Prozess gegen Versammlungsleiterin Siko 07

Hänschen Pompadour 12.02.2008 19:31 Themen: Repression SiKo München
Heute fand im AG München ein Prozess gegen die Versammlungsleiterin der letztjährigen internationalen Grossdemonstration gegen die NATO-Kriegskonferenz in München statt. Ihr wurde vorgeworfen, ihr Pflichten als Versammlungsleiterin nicht erfüllt zu haben, weil sie deutlich gemacht habe nicht hinter den Auflagen der Polizei zu stehen. Der Richter begründete den Schuldspruch auch mit der Körperhaltung der Angeklagten.
Vor dem Prozess fanden sich ca. 20 solidarische Personen aus verschiedenen Spektren der Linken zu einer kuren Kundgebung ein, bei der thematisiert wurde worum es in diesem Prozess geht: Das VersammlungsleiterInnen zu Hilfsbullen gemacht werden sollen, das ein Bestandteil der Kriminalisierung des Widerstandes gegen die Siko ist. Um sich zu vergegenwärtigen, was im Februar 2007 konkret passiert ist, empfehel ich diese Nachbereitung:  http://de.indymedia.org/2007/02/168556.shtml
Konkret heisst es hier: "Bei den verschiedenen Versuchen,die Bullen aus der Demo und von der Straße abzudrängen hat unsere Demoleitung den Block tatkräftig unterstützt, was alle ziemlich begeistert hat. Aber auch von der BeobachterInnenstruktur und von den DemoteilnehmerInnen die um den Block herum unterwegs waren erfuhren wir im Block viel Unterstützung, immer wieder mischten sich in brenzligen Situationen Leute von aussen ein."

Zum eigentlichen Prozessauftakt kamen noch einige GenossInnen mehr, so dass der Gerichtssaal mit solidarischem Publikum gefüllt war. GenossInnen, die keinen Sitzplatz fanden wurden vom vorsitzenden Richter Müller hinausgeschickt, er weigerte sich pragmatisch mit dem grossen öffentlichen Interesse an dem Prozess umzugehen und in einen grösseren Saal umzuziehen oder halt ein paar Leute stehen zu lassen.

Nach diesem Vorgeplänkel verlas Staatsanwalt Lutz die Anklageschrift. B. sei als Versammlungsleiterin dafür verantwortlich gewesen, die Demoauflagen durchzusetzen, insbesondere dass nur themenbezogene Durchsagen vom Lauti kommen und das keine Seitentransparente getragen werde dürfen. Dazu sei sie verpflichtet, "intensiv mit der Polizei zusammen zu arbeiten." Sie habe aber "deutlich gemacht, dass sie nicht hinter den Auflagen stehe" und zugelassen dass vom Lauti gegen die Cops gehetzt wurde.

Als B. danach ihre Prozesserklärung verlas, wurde sie nach dem ersten Satz vom Richter unterbrochen, sie solle bei der Sache bleiben und nichts "abseitiges" von sich geben, weiter behauptete er "ihre und meine politsche Einstellung spielen hier keine Rolle." Im Prozess wurde später mehr als deutlich, dass die obrigkeitsstaatliche Einstellung des Richters sehr wohl eine Rolle spielte, und das andere durchaus "Abseitiges" von sich geben durften. Aber der Reihe nach.
In ihrer Erklärung ging B. darauf ein, was die Siko eigentlich ist, und warum seit Jahren Menschen dagegen auf die Strasse gehen. Weiter berichtete sie davon, dass die Demos mit der Regelmässigkeit eines von der Polizei angegriffen werden, dass vor und nach den Demos Jagd auf DemoteilnehmerInnen gemacht wird, und das es ihr als Versammlungsleiterin in diesen Situationen nie möglich war den Einsatzleiter der Polizei zu erreichen.
Sie bennante konkret 2 Beispiele für klar rechtwidriges Vorgehen der Bullen: Einmal kletterten '07 Bullen über geparkte Autos um die Demo anzugreifen, dabei wurden diese beschädigt. Diese Beschäfdigung wurde der Demo angelastet, und taucht in der Gefahrenprognose zum diesjährigen Auflagenbescheid auf - als Argument für einen Wanderkessel. Zweitens werden immer wieder Leute aus der Demo Portaitmässig abgefilmt, ohne das dafür eine rechtliche Grundlage gegeben ist.
Angesichts dessen, so B. "erscheint es lächerlich, wenn VersamlungsleiterInnen Polizeiaufgaben erfüllen müssen"
Über diese politsche Erklärung hinaus macht B. keine Angaben zur Sache.

Als nächstes wurde ein Polizeivideo gezeigt, dass einen Überblick über die Demo geben sollte. Dbei war der Belastungszeuge Kommissar Müller anwesend, und kommentierte immer wieder das Geschehen im Film. Seine Aussagen waren allesamt stark tendenziös und wertend, hatten teilweise auch nichts mit der konkreten Anklage zu tun, ohne dass der Richter wegen "abseitigen" Äusserungen einschritt.
Der Zeuge beschwerte sich dabei immer wieder über zwei GenossInnen, die '07 kurzzeitig die Moderation im Bündnislauti übernommen hatten: "Da wird sauber gegen die Polizei gehetzt." Seiner Meinug nach waren beide bekannt als "Einpeitscher, das geht im einen fort mit 'no justice, no peace, fight the police' und niemand tut was." Womit er sich das Urteil darüber anmasst, welche Aussagen themenbezogen und welche "Hetze" sind.
Weiter bemängelte er, dass B. nicht persönlich Seitentranspis und Seiel eingesammelt habe, sondern viel mehr einen Zivicop aktiv aus der Demo schob - Der Zeuge hatte zu diesem Vorfall extra Fotos ausgedruckt und mitgebracht.
Im Zusammenhang mit einer Durchsage bemängelte der Zeuge, dass B. diese mit den Worten "Ich soll durchsagen ..." begonnen habe.
Insgesamt gab Kommissar Müller in einem fort allgemeine Einschätzungen und Wertungen ab, ohne dafür vom Richter in irgendeiner Art und Weise gemassregelt zu werden. Diese Wertungen wurden vom Richter dann in der Urteilsbegründung komplett übernommen.


Der Staatsanwalt, der sich bis dahin nicht aktiv am Prozess hatte beteiligen müssen, verlas dann sein Plädoyer - 50 Tagessätze a 40 €, die Begründung war wie gehabt.
Die Rachtsanwältin Lex forderte dann einen Freispruch für B. Sie führte aus, dass eine Verurteilung einen massiven Eingriff in das Demonstrationsrecht bedeuten würde.
Die Polizei kann demnach nicht beurteilen, was denn themenbezogen ist, und hat kein Recht eine Versammlung zu zensieren. Grundsätzlich ist das Verhalten der Polizei bei einer Versammlung themenbezogen. Auflagen müssen laut Gesetz von den LeiterInnen nur im Rahmen iherer rechtlichen und tatsächlichen Möglichkeiten durchgesetzt werden, irgendwem ein Transpi aus der Hand reissen darf die Demoleitung schlichtwegs nicht. Da B. mehr als einmal durchgesagt hat, dass Seitentransparente nach Auflagenbescheid verboten sind, hat sie in dieser Hinsicht ihre Verpflichtung übererfüllt.
Das Versammlungsgesetz sieht bewusst nur in krassen Fällen eine Strafbarkeit der Versammlungsleitung vor, was der Staatsanwalt in seinem Plädoyer komplett ignoriert hat.

B. wurde zu 40 Tagessätzen verurteilt, in der Begründung sagte der Richter, er hätte vielleicht eine Einstellung angeboten, aber die Körpersprache der Angeklagten habe eine "aggressive, hetzerische" Stimmung erzeugt.
der Richter ging in der Begründung mit keiner Silbe auf die von der Verteidigerin angeführten Bedenken im Bezug auf das Versammlungsgesetz ein. Vielmehr übernahm er bis in den Wortlaut die Einschätzung des Polizeizeugen, einige Ansagen vom Lauti seien nicht themenbezogen sondern "Hetze" gewesen. Während der Urteilsbegründung riefen zwei BesucherInnen (sinngemäss) "keine Hetze, sondern Kritik!" und "Sie übernehmen die tendenziösen Aussagen von dem Zeugen!", und mussten dafür ein Ordnungsgeld zahlen.
In der weiteren Begründung verstieg sich derRichter noch in die Behauptung, einige der Ansagen gegen die Polizei seihen menschenverachtend gewesen.


Vieles an diesem Prozess war auch nach bürgerlichen Gesichtspunkten ein Skandal, angefangen damit dass B. nach dem ersten Satz ihrer Erklärung gemassregelt wurde, während der Polizeizeuge eine halbe Stunde lang vor sich hin blubbern durfte. Weiter dass sich das Gericht wie selbstverständlich anmasste, dass Parolen wie "Haut ab!" oder "No justice, no peace ..." nichts mit dem Versammlungsthema zu tun haben - was das Thema unserer Versammlung ist, entscheiden immer noch wir, und nicht irgendein bornierter Spiesser.
Das der Richter Müller auch die Sitzhaltung von B. für "hetzerisch" befindet, ist vielleicht nur noch mit gesteigerter Verblödung zu erklären.
Last not least: Geht es nach diesem Urteil, machen sich VersammlungsleiterInnen die nicht den Hilfssheriff spielen strafbar. Es muss klar sein, dass wir das denen, die für uns unsere Demos anmelden nicht zumuten können. Deshalb ist es wichtig dass wir alle die juristischen und politischen Auseinandersetzungen um diese Frage nach Kräften unterstützen.
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Ergänzungen

Auch in Karlsruhe

Kampagne19. Mai 13.02.2008 - 08:23
Auch in Karlsruhe erhielt ein Anmelder einer bundesweiten Demo vor dem G8 einen Strafbefehl über 4800 Euro.

mehr auf der Kampagnenseite

Falsche Webadresse!

Kampagne 19. Mai 13.02.2008 - 10:50
Die o.g. Adresse zur "Kampagne 19. Mai" muss korrekt heissen:
 http://www.kampagne19mai.de

angriff aufs demorecht

rotfront 13.02.2008 - 11:22
ich hatte das vergnügen, die anklageschrift zu lesen. es war wirklich ein vergnügen, da sich der staatsanwalt seitenlang nur drüber ausgeheult hat, b.hätte der polizei nicht geholfen. in der ganzen anklageschrift kam kein einziger paragraf vor, das ganze klang eher nach nem kleinen kind, das zu seiner mutter rennt "mamma, die ist so blöd". das b. trotz dieser haarstäubenden anklageschrift verurteilt wurde, ist nicht das ergebniss eines geistesgestörten richters. der richter hat das gemacht, was er sollte. dieses urteil bereitet eine reihe weiterer entwicklungen vor, die, wenn wir nichts dagegen unternehmen, verhängnissvoll enden werden.
ziel ist eine völlige spaltung der demo: wenn die strafen weiter angehoben werden bis hin zu haftstafen, wird sich eindemoleiter auf längere sicht aus selbstschutz bullenkonform verhalten müssen. die bedeutet eine spaltung der demo demoleiter vs demonstranten. das wir dies nicht zulassen können, ist klar.
die spaltung wird aber, denke ich, noch weiter gehen: irgendwann werden die ordner zur "verantwortung" gezogen. das ende vom lied wird sein, dass die ordner sich auf demos wie hilfsbullen verhalten müssen, um nicht selber eingesackt zu werden. d.h. irgendwann reißt euch nichtmehr n verblödeter bulle das seitentranspi aus der hand, sondern n ordner. das wäre eine katastrophe für jede demo und eine pervertierung des eigentlichen ordnergedankens.
sollte es so weit kommen, können wir dann wirklich nurnoch unangemeldete demos durchziehen. das ergebniss davon wäre, dass jede progressive demo vn vornherein kriminalisiert ist u von den bullen weggeknüppelt werden kann. das heißt aber auch, es werden nurnoch leute auf die demos kommen, die wirklich hochpolitisch sind; wir würden einen guten teil unseres mobilisierungspotentials verlieren. außerdem würde jede zweite demo im knast landen. und ich spreche hier nicht nur von der siko; es geht auch um jede kleine antifa-demo, mahnwachen etc.
bei der organisation gerade größerer demos wären wir förmlich in die illegalität gedrängt. das bedeutet konspirative treffen zur vorbereitung, konspirative mobilisierung. jedes flugi wäre eine straftat...
sorry, dass ich so schwarz mal. aber das wären die logischen, langfristigen schlüsse, sollte dieses urteil bestehe bleiben und ausgeweitet werden.

ergo: unterstützt b. bei der revision, spendet an die rote hilfe

WIR WERDEN NIE ZU HILFSBULLEN WERDEN !!!

Prozess gegen die SIKO-Versammlungsleitung 20

anti-siko 13.02.2008 - 15:53
Am 12. Februar fand vor dem Amtsgericht München der Prozess gegen die Versammlungsleiterin (Babette M.), der Internationalen Demonstration gegen die Kriegstagung 2007, statt.

Kurz vor Prozessbeginn wurde vor dem Gerichtsgebäude eine Kundgebung abgehalten. Etwa 30 Leute brachten ihre Solidarität mit der Angeklagten lautstark zum Ausdruck. In 2 Redebeiträgen wurde deutlich gemacht, dass das Recht auf Versammlungs- und Meinungsfreiheit, vor allem in Bayern, immer stärker beschnitten wird und dieser Prozess u.a. dazu benutzt werden soll, VersammlungsleiterInnen zukünftig als verlängerten Arm der Polizei zu missbrauchen.

"Der Versammlungsleitung wurde von der Staatsanwaltschaft vorgeworfen, einen Verstoß gegen die Auflage, Seitentransparente zu tragen und Lautsprecher nur für Ansprachen und Darbietungen, die im Zusammenhang mit dem Versammlungsthema stehen sowie für Ordnungsdurchsagen zu nutzen, nicht verhindert zu haben. Hierdurch soll sie selbst gegen eine Auflage des Bescheides verstoßen haben." (Anklageschrift)

Da der Sitzungssaal - mit Absicht? - viel zu klein bemessen war mussten viele der potentiellen ZuhörerInnen draußen bleiben. Gleich zu Beginn der Verhandlung machte Amtsrichter Müller klar, wer hier der Chef im Saal ist. Den Leuten, die keinen Sitzplatz mehr ergattert hatten, drohte er unmissverständlich an, sie raus werfen zu lassen falls sie nicht sofort den Saal verlassen. Den Vorschlag in einen größeren Saal auszuweichen wies er, ohne eine weitere Diskussion zuzulassen, rüde von sich.

Nachdem Staatsanwalt Lutz die Anklage verlesen hatte und die sonstigen gerichtspezifischen Formalitäten abgehakt waren, setzte die Angeklagte an, eine politische Erklärung abzugeben. Der erste Satz war noch nicht über ihre Lippen gegangen, als Richter Müller ihr das Wort abschnitt. Hier könne man "nicht jeden Schmarrn" vortragen, geiferte er und "abseitige Erklärungen" hätten vor Gericht nichts verloren. Nach einem Disput mit der Verteidigerin, Angelika Lex, sah er sich jedoch gezwungen der Angeklagten wieder das Wort zu erteilen.

Babette M. machte in ihrer Prozesserklärung (im Anhang) deutlich, dass Protest und Widerstand gegen die so genannte Sicherheitskonferenz eindeutig legitim sind. Sie wies weiter darauf hin, dass es nicht Aufgabe der Versammlungsleitung sein kann, Polizeiaufgaben zu übernehmen. Ihre einzige Aussage zum juristischen Prozedere bestand darin, das sie mehrmals Ordnungsdurchsagen, bezüglich des Auflagenbescheides, vom Lautsprecherwagen getätigt habe.

Anschließend hatte der zweite Herr Müller seinen Auftritt. Namens gleich mit dem Richter, ob verwandt oder verschwägert wurde nicht geklärt, war Kriminalhauptkommissar (KHK) Müller 2007 Verbindungsbeamter zwischen Versammlungsleitung und Einsatzführung der Polizei. Er war als einziger Zeuge geladen und durfte das einzige Beweismittel, ein Video der Polizei von der Anti-SIKO-Demo 2007, süffisant kommentieren. Dies obwohl Rechtsanwältin Lex sich ausdrücklich dagegen verwehrt hatte. Richter Müller schmetterte diesen Einwand einfach ab. Bei der Vorführung des Videos waren die ZuhörerInnen zudem außen vor, akustisch war zwar Einiges mit zu bekommen, auf den Bildschirm hatten jedoch nur die Prozessbeteiligten Sicht. - Eine weitere Ausgrenzung der Öffentlichkeit an diesem Tage.

Das angeblich strafbare Verhalten der Angeklagten bestand laut KHK Müller u.a. darin, dass sie "halbherzige Durchsagen" gemacht habe, z.B. "Ich soll für die Polizei durchsagen, dass die Seitentransparente zu entfernen sind". Außerdem habe sie die "Haßtiraden gegen die Polizei", welche vom Lausprecher des Internationalistischen Blocks (IB) gekommen seien, nicht unterbunden. Die Moderation des IB-Lautis scheint ihm eh seit Jahren ein Dorn im Auge zu sein. Der Moderator sei bekannt als "Einpeitscher und Aufheizer", so Müller, auch die Moderatorin sei nicht besser. "No justice-no peace, fight the police;Verpißt Euch, Haut ab," habe sie gerufen. Dies seien keine "themenspezifische Äußerungen" und somit von Frau M. auch zu unterbinden gewesen. - Das die Ansagen der Moderation lediglich Reaktionen auf die Knüppel- und Gaseinsätze der Sondereinsatzkommandos gegen die DemonstrantInnen waren, wurde von ihm jedoch mit keinem Wort erwähnt

Als Realsatire zu werten war dann noch Müllers Versuch in die Psyche der
DemonstrantInnen vorzudringen indem er behauptete, auswärtige DemonstrationsteilnehmerInnen würden von der Versammlungsleitung instrumentalisiert. O-Ton Müller:"Arme Würstl von auswärts!" - Gewohnt als Befehlsempfänger zu funktionieren erscheint es ihm offensichtlich als logisch, dass Menschen nur fremdbestimmt handeln.

Nachdem KHK Müller vom Gericht entlassen wurde, forderte Staatsanwalt Lutz, die Angeklagte zu 50 Tagessätzen a 40 Euro zu verurteilen. Ansonsten war von diesem Herren nicht viel zu hören.

Rechtanwältin Lex ging in ihrem Plädoyer erstmal darauf ein, dass jedes Jahr zu SIKO-Zeiten massive Eingriffe der staatlichen Organe auf das Versammlungsrecht stattfinden. Sie wies weiter darauf hin, dass die Versammlungsleitung definitiv nicht als Hilfspolizist zu verstehen sei. "Sie hat weder rechtlich noch tatsächlich die Kompetenz polizeiliche Auflagen durchzusetzen," so Lex weiter, dafür seien die ca. 4000 PolizistInnen vor Ort zuständig. "Hätte die Angeklagte höchstpersönlich die Seitentransparente wegreißen sollen? Hätte sie 7000 Rucksäcke durchsuchen sollen, um zu verhindern, dass womöglich eine Glasflasche geworfen wird?" karikierte sie die lebensfremden Ansichten des Gerichts. Abschließend erklärte Frau Lex, unter Zitierung von Passagen des Versammlungsgesetzes, dass sich ihre Mandantin in keinster Weise strafbar gemacht habe und forderte einen Freispruch.

Bereits zu Beginn der Verhandlung, spätestens nachdem Babette M. auf ihrer Erklärung beharrte, war für alle ZuhörerInnen greifbar, dass von dem Richter nichts Gutes zu erwarten war. Für seine Überlegungen, vor Verkündigung des Urteils, benötigte er deshalb auch nur einige Minuten: 40 Tagessätze a 40 Euro. Die Begründung seines Urteilsspruchs kann nur als skandalös bezeichnet werden. Die Angeklagte habe durch ihre Körpersprache in der Verhandlung, ähnlich wie auf der Demonstration 2007, eine "unangenehme und hetzerische" Stimmung ausgestrahlt. Einen Seitenhieb auf den Moderator des IB-Lautis konnte er sich auch nicht verkneifen. Dieser hätte "Menschenverachtende Haßtiraden" abgelassen, so Müller.

Der Unmut über Müllers niveaulose Äußerungen führten im Zuhörerraum zu deutlichen Unmutsäußerungen während des Urteilsspruchs und einer Überreaktion des Amtsrichters. Justizbeamte marschierten auf, um die 2 "Störenfriede" zu entfernen, außerdem wurden Beide mit einem Ordnungsgeld von 30 Euro, alternativ 1 Tag Haft, ab gestraft.

Es war bereits im Vorfeld klar, dass dies kein "normaler" Prozess werden wird, sondern von staatlicher Seite als Vehikel missbraucht werden soll, Grundrechte wie Versammlungs- und Demonstrationsfreiheit weiterhin abzubauen. Eine ausführlichere politische Einschätzung
und ein weiterer solidarischer und praktischer Umgang mit diesem Präzedenzfall bedarf noch einer intensiven Auseinandersetzung.

Nur soviel, es wurde bereits Widerspruch gegen dieses Urteil eingelegt. Wir werden Euch weiter auf dem Laufenden halten, wir bedanken uns für die breite Solidarität und hoffen auf Eure weitere Unterstützung.

Auf der Anklagebank saß nur Eine, doch gemeint sind wir ALLE!

Wir dürfen nicht zulassen, dass sich die staatlichen Organe durchsetzen! Ein langwieriger Gang durch die gerichtlichen Instanzen, verbunden mit erheblichen Anwalts- und
Prozesskosten, liegt vor uns. Auf der Anklagebank sitzt zwar weiterhin Babette, der staatliche Angriff richtet sich jedoch gegen uns alle. Diesen gemeinsam abzuwehren, sowohl auf juristischer wie auf politischer Ebene, kostet natürlich auch viel Geld, deshalb bitten wir Euch um Spenden auf folgendes Konto:

Martin Löwenberg
Kto.-Nr. 28 26 48 02
BLZ: 700 100 80
Postbank München
Kennwort: Prozess SIKO 07


München, 13. Februar 2008

AKTIONSBÜNDNIS GEGEN DIE NATO-"SICHERHEITSKONFERENZ"

Prozesserklärung

anti-siko 13.02.2008 - 19:24
Prozesserklärung

Jedes Jahr treffen sich Vertreter und Vertreterinnen von Militär, Politik und Wirtschaft in München um dort im luxuriösen Ambiente des Bayrischen Hofs ungestört die Pläne für Militäreinsätze der nächsten Jahre auszuarbeiten. Diese Leute nennen sich selbst gerne „strategic community“, ein Begriff, der vorgaukelt, es handle sich bei dem Treffen um eine Gemeinschaft, die hier ein bisschen vorausplant, was ja eigentlich niemanden stören sollte. Unerwähnt bleibt nur, was hier eigentlich geplant und organisiert wird.

Es sind die Angriffskriege, die hier vorbereitet werden, die Kämpfe um Macht und Rohstoffe, um wirtschaftliche Vormacht und um das Recht auf Ausbeutung. Hier am runden Tisch wird ausgelotet, wie weit man gehen kann, ohne andere vor den Kopf zu stoßen, hier werden die Deals abgewickelt, deren Auswirkungen das Leben Hunderttausender kosten. Hier wird im wörtlichsten Sinne menschenverachtende Politik geplant.

Und das Ganze ist noch nicht einmal eine Veranstaltung, die irgendein politisches Mandat vorweisen könnte. Nein, es ist eine Veranstaltung der Privatwirtschaft in einer unheiligen Allianz mit der Bundeswehr.

Auf eine kleine Anfrage der Linkspartei gab die Bundesregierung an, die Münchner Sicherheitskonferenz werde durch 420 Bundeswehrsoldaten "unterstützt", wobei 120 davon sogar das Hausrecht beim Veranstaltungsort ausüben. Die hierfür anfallenden Kosten beziffert die Bundesregierung auf 500.00 Euro, hinzu kommen weitere Hilfsleistungen vom Presse- und Informationsamt in Höhe von 341.000 Euro, so dass das Treffen der Kriegsstrategen mit insgesamt 841.000 Euro aus der Staatskasse finanziert wird!
Der Öffentlichkeit wird das Ganze dann noch als Einsatz für Frieden und Sicherheit verkauft. Orwells Vision vom Neusprech Krieg ist Frieden ist hier längst bittere Realität geworden.

Und gegen dieses Treffen internationaler Kriegsverbrecher richtet sich seit vielen Jahren unser Protest. Jedes Jahr kommen viele tausend Menschen um hier ihrer Ablehnung gegen diese Kriegskonferenz Ausdruck zu verleihen. Und jedes Jahr stoßen sie auf das selbe Bild. Die Staatsmacht versucht mit allen ihr zur Verfgung stehenden Mitteln die Proteste zu ver- oder zumindestens zu behindern. Die jährliche Demonstration wird mit der Regelmäßigkeit eines Uhrwerks angegriffen bzw. schikaniert. Von außen ist die Demonstration nur als wandernder Polizeikessel wahrnehmbar. Permanente Schikanen seitens der Einsatzleitung und vor allem seitens der Spezialeinheiten, die ohnehin meist tun und lassen was sie wollen. Vor und nach der Demonstration werden politisch aktive Menschen verfolgt und mit Repression berzogen. In schöner Regelmäßigkeit wird das Convergence Center von der Polizei gestürmt, obwohl die Stürmung des jeweils vorherigen Jahrs gerichtlich als unrechtmäßig festgestellt wurde.

Letztes Jahr wurde eine Beobachtergruppe eingesetzt, die die Polizeibergriffe dokumentieren sollte. Sie stellte fest, dass Provokationen und Gewalt von den Einsatzkräften und hier insbesondere von den USK-Einheiten ausgingen nicht von den Demonstrationsteilnehmern. Jeder Versuch, während der Übergriffe Beamte zur Rechenschaft zu ziehen scheiterte stets daran, dass der jeweilige Einsatzleiter immer genau dann nicht anwesend war, wenn er gebraucht worden wäre. Nachdem die eingesetzten Kampfmaschinen stets nicht identifizierbar sind, können sie auch im Nachhinein nicht mehr belangt werden.

Ein Beispiel vom letzten Jahr mag das veranschaulichen. Während eines der zahlreichen Angriffe auf den Demonstrationszug kletterten mehrere USK Beamte in voller Kampfmontur über parkende Autos. Die Autos wurden beschädigt, was bei der Hartplastikpanzerung der angreifenden Einheiten kein Wunder war. Ein Beamter wurde dabei beobachtet, wie er einen Zettel an die Windschutzscheibe eines beschädigten Fahrzeugs befestigte, auf dem stand, dass das Fahrzeug durch einen Polizeieinsatz beschdigt wurde. Wenige Sekunden später entfernte ein anderer Beamter diesen Zettel wieder. Der Versuch der Demonstrationsteilnehmer, daraufhin den Einsatzleiter zu verständigen scheiterte an seiner Abwesenheit. Später war im Pressebericht der bayrischen Polizei zu lesen: Namentlich noch nicht bekannte Demonstranten hatten in der Sonnenstraße mehrere geparkte Fahrzeuge beschädigt.

Dieser Vorfall ist photographisch dokumentiert, trotzdem steht der Vorwurf gegen die Demonstration im Raum nicht gegen die Einsatzkräfte. Und im folgenden Jahr wird dann der Polizeieinsatz damit begründet, dass letztes Jahr Autos beschädigt wurden. Es könnte einen zum Lachen bringen, wäre es nicht so bitter ernst.

Die Durchführung der Demonstration ist also jedes Jahr wieder eine Herausforderung, ein Versuch, eines der höchsten Rechtsgüter der Bundesrepublik gegen eine Armee nicht identifizierbarer Kampfmaschinen zu verteidigen, gegen Willkür und Lüge, gegen Knüppeleinsätze und Festnahmen.
Und nicht zuletzt gegen die Gesetzesverstöße der Gesetzeshüter selbst. Seit Jahren wird die Einsatzleitung darauf hingewiesen, dass das Abfilmen der Demonstration kein Grundrecht der bayrischen Polizei ist. Im Versammlungsgesetz (12a Absatz 1) steht dazu eindeutig:

Die Polizei darf Bild- und Tonaufnahmen von Teilnehmern bei oder im Zusammenhang mit öffentlichen Versammlungen nur anfertigen, wenn tatsächliche Anhaltspunkte die Annahme rechtfertigen, dass von ihnen erhebliche Gefahren für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung ausgehen.

Tatsächlich wird aber jedes Jahr von Anfang an die gesamte Demonstration sowie Auftakt- und Abschlusskundgebung lückenlos gefilmt. Mehrere Fahrzeuge der Polizei mit Videokameras an langen Stangen stehen bereits auf dem Marienplatz, bevor überhaupt Teilnehmer anwesend sind.

In einer solchen Situation erscheint es geradezu lächerlich, wenn von der Versammlungsleitung erwartet wird, Polizeiaufgaben zu übernehmen. Ist es doch eher ihre Aufgabe, das Grundrecht auf Versammlungsfreiheit gegen eine übermchtige Armada uniformierter Gewalttäter durchzusetzen.

Luzi-M: "Bayern will nur brave Demos"

egal 14.02.2008 - 14:18

"Der Prozess gegen die Versammlungsleiterin der "SiKo"-Proteste 2007 bot einen Vorgeschmack auf die drohende Einschränkung des Versammlungsrechtes":

http://www.luzi-m.org/nachrichten/artikel/datum/2008/02/14/55/

Eingeschossen

wurst 15.02.2008 - 15:27
Die Repressionsbehörden haben sich auf VersammlungsleiterInnen eingeschossen, mehr dazu hier:
 http://bkpnk089.blogsport.de/2008/02/15/nachtraeglich-legalisiert/

Beiträge die keine inhaltliche Ergänzung darstellen

Verstecke die folgenden 3 Kommentare

Was lernen wir daraus?

Sponti 12.02.2008 - 20:30
Was lernen wir daraus? Demos nicht mehr Anmelden, dann gibts auch keinen "Versammlungsleiter"!

@Sponti

ja 12.02.2008 - 23:16
ja schon, nur kann man dann halt nicht wochenlang öffentlich mobilisieren und hat dadurch 1.keine masse, kann dadurch weniger erreichen und 2.kein presseecho (inwiefern dies teilweise doch sinnvoll ist)

Rechtslage

ein linker (?) 13.02.2008 - 10:58
Ich bitte die VerfasserIn, konkreter zu erklären, was genau die zitierten Sprüche "no justice,..." und ein Protest gegen eine sogenannte Sicherheitskonferenz miteinander zu tun haben!
Beim Lesen der Meldung bekomme ich echte Bauchschmerzen. Wer zum Kampf gegen die Polizei aufruft und sich dann auch noch wundert, dass dies nicht im Kontext einer Anti-SiKo-Demo richterlich zu betrachten ist, ist entweder "bretznagelblöde" oder auf einem kleinen privaten Feldzug gegen staatliche Gewalt. Gleichwohl ich dem inhaltlich zustimme, muss man doch mit den entsprechenden Konsequenzen leben und das (offensichtlich) eigentliche Thema zum Demokern machen, wenn man kein Bußgeld zahlen will.
Wäre doch mal viel lustiger eine Richter_in die eigene akute Gewaltausübung (per Urteilsspruch) begründen und rechtfertigen zu lassen in einem Prozess, der sich mit ebenjener Gewaltverzichtsforderung auseinandersetzt.