Biosprit - Verbrechen gegen die Menschheit

Ralf Streck 17.04.2008 12:04 Themen: Globalisierung Weltweit Ökologie
IWF und die Weltbank sind besorgt, dass die steigende Zahl von Hungernden die politische Stabilität vieler Länder gefährdet. Den Auftakt bildeten die starken Proteste vor gut einem Jahr in Mexiko, als die Preise für Mais so stark stiegen, dass sich viele Menschen ihre Tortillas kaum noch leisten konnten. Doch derzeit kommt es in vielen Ländern zu Aufständen und Protesten, wegen steigender Lebensmittelpreise. In Haiti führten die Hungerunruhen der letzten Tage zur Absetzung des Ministerpräsidenten, in Ägypten mündete ein Generalstreik in heftige Zusammenstöße mit der Polizei. Proteste gibt es auch schon in Bangladesh, Philippinen und Indonesien und in etlichen afrikanischen Ländern. Der Internationale Währungsfonds (IWF) und die Weltbank warnen, die Hungerrevolten könnten die politische Stabilität vieler Länder gefährden. Dabei ist der IWF für die fatale Situation mitverantwortlich, kritisiert der UN-Sonderberichterstatter für das Recht auf Nahrung deren Politik und er nennt die Erzeugung des so genannten Biosprit ein "Verbrechen gegen die Menschheit".

Mehr: Hungerrevolte und Ernährungskrise (18.04.)
"Sieben verlorene Jahre" bei der Hungerbekämpfung drohen wegen der hohen Nahrungsmittelpreise. Darauf wies der Weltbankchef Robert B. Zoellick beim gemeinsamen Frühjahrstreffen der Weltbank und des Internationalen Währungsfonds (IWF) in Washington hin. "Während sich manche Sorgen machen, wie sie ihren Benzintank füllen, kämpfen viele andere darum, wie sie ihren Magen füllen können", sagte Zoellick auf der Konferenz am Sonntag. Tatsächlich werde der Überlebenskampf für viele Menschen von Tag zu Tag schwieriger, weil die Ärmsten schon jetzt den mehr als 75 % des Einkommens für Nahrung ausgeben müssten.

Und die Entwicklung, die Zoellick für die Nahrungsmittelpreise aufzeigte, ist für viele arme Menschen tödlich. Nach dem Bericht "Rising Food Prices: Policy Options and World Bank Response" (pdf, 137kb) hat sich der Preis für Weizen in den letzten drei Jahren fast verdoppelt, obwohl soviel wie niemals zuvor produziert wird. Der Reispreis habe einen neuen historischen Höchststand erreicht und sei allein in den letzten zwei Monaten um etwa 75 % angestiegen. Die Preise für Nahrungsmittel seien allgemein in den letzten drei Jahren um 83 % in die Höhe geschossen.

Nach Schätzungen drohten weitere etwa 100 Millionen Menschen ins Elend abzurutschen, resümiert Zoellick, die zu den 850 Millionen Hungernden hinzukämen. Die Weltbank hat inzwischen eine Liste mit 33 Ländern aufgestellt, in denen gewaltsame Unruhen drohten, wie sie sich schon jetzt etwa schon in Haiti, Ägypten und Bangladesch und vielen anderen Ländern entladen.

In Haiti hatten sich die Unruhen bisher am weitesten entwickelt. Mindestens fünf Menschen wurden derweil bei den Protesten erschossen. Inzwischen hat das Parlament in Port-au-Prince den Ministerpräsidenten Jacques Edouard Alexis abgesetzt, der für den Preisanstieg verantwortlich gemacht wurde Zuvor hatte Präsident René Préval eine Preissenkung für Reis um 16 Prozent angekündigt hatte. Berichte von Hunger-Protesten kommen auch aus Ägypten, Burkina Faso, Kamerun, Elfenbeinküste, Senegal, Mauretanien, Äthiopien, den Philippinen, Indonesien und Pakistan.

Zu starken Protesten kommt es auch in Bangladesh, wo die Polizei die Reislager schützen muss. Bei einer Demonstration gingen am vergangenen Samstag in der Hauptstadt in Dhaka Spezialeinheiten der Polizei gegen Demonstranten mit Tränengas, Schlagstöcken und Warnschüssen vor. Hungernde Arbeiter hatten damit begonnen, die Geschäfte zu plündern. Ähnliche Vorfälle werden auch aus anderen Städten des Landes gemeldet.

Für den IWF-Direktor Dominique Strauss-Kahn braut sich eine gefährliche Lage zusammen. Viele Länder würden instabil, wenn die Nahrung so teuer bleibe wie bisher. "Es ist nicht nur eine humanitäre und wirtschaftliche Frage, sondern auch eine, die die Demokratie betrifft", sagte der IWF-Chef. Die hohen Preise zerstörten nicht nur die Wirtschaft von Staaten, sondern darüber werde auch die politische Verfasstheit dieser Länder bedroht.

Strauss-Kahn sagte, Mitarbeiter im gemeinsamen Entwicklungsausschuss von IWF und Weltbank bezeichneten die Herstellung von so genanntem Biosprit aus Nahrungsmitteln schon als eine "Verbrechen gegen die Menschheit". Einer der seit langer Zeit vor dieser Entwicklung warnte, ist Jean Ziegler. Auch der Schweizer UN-Sonderberichterstatter für das Recht auf Nahrung benutzt eine deutliche Sprache.

Was sich in vielen armen Ländern entwickelt, sei der Auftakt für eine Epoche von intensivsten Konflikten, meint Ziegler: "Das sind Aufstände der nackten Verzweiflung von Menschen, die um ihr Leben fürchten und von Todesangst geplagt auf die Straße gehen." Als einen Faktor für die Entwicklung nennt auch er die Produktion von Treibstoffprodukten. Allein die USA hätten die Herstellung von Biosprit im vergangenen Jahr mit sechs Milliarden US-Dollar subventioniert, um vom Öl unabhängiger zu werden. "Die Bio-Treibstoff-Fabrikation heute ist ein Verbrechen gegen die Menschheit", resümiert auch Ziegler.

Zur Umwandlung von hunderten Millionen Tonnen von Mais, Getreide, Reis in Treibstoffe sei ein "Primärfaktor", zu dem weitere Faktoren hinzukämen. Da sei vor allem die Spekulation an den Börsen zu nennen. Ein Effekt der Finanzkrise, ausgelöst durch die platzende Immobilienblase in den USA, sei, dass sich das Spekulationskapital neue Anlageformen gesucht hätte und auf die Nahrungsmittel gestoßen sei, was verschärfend auf die Preisentwicklung wirke.

Doch Ziegler macht auch den IWF für das "Massaker" verantwortlich. Der IWF hätte über seine Strukturanpassungsprogramme viele arme Länder gezwungen, Baumwolle, Kaffee, Kakao und andere Produkte einer hoch industrialisierten Landwirtschaft anzubauen, damit sie diese auf dem Weltmarkt verkaufen und aus den Erlösen ihre Kredite bedienen zu können. Das sei zu Lasten der Nahrungsmittelsouveränität gegangen.

Er fordert deshalb, dass die Politik des IWF radikal umgestaltet wird. Das Geld müsse künftig in Agrarprojekte fließen, die Kleinbauern und die Selbstversorgung der Menschen, fördert. Dazu müsse auch die Europäische Union ihr Agrar-Dumping stoppen, fordert er: Die EU finanziere den Export von Agrarüberschüssen und ruiniere damit zum Beispiel die afrikanische Landwirtschaft. "Denn heute können Sie auf jedem afrikanischen Markt deutsches, französisches, belgisches Gemüse zur Hälfte oder zu einem Drittel des Preises gleichwertiger einheimischer Produkte kaufen."

Die internationale Spekulation auf Nahrungsmitteln müsse ebenfalls gestoppt werden. Heute könne man mit nur fünf Prozent Eigenkapital ganze zukünftige Ernten kaufen. Wenn diese Grenzen auf Eigenkapital auf 30 oder 40 Prozent angehoben würden, wäre das Spekulationsrisiko größer, weshalb die Spekulationen sich wenigstens verlangsamen würden.

Der IWF und die Weltbank hatten dazu aufgerufen, dem Welternährungsprogramm der Vereinten Nationen (UNO) umgehend 500 Millionen Dollar (320 Millionen Euro) zur Verfügung zu stellen. Die Weltbank will ihre Mittel zum Ausbau der Landwirtschaft in armen Ländern zudem von 800 Millionen Dollar auf eine Milliarde Dollar aufstocken. Doch ein falscher Einsatz der Gelder birgt ebenfalls die Gefahr, die Abhängigkeiten nur noch weiter zu verstärken.

So fordert Hans-Joachim Preuß, Generalsekretär der Welthungerhilfe eine Trendwende in der Entwicklungspolitik. "Es müssen mehr Mittel für Landwirtschaft, für ländliche Entwicklung zur Verfügung gestellt werden, damit Straßen gebaut werden können, damit landwirtschaftliche Beratung erfolgen kann, damit Bewässerungssysteme gebaut werden". Die Desinvestition in die Landwirtschaft müsse umgekehrt werden. Von einst 20 % der Entwicklungshilfe würden heute dafür nur noch 3 - 4 % eingesetzt. "Das ist viel zu wenig, um diese Quelle der Ernährung vieler, vieler Menschen voranzubringen".

Er warnte auch vor einer künstlichen Verbilligung von Lebensmitteln als Reaktion auf die Nahrungsmittelkrise. Das führe nämlich dazu, dass der kleine Anreiz, der von höheren Lebensmittelpreisen auf die Landwirtschaft ausgeht und auch die Regierungen zum Umdenken zwingt, verloren gehe. "Kurzfristig müssen Menschen über Beschäftigungs- und Sozialprogramme in die Lage versetzt werden, sich Lebensmittel zu kaufen".

© Ralf Streck, den 17.04.2008
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Ergänzungen

„Biosprit macht Hunger“

Radio Dreyeckland 17.04.2008 - 14:31
Mit der Aktion „Biosprit macht Hunger“ protestiert das INKOTA-netzwerk gegen die starre Haltung von Bundesumweltminister Gabriel, der an der Ausweitung der Biokraftstoffnutzung festhält. Weltweit gibt es immer mehr Belege dafür, dass die Förderung der Agrokraftstoffproduktion nicht nur aus umweltpolitischen Erwägungen höchst zweifelhaft ist, sondern auch in erheblichem Maße für die aktuelle globale Hungerkrise aufgrund von Nahrungsmittelpreissteigerungen verantwortlich ist. Doch Gabriel schwört weiterhin, dass dies alles nichts mit seiner Biospritpolitik zu tun habe und will die Zwangsbeimischung von Biodiesel in den nächsten Jahren weiter erhöhen. Mit Protestpostkarten und Großbanner-Aktionen will INKOTA den Umweltminister zum Kurswechsel bewegen.

Radiobeitrag:
 http://www.freie-radios.net/portal/content.php?id=22013

Auch eine Chance

sandankoro 17.04.2008 - 15:15
Bislang mussten die Bauern in den meisten Laendern dieser Welt gegen eine Uebermacht aus hochsubventionierten und hochgeruesteten Agrarunternehmen aus Europa, den USA und Canada sowie Laendern wie Brasilien, Argentienien und Australien anarbeiten. Durch die Subventionen auf die Produktion und Transporte von Milchpulver, Weizen, Kartoffeln, Mais etc, war die einheimische Landwirtschaft kaum konkurrenzfaehig. So dramatisch also nun die steigenden Lebensmittelpreise fuer die Bevoelkerung der Staedte in Afrika, Asien und Suedamerika ist, so eine grosse Chance bietet sich auch lokalen Bauern, die endlich die Moeglichkeit haben, realistische und kostendeckende Preise fuer ihre Produkte zu bekommen. Enorme landwirtschaftliche Flaechen wurden in den letzten Jahrzehnten gar nicht oder nur extensiv genutzt, das wird sich jetzt aendern, insofern liegt in der derzeitigen Krise auch die Chance fuer viele arme Bauern auf Entwicklung und ein besseres Leben. Das viele diesen apprupten Sprung nicht alleine taetigen koennen ist klar und dementsprechend sind verstaerkte Hilfsangebote und Zugang z.B. zu kleinen Maschinen, besseren Lagerungs- und Transportmoeglichkeiten, eine bessere internationale Infrastruktur etc. unerlaesslich.

In der Krise liegt immer auch eine Chance, nun bleibt abzuwarten, wer die Moeglichkeiten hat diese Chance zu nutzen.

vergesst dabei nicht

ruepelstimmchen 18.04.2008 - 00:52
den verbrauch anderer rohstoffe.

um z.b. aus 400 kg mais 100l bioethanol zu erstellen
braucht es ca. 5000l sauberes wasser ( trinkwasser )
und auch strom.

damit sieht die ökobilanz ziemlich mies aus. für
alle, nicht nur die dritte welt.

ask schweiz-kolumbien

antonia 18.04.2008 - 03:46
Auch in Kolumbien zeichnen sich durch den Bioenergieboom grosse Probleme ab. Kolumbien steht heute mit etwa 350'000 Hektaren Palme an 4. oder 5. Stelle weltweit bezüglich Anbaufläche. 2004 wurden 35% des Palmöls exportiert, obwohl ein Produktionsdefizit von pflanzlichen Ölen besteht und das Land 23% des Gesamtkonsums importieren muss. Gleichzeitig besteht ein Defizit an Dieselöl und es müssen mehrere Tausend Fass täglich importiert werden. Die Biodieselproduktion aus Palmöl soll diesen Importbedarf2 reduzieren, aber auch Exportmärkte erschliessen. Die gesetzliche Grundlage dazu besteht, und auch mehrere Sonderwirtschaftszonen für die Biodieselproduktion sind geplant. Seit der
Regierung Pastrana wird deshalb die massive Expansion der Anbauflächen gefördert und unter Uribe wurde die Ölpalme zu einem der wichtigsten Agrarprodukte und deren Förderung quasi zur Staatspolitik erklärt. Uribe spricht von einer Ausdehnung der Anbaufläche auf 3 oder gar 9 Mio Hektaren. Beim aktuellen Dieselkonsum wären für B10 etwa 100'000 Hektaren Ölpalme notwendig. Langfristig wird eine Zugabe von 30% Biodiesel geplant.
Dadurch würden dem Palmenanbau und der Biodieselproduktion nicht nur ein Grossteil der
heutigen landwirtschaftlich genutzten Fläche geopfert, sondern auch grosse Urwaldgebiete v.a. an der Pazifikküste verloren gehen. Die staatlichen Fördermassnahmen enthalten heute vielfach perverse Anreize, in dem sie z.B. die Abholzung fördern. In Kolumbien ist die Ernährungssouveränität seit der wirtschaftlichen Öffnung ab 1990 gefährdet: der
Import von Nahrungsmitteln hat sich zwischen 1990 und 2000 verachtfacht, 3 bis 5 Millionen Hektaren gutes Ackerland dienen lediglich der extensiven Viehzucht und der Spekulation. Kommt es zur Ratifizierung des Freihandelsabkommens mit den USA, wird sich dieser Prozess weiter verschärfen. Uribe sieht in der Ölpalme und in der Produktion von Biodiesel eine Chance, dieses Brachland wieder zu bestellen. Tatsächlich werden grosse Flächen von Landwirtschaftsland ungenügend genutzt, welches für den Anbau von Ölpalmen geeignet ist. Ein bedeutender Teil dieses Landes gehörte aber Bauern, die durch den internen Konflikt vertrieben wurden und auf die Rückgabe ihres Besitzes warten. Der Vertreibungsdruck geht aber auch heute noch weiter, und die Regierung Uribe versucht, einen gigantischen Landraub zu legalisieren. Das Land in den Händen der paramilitärischen Anführer und der Drogenhändler soll für wirtschaftliche Projekte zur Wiedereingliederung der demobilisierten
Kämpfer verwendet werden, z.B. für Ölpalmen. Den Landlosen, den Vertriebenen und den verarmten Kleinstbauern offeriert Uribes Agrarpolitik Arbeit in den Palmplantagen. Die Vertriebenen sollen Angestellte werden von Verursachern schwerster Menschenrechtsverletzungen! Während die staatliche Agrarpolitik einige Cash crops und mehrjährige Plantagen wie Kautschuk, Zitrusfrüchte, Gentech- Baumwolle und eben Ölpalme unterstützt, hat die vorwiegend von Kleinbauern betriebene Nahrungsmittelproduktion kaum staatliche (Finanz-) Unterstützung. Landarbeitergewerkschaften beklagen auf vielen Plantagen sehr schlechte Arbeitsbedingungen: die Arbeit ist gefährlich, der Umgang mit Pestiziden nachlässig, die Sozialversicherungen ungenügend und der Lohn kläglich. In verschiedenen Plantagen werden die Arbeiter z.T. nicht in Bar entlöhnt, sondern
mit Gutscheinen für den plantageneigenen Laden. Die Gewerkschaften der Palmarbeiter gehören zu denjenigen, die am stärksten verfolgt und in gewissen Landesgegenden vollständig ausgerottet wurden. Dutzende von Gewerkschaftern wurden durch Paramilitärs und Auftragskiller ermordet, der Verband der Palmenpflanzer gilt als einer der Wirtschaftsverbände – zusammen mit den Bananenexporteuren und den Viehzüchtern – die am stärksten den Aufbau paramilitärischer Strukturen mitgetragen haben.

Preise

milan 19.04.2008 - 19:02
"Denn heute können Sie auf jedem afrikanischen Markt deutsches, französisches, belgisches Gemüse zur Hälfte oder zu einem Drittel des Preises gleichwertiger einheimischer Produkte kaufen."

Kann mir das jemand erklären? Das heißt auf afrikanischen Märkten wird einheimisches Gemüse für den doppelten Preis von europäischem Gemüse verkauft? Wer kann sich denn das bitte leisten? Oder wird das exportierte europäische Zeug in Afrika viel billiger als in Europa selbst angeboten?

Subventionspolitik

Beispieler 20.04.2008 - 19:25
die USA und die Europäische Union zerstoeren mit ihrer Subventionspolitik die Existenz vieler Bauern in den ärmeren Ländern.

Ein anschauliches Beispiel aus der Sueddeutschen Zeitung:  http://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/artikel/334/169840/

Südeuropäische Konzerne exportieren Tomatenmark-Dosen nach Ghana und verkaufen sie dort für rund 29 Cent. Ghanaische Hersteller müssen die Dose für 35 Cent anbieten, wenn sie von dem Geschäft leben wollen. Weil sie teurer verkaufen als die Europäer, werden sie vom Markt verdrängt. Die Europäer könnten sich den niedrigen Preis leisten, weil die EU die Tomatenproduzenten jährlich mit 380 Millionen Euro unterstütze, erklärt Mari. Außerdem erhielten die Firmen für einen Teil der Exporte eine Subvention von 15 Cent pro Kilo, wenn sie den Überschuss, den sie in der EU nicht absetzen können, außerhalb Europas verkauften. Insgesamt exportieren die Europäer jährlich 400.000 bis 500.000 Tonnen ihrer Produktion von elf Millionen Tonnen. Für 135.000 Tonnen bekommen sie die Exportvergütung.

"Die Subventionen führen dazu, dass das Tomatenmark aus der EU um die Hälfte billiger angeboten werden kann, als es die Herstellungskosten erlauben", sagt Mari. Mit anderen Worten: Ohne Subventionen müssten die EU-Bauern für die Tomatenmark-Dose in Ghana 58 Cent verlangen. Die ghanaischen Hersteller wären mit 35 Cent deutlich im Vorteil. Seit 1998 ist der Import von Tomatenmark aber um 650 Prozent auf 24.740 Tonnen gestiegen. Größtenteils stammt das Tomatenmark aus der EU.

Dass das nicht sein muss

Ralf 21.04.2008 - 13:05
Zeigt sich auch am Beispiel Bolivien:  http://de.indymedia.org/2008/04/214196.shtml

Agrartreibstoffe aus Hanf?

Nachtschattenreich 21.04.2008 - 14:10
Biosprit, das heißt heute normalerweise entweder Speiseöle oder Stärke- und Zuckerprodukte (Glukose), welche dann in der Nahrungskette fehlen. Unverdauliche Zellulose (Faserstoffe, Holz, Papier) können beim gegenwärtigen Stand der Technik lediglich in großen Industrieanlagen verflüssigt werden. Könnte der Hanf das ändern?

Interview mit S. Reiner (Regenwaldinstitut Freiburg) im Nachtschattenreich-Podcast Ausgabe 3.

zwei Broschüren zum Thema

Entdinglichung 21.04.2008 - 17:12
zwei lesenswerte Veröffentlichungen des "Transantional Institute" dazu: Agrofuels. Towards a reality check in nine key areas und Paving the way for Agrofuels. EU policy, sustainability criteria, and climate calculations (beides pdf-Dateien)

re: Hanf als rohstoff

NoR 22.04.2008 - 17:38
Es ist prinzipiel möglich auch hanf zu Biosprit zu verarbeiten, bzw. aus den ölhaltigen
Samen Treibstoff herzustellen. Das Problem ist leider auch, dass für den Anbau Ackerfläche genutzt werden müsste, die dann nicht mehr der Lebensmittelproduktion zu verfügung steht.
Es entsteht also das gleiche Problem, wie wenn Mais oder Palmöl verwendet wird.
Sorry, aber Hanf kann ja auch nicht bei allen Problemen die Lösung sein ;)

Paraguay

globi 22.04.2008 - 23:48
Dieser Bericht ist wohl eine Erklaerung fuer den Wechsel in Paraguay.

 http://www.tagesanzeiger.ch/dyn/news/ausland/863813.html

Re: Hanf

Nachtschattenreich 23.04.2008 - 17:35
Wenn Hanföl zu Biodiesel verarbeitet wird dann entfällt es als Speiseöl. Im Gegensatz zur Ölpalme kann Hanf in den gemäßigten Klimazonen angebaut werden, und dort auch auf für den Maisanbau ungeeigneten Grenzertragsflächen, mit wesentlich weniger Chemie als Raps und am besten in Fruchtfolge mit standortüblichen Lebensmittelpflanzen.

Was die Zelluloseverflüssigung allerdings nicht leisten kann, ist ein simples "weiter so" nach dem Motto "Erdöl raus, Hanf rein." Aber wer so weit weg von der Realität denkt dem kann durch innerliche Anwendung geholfen werden. ;) Davon mal abgesehen ist der Planet immer noch groß genug um alle sattzumachen.

gescheite abfolge

Ackergau 26.04.2008 - 18:58
In der Ernteabfolge; mit Unterbrechungen für eine Erholung des Bodens,
entsteht Brachland, und das wurde lange Zeit in Europa hoch subventioniert.
Logischerweise, denkt man, lässt man dort stattdessen einfach etwas wachsen, das wenig aufwand bruacht und für den Boden genauso gut oder besser(;) ist als Brache.
Dann kommt geld in die Kasse, der Staat spart Subventionen, und die Ölmühle oder Verwerter von nebenan (Biogas o.s.) zahlt moderaten Preis weil er weiterverarbeiten tut, was ohne viel Aufwand wachsen durfte, da es ja auch der Bodenerholung nutzen sollte, und nie als Nahrungsnittel gedacht war.
Zudem auf einer Fläche, die sonst Leer gestanden hätte.

Relativ schnell, haben damals aber Firmen angefangen über die Palmenplantagen zu reden und zu planen, wahrscheinlich um Flächen zu nutzen die eh gerodet wurden, oder noch werden sollten.

andere Möglichkeiten

elfboi 30.04.2008 - 00:14
Man kann auch anders flüssige Treibstoffe gewinnen... man kann alle möglichen organischen Abfallstoffe (organisch im Sinne der organischen Chemie, also nicht nur Stroh, Holzreste, Tierkadaver und landwirtschaftliche Abfälle, sondern auch alte Autoreifen, Plastikmüll etc.) unter hohem Druck und bei hoher Temperatur thermisch zersetzen, wobei ein künstliches Rohöl entsteht, welches genau wie natürliches Rohöl weiterverarbeitet werden kann. Weiterhin entsteht bei dem Prozeß auch Methan, welches direkt an Ort und Stelle benutzt wird, um elektrische Energie und Prozeßwärme für eine solche Anlage zu gewinnen.

Also ran an die alten Mülldeponien und den ganzen alten Plastikscheiß ausbuddeln, um daraus neues Öl zu machen...

Sicher, damit lassen sich unmöglich die Mengen herstellen, die wir heute benötigen. Aber diese Mengen wird es so oder so bald nicht mehr geben, es hilft alles nichts: Die Welt wird in Zukunft wieder größer, Reisen und Transporte wieder langsamer und teurer werden. Aber wozu Güter und Personen bewegen, wenn man auch Daten bewegen kann? Wir müssen es nur schaffen, unsere Stromversorgung auf regenerative Quellen umzustellen, und den Fernverkehr zu Lande weitgehend auf elektrische Eisenbahn, dann geht das schon... und für die paar Bereiche, wo man auch langfristig auf flüssige Treibstoffe nicht verzichten kann, wird das Öl aus Müll schon noch ausreichen.

Das Niveau, was wir heute haben, können wir uns natürlich abschminken. Da hätten wir schon vor 15 oder gar 20 Jahren ganz massiv anfangen müssen, die Infrastruktur umzubauen. Ein wenigstens teilweiser Kollaps wird sich kaum noch vermeiden lassen, große Teile der Infrastruktur sind so sehr von fossilen Energieträgern und Autoverkehr abhängig, daß da nur noch abreißen und neubauen hilft - was natürlich eher ungeordnet und chaotisch ablaufen wird, weil die meisten Politiker immer noch glauben, man könne das System irgendwie retten...

Alternativen gesucht.

-k 30.04.2008 - 16:21
Die Loesung komplexer globaler Probleme ist nicht unbedingt leicht. Die Welt verschlingt unglaubliche Mengen an Energie und erneuerbare Rohstoffe sind im Prinzip natuerlich nichts schlechtes. Viele der Rohstoffe (z.B. Mais) verbrauchen leider in der Produktion annaehernd soviel Energie, wie sie liefern. Guenstiger ist dieser Quotient beim Zuckerrohr (siehe Brasilien). Natuerlich werden dadurch landwirtschaftliche Nutzflaechen der Nahrungsproduktion entzogen. In vielen Laendern gibt es aber ohnehin Ueberproduktion und die schlechte Welternaehrungslage hat etwas mit Verteilungsproblemen zu tun. Der Quotient kann weiterhin verbessert werden, wenn statt dieser idiotischen Verbrennungsmotoren Autos Fuel-Cells einsetzen. Die Entwicklung von Etanol-Fuel-Cells geht zuegig voran, auch Dank neuer Entwicklungen in Nano-Technologie. Insbesondere arbeiten Wissenschaftler an besseren Katalysatoren (groessere Oberflaeche durch Nano-Partikel) und besserer Elektronenuebetragung in der Membran.

Der globale Energieverbrauch ist das Problem. Sonnenenergie und Windenergie werden in der naeheren Zukunft wohl kaum ausreichen, um ausreichend Energie zu liefern. Natuerlich sollte man versuchen, soviel Energie wie moeglich auf diesem (und anderen) Wegen zu produzieren. Sparen ist auch wichtig. Kurzfristig wird es aber wohl wieder zu einer vermehrten Produktion von Kernkraftwerken kommen. Habe mit einem Freund ueberschlagen, dass der gesammte globale Energieverbrauch der Erde mit etwa 30,000 KKWs abgedeckt werden kann. Das will wohl auch kaum jemand, oder?

In Brasilien sind Naturschutzgebiete bedroht

Aktivista 30.04.2008 - 17:13
Im brasilianischen Bundesstaats Bahia soll ein einzigartiges Naturschutzgebiet an der Küste für ein Industriegebiet und einen Tiefwasserhafen geopfert werden. Über den Hafen sollen Eisenerz, Soja und Agrarsprit aus Zuckerrohr exportiert werden. Das ausgewählte Areal bedroht gleich drei einzigartige Naturschutzgebiete. Die Regenwälder der Gegend wurden von der UNESCO zum Biosphärenreservat erklärt.

Helfen Sie mit, den Gouverneur von Bahia zu einer Rücknahme seiner Entscheidung zu bewegen. Weitere Infos dazu und einen Musterbrief finden Sie auf unserer Webseite unter www.regenwald.org.


Heiliger Schrein der Schamanen in Brasilia von Grundstücksspekulation bedroht
 http://www.indymedia.org/de/2008/04/903873.shtml

stimmt so nicht ganz

safran 05.05.2008 - 21:54
zitat:
Er fordert deshalb, dass die Politik des IWF radikal umgestaltet wird. Das Geld müsse künftig in Agrarprojekte fließen, die Kleinbauern und die Selbstversorgung der Menschen, fördert. Dazu müsse auch die Europäische Union ihr Agrar-Dumping stoppen, fordert er:

Die EU finanziere den Export von Agrarüberschüssen und ruiniere damit zum Beispiel die afrikanische Landwirtschaft. "Denn heute können Sie auf jedem afrikanischen Markt deutsches, französisches, belgisches Gemüse zur Hälfte oder zu einem Drittel des Preises gleichwertiger einheimischer Produkte kaufen."

Ist doch besser Nahrungsmittel billig an Afrika zu verkaufen als zu teuer. Eine Lösung wäre das europäische importierte Gemüse in Afrika so zu versteuern, dass es preislich mit den einheimischen Produkten im Einklang ist. Von diesem Geld könnten soziale Werke finanziert werden.

fakten? nein...

ökologe 07.05.2008 - 09:04
denn biosprit erzeugt keine armut, sondern eher eine politik und wirtschaftliche strukturen, die lebensmittelflächen für biospritkraftstoffe erträglicher machen.
zudem gibt es wie bsplw. mit der jatropha-nuss einige alternativen von krafstoffträgern, die jenseits von normalen ackerflächen wachsen!

Wie die Hungerkrise global zuschlägt

Tagesschau 07.05.2008 - 18:46
Was dem europäischen Vieh die Sojabohne ist, ist dem amerikanischen Vieh der Mais. Dieser wird dort als Futtermittel angebaut und als Basis für Biokraftstoff. Mais dient in den USA vor allem als wirtschaftliches Produkt - weniger als Nahrungsmittel für die Menschen. Den amerikanischen Bauern hilft diese Art der Maisverwertung zu überleben. ARD-Korrespondent Klaus Scherer berichtet aus Iowa.

Video:  http://www.tagesschau.de/wirtschaft/mais6.html

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