht/2008/06/verloren/
 http://www.zeit.de/news/artikel/2008/01/27/2464481.xml
 http://www.tagesschau.de/inland/meldung110518.html
 http://www.hr-online.de/website/rubriken/nachrichten/index.jsp?key=standard_document_22279348&rubrik=5710
 http://www.sueddeutsche.de/deutschland/artikel/207/178662/
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Ergänzungen

verfassungsklage gescheitert

mark 11.06.2008 - 14:27
Der Staatsgerichtshof hat entschieden, Studiengebühren in Hessen sind verfassungskonform. Die Entscheidung viel mit 6 zu 5 Stimmen, hier eine kleine Erklärung (ohne Gewähr):


Der Staatsgerichtshof hat 11 Mitglieder, davon 6 vom Landtag gewählt und 5 "freie".

Vom Landtag gewählt:
Dr. Klaus Lange (Ticket: SPD)
Dr. Wolfgang Teufel (Ticket CDU)
Dr. Steffen Detterbeck (Ticket CDU)
Paul Leo Giani (Ticket SPD)
Dr. Günter Paul (Ticket CDU)
Rupert von Plottnitz (Ticket Grüne, SPD)

Also 3 / 3 unentschieden.

"Freie" Mitglieder:

Georg D. Falk (SPD nah)
Michaela Kilian Bock (CDU nah)
Dr. Harald Klein (SPD nah)
Dr Wilhelm Nassauer (eher konservativ)
Karin Wolski (alter CDU Adel)

damit stünde es 6 zu 5 für die Befürworter.

Nach der Recherche ist anzunehmen, dass
Wolski
Paul
Nassauer
Kilian-Bock
Detterbeck und
Teufel
die Gebühren für Verfassungskonform halten und entsprechend abgestimmt haben und

Lange,
Falk,
Giani
Klein
von Plottnitz

entsprechend dagegen waren.

Da alle diese Personen relativ eindeutig und durch kurze Internetrecherche belegbar den konträren Parteien zugeordnet werden können ist das Urteil absehbar und ein Ergebnis von Parteipolitik. Schade.

Darum sollten wir heute Abend kraftvoll durch Frankfurt ziehen und der Politik zeigen was wir von diesem Urteil halten!

abweichende Meinung

mark II 11.06.2008 - 18:36
ein blick in das urteil hätte dir gezeigt, wer dagegen und dafür gestimmt hat, es gab nämlich eine gegendarstellung der 5 richter. dafür hättest du nicht die parteizugehörigkeit ermitteln müssen. das urteil gibt es hier:  http://www.staatsgerichtshof.hessen.de/C1256E20003AD625/vwContentByKey/W27FGHZ6581JUSZDE

@mark II

mark 11.06.2008 - 19:36
Gut dass du den Link hier gepostet hast, aber das Urteil war heute mittag noch nicht verfügbar, als um 11 die entscheidung auf SpOn stand und ich mal ein bißchen rumgewühlt hab, und siehe da:
Ich hatte recht mit meiner Vermutung (siehe Seite 100 von 110 des Urteils):

"Abweichende Meinung der Mitglieder des Staatsgerichtshofs
Lange, Falk, Giani, Klein und von Plottnitz
zu dem Urteil des Staatsgerichtshofs vom 11. Juni 2008"

Das kotzt einen doch richtig an, unsere Verfassungsrichter sind politisch gesteuerte Marionetten mag man da denken... Naja was soll man sagen.

Adressen und Telefonnummern der beteiligten Richter sind übrigens teilweise per www.Telefonbuch.de herauszufinden.

!

mark 11.06.2008 - 22:40
Nochmal ganz deutlich:
Alle 6 Richter die gegen die Klage gestimmt haben besitzen ein CDU-Parteibuch oder werden als CDU-nah betrachtet. Die 5 anderen Richter sind von SPD bzw. Grünen.
Diese Information steht bisher in keinem einzigen Mainstream-Artikel, deswegen wollt ichs nochmal verdeutlichen

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