Venezuela: Sozialistische Einheit der Linken

Wladek Fakin 28.05.2008 09:03 Themen: Soziale Kämpfe Weltweit
Während alle Augen in Venezuela und international auf die neue Regierungspartei, die Vereinigte Sozialistische Partei von Venezuela (PSUV), gerichtet sind, werden Schritte unternommen, um eine neue Partei zu formieren, die sich ausschließlich auf die ArbeiterInnenklasse stützt.
Ende April 2008 hat der Nationale Wahlrat (CEN) eine Regionalpartei im Bundesstaat Aragua anerkannt. Wie Richard Gallardo, ein Nationaler Koordinator des Gewerkschaftsdachverbandes UNT erklärte, hat diese neue Partei, die Sozialistische Einheit der Linken (USI) das Ziel, eine “authentische Partei der venezuelanischen ArbeiterInnen aufzubauen, die sich dem revolutionären Prozess verpflichtet fühlen, die im Kampf gegen den Imperialismus, die multinationalen Konzerne, die Geschäftsleute und die großen LandbesitzerInnen steht, die die nationale Souveränität verteidigt und für die Konstruktion einer revolutionären, sozialistischen Gesellschaft frei von AusbeuterInnen und UnterdrückerInnen steht.“

Die Initiative für diese neue Partei wird von bekannten Aktivisten wie Orlando Chirino, Nationaler Koordinator der UNT, José Bodas, Generalsekretär der ÖlarbeiterInnengewerkschaft in Anzoátegui, Miguel Angel Hernández, Professor an der Zentraluniversität von Venezuela, Richard Gallardo, Präsident der UNT im Bundesstaat Aragua, José Villegas, Führer des Arbeitskampfes in der Fabrik Sanitarios de Maracay sowie vielen weiteren ArbeiterInnenführerInnen unterstützt. (1). Im letzten Jahr hatten diese AktivistInnen die “Bewegung zum Aufbau einer ArbeiterInnenpartei“ konstituiert und begannen, gemeinsame politische Arbeit zu entwickeln – unter anderem riefen sie zu einer Stimmenthaltung beim Referendum der Regierung über die Verfassungsreform auf, was große Aufmerksamkeit in der internationalen Linken hervorrief.

Nun unternehmen sie erste Schritte, um die USI als politische Partei aufzubauen und an den Wahlen Ende des Jahres teilzunehmen. Diese Wahlen könnten entscheidend für das gesamte chavistische Projekt sein. Chávez ist in ganz Venezuela immer noch sehr populär, aber es gibt eine steigende Unzufriedenheit mit der täglichen Realität des “Sozialismus des 21. Jahrhunderts“, welche sich auch in steigender Frustration lokaler FunktionärInnen ausdrückt.
Konkret bedeutet das, dass das Regierungslager die Gouverneursposten in bis zu einem Drittel der 24 Bundesstaaten von Venezuela an die Opposition verlieren könnte. In dieser Situation wollen die FührerInnen der USI eine linke politische Alternative zu Chávez anbieten, damit desillusionierte ArbeiterInnen nicht zu Hause bleiben – wie es im Verfassungsreferendum geschah – oder die Opposition unterstützen. Darum arbeiten sie an der Anerkennung der Partei in einer Reihe von Bundesstaaten sowie an Schritten, um eine bundesweite Partei zu werden. Der Gründungskongress der USI ist für diesen Sommer geplant.

Der Name der neuen Partei ist „sicherlich nicht ideal“, wie Miguel Angel Hernández zugibt. Doch die Wahlgesetze von Venezuela verbieten Parteien, „soziale Sektoren“ in ihrem Namen zu verwenden, also kann beispielsweise das Wort „Arbeiter“ nicht verwendet werden. Der ursprünglich vorgeschlagene Name der neuen Partei war „Partei der sozialistischen Linken“, aber der Wahlrat gab ihnen stattdessen den Namen „Sozialistische Einheit der Linken“.

Es gab bereits einige Vorbereitungsarbeiten zur Formation einer ArbeiterInnenpartei – zum Beispiel hat der regionale Kongress der UNT in Aragua letztes Jahr für den Aufbau eines politischen Instruments der ArbeiterInnenklasse gestimmt. Aber bis dato gab es keine großen Kampagnen für ArbeiterInnenversammlungen, um über die neue Partei zu diskutieren. Tatsächlich glauben die AktivistInnen, die die USI initiiert haben, nicht daran, dass jetzt der Moment für eine MassenarbeiterInnenpartei in Venezuela ist. Nur eine kleine Avantgarde hat mit dem Chavismo gebrochen, größere Brüche sind zwar unvermeidlich, aber nicht notwendigerweise in den nächsten Wochen oder Monaten. Die USI ist als Instrument vorstellbar, wenn signifikante Sektoren der ArbeiterInnenklasse sich von Chávez weg und nach links bewegen.

Die Diskussionen über den Aufbau einer neuen ArbeiterInnenpartei wurden rund um die venezuelanischen UnterstützerInnen der „Internationalen ArbeiterInneneinheit“ (UIT) geführt, einer internationalen trotzkistischen Strömung mit Schwerpunkt in Lateinamerika. Die USI ist denkbar als venezuelanische Sektion der UIT, als eine trotzkistische Kaderpartei mit nicht mehr als 100 bis 200 aktiven Mitglieder zu Beginn. „Es wird eine kleine Partei, aber sie wird wichtige ArbeiterInnenführerInnen zu ihren Mitgliedern zählen und über diese wird sie Masseneinfluss haben“, erklärt Miguel Sorans, ein Argentinier, der einer der wichtigsten Führer der UIT ist. Zur Zeit in Venezuela, glaubt er, dass es nicht möglich ist, eine Massenpartei aufzubauen, die auf den Gewerkschaften basiert und viele politische Tendenzen beinhaltet, ähnlich wie die „Arbeiterpartei“ (PT) im Brasilien der 1980er. „Der Unterschied ist, dass die PT rund um Lula gruppiert war, einen christlichen Gewerkschaftsbürokraten, wogegen die ArbeiterInnenpartei in Venezuela rund um Chirino, einen Revolutionär und Trotzkisten gruppiert ist.“

Es ist fast zehn Jahre her, seit die letzte relevante trotzkistische Organisation in Venezuela, die Sozialistische AbeiterInnenpartei (PST) sich auflöste. Viele lokale trotzkistische Gruppen existierten weiter – jede von ihnen gruppiert um eine/n GewerkschaftsführerIn aus der PST – und gaben kleine Zeitungen heraus. Der erste Anlauf, um diese Gruppen zusammenzubringen, war die Gründung der Partei für Revolution und Sozialismus (PRS) im Jahr 2005, die 2007 über die Frage des Umgangs mit der PSUV zusammenbrach.

Die Formierung der USI repräsentiert nun den nächsten seriösen Versuch, eine revolutionäre, sozialistische Organisation auf nationalem Niveau zu formieren, die auf der Prinzip der Unabhängigkeit von der Regierung basiert. Die UIT-AktivistInnen haben eine problematische Tradition in ihrer Beziehung zum Chavismo – so waren sie in der PRS gegen eine ArbeiterInnenkandidatur zu den Präsidentschaftswahlen. Die morenistische Tradition des Trotzkismus beinhaltet unzählige Anpassungen an den bürgerlichen Nationalismus und Populismus und viele abgekartete Spiele mit reformistischen BürokratInnen, abgerundet mit revolutionärer Phraseologie.

Aber es ist klar, dass die UIT in Venezuela die zentrale Rolle im Kampf für die politische Unabhängigkeit der ArbeiterInnen vom Chavismo spielt und die internationale Unterstützung von RevolutionärInnen verdient (ohne dabei Kritik an ihrer Inkonsequenz zu verschweigen). Die Formierung der USI könnte ein Schritt vorwärts im Aufbau einer unabhängigen revolutionären ArbeiterInnenpartei mit Massenbasis in Venezuela sein. Aber um die Massen für dieses Projekt zu gewinnen, wird es notwendig sein, sich nicht nur auf das Prestige der verschiedenen C-CURA FührerInnen zu verlassen (2) sondern breiteste Sektoren der ArbeiterInnenklasse in eine Kampagne einzubeziehen, die das Programm und die Perspektiven der neuen Partei diskutiert. Nur wenn der bürokratischen Kontrolle der PSUV radikale ArbeiterInnendemokratie entgegengestellt wird, wird es möglich sein, eine relevante Anzahl von AktivistInnen für die USI und eine unabhängige, revolutionäre Partei zu gewinnen.

Die ArbeiterInnen, die unter dem Chavismo am meisten gekämpft haben, sind diejenigen, die das größte Bewusstsein für die Notwendigkeit einer ArbeiterInnenpartei haben. Wie José Villegas, einer der Führer des Kampfes bei Sanitarios Maracay und Unterstützer des USI-Projektes erklärte: „Genauso wie wir ArbeiterInnen während der Streik-Sabotage der Bosse im Jahr 2002 oder durch die Erfahrungen mit der ArbeiterInnenkontrolle in Sanitarios de Maracay gezeigt haben, dass wir die Produktion kontrollieren und leiten können, möchten wir zeigen, dass wir auch das Land mit einer ArbeiterInnenregierung leiten können. Und dafür brauchen wir unsere eigene politische Partei ohne Bourgeois, ohne große LandbesitzerInnen, ohne BürokratInnen und ohne korrupte Leute.“

Anmerkungen
(1) eine längere Liste findet sich auf:  http://www.uit-ci.org/modules/news/article.php?storyid=112
(2) Anm. d. Übers: die C-CURA ist der linke Flügel der UNT

Von Wladek Flakin (unabhängige kommunistische Jugendorganisation Revolution) aus Caracas.
 http://www.revolution.de.com/


Übersetzt aus dem Englischen und in Zusammenarbeit mit der RSO (Revolutionär Sozialistische Organisation), www.sozialismus.net
Übersetzung: Michael Bonvalot, RSO Wien/Betriebsgruppe


Aktuelle Analysen der RSO zur Entwicklung in Venezuela:
Teil 1: "Bolivarischer Prozess" und Klassenkampf
 http://www.sozialismus.net/ue_texte/weiter-venezuela_1.html

Teil 2: PSUV und ArbeiterInnenbewegung
 http://www.sozialismus.net/ue_texte/weiter-venezuela_2.html

Teil 3: Referendum und weitere Perspektiven
 http://www.sozialismus.net/ue_texte/weiter-venezuela_3.html

Broschüre der RSO: Für eine sozialistische Revolution in Venezuela. Bilanz und Perspektiven des "bolivarischen Prozesses" und die Chancen für die Arbeiter/innen/klasse. Mai 2006, 96 Seiten A5, 3,50 Euro
Creative Commons-Lizenzvertrag Dieser Inhalt ist unter einer
Creative Commons-Lizenz lizenziert.
Indymedia ist eine Veröffentlichungsplattform, auf der jede und jeder selbstverfasste Berichte publizieren kann. Eine Überprüfung der Inhalte und eine redaktionelle Bearbeitung der Beiträge finden nicht statt. Bei Anregungen und Fragen zu diesem Artikel wenden sie sich bitte direkt an die Verfasserin oder den Verfasser.
(Moderationskriterien von Indymedia Deutschland)

Ergänzungen

Arroganter Artikel

W.I.U. 28.05.2008 - 13:53
Wenn der Schreiberling behauptet, das endlich eine revolutionäre, sozialistische Organisation aufgebaut wird ist das zutiefst beleidigend für alle SozialistInnen und KommunistInnen in Venezuela! Was es nicht gibt ist eine trotzkistische Partei die aus London bezahlt wird, so wie Linksruck, SAV, Revolution oder Spartakist WP. Revolutionäre Sozialistische Organisationen, die landesweit arbeiten gibt es: Wer macht denn bitte schön die Revolution in Venezuela? Die Genossen und Genossinnen bauen seit Jahren ihre Organisationen, Bewegungen, Räte, Stadtteiliniativen,... Was für ein arroganter, selbstgefälliger Artikel.

liebe Mods!

Entdinglichung 28.05.2008 - 15:01
könnt ihr diese menschenverachtenden Stalino-Sprüche in den Kommentaren löschen (und danach meinentwegen auch diesen Beitrag)! ... 1.) sicher gibt es an der UIT-CI einiges zu kritisieren, eine sektiererische oder gar antirevolutionäre Kraft (anders als viele der orthodoxen KPen in Lateinamerika (Argentinien, Mexico, Bolivien, etc.), die von den 1930er bis in die 1990er regelmässig Bruchlandungen damit produzierten, dass sie mit "demokratischen Sektoren der Bourgeoisie" (Liberalen, etc.) Bündnisse zum Nachholen der bürgerlichen Revolution schlossen, während "guevaristische", "trotzkistische", "castristische", "maoistische", "anarchistische" etc. Gruppen davon ausgingen, dass nicht die Entwicklung des Kapitalismus sondern die soziale Revolution gegen den Kapitalismus auf der Tagesordnung stehe) ist sie ganz bestimmt nicht. 2.) Es geht darum eine Revolution voranzutreiben und nicht darum, mit Chavez & der PSUV 100% übereinzustimmen, Bekenntnisrituale gehören in die Kirche! 3.) Verleumdungen wie Behauptungen, dass irgendwo der altböse Feind USA dahinter stehe, wenn mensch nicht 100% "auf Linie ist" stehen ebenfalls in der unsäglichen Tradition des Stalinismus und führten in der Vergangenheit dazu, dass enorme Energien aufgewendet wurden, linke DissidentInnen (Camillo Berneri, Andreu Nin, Pietro Tresso, etc.) zu ermorden anstatt gegen den gemeinsamen (faschistischen, kapitalistischen, etc.) Feind zu kämpfen. 4.) Lesetip: Michael Löwy: Marxism in Latin America from 1909 to the Present. An Anthology. Humanities Press: New Jersey/London 1992

Orlando Chirino ist dabei??

opa 29.05.2008 - 10:50
da sollte vielleicht daran erinnert werden, dass Orlando Chirino im vergangenen Jahr einer der Hauptorganisatoren der Spaltung der Klassengewerkschaftsströmung CCURA von der großen Gewerkschaft UNT war... unter anderem weil er vertritt man solle mit den rechten Oppositionsgewerkschaften zusammenarbeiten, weil ja alle Klasse sind...

Beiträge die keine inhaltliche Ergänzung darstellen

Verstecke die folgenden 5 Kommentare

Lustig lusitig

Euro 28.05.2008 - 14:31
Ist schon abgefahren, wie die Europäer immer wieder politische Bewegungen auf der ganzen Erde in Begriffe aus einer tiefen Vergangenheit für gegenwertige Bewegungen benutzen.
Aber schön immer an obsoleten Ideologien, Begriffen und Taktiken festhalten, damit sich linke emanzipatorische Politik auch noch bei dem letzten Menschen diskredetiert hat. Vorwärts in die Vergangenheit!

Sozialistische Einheitz-Partei

SED´ler 28.05.2008 - 15:00
Wo gabs das schon mal? Ich denke die Grundlegende Frage ist doch Zentralismus versus Föderalismus. Mensch sollte Die Basisgruppen von der Partei unterscheiden...

wichtige meldung

max 28.05.2008 - 16:24
Es wurde eine neue trotzkistische Partei gegründet, so etwas hat ja gerade zu Seltenheitswert. Zur wievielten Internationale gehören sie denn? Oder haben sie sich noch nicht so genau festgelegt?

Titel

Name 28.05.2008 - 20:42
Da werden die Wahlen wohl drauf hinauslaufen, dass der Linke Flügel des Spektrums sich zersplittert und die Rechten gewinnen.

zensur

jupp 30.05.2008 - 14:00
hallo mods,

ich habe vor einiger zeit hir einen komentar gepostet.
er war auch zu lesen und jetzt ist er weg.
ich habe keine beleidigungn geäusert.
nur kritik an dem trotzkistischen gewäsch.
was soll diese art von zensur.
offensichtlich nehmt ihr das mit der freien meinungsäuserung nicht ernst.
die linke wird immer abgefuckter.
mods abschaffen.