Merkel sorgt für Eklat beim EU-Afrika Gipfel

Ralf Streck 10.12.2007 10:08 Themen: Weltweit
Viele heiße Worte beim EU-Afrika Gipfel in Lissabon. Merkel spielt sich in neokolonialer Form mit einer klaren Kritik an Mugabe auf. Dagegen wäre ja nichts zu sagen, wenn sie auch entsprechend deutliche Worte gegen das Verhalten der USA (Guanatanamo, Irak), Russland (Tschetschenien) finden würde. Die Afrikaner wiesen diese Anmaßung auch entsprechen zurück. Gewehrt haben sie sich auch gegen die Versuche, ihnen den Freihandel aufzuzwingen, der ihre Landwirtschaft völlig ruinieren würde.
"Ohne Tabus" müsse über beim EU-Afrika Gipfel gesprochen werden, sagte der portugiesische Ministerpräsident José Sócrates in seiner Eröffnungsrede am Samstag. Bis zum Sonntag trafen sich in Lissabon 27 Vertreter der EU und mit 53 Vertretern der Afrikanischen Union (AU), um eine "strategische Partnerschaft" und einen "Aktionsplan" zu beschließen. Getrieben wird die EU davon, dass sich China als Großinvestor breitmacht. Allein 2006 investierte China eine Milliarde US-Dollar in Afrika. Zehntausende Arbeiter hat es in den rohstoffreichen Kontinent entsandt, woher es ein Drittel seines Erdöls erhält.

"Die Menschenrechte stellen eine Frage der Würde dar". Sie gehörten der Menschheit und müssten von allen verteidigt werden, zentrierte der EU-Präsident Sócrates die Diskussion bei seiner Einführungsrede. Die Vorlage des portugiesischen Ministerpräsidenten nahm Bundeskanzlerin Angela Merkel auf, um in ihrer Rede den Präsidenten von Simbabwe direkt anzugreifen. Das Regime von Robert Mugabe begehe großes Unrecht. Simbabwe sei ein Beispiel für "schlechte Regierungsführung und Missachtung von Menschenrechten". In eine Reihe dazu stellte sie die Zustände im Sudan, wo die Regierung blutig gegen die schwarzafrikanischen Stämme in Darfur vorgeht. "Wir dürfen nicht wegschauen, wenn Menschenrechte mit Füßen getreten werden, wo auch immer dies geschieht".

Der südafrikanische Präsident Thabo Mbeki, der zwischen Regierung und Opposition beim Nachbar Simbabwe vermittelt, sieht in Merkels Vorstoß eine Einmischung in afrikanische Angelegenheiten mit einer kolonialistischen Note. "Wovon reden Sie?" fragte er. Afrikas Regierungen machten viele Schritte, um nicht in die Nachkolonialzeit zurückzufallen. "Aber ich betone, dass wir das aus eigener Übereinkunft machen", und fügte an, man habe aus der Vergangenheit gelernt.

Über die Baronin Valerie Amos ist es dem abwesenden britischen Premierminister Gordon Brown gelungen, die Diskussion auf Mugabe zu zentrieren. Die "strategische Partnerschaft", die auch Umweltschutz, Energiepolitik, Handel, regionale Kooperation, Migration und Sicherheit einschließen soll, rückte beim zweiten Gipfel zunächst in den Hintergrund. 2003 wurde der Gipfel abgesagt, weil die EU nicht mit Mugabe verhandeln wollte. Holland, Schweden und Frankreich zeigten sich bestürzt über den Verlauf am Samstag. Nicolas Sarkozy erklärte: "Mugabe ist nicht das größte Problem Afrikas".

Auch der Freihandel und die Migration waren Streitthemen. Afrika wehrt sich gegen die Liberalisierung ihrer Märkte und fordert mehr Zugang für ihre Arbeitskräfte in Europa, während die EU sich gut ausgebildete Menschen nach den eigenen Bedürfnissen auswählen will. Der senegalesische Präsident Abdoulaye Wade hält es für "irreal, in 15 Jahren von einem freien Handel auszugehen". In Afrika wird befürchtet, dass hoch subventionierte europäische Agrarprodukte, die Märkte überschwemmen.

Die EU konnte viele afrikanische Staaten nicht überzeugen, die Partnerschaftsabkommen (EPA) zu unterzeichnen, welche die Ende des Jahres auslaufenden Handelsverträge ersetzen sollen. Die Welthandelsorganisation (WTO) sieht darin eine Wettbewerbsverzerrung. Angeprangert wird, Europa versuche mit bilateralen Verhandlungen afrikanische Länder gegeneinander auszuspielen. Wer nicht unterzeichne, dem drohen fortan hohe Zollschranken in Europa. Derlei Vorgehen sei alles andere als eine "Partnerschaft" und der "Neuanfang" in den Beziehungen.

Trotz aller Widersprüche wurde das 101 Seiten Abschlussdokument offiziell abgesegnet, um von einer "historischen Ereignis" sprechen zu können. Es sieht eine enge Kooperation in mehreren Bereichen vor. Die EU will Friedenstruppen der AU stärker finanziell unterstützen und bei der Migration, Handel, Energie, Klimawandel und Entwicklungspolitik stärker kooperieren. Bekannt wird sich zu den Menschenrechten und guter Regierungsführung. Papier ist geduldig, ähnliche Absichtserklärungen, 2000 in Kairo beschlossen, fielen schnell der Vergessenheit anheim.

© Ralf Streck, Donostia den 10.12.2007
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Ergänzungen

deutliche worte zu guantanamo?

tagmata 10.12.2007 - 15:17
braucht merkel gar nicht. dafür haben wir doch den innenminister:
 http://www.youtube.com/watch?v=hIRFQPjT8Cc

Merkel soll erst einmal...

Maniac 10.12.2007 - 15:31
...dafür sorgen, dass Schäuble nicht soviel Mist redet und sich mit den anderen Ländern an den Schuldenerlass halten. Laut Medieninformationen wurde in Heiligendamm für Afrika insgesamt nur 1 1/2 Stunden Redezeit verwendet.

EU-Afrika Gipfel zu Ende gegangen

News 10.12.2007 - 20:04
Der EU-Afrika Gipfel in Lissabon ist ohne Einigung im Handelskonflikt zu Ende gegangen. Damit ist eines der wichtigsten Ziele des Treffens von 80 Staats- und Regierungschefs gescheitert. Doch es eilt. Denn schon vor sieben Jahren hat die Welthandelsorganisation WTO die derzeitigen Handelsregelungen für illegal erklärt. Besonders die Mengenbegrenzung für afrikanische Exporte nach Europa. Die WTO setzte eine Frist für das derzeitige Handelssystem - und die läuft am 31. Dezember ab.

Die EU schlug nun neue Handelsregelungen vor. Doch die wollen die Afrikaner so nicht akzeptieren. Sie erteilten dem geplanten Wirtschaftspartnerschaftsabkommen EPA eine klare Absage.

Unterdessen sorgte Merkels Vorwurf von Menschenrechtsverletzungen in Simbabwe für Unmut beim Präsidenten Robert Mugabe. Merkel und die EU hätten keine Ahnung von den Verhältnissen, so Mugabe.

Lübke und die Neger

DIE ZEIT 14/2002 10.12.2007 - 20:08
Ich habe das Bundespräsidialamt angerufen, mit Heinrich Lübkes Biografen gesprochen, mehrere Rundfunkarchive durchforsten lassen und Afrikaexperten befragt. Ergebnis: Jeder kennt das Zitat, die meisten hätten es Lübke auch zugetraut, es wird sogar genau datiert auf einen Staatsbesuch in Liberia im Jahr 1962 - aber es gibt keinen Beleg dafür!

Das berühmte Zitat findet sich weder auf der Schallplatte ... redet für Deutschland noch in dem Bändchen Worte des Vorsitzenden Heinrich. Wolfgang Koßmann vom Bundespresseamt, der selbst seit Jahren nach einer Quelle forscht, hält den Ausspruch denn auch für "gut erfunden".

Schließlich hat das Exstaatsoberhaupt gerade in Entwicklungsländern kaum ein Fettnäpfchen ausgelassen, etwa als er in der madagassischen Hauptstadt Tananarive eine Rede mit den Worten "Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Frau Tananarive!" begann und später über das Land sagte: "Die Leute müssen ja auch mal lernen, dass sie sauber werden."

Muss man Lübke demnach als üblen Rassisten einstufen? Da widerspricht der Filmemacher Martin Baer, Autor der Dokumentation Befreien Sie Afrika!, vehement: "Mit seinen Afrikareisen wollte er die Hilfe für die damals nach Unabhängigkeit strebenden oder gerade unabhängig werdenden Länder fördern." Wenn Lübke also zu mauretanischen Abgesandten sagte: "Ich wünsche Ihnen eine gute Entwicklung da unten", dann klingt das für unsere Ohren vielleicht unerträglich paternalistisch, aber es kam gewiss von Herzen.

Beiträge die keine inhaltliche Ergänzung darstellen

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Lübkezitat? — Commentschreiber