Das Neue Europäische Polizeirecht

euro-police 01.12.2007 11:38 Themen: G8 Heiligendamm Repression Weltweit
Vortrag von Rechtsanwältin Silke Studzinsky bei der Veranstaltung "Die 'Sicherheitsarchitektur' bei 'polizeilichen Großlagen'" am 27.11.2007 in Berlin.
Vorbemerkung

Im zurückliegenden Jahrzehnt hat ein rasanter Wandel in der europäischen Verbrechensbekämpfung stattgefunden. Dabei hat sich die polizeiliche und justizielle Arbeit – zunächst unter dem Stichwort organisierte Kriminalität, nach dem 11.9.2001 unter dem Motto der Terrorismusbekämpfung – neugeordnet. Die europäische Vernetzung und Integration der Polizei- und Justizapparate vollzieht sich dabei geradezu lautlos und begegnet bisher kaum Widerstand.

Umso erfreulicher ist es, dass in letzter Zeit, wie auch mit der heutigen Veranstaltung, zunehmend dieses System der Risikokontrolle auf der einen Seite und des gesteigerten Sicherheitswahns auf der anderen Seite öffentlich thematisiert wird.

Inzwischen ist ein weitgehend verselbständigter transnationaler Apparat geschaffen, der sich von dem innerstaatlichen Überwachungsregime in folgendem unterscheidet:
  • Um individuelle Freiheiten zu beschränken wird das demokratisch-institutionelle Gerüst umgangen.
  • Nationalstaatlich verankerte Rechtsgarantien werden nach und nach ausgehebelt ohne dass ein entsprechendes transnationales Pendant geschaffen wird.
  • Ein Blankoeingriffsrecht wird installiert, indem auf unbestimmte Normen in intransparenten Verfahren gesetzt wird ohne dass eine tatsächliche Kontrolle stattfindet.
  • Die justizielle Verfolgung tritt hinter der polizeilichen mehr und mehr zurück, das heißt von der nachträglichen zur präventiven Kontrolle – von der Ahndung einer Straftat zur Pönalisierung des Verdachts.

Der europäische Rechtsrahmen- Von Schengen nach Prüm

1. Das Schengener Durchführungsübereinkommen

Den überkommenen rechtlichen Rahmen zur polizeilichen Zusammenarbeit im Unionsverband setzt die Schengen-Konvention bzw. für den deutschen Rechtsraum deren Umsetzungsakt: das Schengener Durchführungsabkommen (SDÜ) von 1990.1 Dieses Abkommen regelt zunächst – neben einem einheitlichen Außengrenzregime – die Öffnung der europäischen Binnengrenzen für den Personenverkehr und die Abschaffung jeglicher Binnengrenzkontrollen. Der Preis der Grenzöffnung ist die Verflechtung der nationalen Polizeibehörden (Art. 39 ff. SDÜ) zum Zwecke der Vollzugskooperation und des Informationstausches. Die grenzüberschreitende polizeiliche Zusammenarbeit ist hier bereits auf die vorbeugende Bekämpfung und Aufklärung strafbarer Handlungen gerichtet.

1.1 Kontrolle der Binnengrenzen

Art. 2 II SDÜ erlaubt jedem Mitgliedstaat, vorübergehend das Grenzregime wieder einzurichten, wenn die „öffentliche Ordnung oder die nationale Sicherheit es … erfordern“.

Diese unbestimmten Rechtsbegriffe sind nicht näher definiert und werden entsprechend beliebig und weit ausgelegt. Eine weitere Konkretisierung im „Schengener Grenzkodex“ von 2006, wonach „im Falle einer schwerwiegenden Bedrohung der öffentlichen Ordnung oder inneren Sicherheit“ die Grenzkontrollen wieder eingeführt werden können, hilft auch nicht wirklich weiter und läßt der individuellen Definitionsmacht der einzelnen Mitgliedsstaaten einen weiten Spielraum.

Die Einrichtung der Grenzkontrollen an den Binnengrenzen ist unabhängig von der Zustimmung der übrigen Schengenstaaten. Sie sollen nur konsultiert werden oder können auch erst im Nachhinein unterrichtet werden.

Der jüngste Versuch dieses Verfahren im „Schengener Grenzkodex“ (Verordnung- gilt unmittelbar in sämtlichen Mitliedsstaaten) zu standardisieren, hat jedenfalls auch keine tatsächliche Überprüfungsinstanz geschaffen, sondern bewegt sich vor allem bei vorhersehbaren Ereignissen im Bereich der Information der Mitgliedsstaaten, der Kommission und des Europäischen Parlaments, der Einleitung eines Konsultationsverfahrens und einer Berichtspflicht gegenüber dem EP - im Nachhinein.

Allerdings wird selbst die Berichtspflicht völlig zahnlos denn: Auf Antrag des betreffenden Mitgliedsstaats müssen das EP, die Kommission, sowie die anderen Mitgliedsstaaten Vertraulichkeit zusichern. Und auch die Öffentlichkeit, die eigentlich „in transparenter Weise und umfassend“ über die Wiedereinführung von Grenzkontrollen informiert werden soll, wird im Fall „übergeordneter Sicherheitsgründe“, außen vor gelassen.

Die Vorschrift unterliegt keiner Kontrolle durch den EuGH, und die Staaten machen entsprechend flexiblen und beliebigen Gebrauch von ihr.2

Die gemeinsame Praxis erweist sich allerdings umso systematischer und die Wiedereinführung der Grenzkontrollen gehört zum festen Repertoire der polizeilichen Zusammenarbeit bei Großereignissen.

Während Spanien aus Anlass zweier Gipfel des Europäischen Rates das Grenzregime wiedereingeführt hat, hat Deutschland die Vorschrift bemüht, um während der Zeit der Fußballweltmeisterschaft 2006 seine Grenzposten zu reinstallieren.

1.2 Grenzüberschreitende Methoden

Im SDÜ von 1990 ist die Grundlage für die Tätigkeit der Polizei in einem anderen Schengenstaat gelegt. So wird erstmalig die Nacheile, also die Verfolgung von Personen, die auf frischer Tat angetroffen werden oder entflohenen Gefangenen, erlaubt. (Art. 41)

Damals war dieser Eingriff in die Souveränität noch eher neu und jeder Mitgliedsstaat konnte bestimmen, bei welchen Delikten, mit welchen zeitlichen und räumlichen Beschränkungen die Nacheile über die Grenze zulässig ist und ob ein Festhalterecht hinter der Grenze gewährt wird. 

Auch bereits im SDÜ geregelt sind die grenzüberschreitende Observation, der Einsatz verdeckter Ermittler sowie der Austausch von Verbindungsbeamten.

1.3 Informationsweitergabe

Die Weitergabe von Informationen (ohne Ersuchen) ist zum Zwecke der Unterstützung bei der Bekämpfung zukünftigerStraftaten, zur Gefahrenabwehr und zur Verhütung von Straftaten (Art. 46 SDÜ) erlaubt und in eiligen Fällen sogar unmittelbar zwischen den betroffenen Polizeibehörden zulässig.

Die Eingriffsvoraussetzung ist denkbar unbestimmt.

1.4 Bilaterale Abkommen geben neue Standards vor:

Inzwischen wurden die polizeilichen Befugnisse hinter den Binnengrenzen durch verschieden bilaterale Abkommen erheblich erweitert, die teilweise weit über die Schengenstandards hinausgehen.

Beispiel Schweiz:

  • So ist die Nacheile sogar in einem Gebiet von 30 km hinter der Grenze geregelt und zwar, wenn sich eine Person einer polizeilichen Kontrolle „zum Zweck der Bekämpfung grenzüberschreitender Kriminalität oder der Fahndung nach Straftätern“ entzieht.
  • Damit ist der Nacheile nahezu keine Grenze mehr gesetzt.
  • Arbeits- Betriebs- und Geschäftsstätten dürfen während der Öffnungszeiten aufgesucht werden.
  • Darüberhinaus sind gemischte Streifen, gemeinsame Arbeits-, Observations- und Ermittlungsgruppen und gemischte Kommissariate vorgesehen.
  • Bei Massenveranstaltungen und Großereignissen findet neben dem Informationsaustausch auch die polizeiliche hoheitliche Tätigkeit auf der anderen Seite der Grenze statt. Ferner ist die Entsendung von Spezialisten und Beratern und der Austausch von Ausrüstungsgegenständen vorgesehen. Hier werden dann Wasserwerfer und PolizistInnen ausgetauscht.
  • In dringenden Fällen haben die PolizeibeamtInnen auch hoheitliche Befugnisse auf der anderen Seite der Grenze. 

Das SDÜ ist also längst nicht mehr exklusiv, sondern die Mitgliedstaaten entwickeln die polizeiliche Kooperation auch außerhalb und unabhängig von seinen Eingriffsvoraussetzungen. Sie entwickeln die Grundidee des SDÜ weiter fort.

Während das SDÜ somit den institutionellen Rahmen für die Zusammenarbeit (also z.B. die Benennung der Behörden und der Gesprächswege) überhaupt erst bereitstellt, lässt sich über den Inhalt der jeweiligen Kooperation flexibel zwischen den Mitgliedstaaten verhandeln.

Im März 2000 beschloß die deutsche Innenministerkonferenz, dass der Vertrag mit der Schweiz die Leitlinie für entsprechende Abkommen mit sämtlichen Nachbarstaaten sein sollte.

Entsprechende Verträge mit Österreich und den Niederlanden sind ratifiziert.

Die effiziente Kooperation zwischen den EU-Partnern hat sich schließlich auch weiter über bilaterale Verträge hinaus fortgesetzt. So hat z.B. die Schweiz zur WM Sicherheitskräfte entsandt, Daten und Informationen, etwa mit Blick auf Entscheide zur Einreiseverweigerung, übermittelt und Hooligans begleitet und beobachtet.3 Zu diesem Zweck wurden bilaterale Absichtserklärungen4 unterzeichnet, in denen nur die Zusammenarbeit für die Zeit vor und während der WM gesondert und über die bereits existierenden bilateralen Verträge zur polizeilichen Zusammenarbeit hinaus geregelt wurde.5 Solche Absichtserklärungen sind Verwaltungsabkommen, die zwischenstaatlich und an den nationalen Parlamenten vorbei geschlossen und abgewickelt werden. Sie erlauben eine flexible Handhabe und verzichten auf eine innerstaatliche gesetzliche Regelung.

2. Das Haager Programm 

Die Europäische Kommission legte zuletzt im Haager Programm6 von 2004 in einem Fünf-Jahres-Plan (von 2005 – 2010) die grundlegenden Strategien für eine engere EU-weite Zusammenarbeit im Bereich Justiz und Inneres fest. Ein Kernthema des Haager Programms ist die Erweiterung und Effizienz der europäischen Datenbanken und die polizeiliche länderübergreifende Kooperation.

Zielrichtung ist zum einen die Abschottung der EU-Außengrenzen und die Verhinderung der Einreise von Flüchtlingen, aber genauso die intensivere Zusammenarbeit gegen Kriminalität im Inneren der EU, wozu auch die Einrichtung von gemeinsamen Ermittlungsgruppen, grenzüberschreitenden Einsätzen und gemeinsamen Strategieplanungen gehört. Dabei ist der möglichst grenzenlose Datenfluß aller verfügbaren Daten zwischen den nationalen Polizeibehörden und auf europäischer Ebene einer der wichtigsten Voraussetzungen und Bestandteil der Kooperation.

3. Schengener Informationssystem (SIS)7, das Herz des Schengener Durchführungsabkommens

Das SIS bezeichnet ein elektronisches System zur Fahndung nach Personen und Gegenständen. Es erlaubt die Speicherung und europaweite Abrufbarkeit von Suchdaten („Ausschreibung“). Die nationalen Ansprechpartner sind die jeweiligen Sirene- Stellen, in Deutschland das BKA.

Dort können Betroffene (theoretisch) Auskunft über die zu ihrer Person gespeicherten Daten verlangen (Art.109 SDÜ). Die Auskunft unterbleibt allerdings bei der verdeckten Ausschreibung und wenn dies zur Durchführung der Aufgaben unerlässlich ist.

Was wird gespeichert? Eine Auswahl:

  • Personen zum Zwecke der Festnahme mit dem Ziel der Auslieferung; hier findet sich in Art. 94 eine abschließende Aufzählung der aufzunehmenden Daten, wie Name, Aliasname, Geburtsdatum und Ort, unveränderliche physische Merkmale, Geschlecht personenbezogene Hinweise „bewaffnet/gewalttätig“, Ausschreibungsgrund und zu ergreifende Maßnahme;
  • Drittausländer wg. Einreiseverweigerung wg. begangener Straftaten oder künftig geplanter Straftaten;
  • Sachen, wie KfZ, Waffen, Blankos, die zur Sicherstellung oder Beweissicherung gesucht werden;
  • Außerdem können Personen und Fahrzeuge zur verdeckten Registrierung oder zur gezielten Kontrolle ausgeschrieben werden Die so erhobenen Daten, z.B. über Umstände des Antreffens, Kontakt- und Begleitpersonen, mitgeführte Gegenstände etc. werden an die ausschreibende Stelle übermittelt.

Zusätzlich kann jede Vertragspartei in ihrem nationalen Datensystem Ergänzungen vornehmen.

4. SIS II8

Mit der Erweiterung der EU wird auch die größte polizeiliche Datenbank Europas erweitert. Das SIS II is geschaffen und soll nächstes Jahr in Betrieb gehen. SIS II soll für "polizeiliche Informationszwecke im weitesten Sinne" genutzt werden und wird sich damit immer mehr als transeuropäisches Ermittlungssystem etablieren. 9

Neue Befugnisse sollen auch auf andere Zielgruppen Anwendung finden. Bislang enthält SIS mehr als 13 Millionen Datensätze, darunter fast 900.000 über Personen, die gesucht werden, sowie fast 800.000 Hinweise auf Personen, die nicht einreisen dürfen.

Das Fahndungsvolumen im SIS wird sich nach dem Vollausbau durch die neuen Schengen-Staaten auf über 26 Millionen und nach Inbetriebnahme von SIS II Ende 2008 auf über 44 Millionen Datensätze erhöhen. Die SIS-Fahndungsdaten werden dann etwa 1,5 Millionen PolizistInnen auf Knopfdruck online zur Verfügung stehen.

Bisherige Voraussetzung für die Datenerfassung und den entsprechenden Polizeivollzug ist, dass "konkrete Anhaltspunkte" für die zukünftige Begehung "außergewöhnlich schwerer Straftaten" vorliegen, begnügt sich die neue Regelung mit einer "Einzelbewertung", die den Schluss auf die Begehung "schwerer Straftaten" erlaubt, wobei auf die Katalogtaten des Rahmenbeschlusses zum Europäischen Haftbefehl10 Bezug genommen wird. Zudem sollen neue Daten wie biometrische Merkmale, Lichtbilder und Fingerabdrücke, nebst DNA Abgleich,11 einbezogen und eine Verbindung zu anderen Datenbanken hergestellt werden. Auch sollen Personen- und Sachenfahndungen automatisch verknüpft werden, um beispielsweise einen Bezug zwischen einem flüchtigen Straftäter und einem von ihm verwendeten Fahrzeug herstellen zu können.

Neben dem schon bestehenden großzügigen Zugangsrecht für polizeiliche, zollrechtliche und justizielle Stellen sollen jedenfalls auch Kraftfahrzeugregistrierungsstellen Systemzugang erhalten. EUROPOL und EUROJUST, die bereits mit Änderung des Schengener Abkommens zu Datenempfängern gemacht wurden, behalten ihre Stellung bzw. erweitern sie: EUROJUST wird nicht mehr nur Zugang zu den Daten über Drittstaatsangehörige, sondern auch zu Daten zu vermissten Personen und Objekten erhalten.

Daten können künftig im Übrigen auch für andere Zwecke als für diejenigen, die die Erhebung gerechtfertigt hat, übermittelt werden, wenn eine ernste Gefahr für die Sicherheit und Ordnung besteht oder die Begehung einer schweren Straftat droht (vgl. Art. 40 IV des Ratsbeschlussentwurfs).

5. Der Vertrag von Prüm12

Einzelne bilaterale Abkommen werden gegenwärtig abgelöst vom Prümer Vertrag.

Belgien, Deutschland, Spanien, Frankreich, die Niederlande, Luxemburg und Österreich haben am 27.Mai 2005 einen multilateralen Vertrag über die Vertiefung der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit, insbesondere zur Bekämpfung des Terrorismus, der grenzüberschreitenden Kriminalität und der illegalen Migration unterzeichnet, der bisherige bilaterale Vereinbarungen ersetzt. Inzwischen hat eine Vielzahl weiterer Staaten den Vertrag unterzeichnet und ratifiziert. Während der deutschen Ratspräsidentschaft wurde er in EU Recht überführt- mit Ausnahme des Passus zur Nacheile.

Mit dem Prümer Vertrag erreicht die Zusammenarbeit auf dem Gebiet der Inneren Sicherheit in Europa eine neue Qualität.

Mit diesem Vertrag wird nun der während des G 8 Gipfels in Genua 2001 praktizierte Datenaustausch einschließlich der Übermittlung von „schwarzen Listen“ legalisiert und ausgebaut.

Daten können jetzt spontan oder auf Anfrage ausgetauscht werden. 13

Eine wesentliche Neuerung ist. daß sich die beteiligten Staaten untereinander bestimmte Zugriffsrechte auf DNA- und Fingerabdruckdateien sowie Fahrzeugregister gewähren.

Zu einigen Regelungen im Einzelnen:

  • Zur Verfolgung von Straftaten kann jeder Vertragsstaat künftig durch einen direkten Zugriff auf die DNA- und Fingerabdruckdateien der anderen Staaten feststellen, ob dort zu einer DNA-Spur oder einem Fingerabdruck Daten gespeichert sind. Kommt es zu einem Treffer, übermitteln die Staaten einander in einem zweiten Schritt die Daten der gesuchten Person (z. B. den Namen, die Adresse und weitere Informationen).
  • Im Falle der Fingerabdruckdateien ist ein solcher Zugriff auch zur Verhinderung von Straftaten zulässig.
  • Zur Verfolgung von Straftaten und Ordnungswidrigkeiten und zur Gefahrenabwehr kann außerdem jeder dieser Staaten in Zukunft Daten aus den Fahrzeugregistern der anderen Staaten direkt online abrufen.
  • Austausch von Informationen zu präventiven Zwecken über reisende Gewalttäter und Hooligans (z.B. vor Fußballspielen, Europäischen Räten und sonstigen internationalen Gipfeltreffen).
  • Zur Verhinderung terroristischer Straftaten können (personenbezogene) Informationen über sog. "terroristische Gefährder" übermittelt werden;

der Einsatz von Flugsicherheitsbegleitern ist vorgesehen.

  • Zur Intensivierung der polizeilichen Zusammenarbeit ermöglicht der Vertrag gemeinsame Einsatzformen zur Gefahrenabwehr (z.B. gemeinsame Streifen), grenzüberschreitendes Eingreifen zur Gefahrenabwehr bei gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben und Hilfeleistung bei Großereignissen und Katastrophen (auch durch Entsendung von Beamten, Spezialisten und Beratern). Ferner konkretisiert er die bisher bereits nach den Schengener Regelungen mögliche Zusammenarbeit der Polizeibehörden auf Ersuchen.

Schlußbemerkung

Der gegenwärtige strukturelle Wandel in der Verbrechensbekämpfung ist besser als anderswo14 am neuen Europäischen Polizeirecht ablesbar, das als vermeintlich weiches Recht daherkommt, weil es vornehmlich Informationswege statuiert, Daten erfasst wie archiviert und kaum mehr tut, als die Kommunikation der verschiedenen mitgliedstaatlichen Polizeibehörden herzustellen. Es geht nicht mehr so sehr darum, Straftaten, die geschehen sind, aufzuklären, als vielmehr einer – wirklich oder imaginiert –allgegenwärtigen Gefährdungslage überall und jederzeit vorzubeugen. Polizeiliche Arbeit und kompetenzrechtliche Befugnis nehmen deshalb mehr und mehr jenen Bereich in den Blick, in dem vermutlich künftig Straftaten geplant und/oder begangen werden könnten.

 

Silke Studzinsky, Rechtsanwältin in Berlin

Berlin im November 2007

 

Fußnoten: 

1 BGBl 1993 II 1013.

2 S. dazu auch das jüngste gesetzgeberische Bemühen, die Auslegung der Vorschrift zu standardisieren, Art. 23 ff. des Schengener Grenzkodex vom 15. März 2006 (Verordnung (EG) 562/2006, ABl vom 13. April 2006 L 105). Am Ergebnis besehen, hätte man sich den Versuch sparen können.

3 http://www.news-service.admin.ch/NSBSubscriber/message/de/7301

4 http://www.admin.ch/cp/d/385a68ad.0@fwsrvg.bfi.admin.ch.html

5 Wiederum für die Schweiz: http://www.fedpol.admin.ch/fedpol/de/home/dokumentation/medieninformationen/2006/ref_2006-04-12.html

6 http://europa.eu.int/eur-lex/lex/LexUriServ/site/de/oj/2005/c_053/c_05320050303de00010014.pdf#search=%22haager%20programm%2

7http://eur-lex.europa.eu/smartapi/cgi/sga_doc?smartapi!celexplus!prod!DocNumber&lg=de&type_doc=COMfinal&an_doc=2001&nu_doc=720. Empfehlungen und best practice http://www.consilium.europa.eu/uedocs/cms_data/docs/2004/4/30/Schengen%20Catalogue%20police%20co-operation.pdf

8 Stellungnahme des Datenschutzbeauftragten: http://eur-lex.europa.eu/Notice.do?val=425235:cs〈=de&pos=1&phwords=&checktexte=checkbox

9 Beachte: Die Neufassung des DSÜ, die mit der Einführung des SIS II einhergeht, setzt sich gemäß den unterschiedlichen Zuständigkeiten (Immigration und Außengrenzen = 1. Säule (EG-Vertrag); EU-interne polizeiliche Kooperation = 3. Säule (EU-Vertrag) aus einer Ratsverordnung (EG) und einem Ratsbeschluss (EU) zusammen. Letzter Entwurf der Verordnung zur Einrichtung des SIS II vom 21. September 2006; jüngster Entwurf des Ratbeschlusses zur Einrichtung und Nutzung des SIS II vom 29. September 2006, alle Dokumente einsehbar über http://www.statewatch.org/news/2006/oct/11eu-sis-II-sources.htm, http://www.statewatch.org/news/2006/oct/SISII-05710-rev07-06.pdf

10 Rahmenbeschluss 2002/584/JI.

11 Zunächst erfolgt nur eine sog. One-to-One-Suche (ein biometrischer Abdruck wird gegen einen bestimmten Datensatz in der Datei (Verknüpfung durch etwa den Namen); mit Technikreife geht das System, ohne dass es eines weiteren Rechtsakts bedürfte, zur sog. One-to-Many-Suche über, d.h. biometrisches Material wird gegen die gesamte Datenbank auf Übereinstimmung gelesen.

12 http://www.statewatch.org/news/2005/jul/schengenIII-german-full.pdf

13 Beispiel: Anläßlich des Gipfels in Genua wurden die Daten von Globalisierungsgegnern an die Nachbarstaaten weitergeleitet, also an Italien, Schweiz, Frankreich und Österreich. Grundlage für die Einschätzung waren einige Ermittlungsverfahren im Zusammenhang mit politischen Protesten – übrigens bis dahin keinerlei Teilnahme an Gipfeln. Es handelte sich sämtlich um Ermittlungsverfahren, deren Ausgang nicht angegeben wurde. Im Rahmen von Interpol erfolgte die Anfrage über vorliegende Erkenntnisse, die sodann zu den Ermittlungsverfahren in Italien weitergeleitet wurden. Auf diese Art und Weise werden deutsche LKA-Dateien aus den „bereichsspezifischen Dateien des polizeilichen Staatsschutzes“, und auch der beim BKA geführte Aktennachweis an Interpol übermittelt. Es spielt dann tatsächlich keine Rolle mehr, wenn die beim BKA als so genannte „interne Arbeitsdatei“ geführte Datei über „Personen, die im Zusammenhang mit internationalen oder europäischen Gipfeltreffen polizeilich bekannt werden“, ausschließlich dem Zugriff des BKA unterliegt. Hier genügt der bloße Verdacht, und allein der Umstand, in eine polizeiliche Personalienfeststellung anlässlich eines Gipfels geraten zu sein, ist ausreichend zur Speicherung in der Datei und zur entsprechenden Weitergabe. Rechtsschutz der Betroffenen, sofern sie überhaupt erfahren, was über sie gespeichert ist, geht ins Leere.


14 Dabei behauptet sich allerdings das Phänomen auf allen sozio-politischen Ebenen, lokal, regional, national und global; für präventiv-polizeiliche Entwicklungen auf lokaler Ebene im Zusammenhang mit dem sog. „Community Policing“, bei dem das tragende Element die Kommunikation mit den Bürgerinnen und Bürgern bei gleichzeitiger Erhöhung der Kontrolle und des Einflusses zur Befriedung eines stark geförderten und ausgeprägten Sicherheitsbedürfnisses ist, s. http://www.cilip.de/ausgabe/64/alternat.htm mit weiteren Nachweisen

Mehr: http://euro-police.noblogs.org

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