Bethanien, quo vadis?

Claudia Kessel 18.02.2008 21:11 Themen: Freiräume
Zur Kunst (k)einer demokratischen Kultur -
Berlin-Kreuzberg, Mariannenplatz - einst rebellischster Ort an der Mauer, immer noch ärmster Fleck in Berlin und nach wie vor Spitzenreiter bei der Migrationsquote - wird innovativ. Nach Fällung der Mauer mit dem Bezirk Friedrichshain zusammengelegt, ist das Doppelpack zur Zeit erfolgreichstes Tätigkeitsfeld der „Kreativwirtschaft“ in der Stadt. In Erkenntnis der damit einhergehenden Aufwertung des Standortes wird dies von der GRÜN dominierten Bezirksverwaltung intensivst gefördert. Seit Neuestem spüren einige Bezirkspolitiker gar ein „Klima der Internationalität“ (Peter Beckers, SPD Wirtschaftsstadtrat, im Tagesspiegel vom 18.01.2008). Notorisch pessimistische Seelen beobachten hingegen seit Längerem etliche Anzeichen, dass die Stadtumstrukturierung nicht vor Kreuzberg halt macht und auch hier die Vertreibung verarmter AnwohnerInnen – insbesondere jener mit Migrationshintergrund - in vollem Gange ist.
Am Mariannenplatz liegt das Bethanien, ehemals weitläufige Krankenhausanlage mit einem Haupt- und 5 Nebengebäuden, eines davon das legendäre „Georg von Rauch Haus“. Eingebettet in eine Parkanlage und bekanntermaßen erster und bislang letzter Ort erfolgreicher Hausbesetzung in Berlin. Ob im ehemals vor der Mauer gelegenen Hauptgebäude nunmehr eine interne Mauer zu bauen ist, welche „die soziokulturellen Projekte der BesetzerInnen“ (DIE LINKE in Presseerklärung vom 15.01.2008) von der anerkannten künstlerisch-kulturellen Arbeit der sonstigen Kulturmieter abtrennt, beschäftigt die BezirkspolitikerInnen unter Anderem. Am 27. Februar 2008 wird die BVV (Bezirksverordnetenversammlung) Friedrichshain-Kreuzberg voraussichtlich über die zukünftige Gestaltung des Bethanien-Hauptgebäudes und dessen Übergabe an einen gemeinnützigen Träger abzustimmen haben. Die Initiative Zukunft Bethanien lädt vorher am 21.02 um 20.00 Uhr ins Bethanien ein zur Diskussion. Vorangegangen sind diesem Beschluss schon Etliche, denn das für die bezirkliche Verwaltung offensichtlich unlösbare Problem, ein Konzept für die inhaltliche Ausrichtung des Hauses zu finden, ist ihr Thema bereits seit Anfang der 90-iger Jahre.

Bethanien als kunstverzierter Spiegel gesellschaftlicher Verhältnisse

Die neuerliche Frage nach dem „Wohin?“ ist deshalb interessant, weil dieser Ort seit den 70-iger Jahren mit Fug und Recht von sich behaupten darf, Schauplatz – angeblich? - widersprüchlicher Interessen der Künste und des Sozialen zu sein. Angefangen bei der damaligen Entscheidung: „Kinderpoliklinik oder Künstlerhaus?“, ist das Bethanien bis heute in diesem Streit gefangen und produzierte mal mehr und mal weniger publikumswirksame Auseinandersetzungen um die Frage, wer in diesem Haus agieren kann und wer nicht.

Über bezirkliche Grenzen hinaus ist der Vorgang außerdem beachtenswert, beleuchtet er doch nichts Unwesentlicheres als den praktischen Umgang mit der in den verschiedensten Diskursen thematisierten Frage nach der Möglichkeit kultureller Teilhabe breiter Bevölkerungsschichten und demokratischer Mitgestaltung durch BürgerInnenbeteiligung. (Was letzteren Begriff betrifft, hat sich die IZB (Initiative Zukunft Bethanien) für die Deklaration der „AnwohnerInnenbeteiligung“ ausgesprochen, da als „BürgerIn“ dieses Landes nur angesehen wird, wer über einen EU-Pass verfügt, von der Gestaltung des Gemeinwesens indessen unabhängig von Staatsangehörigkeit Jede/R gleichermaßen betroffen ist.)


Kultur der Künste und soziales Leben

Was anfänglich, in den 70-iger Jahren, noch die Perspektive eines Miteinander von sozialen (Kita, Seniorenzentrum, Kinderfreizeiteinrichtung, deutsch-türkische Bibliothek., LehrerInnenkolleg) und künstlerischen Einrichtungen unter einem Dach zu eröffnen schien, nämlich der damalige Anspruch des Künstlerhauses unter seinem Leiter Michael Haerdter „Kunst für ein besseres Leben, das Globale mit dem Lokalen verbinden, aus dem innovativen Potential einer multikulturellen Gesellschaft zu schöpfen“, verkam in den Folgejahren zu einem Gegeneinander. So fragte z.B. Heike Sanders, Leiterin des internationalen Stipendienprogramms des DAAD, neben der Akademie der Künste Gesellschafter der Künstlerhaus Bethanien GmbH, ob nicht „kulturferne Einrichtungen, wie das Seniorenzentrum, anderweitig untergebracht werden könnten?“ (Tagesspiegel 23.06.1997)

Ein weitergehender kulturpolitischer Interessenkampf blieb den damaligen Akteuren erspart, da die meisten sozio-kulturellen Einrichtungen wie die Bibliothek, das Seniorenzentrum und das LehrerInnenkolleg dank der sozialen Kahlschlagspolitik ihre Einrichtungen im Bethanien Ende der 90-iger Jahre aufgeben mussten. Zeitgleich, wegen Misswirtschaft, musste auch der damalige Casinobetreiber seine kulinarischen Angebote dem Genuss der AnwohnerInnen und der in der Umgebung Beschäftigten entziehen. Alle in dieser Zeit verlassenen Flächen im Vorderflügel des Hauses standen fortan leer und konnten von den künstlerisch-kulturellen NutzerInnen als „Freiflächen“ zwischengenutzt werden. Das Anliegen, einer auch damals mehrheitlich GRÜNEN Bezirksverwaltung, der sozialen Lage im Bezirk Rechnung zu tragen und ein Konzept für neuerlich soziokulturelle in Verbindung mit der künstlerischen Nutzung zu entwickeln, verlief im Sande. Ohne konzeptuelle Ausrichtung wurden die leerstehenden Räume nicht mehr vergeben. Zum jahrelangen Schicksal des geschichtsträchtigen und denkmalgeschützten Gebäudes wurde es, als führungsloser Kahn im seichten Wasser vor sich hin zu dümpeln.


Kultur der Privatisierung - und das Begehren nach Teilhabe dagegen

So gut wie keine Mieteinnahmen und ein immerwährendes Minus bei den Betriebskosten führten zu mangelhafter Instanderhaltung und einem Erscheinungsbild der Vernachlässigung. Ungeachtet dieser Widrigkeiten – oder gerade aufgrund Ihrer – entwickelten sich die künstlerischen Einrichtungen im Hause gut. Die Künstlerhaus GmbH, mit ihrem durch Sponsoren wie Philipp Morris unterstützten internationalen Atelierprogramm, genießt Ansehen im In- und Ausland. Anspruchsvolle kulturelle Arbeit leisten auch der Kunstraum als bezirkliche Kultureinrichtung, die Musikschule und die Druckwerkstatt des bbk. In Ansicht dieser Tatsachen und der Erkenntnis, dass der Bezirk sich die Finanzierung des Gebäudes nicht mehr leisten könne, beschlossen die BezirkspolitikerInnen mit der PDS als damals stärkster Fraktion im Jahr 2002 hier das „Internationale Kulturelle Gründerzentrum Berlin“ einzurichten und das Gebäude im Wege eines Erbbaupachtvertrages an einen kulturwirtschaftlichen Betreiber zu verkaufen. Den künstlerischen Einrichtungen war diese Entscheidung willkommen.

In den Jahren 2004/2005 wurde hierüber mit der M+R-Arendt GmbH aus Bad Homburg verhandelt. In die von den PolitikerInnen geheim gehaltenen Verhandlungen platzte im Sommer 2005 die Besetzung zweier leerstehender Etagen des Südflügels des Gebäudes durch das im Wege der Räumung aus seinen Mieträumen vertriebene Hausprojekt „Yorkstraße 59“ und es entstand hier die „New Yorck – Raum emanzipatorischer Kräfte“. Dank des nunmehr entstandenen Medieninteresses am Bethanien, wurde auch die Information über die bevorstehende Privatisierung weithin bekannt. Es gründete sich die IZB (Initiative Zukunft Bethanien), ein BürgerInnenbegehren mit der Forderung „ Bethanien für Alle“ wurde von 14.000 Menschen unterschrieben und den Verkaufsverhandlungen der Garaus gemacht.

Neben der Verhinderung der Privatisierung zu kommerziellen Zwecken hatte das BürgerInnenbegehren zum Ziel erklärt, das Haus mit seinem bestehenden Reichtum an künstlerisch-kulturellen Angeboten durch eine zusätzlich auch wieder sozio-kulturelle Nutzung im Vorderflügel zum integrativen Ort künstlerischer, kultureller, sozialer und politischer Bildung zu machen. Auch weniger bildungsorientierte AnwohnerInnen in das Hauptgebäude einzuladen, indem es in den leerstehenden Flächen zukünftig – unter Beibehaltung der Nutzung für Ausstellungen - auch aktivierende Angebote und Raum für Eigeninitiative gäbe, sollte der Weg zu mehr kultureller Teilhabe sein. Bei verschiedenen „Kieztreffen“ und in den parallel zum BürgerInnenbegehren veranstalteten „Ideenwerkstätten“ hatte sich zudem herausgestellt, dass es zahlreiche kunstpädagogisch arbeitende Gruppen gab, wie z.B. Formatwechsel e.V., Platura e.V., Theaterbündnis Blumenstrauß e.V., Aslaniko e.V., Berlin lacht e.V., die für ihre Arbeit mit Kindern und Jugendlichen im Kiez, zum Teil bereits mit den anliegenden Grundschulen und Kitas in Kooperation arbeitend, dringend nach Räumen suchten. Interessiert an Raumnutzung war auch die Heilpraktikschule e.V., der Mieterrat Block 100 e.V., ein Büro für Umweltberatung, ein Archiv für Dokumentarfilme und der AKKK (Aktionskreis Kreuzberger Künstler). Der Wunsch, das Casino für Abendveranstaltungen, seien es Konzerte oder Diskussionsveranstaltungen, nutzbar zu machen, wurde deutlich und auch Räume für ein AnwohnerInnenforum sollte es geben.

Die unsichtbare Grenze zwischen künstlerisch-kultureller Arbeit im Hauptgebäude und verschiedenen sozialen Angeboten (Seniorenbegegnungsstätte, Kinderhaus, Familienzentrum, Schulprojekt, Kinderheim) in den Nebengebäuden des Bethanien-Gesamtkomplexes durchlässiger zu machen, war und ist Hintergrund der Forderung „Bethanien für Alle“.


Demokratische Kultur und Öffentliches Eigentum

In weitgehender Anerkennung der Forderungen des BürgerInnenbegehrens beschloss die BVV mit einer Stimmenmehrheit der GRÜNEN, der LINKEN (damals noch PDS und WASG) und der SPD am 04.09.2006 (Drucksache 2173-1/II und 2/II) von den Verkaufsplänen an einen kommerziellen Betreiber und dem Konzept eines „kulturellen Gründerzentrums“ Abschied zu nehmen und beauftragte das BA (Bezirksamt) sich um den Erhalt in öffentlicher Hand zu bemühen, einen gemeinnützigen Träger für die zukünftige Verwaltung zu finden und ein das Soziale und die Kunst integrierendes Konzept zu erarbeiten.

Zur Konkretisierung der in diesem Beschluss skizzierten Vorgaben tagte ab November 2006 in 13 Sitzungen der RTB (Runder Tisch Bethanien), an welchem sich BezirkspolitikerInnen, NutzerInnen des Hauses, AnwohnerInnen und an zukünftiger Raumnutzung interessierte Projekte wie auch Initiativen beteiligten. Letztere arbeiteten zusätzlich hierzu in der IP (Initiativplattform). Der GRÜNE Bürgermeister Franz Schulz nahm die Sache ernst und moderierte den Prozess.

Das Entsetzen der Kunstmieter über ihre Ausbremsung kurz vor der Ziellinie – der Widmung des Bethanien Hauptgebäudes zum „Internationalen kulturellen Gründerzentrum Berlin“ - war der weiteren Kommunikation jedoch äußerst abträglich. Ein mit der Besetzung angeblich eingetretener Zustand der „Kulturlosigkeit“ (Christoph Tannert, Geschäftsführer der Künstlerhaus Gmbh in der Welt vom 19. 12.2007) des Gebäudes wurde deklariert, der Ruch des Illegalität weidlichst bedient, das Anliegen „Bethanien für Alle“ als ewiggestriger „Sozialromantizismus“ und „Revolutionsgerontokratentum“ verachtet und die aktiven AnwohnerInnen als „Kiezdödel“ entlarvt. Kurzum, die Künstlerhaus GmbH gab vor existentiell massiv bedroht zu sein und verlautbarte dies im Herbst 2007 über die Presse. Hauptargument: der Verlust der Sponsoren, Schlussfolgerung: ihr Auszug sei nötig. Die Künstlerhaus GmbH und die Druckwerkstatt verweigerten ihre Mitarbeit am Runden Tisch nach wenigen Sitzungen als Protest gegen ein „undemokratisches Forum“. Ihrer Meinung nach war der Moderator zu parteilich für das Soziale.

Die Ergebnisse des einjährigen Arbeitsprozesses wurden vom BA in der Beschlussvorlage vom 11.12.2007 zusammengefasst, welche Grundlage der endgültigen Entscheidung der BVV am 27.02.2008 über die weitere Zukunft des Bethanien ist.

Aus dieser ist nunmehr zu entnehmen, dass die Bemühungen um einen Erhalt in öffentlicher Hand nicht erfolgreich waren, da der Senat von Berlin sich dem Anliegen des Bezirkes kategorisch verweigert, den finanziellen Würgegriff der „Kalkulatorischen Kosten“ generell und auch auf das Bethanien bezogen zu lockern. Kalkulatorische Kosten schlagen sich in Berlin immer dann als Minus in den Bezirkshaushalten nieder, wenn öffentliche, durch die Bezirke verwaltete Gebäude, nicht 100% durch eine zuordbaren fachliche Nutzung ausgelastet sind. Aufgrund einer Kosten-Leistungs-Rechnung erhalten die Bezirke nur pro „Produktunkosten“ (SchülerIn z.B.) eine entsprechende Leistung von der Senatsverwaltung. Schwindet die Zahl der Produkte, so bleiben die Bezirke auf den Unkosten der Gebäude sitzen. Durch die IZB wurde diese Berechnungsweise insbesondere im Hinblick auf die nach dem Wiederbeschaffungswert der Gebäude berechneten kalkulatorischen Kosten als künstlich erzeugter Privatisierungszwang für öffentliche Gebäude bewertet und nicht nur bezogen auf das Bethanien als unlauterer Taschenspielertrick kritisiert.

Da oberste Prämisse der Bezirksverwaltung im Falle Bethanien ist, dass das Haus für den Bezirk fortan keine Unkosten mehr produziert, schlägt die Beschlussvorlage die Übergabe des Gebäudes in die treuhänderische Verwaltung des gemeinnützigen Trägers GSE (Gesellschaft für Stadtentwicklung) gGmbH vor, die bereits seit Längerem ihr Interesse bekundet hat und seitens des RTB als geeignete Trägerin auserkoren wurde. Der Begriff der „guten Privatisierung“ geistert seitdem durch die Lande, weil angeblich trotz formal-juristischer Eigentumsübertragung an die GSE das Haus wegen der Bindung des Treuhänders gegenüber dem Treugeber (Land Berlin) quasi in öffentlicher Hand bleibe.

Wenn das Bethanien diesen Weg geht, wird es viele - heute noch - öffentliche Gebäude geben, die ihm folgen. Dem GRÜNEN Bürgermeister käme damit der Verdienst zu, einen Weg gefunden zu haben, wie durch Privatisierung Kommerzialisierung von öffentlichem Eigentum zu verhindern ist. Für die AnhängerInnen des Erhalts von öffentlichem Eigentum kann dies jedoch kein akzeptabler Weg sein.


Die versuchte Kunst der Diplomatie ....

Nach der über die Presse durch den Geschäftsführer der Künstlerhaus GmbH, Herrn Tannert, lautstark verkündeten Androhung, das Bethanien zu verlassen, sind die Inhalte des BVV-Beschlusses, mit dem Haus einen „integrativen Ort für kulturelle, künstlerische, politische und soziale Interaktion zu schaffen“ als „auch ein Ort der Begegnung und der Aktivitäten für AnwohnerInnen....Es wird ein selbstverwaltetes interkulturelles AnwohnerInnenforum eingerichtet“, in der Beschlussvorlage nicht mehr in dieser Form zu finden.

Unter dem Vorbehalt der Herstellung einer „baulichen Trennung“ des Südflügels vom Hauptteil des Gebäudes, sieht die Beschussvorlage einen Mietvertrag mit der „New Yorck“ vor. Im Gegensatz zur Förderung der Interaktion und Begegnung schlägt die Vorlage nunmehr den „räumlichen Schwerpunkt soziokultureller und politischer Ergänzungsangebote“ im baulich abzutrennenden Südflügel und die Beibehaltung der bisherigen künstlerisch-kulturellen und bildenden Nutzung im Hauptteil des Hauses vor. Abgesehen davon, dass es für die o.g. interessierten Projekte im Südflügel nicht genug Räume gibt, ist die in die Beschlussvorlage formulierte Trennungslinie zwischen Kunst und Sozialem auch vor dem Hintergrund bedenklich, als dass am Runden Tisch einvernehmlich das konzeptuelle Anliegen des Schaffens „eines gut überlegten Ortes der Mischung von Unterschiedlichem, der sich nicht mehr in einer festgezurrten Identität symbolisieren kann“ verabschiedet wurde und damit „sowohl an avancierte Konzepte der neueren Kulturdiskussion wie auch an die Undefinierbarkeit des Publikums“ angeknüpft werden sollte. Herr Tannert und Herr Mrowka, Leiter der Druckwerkstatt, waren zu diesem Zeitpunkt freilich nicht mehr vertreten.

Die weitere Existenz des seit einem halben Jahr bestehenden AnwohnerInnenforums „sofa“ (selbstverwaltetes offenes Forum der AnwohnerInnen) im Vorderflügel des Hauses wird in der Beschlussvorlage von der Bedingung der Einigung mit den anderen MieterInnen im Hinblick auf „funktionale und ästethisch vertretbare Nutzung des Eingangsfoyers“ abhängig gemacht. Wie wahrscheinlich eine solche Einigung ist, lässt sich insbesondere aus der Antwort Herrn Tannerts vom 07.01.2008 auf eine Einladung des „sofas“, sich am 22.01.2008 zum gemeinsamen Gespräch hierüber im Foyer zu treffen, schließen. Seine Ablehnung, der Einladung zu folgen, deklarierte er als Protest gegen das „hilflose, naive, uninspirierte und weitestgehend kulturfeindliche Auftreten“ der AnwohnerInnen in der Eingangshalle.


....und Reaktionen darauf

Von den Protagonisten, die maßgeblich an den inhaltlichen Vorgaben der zukünftigen Gestaltung des Hauses interessiert sind, ist mit dieser Beschlussvorlage niemand zufrieden.

Herr Tannert bewertete ihren Inhalt postwendend als „Angriff auf die Kultur“ und sieht die Künstlerhaus GmbH dadurch weiterhin zum Auszug gezwungen ( Welt/Mopo vom 19.12.2007). In ihrem jüngsten Schreiben an die Verordneten der BVV (Brief vom 24.01.2008), machen Herr Tannert und Herr Mrowka den Auszug des AnwohnerInnenforums aus dem Vorderflügel des Hauptgebäudes zur Voraussetzung ihres Verbleibs im Bethanien. „Die definitive Trennung der Kunst- und Kulturproduktion, Begabtenförderung, Musikschule und Kunstraum im Hauptgebäude“ von der Soziokultur, hat für sie „höchste Priorität“.

Die IZB kritisiert, dass in der Vorlage die Inhalte des BVV-Beschlusses und die Ergebnisse des Runden Tisches kaum mehr zu finden seien (Stellungnahme an die Bezirksverordneten vom 14.01.2008) und auch die GSE ist unzufrieden. Sie hält die Vorlage als allseits interpretierbar und fürchtet als zukünftige Eigentümerin mit der Übergabe des Hauses auch die A....karte der allseits kritisierten Verwaltung vom Bezirk zugesteckt zu bekommen.

Was die Parteien, als demnächst durch ihre Verordnete agierende EntscheidungsträgerInnen betrifft, hat auch DIE LINKE in ihrer Presseerklärung vom 15.01.2008 Kritik an der Vorlage angemeldet, weil erstens nicht mit der zukünftigen Eigentümerin abgesprochen und zweitens in der Unklarheit tendenziell gefährdend für die Weiterexistenz der Künstlerhaus GmbH im Hause. DIE LINKE spricht nun davon, dass die „soziokulturellen Projekte der Besetzerszene ausschließlich auf den Südflügel“ begrenzt werden sollen. Eine Antwort darauf, was sie nun genau damit wird vergeblich vermisst. Insofern ist „Soziokultur“ folgerichtig nun gleichbedeutend mit „Besetzerszene“ und damit im Haupthaus nicht erwünscht. Ein durchaus fragwürdiges „linkes Politikverständnis“ für die selbsternannte Partei des „Sozialen“ und für die inhaltliche Bewertung von Projektideen ein unschlagbares Kriterium.

Die GRÜNEN indessen bewerten die Vorlage als im Wesentlichen gelungen und kraft höherer philosophischer Interpretation als wahrhaft guten Kompromiss, denn einen solchen zeichne immer aus, dass Träger widersprüchlicher Interessen damit nicht zufrieden sein könnten (Daniel Wesener, BV-Verordneter im Kulturausschuss am 08.01.2008). Die ehemals hehren Ansprüche, ein verstärktes Miteinander von Sozialem und Kunst zu konzipieren, seien unrealistisch gewesen. Die SPD hält sich mit öffentlichen Äußerungen bislang bedeckt.

Für die vielfältigen Änderungswünsche ist es indessen mitnichten zu spät, in den Ausschüssen der BVV wird derzeit an der Beschlussvorlage gewerkelt.


Politik als Ergebnis der Kunst der Demagogie und des Lobbyismus?

Derart von der durch Herrn Tannert über die Presse verbreiteten Androhung des Auszugs der Künstlerhaus GmbH aus dem Bethanien in Angst und Schrecken versetzt, ist der Inhalt des BVV-Beschlusses nunmehr von dem Hauptanliegen der entscheidungstragenden Parteien verdrängt, die Künstlerhaus GmbH zum Bleiben zu ermutigen. Auch die die Landesregierung von Berlin tragenden Parteien (SPD und LINKE) – von der liberal-konservativen Opposition ganz zu schweigen - votieren eindeutig in Richtung einer der Künstlerhaus GmbH genehmen Entscheidungsfindung. Die Künstlerhaus GmbH ist eben eine durch die Senatskulturverwaltung geförderte Einrichtung.

Auch die Akademie der Künste - als GesellschafterIn der Künstlerhaus GmbH - hat sich im aktuellen Konflikt ganz hinter Herrn Tannert, gestellt. Herr Klaus Staeck, Präsident der Akademie, durch die IZB zu einem Gespräch aufgefordert, darf, soll oder will sich hierzu nicht äußern. Während dieses Jahr im eigenen Haus am Pariser Platz das Thema "Armut, soziale und kulturelle Ausgrenzung" als Inhalt von Kunst z.B. mit einer Ausstellung über Heinrich Zille, Veranstaltungen wie "Es sollte überhaupt kein Armer unter Euch sein" (Akademiegespräch am 16.01.2008), einem Gastspiel des "Living Theater" mit dem Stück " The Brigg" im April 2008 etc. pp. behandelt wird, nimmt man im konkreten Konflikt eine andere Haltung ein. Hier gehe es eben um "ein anderes Konzept der Profilierung des Hauses" und das habe viel "mit künstlerischer Qualität und Kompetenz" zu tun (Antwort der Akademie vom 22.01.2008 auf ein Schreiben der IZB vom 14.01.2008). Es ist das Sprechen mit zwei Zungen wenn Herr Staeck in o.g. Veranstaltung auf dem Podium sitzend, sich gegen die gesellschaftliche Akzeptanz himmelschreiender Ungerechtigkeit an materiellen Daseinsbedingungen in diesem Land echauffiert, glattweg ein revolutionäres Aufbegehren dagegen befürwortet und den Ausgeschlossenen ihre „Arsch-im-Sessel-Sitzerei“ vorwirft, andererseits gleichzeitig jene, die sich aus den Sesseln erhoben haben, mit Nichtbeachtung wegen angeblichem Dilettantismus straft..

Es stellt sich daher die Frage, wie ernst es DIE LINKE, die SPD und erwähnte Institutionen mit ihrem, in Salondiskussionen und Wahlkampfpamfleten proklamierten Anliegen nach mehr kultureller Teilhabe wirklich meinen. Was die bezirkliche Politik betrifft, ist festzuhalten, dass es noch etliche Akteure hinter den Akteuren gibt, was eine objektive Entscheidung in der Frage, was dem Bezirk gut tut, schwierig macht. Auch hier, wie in vielen Konflikten heutzutage, sind auf der einen Seite der Streitenden Lobbyisten am Werk, die ihr Gewicht ganz kräftig mit in die Waagschale werfen.

Mit dem Argument der „Inkompabilität der Akteure vor Ort“ versuchen alle entscheidungstragenden Parteien sich um die grundsätzlichen Fragestellungen herumzudrücken. Vor diesen Hintergründen stellt sich die Frage, welchen Sinn es für AnwohnerInnen eigentlich macht basisdemokratische Gestaltungsprozesse wie BürgerInnenbegehren, Runde Tische, BürgerInnenparlamente und – haushalte bei der bestehenden politischen Kultur ernst zu nehmen und was hier an grundlegenden Veränderungen notwendig ist. Als Befriedungsspielwiese für aufsässige AnwohnerInnen sollten diese Ansätze vom herrschenden Politikverständnis jedenfalls nicht weiter missbraucht werden.

Egal ob „GRÜN“, „LINKS“ oder „SOZIAL“ ist den Bezirksparteien aber vorzuhalten, dass sie auch diesmal derart bereitwillig auf die von Herrn Tannert behauptete Existenzgefährdung der Künstlerhaus GmbH eingehen. Für alle etablierten NutzerInnen war die Garantie ihres Weiterbestands im Haus von niemandem je in Frage gestellt, ebenso wenig die Autonomie ihrer inhaltlichen Arbeit. Die Frage, ob es „die Kunst“ hierzulande ist, die nur noch vom Dünkel ihrer Sponsoren und Verwaltungsmäzene abhängig ist, wird nicht gestellt, eben sowenig die Frage, warum die Öffnung des Haupthauses für breitere Kreise der Bevölkerung ansprechende Angebote an kulturellem Leben angeblich als Gefahr für „die Kunst“ zu begreifen ist.

Dass wegen dieser „Nichtfragestellungen“ die theoretisch allseits für wichtig, richtig und notwendig angesehene Forderung nach verbesserten Möglichkeiten der Kunst- und Kulturvermittlung und der Teilhabe an kulturellem Leben unter zu gehen droht, ist dem Horizont der Parteien entwichen. Eine Parteilichkeit für dieses Anliegen sucht man bei allen Parteien mittlerweile vergebens.
Creative Commons-Lizenzvertrag Dieser Inhalt ist unter einer
Creative Commons-Lizenz lizenziert.
Indymedia ist eine Veröffentlichungsplattform, auf der jede und jeder selbstverfasste Berichte publizieren kann. Eine Überprüfung der Inhalte und eine redaktionelle Bearbeitung der Beiträge finden nicht statt. Bei Anregungen und Fragen zu diesem Artikel wenden sie sich bitte direkt an die Verfasserin oder den Verfasser.
(Moderationskriterien von Indymedia Deutschland)

Ergänzungen

Bethanien - alles? nichts? oder?

Initiative Zukunft Bethanien 19.02.2008 - 00:06
Bethanien - alles? nichts? oder?

2005 Die Besetzung 2006 Das BürgerInnenbegehren 2007 Der Runde Tisch 2008 !?Die Entscheidung?!

- - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - -

Die Initiative Zukunft Bethanien (IZB) informiert über die aktuelle Entwicklung und die Entscheidung (am 27.02.08) der PolitikerInnen zum Bethanien.
Wird das Bethanien ein soziales, politisches, kulturelles und künstlerisches Zentrum?

- - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - -

Do. // 21.02.08 // 20 Uhr // Bethanien-Hauptgebäude // Mariannenplatz 2 // 10997 Berlin-Kreuzberg // www.bethanien.info //

- - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - -

Seit fast 3 Jahren beschäftigt sich die Initiative Zukunft Bethanien (IZB) mit der weiteren konzeptionellen Entwicklung des Bethanien. Ziel war es, ein soziales, politisches, kulturelles und künstlerisches Zentrum mit allen Beteiligten entstehen zu lassen. Ein Ort, an dessen Gestaltung und Nutzung die umliegende Bevölkerung und die bereits vorhandenen Projekte sich aktiv beteiligen.

Unser Konzept stützt sich auf die vielen tausend AnwohnerInnen und Interessierten, die uns insbesondere bei dem BürgerInnenbegehren unterstützt haben, aus dessen Forderungen am 4.9.2006 ein Beschluß des Friedrichshain-Kreuzberger Bezirksparlamentes hervorgegangen ist. Dieser Beschluß nahm die Forderungen des Begehrens weitgehend auf, mußte zunächst jedoch im Rahmen eines breit angelegten Runden Tisches zu praktischer Reife weiterentwickelt werden.

Was von unserer Seite als kreativer Austausch über das Mögliche und Machbare verstanden wurde, beantwortete die Politik bestenfalls mit abwartendem Desinteresse, die künstlerischen Großnutzer mit genereller Ablehnung bis hin zu Diffamierungskampagnen gegenüber der IZB. Den Höhepunkt bildete die Drohung der Künstlerhaus GmbH, sich einen anderen Standort zu suchen, sollte auf unseren konzeptionellen Ansatz auch nur im geringsten eingegangen werden.

Diese Erpressung wurde von den bürgerlichen Medien gierig aufgenommen, und die Bezirkspolitik beantwortete die Kampagne unterwürfig mit der Zusicherung, der Verbleib der Künstlerhaus GmbH habe von allen Entscheidungsgrundlagen die höchste Priorität. Spätestens von diesem Zeitpunkt an war klar, daß alle mühsam zur Entscheidungsreife gelangten inhaltlichen Ergebnisse des Runden Tisches Makulatur bleiben werden.

So wird der Beschluß, den das Bezirksparlament am Mittwoch den 27.2. vermutlich fällen wird, den Status Quo zementieren und fortschreiben, anstatt ein zukunftweisendes, auf Beteiligung und Öffnung angelegtes neues Modell auch nur in Erwägung gezogen zu haben.
Wir wollen mit dieser Veranstaltung eine Gelegenheit bieten, sich über den zurückliegenden Prozess eine Meinung zu bilden und freuen uns auf einen Erfahrungsaustausch mit anderen Initiativen und Interessierten.

Weitere Informationen zur Beschlussvorlage unter www.bethanien.info

PM die LINKE.

"die LINKE." 19.02.2008 - 00:09
Bethanien erhalten, Privatisierung ausschließen:

Die Fraktion DIE LINKE in der BVV von Friedrichshain-Kreuzberg bekräftigt ihre Position, das Bethanien als Gesamtkomplex in öffentlicher Regie zu erhalten. Das erklärte Fraktionsvorsitzender Lothar Schüßler nach einem Gespäch mit der Geschäftsführung der „Gesellschaft für Stadtentwicklung“ (GSE). Die GSE soll laut einer vom Bezirksamt eingereichten Vorlage an die BVV als gemeinnütziger Träger im Rahmen eines Treuhandmodells in Zukunft das Bethanien übernehmen.

„Die LINKE BVV-Fraktion unterstützt das vorliegende Konzept grundsätzlich. Jedoch teilen wir die Position der GSE, dass Nachbesserungen auf jeden Fall notwendig sind, um das Künstlerhaus im Gesamtkomplex zu halten. Dazu zählen unter anderem die Bereitschaft der Besetzer des Südflügels, einen Gewerbemietvertrag in Höhe der von der GSE errechneten Miete abzuschließen und die Begrenzung der soziokulturellen Projekte der Besetzerszene ausschließlich auf den Südflügel“, so Schüßler. Völlig unverständlich sei vor diesem Hintergrund, dass Bezirksbürgermeister Franz Schulz als Einreicher der Vorlage über die vorgeschlagenen Schlussfolgerungen nicht die Übereinstimmung mit der GSE als potenziellen Träger gesucht hat.

„Für die Linksfraktion“, so ihr Vorsitzender Lothar Schüßler, „ist der Beschluss der BVV von September 2006 weiterhin Grundlage der Diskussion über die Zukunft des Bethanien. Eine Privatisierung des Gebäudes schließt DIE LINKE aus und verlangt ein zustimmungsfähiges Modell, das finanziell selbstragend ist und damit den Bezirk von den Kosten des Betriebs entlastet“.

DIE LINKE wird auf die anderen Fraktionen in der BVV zugehen, um nach Möglichkeit zur Februar-BVV einen gemeinsamen Änderungsantrag zur Beschlussvorlage des Bezirksamtes einzubringen. Dazu wird DIE LINKE wird auch auf ihrer Fraktionssitzung am nächsten Montag mit den Besetzern des Südflügels das Gespräch suchen.

Bürgerliche Presse

Kulturmampfer 19.02.2008 - 12:44
die bürgerliche Presse hat wie üblich eine andere Sicht der Dinge. Hier der Artikel in der Berliner Zeitung: "Ein garstiges Allerlei". Eigentlich sollte man so einen dreck gar nicht posten.

Kreuzberg baut die Mauer wieder auf

Initiative Zukunft Bethanien 20.02.2008 - 13:34
Pressemitteilung der Initiative Zukunft Bethanien vom 20.2.08:

Kreuzberg baut die Mauer wieder auf

Ein Soziales, Politisches, Künstlerisches und Kulturelles Zentrum Bethanien steht kurz vor dem Durchbruch – und droht am Widerstand der „Hochkultur“ zu scheitern:

Das Bethanien wird nicht privatisiert. Alles deutet darauf hin, dass die Bezirksverordneten-Versammlung (BVV) von Friedrichshain-Kreuzberg noch in diesem Monat beschließen wird, das Bethanien in die gemeinnützige Trägerschaft der Gesellschaft für Stadtentwicklung (GSE) zu übergeben. Der Verbleib der aktuellen NutzerInnen ist gesichert. Das Bethanien als Soziales, Politisches, Künstlerisches und Kulturelles Zentrum rückt einen großen Schritt näher.

Erreicht ist ein Ort der Kooperation und Integration damit jedoch noch nicht. Denn die Beschlussvorlage ist nicht nur Ergebnis eines langen, basisdemokratischen Prozesses, sondern auch ein Resultat seiner Verweigerung. Eine Trennung zwischen „Soziokultur“ und „Hochkultur“, die es so ja gar nicht gibt, soll im zukünftigen Bethanien auch baulich festgeschrieben werden. Die etablierte Kunst soll durch den Haupteingang erreichbar sein, die Soziokultur im Seitenflügel verschwinden, hinter einer Mauer, wo sie nicht sichtbar ist.

Diese Trennung hatte der Geschäftsführer der Künstlerhaus Bethanien GmbH immer wieder und unmissverständlich beschworen. Am Runden Tisch, und damit am demokratischen Aushandlungsprozess beteiligt hat er sich allerdings nicht. Die Initiative Zukunft Bethanien (IZB) sieht die Idee eines offenen, integrativen Ortes, mitten im von sozialer Polarisierung und Verdrängung geplagten Kreuzberg, dadurch gefährdet. Sie fordert die Verankerung des im September 2006 durch die BVV beschlossenen „selbstverwalteten Interkulturellen AnwohnerInnenforums“ - (sOfa) im Vorderhaus und ein brauchbares Auswahlverfahren zur Vergabe der freien Flächen, das sowohl sozial, politisch, kulturell als auch künstlerisch engagierte Gruppen und Institutionen gleichermaßen begünstigt.




Nahezu 14.000 Menschen unterstützten mit ihren Unterschriften die fünf Kernpunkte des Konzepts eines „Sozialen, Politischen, Künstlerischen und Kulturellen Zentrums“ im Bethanien. Zuvor war das Konzept in zahlreichen Ideenwerkstätten und Offenen Kieztreffen gemeinsam mit AnwohnerInnen und Interessierten ausgearbeitet worden. Mit ihrem Beschluss vom 4. September 2006 entsprach die BVV Friedrichshain-Kreuzberg weitestgehend den Forderungen. An einem „Runden Tisch“ unter dem Vorsitz von Bezirksbürgermeister Franz Schulz (Bündnis90/die Grünen) sollten bis Ende 2007 die Nutzerinnen und Nutzer des Bethanien und die IZB gemeinsam mit dem Bezirksamt und den BVV-Fraktionen die Details ausarbeiten, die für die Umsetzung des Beschlusses noch zu klären waren. Eine „Initiativplattform“, ebenfalls mit Stimmrecht am Runden Tisch, brachte zudem AnwohnerInnen und Initiativen zusammen, die sich für freie Flächen interessierten.

Die Arbeit an einem Konzept für die Zukunft des Bethanien wurde von einem Konflikt überschattet, der insbesondere von Christoph Tannert, dem Geschäftsführer der Künstlerhaus Bethanien gGmbH, mit Vehemenz und Leidenschaft in die Öffentlichkeit getragen wurde. Tannert beteiligte sich nicht am Runden Tisch, der größte Nutzer im Haus war somit nicht vertreten. Stattdessen nutzte er die Medien, um gegen die „Kiezdödel, Pseudo-Linken und Gerontokraten“ zu polemisieren. Der Chef des Künstlerhauses sagt: „Das Bethanien ist zu einer Besetzerhochburg geworden, und das zerstört den guten Ruf unseres Kulturinstituts.“ Vielleicht ist es auf seine kontinuierliche Abwesenheit am Runden Tisch zurückzuführen, dass er die vielen an Räumen interessierten Projekte mit seiner Vorstellung von „Besetzern“ in einen Topf wirft. Im Konflikt, den Tannert zwischen BesetzerInnen und MieterInnen konstruiert, wird von dem Erfolg des BürgerInnenbegehrens abgelenkt. Zugleich verpufft jede Bemühung um konstruktive Konzeptarbeit. Zwischen die Fronten sind dabei zumindest die BewerberInnen um Räume im Bethanien geraten.

Aber es ist nicht das erste Mal, dass Tannert als polternder Verweigerer in Erscheinung tritt. Mit der Modeschule ESMOD und der Schauspielschule Ernst-Busch scheiterten bereits zwei Versuche, freie Flächen im Bethanien-Haupthaus prominent zu besetzen, an Tannerts Blockadehaltung. Auch dieses Mal scheinen alle Versuche vergeblich, Tannert ein kooperatives Verhalten abzuringen, einschließlich eines moderierten Gespräches zwischen ihm und VertreterInnen der New Yorck und der IZB.

Der am „Runden Tisch“ - ohne Tannert - erarbeitete Vorschlag wurde Dezember letzten Jahres der BVV vorgelegt. Das Haupthaus des Bethanien soll dem gemeinnützigen Träger GSE zur Treuhand gegeben und inhaltlich von den NutzerInnen selbst verwaltet werden. Das Soziale, Politische, Künstlerische und Kulturelle Zentrum Bethanien liegt damit zum Greifen nah, nur: Es wird geteilt. Der „räumliche Schwerpunkt soziokultureller und politischer Ergänzungsangebote zum künstlerischen und kulturellen Profil des Hauses Bethanien wird im Südflügel verortet“, so die von Bürgermeister Schulz gezeichnete Beschlussvorlage. Mietverträge mit den BesetzerInnen der New Yorck und dem Ende 2007 im Haupthaus eingerichteten sOfa werden an Bedingungen geknüpft: Zum einen soll der Südflügel „baulich“ vom Rest des Hauses getrennt werden, zum anderen soll sich das sOfa mit den anderen Nutzerinnen über die Gestaltung des Foyers einigen. Die Linkspartei und die SPD gehen noch weiter und wollen ein Forum der AnwohnerInnen nur in dezentem Abstand im Seitenflügel sehen.

Während die „etablierte“ Kunst und Kultur also Anspruch auf einen Großteil des Gebäudes erheben darf, werden „Soziokultur“ und politische Initiativen auf den Südflügel verwiesen, als ob sie nur die Angelegenheit einer unerheblichen Minderheit wären. Dieser Konflikt, der als ein personeller öffentlich in Erscheinung trat und nun baulich festgeschrieben werden soll, steht stellvertretend für die aktuelle Situation in Kreuzberg und in anderen Teilen der Stadt. Diese Polarisierung – zwischen arm und reich, migrantisch oder nicht, etabliert und marginalisiert – sollte ein Soziales Zentrum Bethanien gerade aufbrechen. Der gesellschaftlichen Logik von Konkurrenz und Ausschluss sollte die Vision der Kooperation und des Miteinanders entgegen gehalten werden.

Deshalb fordert die IZB, die Trennung zwischen „Kultur“ und „Soziokultur“ aufzuheben und konkret folgendes zu beschließen: Das interkulturelle AnwohnerInnenforum soll, wie bisher, Räume für seine Tätigkeit im Vorderhaus anmieten dürfen. Und das moderierte Auswahlverfahren für die Vergabe der leeren Räume soll, wie von der Initiativplattform ausgearbeitet und vorgeschlagen, moderiert fortgeführt werden.

Die ersten Schritte auf dem Weg zu Sozialen, Politischen, Künstlerischen und Kulturellen Zentrum Bethanien, mitten in Kreuzberg, wo es so dringend gebraucht wird, sind getan. Bezirksverwaltung, AnwohnerInnen und NutzerInnen haben bereits großes Engagement und demokratische Kreativität bewiesen. Nun kommt es darauf an, weiter an einem offenen, integrativen – und damit politischen! - Ort zu arbeiten, und nicht in alte Konflikt- und Denkmuster zurückzufallen.

Initiative Zukunft Bethanien


Die Initiative Zukunft Bethanien lädt für Donnerstag, den 21.2.2008 um 20 Uhr ins Bethanien zur Diskussion, um den Prozeß vom BürgerInnenbegehren über die Runden Tische bis zur derzeitigen Beschlussvorlage zu diskutieren.
Weitere Informationen finden Sie hier:

Gespräch mit Andrej Holm

radio corax 22.02.2008 - 15:54
Seit der Berliner Soziologe Andrej Holm in Sommer des letzten Jahres wegen des Verdachts der Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung verhaftet wurde, fand sich ein Begriff in aller Munde. Gentrifizierung bzw. Gentrification.
Obwohl das Konzept bereits seit Anfang der 90er Jahre in der deutschen Stadtforschung bekannt ist, erfuhr es dank der Aufmerksamkeit der Generalbundesanwaltschaft eine bemerkenswerte Karriere in der Öffentlichkeit:
So begründet die Beschäftigung mit Gentrifizierung einen hinreichenden Tatverdacht für die Bildung einer "terroristischen Vereinigung" nach § 129 a StGB.
Doch was verbirgt sich dahinter? Wie reagieren Kritiker dieser Entwicklungen auf den Vorwurf der verkürzten Kapitalismuskritik? Antworten darauf hören wir im Folgenden. Paul von Radio Corax sprach mit Andrej Holm.

Offener Brief des sOfas an die Akademie d. K.

h. 23.02.2008 - 09:38
Hier zur Ergänzung ein Offener Brief des selbstverwalteten interkulturellen AnwohnerInnenforums im Bethanien vom 22.2.08.


Offener Brief
an die Vizepräsidentin und den Präsidenten der Akademie der Künste,
Gesellschafter der Künstlerhaus Bethanien GmbH,
an Frau Nele Hertling und Herrn Klaus Staeck


Berlin-Kreuzberg, 22.02.2008

Sehr geehrte Frau Hertling, sehr geehrter Herr Staeck,

wir wenden uns an Sie, weil wir über das Verhalten und die Äußerungen des Geschäftsführers der Künstlerhaus Bethanien GmbH, Christoph Tannert, überaus erschrocken und erstaunt sind.

Infolge eines BürgerInnenbegehrens gibt es seit September 2006 einen Beschluss der BVV Friedrichshain-Kreuzberg, das Bethanien zu einem „Ort für kulturelle, künstlerische, politische und soziale Kommunikation und Interaktion“ zu entwickeln und es vor der Privatisierung zu bewahren. Weiter soll „das Bethanien Haupthaus auch ein Ort der Begegnung und der Aktivitäten für AnwohnerInnen sein“ und ein „selbstverwaltetes interkulturelles AnwohnerInnenforum“ eingerichtet werden.

Im Oktober 2006 begann eine Gruppe von AnwohnerInnen zu regelmäßigen Treffen einzuladen und das interkulturelle AnwohnerInnenforum zu entwickeln. Am 28.Juli 2007 feierten wir schließlich die Eröffnung des AnwohnerInnenforums „sOfa“ mit mehr als 200 Gästen. Seitdem wirken mehr als ein Dutzend AnwohnerInnen ehrenamtlich an der Entwicklung des sOfas mit.

Um den BVV-Beschluss zum Bethanien zu konkretisieren, trafen sich die NutzerInnen des Hauses und AnwohnerInnen zusammen mit der Bezirkspolitik über einen Zeitraum von 12 Monaten an einem Runden Tisch. Dieser Runde Tisch beschloss auch, dass das "sOfa" vorübergehend und bis zu endgültigen Entscheidungen nur einen kleinen Raum mit 27 qm im Eingangsbereich anmieten dürfe. Dies geschah – wenn auch der Raum für unsere Gruppen und Aktivitäten überhaupt nicht ausreichend ist.

Der derzeitige Geschäftsführer der Künstlerhaus Bethanien GmbH, Christoph Tannert, tritt seit der Einrichtung des AnwohnerInnenform mit überaus herabwürdigenden und diskriminierenden Äußerungen und unverschämten Behauptungen über uns in der Öffentlichkeit auf. So bezeichnet er unser Auftreten als „unästhetisch, uninspiriert, naiv und in jeder Hinsicht unprofessionell“, die Bevölkerung am Mariannenplatz betitelt er öffentlich als "Kiezdödel". Uns zudem als „Spin-Off“ der HausbesetzerInnen im Bethanien-Südflügel zu bezeichnen, zeugt von seiner Realitätsferne. Direkte Gespräche mit uns lehnt Herr Tannert ab.

Neuerdings fordert er, dass wir in den Südflügel übersiedeln sollen und droht der BVV Friedrichshain-Kreuzberg damit, andernfalls mit dem Künstlerhaus aus dem Bethanien-Gebäude auszuziehen.

Die Räume im Erdgeschoss des Vorderhauses sind jedoch die einzigen (!), die barrierefrei zugänglich sind und auch einen Küchenzugang haben – und sie sind somit die einzigen, die wirklich für ein interkulturelles AnwohnerInnenforum geeignet sind.

Wenn die BVV den Forderungen Tannerts nachgäbe, wie es derzeit den Anschein hat, würde das interkulturelle Forum der AnwohnerInnen in den abgelegenen Südflügel mit Extra-Eingang verbannt. RollstuhlfahrerInnen würden dort schon vor (!) der Eingangstür scheitern – hinter der Eingangstür wäre dann das unüberwindliche Treppenhaus.


Sehr geehrte Frau Hertling, sehr geehrter Herr Staeck,

wir können nicht nachvollziehen, wie Sie Ihrerseits diese abwertende Entwicklung ohne Intervention einfach hinnehmen, und sehen uns dadurch als Menschen zweiter Klasse behandelt, über deren Köpfe hinweg schlecht geredet und entschieden wird.

Frau Hertling, Sie haben mal folgendes gesagt:

"Ich fände es eine Katastrophe, wenn sich ein soziokulturelles Zentrum und ein Kunstort nicht vertragen können."
New Harmony, Video-Interviews, 2007

Für uns ist diese Katastrophe mit der beschriebenen Erpressungssituation durch das Künstlerhaus jetzt eingetreten.

Als Vertreterin und Vertreter der Akademie der Künste sind auch Sie in der Verantwortung für die Künstlerhaus Bethanien GmbH. Wir können nicht verstehen, wie Sie einerseits kluge Veranstaltungen durchführen, mit vielen schönen Reden über die kulturelle Beteiligung von Menschen aus verschiedenen Kulturen und wenig Geld, andererseits aber genau diese Menschen ignorieren und ihnen diese Beteiligung verwehren.

Wir werden nicht in den Südflügel gehen und werden Sie auch in Zukunft an Ihre Verantwortung erinnern.


Wir laden Sie ein, sich selbst ein Bild zu machen und hoffen auf eine baldige Antwort,

mit freundlichen Grüßen,

Das selbstverwaltete interkulturelle AnwohnerInnenforum im Bethanien


PS: Die BVV Friedrichshain-Kreuzberg wird am 27.2.08 über die Zukunft des Bethanien entscheiden. Vielleicht können Sie Ihre Haltung bis dahin nochmals durchdenken und öffentlich kundtun.


sOfa – das selbstverwaltete interkulturelle AnwohnerInnenforum im Bethanien
Mariannenplatz 2, 10997 Berlin
Internet:  http://sofa-im-bethanien.blogspot.com, e-mail:  kfm@bethanien.info

Die politische Dimension der Legalisierung

NY 24.02.2008 - 16:39
NewYorck im Bethanien: kurz vor der Legalisierung?
Was bedeutet eine Legalisierung politisch für das NewYorck und für andere, aktuell bedrohte linke Projekte in Berlin?
Was folgt aus den Plänen des Bezirksamtes für das gesamte Hauptgebäude Bethanien: kann die Idee eines Sozialen, Politischen, Kulturellen und Künstlerischen Zentrums noch verwirklicht werden?
Protokoll der Diskussion im NewYorck vom 19.2.
Gekommen waren ca. 20 Leute, davon viele aus den Projekten im NY. Wir fanden es schade, dass wir nicht mehr waren, haben aber trotzdem spannend diskutiert, und wollen Euch die Diskussion nicht vorenthalten. Wir hoffen auch, dass die Diskussion weitergeht – in den bedrohten Projekten, bei der Freiraumkampagne08, und vielleicht auch in der Interim.
Die Einschätzung, warum nicht so viele Leute und Projekte der Einladung der NY folgten, war relativ einhellig: es gibt grad viele Treffen, besonders auch in den bedrohten Projekten, und das NY wird nicht als bedrohtes Projekt wahrgenommen, sondern eher auf dem Weg der Absicherung. Wir gehen aber davon aus, dass es trotzdem ein großes Interesse am NY und auch Solidarität gibt.
Wir werden die Diskussion hier ausführlich wiedergeben – dies ist kein „Ergebnis“-Protokoll.
ZUM STAND DER DINGE
Die Bezirksverordnetenversammlung BVV Friedrichhain/Kreuzberg soll am 27.2. über eine Konzeptvorlage abstimmen, die an vielen Runden Tischen ein Jahr lang, 2007, erarbeitet und vom Leiter der Runde, Bezirksbürgermeister Franz Schulz, formuliert wurde. Dies geschah natürlich nicht im Einverständnis aller Beteiligten, aber die NY kann damit leben, zumal diese Vorlage einen Mietvertrag mit der NY vorsieht. Was das geplante Konzept der IZB, in der die NY Teil ist, anbelangt, ist allerdings Pessimismus angesagt, dazu aber später unten.
Es ist möglich, dass das Konzept des Bezirksamtes mit den Stimmen der Grünen und der PDS durchkommt. Allerdings könnten etwa auch SPD und PDS einen eigenen Antrag einbringen und durchsetzen. Vor allem in Bezug auf den zukünftigen Standort des Interkulturellen Anwohner_innenforums „sOfa“ haben SPD und PDS massive Kritik am Schulzschen Entwurf geäussert.
Als neuer Träger wird die gemeinnützige Gesellschaft für Stadtentwicklung GSE genannt, die das Gebäude in Treuhand übernehmen würde. Das bedeutet, das Bethanien wird ohne Kaufpreis an die GSE veräußert, diese muss kostendeckend wirtschaften, dem Bezirk entstehen keine Kosten. Der Vertrag zwischen GSE und Bezirk läuft zunächst auf 10 Jahre, nach denen der Bezirk das Gebäude wieder beanspruchen könnte. Eine Selbstverwaltung der Mieter_innen, also der Projekte und Institutionen im Gebäude ist vorgesehen, die auch über die Vergabe der freien Flächen entscheiden soll, das sind im Moment ca. 1000 m² im Erdgeschoss. Konzeptionell soll „Politisches und Soziales“ allerdings in den Südflügel verbannt werden, im Bereich der freien Flächen soll Platz für „Kulturelles, Kunst und Bildung“ sein. Von daher ist der Verbleib des sOfa im Hauptteil umstritten.
Tannert als Geschäftsführer der Künstlerhaus Bethanien GmbH und der Leiter der Druckwerkstatt des bbk, Mrowka, stellen ihren Verbleib im Bethanien unter die Bedingung, dass alle „Besetzernahen Einrichtungen“ in den Südflügel sollen, damit der Hauptteil für „Kunst“ reserviert bleibt.
Mit der GSE gab es bereits positiv verlaufende Gespräche, und seitens des Georg von Rauch-Hauses und der Osloer Fabrik im Wedding, die beide seit Jahren von ihnen in Treuhand verwaltet werden, gibt es einigermaßen gute Erfahrungen. So kann es sein, dass sich nach der großen Aufregung um Tannerts Knebel des Auszugs die Wogen glätten und der Vermieter GSE pragmatisch die Räume belegen kann, unabhängig von politischen Denunziationen der sich bewerbenden Projekte (die bereits Schlange stehen) durch Tannert oder Mrowka. Die anderen Projekte im Haus, die dem sOfa und der NY sympathisierend bis gleichgültig gegenüber stehen, haben sich bisher wenig in die Diskussion eingebracht.
Der Senat muss jedem Treuhandvertrag zustimmen. Deswegen muss vermutlich kurz nach der Beschlussfassung der BVV ein Mietvertrag mit der NY gemacht werden – sonst ist die Zustimmung des Senates sehr unwahrscheinlich. Der Mietvertrag mit der NY wird ein Gewerbemietvertrag sein, damit das Projekt NY politisches Leben und Arbeiten unter dem Dach eines Vereins sichern kann. Somit wird es keine Einzelmietverträge für die dort Lebenden geben. Da noch kein zu unterschreibender Vertrag vorliegt, auf den sich beide Parteien geeinigt hätten, sondern lediglich weit gediehene Verhandlungen der letzten 2,5 Jahre, wurde nicht über eine maximale Miethöhe, auf die sich die NY einlassen würde, gesprochen. Es ist klar, dass ein Vertrag nicht unter allen Umständen unterschrieben würde. Dieser muss den Verbleib der dort Lebenden und der Projekte sichern, den öffentlichen Raum für freie Verfügung erhalten und bezahlbar sein.
Die politische Dimension einer Legalisierung
Es kam die Frage auf, ob der Senat das Bethanien nur zwischenzeitlich „parken“ möchte, um es dann doch eines Tages zu privatisieren. Außerdem gibt es die Erfahrung, dass viele Projekte nach einer Legalisierung nicht mehr so kämpferisch sind und sich eher kommerziell ausrichten, da sie dann eine gewisse Miete aufbringen müssten.
Zur ersten Annahme wurde gesagt, dass ein späterer Verkauf nicht auszuschließen ist, aber im Moment das Bezirksamt ein großes Interesse hat, das Gebäude loszuwerden, um nicht jährliche Kosten in Höhe von 800 000,- aufbringen zu müssen – die sogenannten „Kalkulatorischen Kosten“, die der Senat seit 2008 den Bezirken für die Nutzung öffentlicher Gebäude aufbürdet. Die Bezirkspolitik, mit dem Grünen Schulz als Bürgermeister an der Spitze, kann sich dann brüsten, das seit langem konzeptionell umstrittene Haus befriedet und aus dem Haushalt wegorganisiert zu haben. Wenn die Vorlage bei der BVV nicht durchkäme, würde wahrscheinlich wieder ein Verkauf an einen privaten Investor anstehen. Dann hätte die NY schlechtere Karten für eine Legalisierung oder würde schneller geräumt, wenn sie keinen Vertrag akzeptierte. Es gibt grade keine starke Häuserbewegung, die die NY vor einer Räumung schützen würde, wenn der Gegenüber ein privater Investor wäre und nicht der Bezirk. Sogar in den Kämpfen um die Häuser Anfang der 80er kam es zu Spaltungen und Einzellösungen, und es ist auch aus heutiger Sicht nicht klar, ob die Stärke für eine gemeinsame Lösung da gewesen wäre. Die Gefahr besteht auch, dass viele Kräfte durch einen Hauskampf gebunden werden, die dann für andere Projekte fehlen. Viele Leute haben die Erfahrung gemacht, dass sie dann viel und lange relativ fremdbestimmt politisch gekämpft haben und davon ausgelaugt wurden. Immerhin findet die Auseinandersetzung auch im eigenen, privaten Bereich statt, wo es viel schwerer ist, sich auch mal zurückzuziehen. Für manche war das auch ein Weg dann ganz „auszusteigen“.
Wie kommt eine „Entpolitisierung“ von Projekten zustande bzw. wie kann sie vermieden werden?
Es gibt keine Sicherheit, dass die NY nicht von außen zerstört oder durch interne Prozesse politisch zerfallen könnte. Alle zur Zeit bestehenden Projekte würden von sich sagen, dass sie sicher politisch bleiben wollten und ihre Freiräume für emanzipatorische Projekte und Entwicklung da sind. Die Erfahrungen mit den Häusern, die in den 80ern legalisiert wurden, ist jedoch, dass es kaum noch öffentliche, politische Räume darin gibt, dass die Wohneinheiten immer kleiner wurden und sie sich kaum noch gemeinsam organisieren. Das liegt bestimmt auch an dem Alter der Hausprojekte. Wenn keine neuen Leute einziehen, wirkt oft der gesellschaftliche Druck dahingehend, dass die Leute individualistischer werden und politisch resignieren. Ein Projekt kann dann ganz schnell politisch verschwinden. Wir können nur gemeinsam schauen, dass die Kriterien, mit denen ein Projekt angetreten ist, auch in Jahren noch erfüllt werden. Das wären beim NY der sehr große öffentliche Bereich, die Beteiligung an der Organisierung des Bereichs durch die Bewohner_innen und die Nutzung auch von Leuten und Gruppen, die kaum oder gar keine Kohle dafür aufbringen können. Wichtig war auch, dass ein möglicher Vertrag keinesfalls bedeuten darf, dass eine Gruppe oder eine Person aus finanziellen Gründen das NY verlassen muss. Es wird also kein Vertrag „unter allen Umständen“ abgeschlossen. Das Projekt mit den verschiedenen Komponenten - leben, arbeiten, Büros für feste Gruppen, Raum für sporadische Treffen und größere Veranstaltungen - muss gesichert sein. Grade dass hier viel an antirassistischen Aktivitäten möglich ist, wurde für wesentlich gehalten. Über eine mögliche Maximalmiete wurde aus Gründen der Diskretion gegenüber dem Bezirksamt nicht geredet. Dass die Nutzer_innen jedoch unter ökonomischen Druck geraten, der sie auch rauskatapultieren kann, kann nicht ausgeschlossen werden – die finanzielle Situation vieler Projekte ist äusserst instabil, und auf irgendeine Weise müssen wir ein Gleichgewicht zwischen Projekten, die ein bisschen Kohle für Miete übrighaben, und Projekten ganz ohne Kohle hinkriegen. Aber dies ist ja leider ein gesamtgesellschaftliches und kein persönliches Problem. „Es gibt kein richtiges Leben im falschen!“
Dass öffentliche Aktivitäten von Projekten, wenn sie bedroht sind, zunehmen, ist klar, weil sie sich meistens in der Öffentlichkeit als erhaltenswert präsentieren wollen und weitere Interessierte anziehen wollen, die dann einen zusätzlichen Schutz bilden können. Es ist schwierig, die Aktivitäten von Projekten daran zu messen, weil sich doch Viele in einem Hauskampf eher auslaugen, als dass sie diesen Level an Aktivitäten auf Dauer, also auch nach einer Legalisierung, halten könnten. In der NY ist vieles von dem was passiert mittlerweile nicht mehr so sehr von den Aktivitäten der dort Lebenden abhängig, zu Beginn war das anders. Der Raum wird sich von vielen unterschiedlichen Leuten und Gruppen genommen. Dies heißt zum Teil auch eine weitergehendere Verankerung im Kiez als bei manchen anderen, eher auf ihre Szene bezogenen Projekten (was natürlich auch wieder Vorteile hat). Dadurch ist vielleicht auch ein über „Szenekonjunkturen“ hinaus gehender Bestand des Projektes absehbar. Aber auf Grund der Größe des öffentlichen Bereichs im Verhältnis zum Rest kann vorausgesagt werden, dass in Zukunft viele dort Lebenden mit anpacken müssen, um den öffentlichen Bereich am Laufen zu halten. Das ginge ja kaum mit Leuten, die politisch nichts (mehr) wollen. Es kam auch die Idee auf, die Existenz und Art der öffentlichen Räume in der Vereinssatzung oder anders vertraglich intern abzusichern.
Schwächt die Einzellösung die anderen, bedrohten Projekte und ist eine Gesamtlösung für alle denkbar?
Eine Annahme in der Diskussion war, dass die Legalisierung anderen Projekten eher schadet, weil die Räume immer weniger werden, in denen Geld nicht die tragende Rolle spielt. Andererseits sind Räume wichtig, in denen noch unter günstigen Bedingungen Soliparties und ähnliches für andere wichtige Anliegen gemacht werden können. Dass sie nach Vertragsabschluss unter einem gewissen Kommerzialisierungsdruck stehen, müsste in Kauf genommen werden, wenn sie nicht ganz durch Räumung verloren gehen sollen. Die Bedingungen für einen Hauskampf sind derzeit nicht die besten und eine Legalisierung von einem Projekt wie dem Bethanien wäre vielmehr als Erfolg zu werten, da dann, zumindest für einige Jahre, die Existenz gesichert ist. Ein ähnliches Problem ergibt sich für Häuser, die sich aus der Bedrohungssituation heraus grad überlegen oder dabei sind ihr Haus zu kaufen. Niemand will Eigentümer_in werden und jahrelange finanzielle Verpflichtungen eingehen, aber was sind die Alternativen, wenn die Bewegung grad Häuser nicht halten kann? Ein gangbares Modell, wo mensch nicht direkt Eigentümer_in wird, könnte das Konzept des Freiburger Mietshäuser Syndikats sein, mit dem schon einzelne Berliner Häuser „sich gekauft haben“, aktuell versucht das die bedrohte Rigaer 78.
Die Perspektiven eines gemeinsamen Handlungsansatzes für alle bedrohten Projekte wurde unterschiedlich eingeschätzt. Einerseits ist es schwierig, bei unterschiedlichem Gegenüber (Privatinvestor, Strohleute, Wohnungsbaugesellschaften, Bezirk), sie gemeinsam unter Druck zu setzen, weil sie teilweise unterschiedliche Interessen haben, und auch auf sehr unterschiedliche Art und Weise zu beeinflussen sind. Beispielsweise ist es schwierig, einen dubiosen Käufer wie im Fall der Köpi mit Imagebeschmutzungskampagnen unter Druck zu setzen – das Image ist eh unter aller Sau. Bei einer bezirklichen Regierungspartei wie den Grünen kann das hingegen sehr wirksam sein – wie auch bei einem grossen, formalen Eigentümer wie etwa Hochtief im Fall des Schwarzen Kanals. Andererseits wurde gesagt, dass eine gemeinsame Haltung mindestens den Senat unter Druck setzen könnte, der sich einmischen müsste, wenn es an allen Ecken Stress gegen Räumung gäb. So kann z.B. der Kreuzberger Bezirk immer sagen, „Wir haben ja schon das Bethanien gerettet, bei der Reiche 63a können wir leider nichts mehr machen“ und sich so aus der Verantwortung stehlen (bei der Reiche will der Bezirk als Puffer aus dem Mietvertrag raus, die Mieten würden steigen). Von daher ist es wichtig, dass diese Diskussion auch an anderen Stellen, in den betreffenden Häusern und auch in der Freiraumkampagne08 geführt wird.
Wie sehen die Chancen für ein Soziales, Politisches, Kulturelles, Künstlerisches Zentrum von links unten im ganzen Bethanien aus?
Der bereits erwähnte Vorschlag des Runden Tisches von Bezirksbürgermeister Schulz sieht vor, dass „Soziales und Politisches“ nur im Südflügel Platz haben kann, Die Idee der IZB dagegen war, auf den derzeit freien Flächen im Hauptflügel Erdgeschoss zum Teil Mehrzweckräume für temporäre Veranstaltungen oder Tagungen freizuhalten und anderen Basisgruppen Räume zur Verfügung zu stellen. So haben seit über einem Jahr Gruppen am Konzept und am Runden Tisch mitgearbeitet, die aus den Bereichen Medienarbeit, Theater, Bildung kommen. Auch das sOfa läuft Gefahr, aus dem Haupttrakt des Gebäudes verbannt zu werden. So fordern es die SPD und die PDS, und auch Tannert und Mrowka (Künstlerhaus Bethanien GmbH und Druckwerkstatt) stellen das Verschwinden des sOfa als Bedingung für ihren Verbleib im Haus dar. Das „Casino“, die ehemalige Kantine im Mittelteil des Erdgeschosses, wird seit ein paar Monaten von einem eher dubiosen, „Kiezküchen“ genannten Ausbildungsprojekt für Jugendliche betrieben und vom Arbeitsamt für 2 Jahre finanziert. Was danach kommt ist unklar. Denkbar und wünschenswert wäre etwa für diesen ca. 500 m² großen Raum eine kollektive Nutzung für Veranstaltungen, Ausstellungen und Café- bzw. Kneipenbetrieb. Es kann durchaus sein, dass, wenn die GSE die Verwaltung der Räume übernimmt, es möglich sein wird, Projekte, die aktuell mit der Begründung, „besetzernah“ zu sein, abgelehnt werden, dann rein könnten. Außerdem ist unter dem Label „Bildung“ fast alles akzeptabel und widerspräche nicht dem Runden Tisch Konzept.
So, das wars. See you at the barricades!
NewYorck, Köpi, Schwarzer Kanal und alle anderen Projekte bleiben! Wir bleiben allerdings alle!

BVV und Themen

autonom 27.02.2008 - 01:34
Bei der morgigen BVV-Sitzung

Ort: Rathaus Yorckstr. 4-11, U-Bhf. Mehringdamm
Zeit: Mittwoch, 27.2.08, ab 17 Uhr.

entscheidet sich nicht nur die Zukunft des Bethanien, auch der der Verdrängung ausgesetzte Nachbarschaftsgarten "Rosa Rose" in Friedrichshain und das Begehren "Media Spree" stehen auf der Tagesordnung. Kommt zahlreich.

Berlin 2070: Alles wird gut!

Revolte Springen & Friends 27.02.2008 - 22:17
Immer wieder sind linke Haus- und andere Projekte bedroht, die Gentrifizierung und Privatisierung greift um sich. Um den düsteren Zukunftsahnungen etwas entgegen zu setzten haben wir eine Vision in einen Song verpackt: Berlin 2070, alles wird gut!

 http://kanalb.org/

Beschluss der BVV vom 27.2.08

xy 28.02.2008 - 16:57
Hier gibts den beschlossenen BVV-Beschluss zum Selbst-Anschaun:
 http://www.bethanien.info/pdfs/BvvBeschluss080227.pdf

Mehr dazu unter  http://bethanien.info.

Farbschmiererei an Galerie

Polizeibericht 04.03.2008 - 14:36
Eingabe: 04.03.2008 - 10:00 Uhr
Farbschmiererei an Galerie
Mitte
# 675

Unbekannte beschmierten heute früh kurz nach Mitternacht die Schaufensterscheiben einer Galerie in der Turmstraße in Moabit. Eine Polizeistreife stellte den über drei Schaufensterscheiben reichenden Schriftzug fest. Da ein politischer Hintergrund nicht ausgeschlossen werden kann, hat der Polizeiliche Staatsschutz die Ermittlungen übernommen.

Türschlösser einer Galerie verklebt

Polizeibericht 05.03.2008 - 14:25
Eingabe: 05.03.2008 - 08:50 Uhr
Türschlösser einer Galerie verklebt - Täter festgenommen
Mitte
# 684

Ein 28-jähriger Mann verklebte heute früh die Türschlösser einer Galerie in der Turmstraße in Tiergarten. Gegen 2 Uhr 20 sahen Beamte einer Zivilstreife , dass der Mann sich an der Eingangstür zu schaffen machte, und überprüften ihn. Nach Einleitung eines Ermittlungsverfahrens wurde er entlassen, der Polizeiliche Staatsschutz hat die Bearbeitung übernommen.

Weiterer Kommentar zum Galerieanschlag

Informant 05.03.2008 - 20:54
Die Plakate sind eigentlich gegen niemanden gerichtet, außer gegen Glaubenskämpfer, Neonazis und Meinungsmonopolisten. Zum Zyklus des Kaaba-Motives gehören noch zwei weitere: Eines zeigt einen orthodoxen Juden, der über Araber herzieht – „Dummer Hut“, ein anderes thematisiert das militärische Auftreten vermummter Demonstranten – „Dummer Block“.

In der vergangenen Nacht haben Unbekannte das Thema der Plakatkünstler aufgenommen und „Dumme Ausstellung“ an die Schaufenster gepinselt. Wahrscheinlich war das nicht ironisch gemeint. Die Polizei hat die Farbe gleich abwischen lassen. Ausstellungs-Kurator Ralf Hartmann hätte die unfreiwillige Fortführung der Satire gerne für ein paar Tage konserviert.

Beiträge die keine inhaltliche Ergänzung darstellen

Zeige die folgenden 3 Kommentare an

kunst = kommerz — artsy-fartsy

super artikel ! — mieter