Freiburg: Dreiländerdemo

Utopist@s von hier und dort 11.06.2008 00:10 Themen: Antirassismus Freiräume Kultur
In der dritten Woche von Utopie leben fand eine Dreiländer – Demonstration in Freiburg/Breisgau statt. Ein breites Bündnis aus rund 40 Initiativen unterstützen und beteiligten sich an dieser kreativen und bunten Kundgebung zu den Themen Asylrecht, Prekariat, Wohnungsnot und soziale Ausgrenzung.
Am 7. Juni 2008 belebte eine Dreiländer – Demonstration die Innenstadt von Freiburg/Breisgau.Unter dem Motto "Jeder Mensch hat das Recht auf ein gutes Leben..." gingen zahlreiche Menschen aus Frankreich, Deutschland und der Schweiz für Wohnraum, bessere Lebensbedingungen für alle, sowie Bleiberecht und gegen rassistische Politik auf die Strasse.

Auszug aus dem Aufruf




Zahlreiche Organisationen und Initiativen u.a. die Batir Le Togo, das Maison de la citoyenneté mondiale Muhlhouse, die Betroffeneninitiative Wohnungslose Offenburg, das Comité des Chômeurs et Précaires de Mulhouse, das Netzwerk Grundeinkommen, die Freie ArbeiterInnen Union fauch, ver.di, der Runde Tisch Hartz IV Freiburg und viele weitere hatten unter der Federführung von Aktion Bleiberecht Freiburg zu dieser Kundgebung aufgerufen. Kerninhalte waren die Situation von sozial marginalisierten Menschen wie Hartz IV Empfängern, Wohnungslosen, personnes sans papiers und Asylbewerbern.

Thematisiert wurden dabei die Problempunkte des Asylrechts in den drei Ländern Schweiz, Frankreich und Deutschland. Verständlichen Anlass zur Kritik bot vor allem die weltweit einzigartige Residenzpflicht in Deutschland. D. h. das Verbot ohne vorherige Genehmigung die Landkreisgrenze zu überschreiten.
Sozial diskriminierte Gruppen wie die Erwerbs- und Wohnsitzlosen forderten ihren, durch die allgemeinen Menschenrechte garantierten, gerechten Anteil am gesellschaftlichen Reichtum.




Die Aktion startete mit Redebeiträgen von FlüchtlingsvertreterInnen am Platz der alten Synagoge. Daraufhin zog der Demonstrationszug über die Bertoldstraße zum Augustiner Platz und weiter über Unterlinden, das Universitätsviertel zur Kaiser Joseph Strasse, wo im dichten samstäglichen Einkaufstrubel weitere Redebeiträge und künstlerische Politaktionen stattfanden. Am Endpunkt auf dem Rathausplatz wurden den politischen Forderungen vor allem in künstlerisch kreativer Form mit Straßentheater, Musik und Liedbeiträgen Ausdruck verliehen. Die bunte Vielfalt der Beiträge erregte auch das Interesse der Außenstehenden, sodass nicht nur, wie bei Demonstrationen sonst oft üblich, lediglich die ohnehin schon überzeugten TeilnehmerInnen über ihre eigenen politischen Positionen informiert wurden.
So konnte das gemeinsame Ziel der beteiligten Gruppen zu zeigen, dass Obdach- oder Erwerbslosigkeit, Prekariat und Flüchtlingsdasein keine Randphänomene der Gesellschaft sind, vergleichsweise gut vermittelt werden. Es wurde deutlich, dass das Risiko, in die Armut abzurutschen, heute für viele Menschen besteht.
Ein weiteres Anliegen war, die Vielfalt und die Breite der Talente und Fähigkeiten sichtbar zu machen, die so häufig ungesehen und ungenutzt zu verkümmern drohen. Sei es, weil sie schlicht unerwünscht sind oder weil sie nicht marktkonform präsentiert werden können oder wollen. „Nur weil wir erwerbslos sind, heißt das nicht, dass wir nichts können.“, stellte Helmut Krüger, einer der Teilnehmer fest.
Schließlich begaben sich die KundgebungsteilnemerInnen, begleitet von den heißen Klängen der Sambaband zum anschließenden Straßenfest, in die Wilhelmstrasse, wo Musik und Volxküche für einen entspannten Ausklang sorgten.




Die Aktion verlief, wie von Utopie leben inzwischen gewohnt, bunt, fröhlich, kraftvoll und friedlich. Es bleit zu hoffen, dass auch in Zukunft diese kreativen Formen der politischen Meinungsäußerung und Entfaltung ihre Freiräume finden!

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Ergänzungen

Weiterer Artikel

xyxyxy 11.06.2008 - 13:14
Hier ein weiterer Bericht zu den Aktionstagen in Freiburg und zur Dreiländerdemo:  http://de.indymedia.org/2008/06/219607.shtml

Auf der Demo waren meiner Schätzung nach 350 Leute, auf dem anschliesßenden Straßenfest über 100.

Eine Frage an die Autoren: Gibt es auch noch ein paar bessere Bilder von der Demo - könnten die hier reingestellt werden?

Zusammensetzung

precarius 12.06.2008 - 09:12
Es waren in der Tat nicht so viele Leute. Ich schätze 200-300 Leute. Das ist wenig im Vergleich zu Dreiländerdemos der Vergangenheit.

Dafür war die Zusammensetzung der Demo interessant und in der Form in Freiburg schon lange nicht mehr vorgekommen. Prekarisierung, Wohn- und Arbeitsverhältnisse, Freiräume und Bleiberecht waren die Themen, die am meisten vertreten wurden. Der Motto "jeder hat das Recht auf ein besseres Leben" hatte das glaube ich für viele leider nicht so richtig erblicken lassen. Es waren sowohl junge als auch alte Menschen aus verschiedenen sozialen Hintergründen und politischen Organisationen dabei. Es hat ein bisschen an die MayDay Paraden der letzten Jahre erinnert.
Auffällig war auch, dass viele der Teilnehmer aktiv etwas vorbereitet hatten und nicht nur hinterhergelatscht sind. Es gab viele Redebeiträge, viele Transpis, eigene Flyer, eigene Plakate, Verkleidungen, Stelzen, Samba, Anlage, Performance, Theater der Unterdrückten, live Musik, Vokü, Strassenfest etc . Die Leute konnte - wenn auch nur mit 250 Menschen - richtig lautstark und nicht unbemerkt durch die Fussgängerzone ziehen.

Am Ende wurde von dem "Freiraum Spektrum" versucht die vorgegebene Grenzen zu brechen und die Leute auf das nicht angemeldete Fest im Grün zu mobilisieren. Die Aktion ist aufgegangen und hat sehr viel Spaß gemacht, leider konnte die linke Subkultur die anderen politischen Spektren der Demo kaum dahin mobilisieren. Aber immerhin haben sich alle gegenseitig wahrgenommen.

Die Tatsache, dass gerade wenige Menschen auf die Strasse gehen, spiegelt den allgemeinen Zustand der sozialen Bewegungen. Aber von der Qualität her fand ich die Demo sehr bemerkenswert und gelungen. Brüche die in der Vergangenheit entstanden sind (dank dem obligatorischem Antisemitismusvorwurf einer Minderheit, die für die gesamte autonome Linke in Freiburg reden wollte und sich nun endlich verpisst hat) konnten hier etwas gelindert werden. Trotzdem fehlt es den Utopitas und der autonomen linken an schärferer Analyse und Kommunikationsfähigkeit um richtig gesellschaftlich Relevant einwirken zu können.
Der gesamte Utopie-Monat bleibt für viele von aussen gesehen etwas schwammig und ungreifbar.

Redebeitrag zu bedingungsloses Grundeinkommen

Überflüssige 12.06.2008 - 11:30
Es gibt viele gute Gründe für ein bedingungsloses Grundeinkommen zu sein. Wäre ich eine mittellose Landarbeiterin in Katalanien, würde ich für Red Renta Basica kämpfen. Damit es mich vor Ausbeutung und Gewaltverhältnissen schützt. Wäre ich ein allein erziehender Vater in Amsterdam, würde ich mich für ein Basisinkomen einsetzen, damit ich ohne Arbeitszwang und ohne das Risiko der Verarmung mich um meine Kinder kümmern kann. Als Milchbauer in Südbaden oder der Schweiz würde mir das bedingungslose Grundeinkommen Unabhängigkeit vom Markt und den Handelsketten schenken. Ich könnte meine überschüssige Milch denen schenken, die sie dringend brauchen und müsste sie nicht in den Gully schütten, nur um den Preis zu stabilisieren.

800 Euro für alle, die nicht angerechnet werden auf Lohn oder Gehalt, für Kinder und Erwachsene gleichermaßen und unabhängig von der Zugehörigkeit zu einem Haushalt, also als individueller Rechtsanspruch, das sind die Kriterien für ein Existenzgeld, einem Grundeinkommen Modell wie es von der unabhängigen Erwerbslosenbewegung seit den 80er Jahren entwickelt wird. Dazu kommt noch ein regional angepasstes Wohngeld. Das Existenzgeld soll nicht an irgendeine Verpflichtung zur Erwerbsarbeit gekoppelt sein und an jedeN BürgerIn gezahlt werden, von Geburt an.

Dies klingt utopisch, nimmt aber immer konkretere Formen an. So hat sich das Basic Income European Network bereits zum Basic Income Earth Network entwickelt. Überall auf der Welt werden Projekte ausprobiert, derzeit z.B. auch in Namibia. In Irland, wo auch viele kirchliche Kreise diese Forderung unterstützen, findet vom 19.-21.Juni der nächste internationale Kongress in Dublin statt.
Eine andere Dimension dieser Bewegung zeigte sich im April in Frankreich, wo sich Christine Boutin, die Ministerin für Wohnungswesen und Stadtentwicklung der französischen Regierung an Yoland Bresson gewandt hat, den Mitgründer der Association pour l’instauration d’un revenue d’existence. Sie hat um Ansprechpartner aus allen europäischen Ländern gebeten, um ein politisches Forum zu diesem Thema auf europäischer Ebene durchzuführen. Vom deutschen Netzwerk wurde Katia Kipping, BT-Fraktion DieLinke und Wolfgang Strengmann-Kuhn, BT Bündnis90/Die Grünen, benannt. Spannend, was da kommen wird.
Oft wurde mir gesagt, das BGE sei reformistisch und bedeute nicht die Abschaffung des kapitalistischen Systems. Jedoch erschüttert es eine wesentliche Voraussetzung des Kapitalismus: nämlich dass der lohnabhängige Mensch seine Arbeitskraft verkaufen MUSS, um zu überleben. Wenn das BGE existenzsichernd ist, kann der abhängig Beschäftigte Nein sagen zu schlechten Arbeitsbedingungen. Hierdurch gewinnt er an Einfluss darüber, wie und was produziert wird. Der gängige Arbeitsbegriff wird radikal in Frage gestellt, erweitert und die unbezahlte, nicht minder sinnvolle Tätigkeit miteinbezogen.

Und wer soll das bezahlen? Der Reichtum dieser Gesellschaften muss gerecht umverteilt werden, Misswirtschaft, Verschwendung und Überstunden müssen verschwinden. Wir wollen hier keine amerikanischen Verhältnisse mit workfare, moderner Sklaverei und Schattenwirtschaft. Vor allem wollen wir unsere Kinder und Enkel nicht als Generation Praktikum oder 1-Euro-Jobber bis auf die Knochen frustriert sehen!
Helft alle diese Utopie weiter zu denken und konkreter zu machen! Gestaltet zusammen mit dem Dreiland Netzwerk die internationale Woche des Grundeinkommens, die vom 15.-21.September stattfinden wird, getragen von den drei deutschen GE Netzwerken, von attac und weiteren Organisationen vor Ort.
Außerdem schließe ich mich dem Aufruf des ver.di Kollegen zum Arbeitslosenfrühstück vor der ArGe Freiburg an, und zwar am 16.06. um 10.00 Uhr.

Zum Schluss möchte ich mich der Botschaft des finnischen Erzbischofs John Viktröm anschließen, der mehr Menschenwürde und Ermutigung mit einem Bürgereinkommen für alle Menschen herbeiwünscht:
„Du bist wichtig, du bist keine Last, sondern eine Kraftquelle. Du bist als menschliches Wesen für deine Mitmenschen wichtig. Was für eine Arbeit du auch tust, in welcher Situation auch immer, ob du dafür bezahlt wirst oder nicht, du trägst deinen Teil bei zum Aufbau unserer Gesellschaft.“
Ich wünsche allen noch einen schönen Tag!

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