Veranstaltung "Hexenjagd im 21. Jhd."

Feda 14.03.2008 17:03 Themen: Repression Weltweit
Am Rahmen der Aktionen und Aktivitäten zum 18. März, dem Tag der politischen Gefangenen, fand am 13. März 2008 in den Ladengalerie der Tageszeitung junge Welt eine Veranstaltung unter dem Titel "Hexenjagd im 21. Jhd." statt, wobei über die Definition des Terror-Begriffes, die Anti-Terror-Gesetze und Terrorlisten und über die Repression und die anstehenden Verfahren gegen angebliche Mitglieder der mg (militante gruppe) und der DHKP-C (Revolutionäre Volksbefreiungspartei-Front) informiert und diskutiert wurde.
Die Veranstaltung, die gemeinsam von der Jungen Welt und dem Netzwerk Freiheit für alle politischen Gefangenen organisiert wurde begann mit einer kurzen Begrüßung durch einen Vertreter der Zeitung.
Als erster Redner übernahm Rechtsanwalt Selcuk Kozagacli aus Ankara das Wort und stellte seine Organisation vor. 2500 Juristinnen und Juristen seien Mitglieder des CHD (Progressiver JuristInnenverband), welches in der Türkei ebenfalls mit Repression konfrontiert sei. Kozagacli sprach zunächst über die Definition des Terror Begriffes und verwies darauf, dass dieser Begriff seine Ursprünge in der französischen Revolution und den Jakobinern habe und mit einer Ethik und Moralvorstellungen verbunden gewesen sei. Im Anschluss dan diesen Teil sprach Kozagacli über das türkische Anti-Terror-Gesetz mit der Bezeichnung Artikel 301 und die beabischtigte Veränderung bzw. Kategorisierung dieses Gesetzes. Laut Kozagacli seien sowohl die türkische Regierung, die oppositionellen Kräfte und die EU mit diesem Gesetz, der die Meinungsfreiheit erheblich einschränke, unzufrieden. Jedoch werde in der Türkei eine Kategorisierung dieses Gesetzes angestrebt, was zwar Opposition in zwei Lager spalten soll. Demnach solle der passive Protest legalisiert und der aktive Protest kriminalisert werden. Kozagacli erklärte, dass eine solche Kategorisierung nicht akzeptabel sei und die politische Dimension dieser angestrebten Kategorisierung verstanden werden müsse. Im letzten Teil seiner Rede ging Kozagacli auf die USA und ihren Anti-Terror-Krieg ein und erklärte, dass die USA keine natürlichen Feinde habe, aber dass eine Notwendgkeit für den Staatsapparat in den USA bestünde, neue Feindbilder zu schaffen, um ihr System zu erhalten.
Nach dem Beitrag des Rechtsanwaltes übernahm der Rechtsanwalt Ulrich von Klinggräff das Wort und berichtete über das anstehende §129b Verfahren in Stuttgart und ging dazu auch auf die EU-Terrorliste ein. Klinggräff schilderte, dass in den Jahren 2006 und 2007 fünf Personen verhaftet worden seien, denen vorgeworfen werde, Mitglieder der DHKP-C zu sein. Er fügte an, dass den Gefangenen vorgeworfen werde, Gelder und Waffen für die DHKP-C beschafft zu haben. Klinggräff schilderte, dass der §129b eine Ergänzung des §129a sei und für Organisationen gelte, die im Ausland operierten. Weiter erklärte Klinggräff, dass auch der §129b - wie der §129a - ein Ermittlungsparagraph sei. Klinggräff betonte, dass es wichtig sei, diesen Prozess mitzuverfolgen, da es der erste größere §129b Prozess gegen die Linke sei und vorher weitestgehend Personen mit islamistischem Hintergrund nach §129b angeklagt gewesen seien. Weiter antwortete Klinggräff auf die ihn gestellten Fragen hinsichtlich der EU-Terrorliste und erklärte, dass es keinen Rechtsschutz gegen diese Listen geben würde und Personen, die auf der Liste aufgeführt seien, jegliche Rechte verlieren würden.
Als dritter Redner übernahm ein Betroffener aus dem mg-Verfahren das Wort und schilderte in eindringlicher und ausführlicher Weise die Verhaftung im letzten Sommer und die anschließende Haft. Demnach seien die im Sommer 2007 verhafteten angeblichen mg-Mitglieder observiert worden und nach einem Brandanschlag auf Bundeswehrfahrzeuge verhaftet worden. Der Redner erklärte, dass die Polizisten mit brachialer Gewalt die Verhaftungen durchgeführt hätten und sie ihre Anwältinnen und Anwälte 20 Stunden nach der Verhaftung geprochen hätten. Der Redner schilderte anschließend von dem Flug nach Karlsruhe, wo sie dem Haftrichter vorgeführt worden seien. Im Anschluss daran schilderte der Redner die 4 monatige Haftzeit in der Berliner JVA Moabit und die Haftbedingungen. Er erklärte, dass die Haftbedingungen zwar hart gewesen seien, aber nicht mit den Haftbedingungen wie damals gegen die Gefangenen aus der RAF oder gegen türkische und kurdische Gefangene zu vergleichen seien. Der Redner wies darauf hin, dass der Prozessauftaktstermin noch nicht feststünde, jedoch Kampagnen dahingehend angedacht würden.

Im Anschluss an die Beiträge wurden die Fragen aus dem Publikum beantwortet und ein Aufruf zur Teilnahme an der Demo am 15.3. gemacht.
Die Veranstaltung, die von einem Vertreter des Netzwerk Freiheit für alle politischen Gefangenen und des Gefangenen Info moderiert wurde, endete nach ca. zwei Stunden.

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An die Presse und an die Öffentlichkeit


Erklärung des 18. März Bündnisses;
Am 15. März demonstrieren wir für die politischen Gefangenen!
Demobeginn: 15 Uhr, U-Bhf Mehringdamm

Der 18. März ist seit 1922 der Tag der Solidarität mit den politischen Gefangenen. Der 18. März, der durch die Repression des Naziregimes verboten wurde, ist heute noch ein Anlass für uns, die Stimme der politischen Gefangenen an die Öffentlichkeit zu tragen und zu zeigen, dass wir für ihre Befreiung kämpfen.

Auch wenn in fast sämtlichen Ländern von staatlicher Seite her behauptet wird, dass es keine politischen Gefangenen in ihren Gefängnissen gäbe, so trifft dieses nicht der Wahrheit zu. Auch in der BRD wird die Gegenwart der politischen Gefangenen verleumdet. Auch in der BRD werden politische Gefangene als "kriminelle" Subjekte vorgeführt, obwohl sie offen einer politischen Gesinnungsjustiz ausgesetzt sind; dieses nicht zu akzeptieren bedeutet die Wahrheit nicht zu akzeptieren!

In der BRD befinden sich zwei Gefangene aus der RAF (Rote Armee Fraktion) seit Jahrzehnten in Gefängnissen. Neben ihrer Haft und die Hetze dauert die Repression gegen sie und andere ehemalige Gefangene mit den aktuellen Beugehaftandrohungen an. Neben diesen politischen Gefangenen gibt es eine Vielzahl weiterer politischer Gefangener, die sich zumeist unter harten Haftbedingungen in deutschen Gefängnissen befinden. Als Beispiel hierfür ist der schwer herzkranke Mustafa Atalay zu nennen, der nur drei Wochen nach einer Bypass Operation verhaftet und in Isolationshaft gesperrt wurde und seit fast 18 Monaten festgehalten wird.

Sowohl damals gegen die RAF, als auch heute gegen verschiedene Gruppen aus der revolutionären Linken wurden und werden die Anti-Terror-Gesetze á la §129a bzw. b eingesetzt, um die Gesetze für Rechte und Freiheiten dieses "Rechtsstaates" auszuhebeln und dem Staatsterror den Weg zu ebnen. Neben massivster Repression gegen die Anti-G8 Bewegung wurden letztes Jahr vier Personen wegen vermeintlicher "Mitgliedschaft in der mg (militante gruppe)" nach §129a eingesperrt und im Laufe des Jahres wieder freigelassen. Auch wenn der §129a auf §129 heruntergestuft wurde, so besteht immer noch der Vorwurf der Gründung einer kriminellen Vereinigung. Während der Prozessauftaktstermin gegen die vermeintlichen mg-Mitglieder noch unbekannt ist, wird am 17. März in Stuttgart ein §129b Prozess gegen angebliche Mitglieder der DHKP-C (Revolutionäre Volksbefreiungspartei-Front) beginnen. Hierbei befinden sich fünf Personen seit ende 2006 in Haft und sind angeklagt, Geld und Waffen für die DHKP-C beschafft und geschmuggelt zu haben.

Natürlich beschränken wir uns am 18. März nicht nur auf die BRD und thematiseren auch die Situation der politischen Gefangenen in anderen Ländern. So nehmen wir z.B. Bezug auf die Situation in Spanien und im Baskenland, wo die politischen Gefangenen blutiger Folter ausgesetzt sind und neben der "herkömmlichen" Isolationshaft á la Stammheim auch ständigen Verlegungen von Gefängnis zu Gefängnis ausgesetzt sind. Auch in Italien sitzen etliche politische Gefangene in Gefängnissen, wo am 27. März der Prozess gegen vermeintliche Mitglieder der PCP-M (Politisch Militärische kommunistische Partei) beginnen wird. Wie in den EU-Staaten, wo die Jagd auf Oppositionelle mittels Anti-Terror-Gesetze und Terrorlisten andauert, setzt sich die Repression insbesondere gegen linke Kräfte weltweit fort. So weisen wir unter anderem auf die FARC-Mitglider Sonja und Simon Trinidad hin, die von der kolumbianischen Regierung an die USA ausgeliefert wurden und machen auf die Situation der tausenden politischen Gefangenen in Kolumbien hin. Neben den unzähligen politischen Gefangenen in Latein Amerika solidarisieren wir uns mit den politischen Gefangenen in den USA, wo die Gefangenen teilweise seit über 30 Jahren eingesperrt sind. Neben politischen Gefangenen wie Leonard Peltier aus der AIM (Amerikanische Indianer Bewegung) sitzen weiterhin mehrere Black Panther in den Gefängnissen. Wir erklären uns solidarisch mit dem seit 26 Jahren im Todestrakt inhaftierten schwarzen Journalisten Mumia Abu Jamal und fordern seine Freiheit und die Abschaffung der Todesstrafe weltweit.

Wir erklären nochmals:
Das kapitalistische System kann nur durch die Ausbeutung der Arbeitskräfte und Rohstoffe bestehen. Das weltweite Elend, die Armut und die Kriege, die deswegen entstehen, rufen den Widerstand der Ausgebeuteten und Unterdrückten hervor. Dabei muss Repression als ein Mittel des kapitalistischen Staates zur Herrschafts- und Eigentumssicherung verstanden werden. Weiterhin sind auch die Gefängnisse, in denen zum Großteil Menschen aus den unteren Schichten inhaftiert sind, als ein Regime von Klassenjustiz begriffen werden.

Wir rufen dazu auf, sich am 15. März 2008 an der Demo für die Freiheit der politischen Gefangenen zu beteiligen und den 18. März als Anlass für dezentrale Aktionen und Aktivitäten zu nehmen.

Berliner 18. März Bündnis
14. März 2008
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Siehe auch

Lesetipp 14.03.2008 - 19:10
Das Stück Hexenjagd basiert auf tatsächlichen Ereignissen; die Figuren der historischen Hexenverfolgung hat Miller namentlich übernommen. Miller schrieb das Stück als Kommentar auf die Kommunistenjagd in der McCarthy-Ära.

 http://de.wikipedia.org/wiki/Hexenjagd_%28Drama%29

geschichtsfremde selbstaufwertung

antifa 15.03.2008 - 03:47
hexenjagd? macht euch doch nicht selbst lächerlich. mit solchen skandaltiteln wird das reale ausmaß der hexenjagd relativiert um selbst mal so richtig schlimm verfolgt dazustehen.

Hexenjagd im 21. Jahrhundert

Gorby 15.03.2008 - 08:37
Liebe antifa!

Natürlich sind die Verfolgungen und die Repressalien in Deutschland längst nicht so stark wie im Iran, Türkei, China, Syrien, oder den USA. Allerdings seit Otto SChilly und Schäuble nacheinander das Amt des Bundesinnenministers innegehabt haben, beginnt mensch systematisch Freiheitsrechte abzubauen. Länder wie Sachsen-Anhalt oder das Hessen von Roland Koch zeigten sich in jüngster Vergangenheit besonders eifrig bei der Durchführung. Wir haben das Glück, daß diverse Überwachungsphantasien durch das Bunbdesverfassungsgericht und Unrechtsurteile durch den Bunbdesgerichtshof aufgehoben wurden. Auch wenn etwa G8 GegenerInnen nach Heiligendamm in letzter Inzstanz Recht bekommen haben und Anspruch auf Haftentschädigungen erhalten, bleibt, daß G8 GegnerInen kriminalisiert worden sind.
Während des Prozesses sind keine Verteidiger zugelassen worden. Die Richrterin hegte keinen Zweifel, auf welcher Seite sie stand. Anwälte wurden abgewimmelt und die Forderungen der Betroffenen nach einem Anwalt hohnlachend abgelehnt. Reicher wurde es um eine weitere Komponente. Ein Berliner Soziologe hatte eine eher harmlose Monographie publiziert. Prompt wurde der Textinhalt als Gebrauchsanweisung für terrorisistische Handlungen ausgelegt und dieser verhaftet. Da der Soziologe zu nichts aufgefordert hatte. bekommt die Verfolgung politisch mißliebiger Personen eine neue Qualität.
Daß die G8 GegnerInnen im Gegnsatz zu den RAF Leuten keinen Anwalt haben durften, ist in der deutschen Rechtsgeschichte nur einmal der Fall gewesen. Bei den Inquisitionsprozessen in der Frühen Neuzeit, zuständig u.a. für Hexerei und Ketzerei, war bei den Hexenprozessen, basierend auf dem Hexenhammer von 1487 die Anwaltsrechte so eingeschränkt, daß diese zu traurigen Statisten degradiert wurden. Darüberhinaus konnte der Inquisitor dem oder der Angeklagten verbieten einen Anwalt zu nehmen, bzw. erst gar nicht zulassen.
Der Begriff politische Hexenjagd ist vom nordamerikanischen Schriftsteller Arthur Miller kreiert worden und bezog sich auf die Kommunistenjagd des
Ausschusses für unamerikanische Angelegenheiten unter Mc Carthy in den fünfziger Jahren.
Kurz und gut :§129b StGB ist nur ein Anfang! Wenn ich die Ausführungen des türkischen und deutschen Anwaltes lese, kann ich nur noch eines schreiben: Wehret den Anfängen! Die Nächsten könntet ihr sein, liebe "Antifas!" Menschenrechte werden immer weniger zum Thema gemacht.

Siehe auch dazu:

Mehrpack 15.03.2008 - 09:13
Das Gerichtsverfahren gegen das US-amerikanische jüdische Ehepaar Ethel und Julius Rosenberg erregte Anfang der 1950er weltweites Aufsehen. Ihnen wurde Spionage für die Sowjetunion vorgeworfen. Obwohl sie die Vorwürfe bestritten, und trotz heftiger nationaler und internationaler Proteste, u. a. von Papst Pius XII, Jean-Paul Sartre, Josef Stalin und Albert Einstein, wurden beide am 5. April 1951 zum Tode verurteilt und am 19. Juni 1953 im Staatsgefängnis Sing Sing in New York auf dem elektrischen Stuhl hingerichtet.

Mehr dazu:

 http://de.wikipedia.org/wiki/Ethel_und_Julius_Rosenberg

@ gorby

antifa 15.03.2008 - 13:37
hexenjagd steht in einem bestimmten spezifischen historischen kontext und ist nicht aus einer diskussion um aberglaube, mystizismus und religiösität zu trennen. will man die heutigen missstände anprangern, sollte man erstmal fähig sein diese zu benennen ...

autoritäre DHKPC und indymedia !?

Kritiker 15.03.2008 - 15:23
Wir hier agiert nach der Maxime: "Der Feind meines Feindes ist mein Freund" ?

Was bitte, haben Berichte von autoritären "Linken", über Repression eines reaktionären, in Teilen faschistoiden Nationalstaats, gegen eine autoritär, hierarchische Gruppierung/Partei, mit Emanzipation, bzw emanzipativer Berichterstattung zu tun ?

Reicht das selbstangeklebte Etikett "links", um bei indymedia auf die Startseite bzw in den newswire zu kommen ?

Sind all die in der Gründungsphase indymedias postulierten und in den Essentials festgehaltenen Inhalte, Ansprüche
 http://de.indymedia.org/static/ms.shtml
 http://de.indymedia.org/static/moderation.shtml

nur hohle Lippenbekenntnisse ?