Pol. Prozess GI: 100 Euro statt 9 Monate!

k.o.b.r.a. - antirepressionsplattform 30.11.2007 20:17 Themen: Repression
Es war einmal ein großer Prozess in Gießen.Verfolgt von politischen Interessen, gefangen in einem Weltbild von Recht und Ordnung, angetrieben von einem Innenminister Bouffier und geschüttelt von eigenartigen Phantasien bei der Erfindung von Straftaten und Beweismitteln wurde seit 2003 zwei Projektwerkstättlern der Prozess gemacht. Ausgemachtes Ziel: Hinter Gitter! Am Donnerstag, den 29.11.2007 nun fand das große Projekt Gießener Uniform- und RobenträgerInnen ein vorläufiges Ende mit einem beeindruckenden Ergebnis: Zu 100 Euro Strafe wurde der Hauptangeklagte verurteilt. Nach vier Jahren Auseinandersetzung mit der Justiz, einem (erfolgreichen) Gang vor das Bundesverfassungsgericht, vier Gewalttaten gegen den Hauptangeklagten durch Politiker bzw. Polizei und ebenso vier illegalen Inhaftierungen (drei davon auch inzwischen gerichtlich anerkannt rechtswidrig) war der heutige Prozesstag nochmal von offensiven Auseinandersetzungen um die Kritik an Polizei und Justiz geprägt - bei Aktionen vor den Toren des Landgerichts, im Gerichtssaal und in den Anträgen und Erklärungen des Angeklagten.

100 Euro Gesamtstrafe blieben übrig!

8.30 Uhr
Neblich-kalter Morgen in der Provinzstadt Gießen. Drei Polizeibeamte bewachen den Bereich vor dem Landgericht. Weitere sind im Gebäude. Noch ist es leicht dämmerig. Insgesamt sechs AktivistInnen tauchen vor dem Landgericht auf.

8.37 Uhr
Zwei Personen klettern auf die Fahnenmasten links und rechts vom Hauptportal des Landgerichts. Nach anfänglichem Kampf mit Nässe und Kälte geht es einige Meter hoch. Die Polizei reagiert nicht. Sie hat, wie sich später herausstellt, den Befehl, die AktivistInnen nicht zu attackieren. Die derben Niederlagen von Polizei und Justiz im Jahr 2007 (z.B. am 18.6.2007) zeigen deutliche Spuren. Ob ein Eingreifen genützt hätte, bleibt Geheimnis der AktivistInnen, die die Aktion vorbereitet hatten. So geht alles reibungslos.

8.44 Uhr
Zwischen den Fahnenmasten wird eine Verbindungsschnur geschaffen. Vor dem Eingang wird ein kleiner Verkaufsstand mit dem Buch "Tatort Gutfleischstraße. Die fiesen Tricks von Polizei und Justiz" aufgestellt. Die Gutfleischstraße läuft seitlich am Landgericht entlang. AktivistInnen malen mit Kreide Sprüche auf den Boden. Die Polizei wechselt den Ort und steht nun dreißig Meter vom Geschehen entfernt auf der anderen Ecke des Landgerichts.

8.50 Uhr
Das große Transparent wird über den Eingangsbereich gezogen und hängt schließlich mittig zwischen den Fahnenmasten. Gut zu lesen sind die Schriftzüge "Strafe schafft Kriminalität" und "Kontrolle macht eine autoritäre Gesellschaft" sowie darunter "www.welt-ohne-strafe.de.vu".

9 Uhr
Die offizielle Anfangszeit des Prozesses ist erreicht. Alle KletterInnen sind wieder auf dem Boden. Kein Polizeikontakt. Alle stellen sich am Eingang an und gelangen nach den üblichen Kontrollen in den Gerichtssaal. Richter Frank lässt zum Beginn aufrufen. Der Angeklagte baut den Verkaufsständer für das "Tatort Gutfleischstraße"-Buch auf der Anklagebank auf.

 

Der Prozess

9.05 Uhr
Der Prozess hat begonnen. Als Richter drei alte Männer mit finster-konservativen Blicken: Vorsitzender Richter Frank, Postangestellter Otto Heinrich Winter und Pfarrer i.R. Karl-Heinz Schnecker. Die beiden Letzteren werden im Prozess kein einziges Mal in Erscheinung treten - außer einmal durch kurzes Schnarchen während des Einschlafens. Staatsanwalt Vaupel hat sich nicht in den Gerichtssaal getraut, sondern als Vertreter seinen Kollegen Hübner geschickt (der agiert auch als Pressesprecher der Staatsanwaltschaft und ist im Film "Berufsrevolutionäre" zu sehen - Vorfilm bei der Veranstaltungsreihe "Fiese Tricks von Polizei und Justiz").
Der Richter beginnt, allerhand Urteile und Beschlüsse vorzulesen, die zu diesem Verfahren führten. Er verliest den Einstellungsbeschluss zum Hauptanklagepunkt und dann auszugsweise das alte Landgerichtsurteil zu den verbliebenen Anklagepunkten.

9.20 Uhr
Zwischenmeldung aus dem Publikum. Richter Frank reagiert sofort aggressiv und droht Rauswurf an "beim nächsten Wort". Der Betroffene gibt einen Laut (aber kein Wort) von sich. Richter Frank schmeißt ihn raus. Eine andere Person bemerkt, dass der gar kein Wort gesagt hat, wird vom Richter ebenfalls ermahnt und entschuldigt sich, dem Richter nur helfen zu wollen. Das reicht dem schon wieder: Zweiter Rauswurf.
Der Angeklagte kündigt einen Antrag zu den Rauswürfen an. Richter Frank verweist ihn auf das Ende seiner Vorlesestunde. Dann könne er den Antrag stellen. Der Richter liest weiter aus dem Landgerichtsurteil.

9.28 Uhr
Richter Frank kommt an die Passage aus dem Landgerichtsurteil zum absurden Vorgang um den Faustschlag der Grünen Politikerin Angela Gülle (trat damals als Zeugin auf). Er liest vor: "Wortreich und in mehrfach wechselnder Reihenfolge schilderte sie zum Teil nur schlagwortartig den Sachverhalt, wie oben festgestellt. Dabei ließ sie sich wiederholt durch den Angeklagten unterbrechen und zu direkten Entgegnungen hinreißen. Dadurch provozierte Missverständnisse und scheinbare Widersprüche, die sie vor Aufregung selbst zum Teil nicht bemerkte, konnte sie auf Nachfrage aber zwanglos und mit plausibler Begründung ausräumen. Die Zeugin versuchte nicht, ihre bereits aufgrund des hier Vorgefallenen verständlichen Hassgefühle zu verbergen oder zu beschönigen". Lachen im Publikum. Der Richter ermahnt die Lachenden. Wortgefecht mit dem Angeklagten, der dagegen protestiert, dass "das menschliche Befürfnis, bei einem derartigen Unsinn in Urteilsform zu lachen" verboten wird. Der Richter bleibt bei seiner Meinung und liest weiter.

9.31 Uhr
Richter Frank verliest den Revisionsbeschluss des OLG Frankfurt.

9.35 Uhr
Richter Frank verliest das Urteil des Bundesverfassungsgerichts

9.40 Uhr
Vorlesestunde zuende. Der Angeklagte beantragt eine Pause für seinen nun zu stellenden Antrag.

9.50 Uhr
Es geht weiter. Der Antrag, die aus dem Gerichtssaal geworfenen Personen wieder hereinzulassen, wird als "unzulässig" vom Richter abgelehnt. Lautes Wortgefecht zwischen Angeklagtem und Richter um die Frage, ob es eine Unverschämtheit sei, dem Angeklagten solche Anträge gar nicht zuzubilligen. Der Richter besteht auf seiner Position. Der Angeklagte beantragt Gerichtsbeschluss (dann müssen die drei aus der Strafkammer geheim beraten und abstimmen). Auch das wird als unzulässig abgewiesen. Weiteres lautstarkes Schreien. Der Angeklagte beantragt eine Pause, weil er einen Antrag schreiben will, Anträge zur Frage der Öffentlichkeit der Sitzung stellen zu dürfen. Der Richter gibt auf. Er kapiert, dass der Angeklagte auf Grundlage der StPO (Strafprozessordnung) sehr umfangreiche Möglichkeiten hat, Willkürentscheidungen durch Blockadeanträge zu untergraben. Das wäre nur mit dem Risiko zu stoppen, Rechtsfehler zu begehen und damit eine erneute Revision zu kassieren. Ab diesem Moment kann der Angeklagte alles beantragen, was er will. Das Gericht berät ab diesem Zeitpunkt immer gleich geheim, damit der zu erwartende anschließende Antrag auf Gerichtsbeschluss nicht eine zweite Entscheidung erfordert.

10 Uhr
Der Angeklagte beantragt, über die Parteimitgliedschaften und Parteiämter aller drei Richter informiert zu werden. Beratungspause. Dann wird der Antrag zurückgewiesen.

10.11 Uhr
Der Angeklagte beantragt die Aussetzung des Verfahrens, da die Anwaltskanzlei seines beratenden Anwaltes am 6.11.2007 durchsucht wurde (ebenso wie Privatwohnungen des Anwaltes und in dessen Umfeld). Es sei noch immer unklar, warum das erfolgte und was Polizei und Staatsanwaltschaft da alles gesucht hätten. Sollten auch Unterlagen zu diesem Verfahren betroffen sein, müsste das einbezogen werden. Die Staatsanwaltschaft beantragt, den Antrag zurückzuweisen, da alles keinen Bezug zum Verfahren hätte (soso).

10.28 Uhr
Das Gericht hat wieder geheim beraten und weist auch diesen Antrag zurück. Es sei kein Zusammenhang erkennbar.
Dann wird der Angeklagte gefragt, ob er was zur Sache sagen wolle. Der will und beginnt, auf die Vergessenen solcher Prozesse, die Opfer der Strafjustiz hinzuweisen, die wenige Meter entfernt hinter Stacheldraht und Mauern isoliert werden. Der Richter unterbricht und findet, dass das nicht zur Sache gehöre. Streit mit dem Angeklagten, ob bei der "Sache" auch die Strafjustiz wichtig sei und was nicht. Immer wieder kurzes Weiterreden des Angeklagten und Unterbrechung. Der Angeklagte kündigt an, wieder Anträge stellen zu wollen, dass er dieses und jenes vortragen dürfe. Der Richter gibt wieder auf. Der Angeklagte bringt grundsätzliche Kritik an Strafe, Knästen und Justiz vor - mit vielen Zitaten von Angela Davis, Oscar Wilde, Thomas Meyer-Falk, Klaus Jünschke und anderen.
Während der Darstellung unterbricht der Richter und fordert eine Zuschauerin auf, die Füße von der Banklehne zu nehmen. Die folgt dem nicht und wird rausgeschmissen. Der Angeklagte beantragt wieder eine Pause und stellt Antrag auf Rückkehr der Zuschauerin, weil die "geradezu narzißstische Neigung" des Richters, "keine Handlungen zuzulassen, die Sie aus Ihrer Sicht als mangelnde Unterwürfigkeit unter Gerichtsetikette und Hausrecht bewerten", als Grund nicht sinnvoll sei. Auf der Rückseite notiert er Ankreuzmöglichkeiten, den Antrag abzulehnen. Der Richter entscheidet sich für "unzulässig".

10.50 Uhr
Ende des Vortrages. Der Angeklagte beantragt eine erneute Beweisaufnahme wegen der zwischenzeitlichen offiziellen Bestätigung, dass Gießener StaatsschützerInnen Beweismittel und Vorwürfe erfinden würden. Der Antrag wird um 11.15 Uhr mit Verweis auf die rechtlichen Vorgaben abgelehnt.

Danach sollen die Plädoyers kommen. Aber das klappt erstmal nicht. Denn eine der hinausgeworfenen Zuschauerinnen erscheint plötzlich auf dem Fensterbrett des Gerichtssaales - von außen (klettern können lohnt sich ...). Sie klopft an die Scheibe. Der Richter unterbricht und fordert von der Polizei, die Störung zu beseitigen. Das erweist sich als schwierig. Klettern können die nicht, also geht es nur von innen. Das Fenster geht aber nicht gut auf, zunächst muss die Verkleidung der Heizung abmontiert werden. Usw. Schließlich klettert ein Uniformierter aus dem Fenster und steht eine Zeit lang ängstlich auf dem Fensterbrett. Wer klettern kann, ist da aber schon längst weg.

So geht es weiter. Der Angeklagte schildert die ganzen Justizdramen rund um den Prozess und vergleicht das Vorgehen von Polizei, Staatsanwaltschaft und Justiz gegenüber politisch Unerwünschten mit der ständigen Einstellung von Ermittlungen, z.B. bei erfundenen Bombendrohungen oder Falschaussagen vor Gericht durch Politiker, prügelnden PolitikerInnen oder Polizeibeamten. "Was wäre wohl geschehen, wenn ich das gemacht hätte?" fragt er immer wieder. Und bekommt natürlich keine Antwort. Dann plädiert der Staatsanwalt und fordert 100 Tagessätze zu 1 Euro. Die justizkritschen Überlegungen des Angeklagten seien "fernliegend".

13.05 Uhr
Das letzte Wort des Angeklagten steht an. Dieser verleiht Urkunden für die vier deutlichsten Grundrechtsverstöße. Das hatte er in seinem Buch "Tatort Gutfleischstraße" für diesen Moment angekündigt. Preisträger waren der Polizeibeamte POK Walter der Gießener Polizei für die komplette Erfindung einer Verordnung als Rechtsgrundlage eines Polizeiübergriffs, die Gießener RichterInnen Brühl und Wendel für äußerst phantasievolle Rechtsverdrehungen und der Oberlandesgerichts-Richter Dr. Gürtler für die Behauptung, Grundrechte müssten jeweils erst genehmigt werden, bevor sie der Einzelne in Anspruch nehmen kann. Nach einer anschließenden Kritik an dem Begriff "Volk" und der Floskel "im Namen des Volkes" (Angeklagter: "Hier lädt eine privilegierte Person ihre Privatmeinung mit Bezug auf ein imaginäres Äußeres auf, um sich Autorität zu verschaffen") kündigte er an, dieser Inszenierung von Rechtsstaatsgläubigkeit nicht länger beiwohnen zu wollen - und verließ den Saal. Anders als in bisherigen Verfahren wurde er nicht gewaltsam am Gehen gehindert, so dass das Urteil vor leerer Angeklagtenbank verlesen werden musste.
Es lautete wie im Antrag des Staatsanwaltes: 100 Tagessätze zu 1 Euro. Also 100 Euro. Das voraussichtlich billige Ende eines absurden, umkämpften, aber auch leer- und enthüllungsreichen Prozesses. "Das ist ein Erfolg kreativer Antirepression, hartnäckiger Justizkritik und offensiver Prozessstrategien", formulierte eine Beobachterin im Gießener Landgericht nach einem Prozesstag. Aktionen und Prozessführung sei leider die gewohnte Qualitätsarbeit dieser Gruppe gewesen, hörte mensch einen Polizisten sagen. Das sollen sie sich ruhig merken.

 

Derweil draußen ...

Die erste Person flog nach ca. 10 Prozessminuten raus. Ein ziemlich colerischer Justizwachtmeister hat sichtlich Spaß an der Gewaltanwendung und zeigt zum Abschied, wie gut er beim Seminar zu BürgerInnennähe aufgepasst hat: „Drecksack“ scheint ihm das richtige lautstarke Kommentar in dieser Situation zu sein. Im Gang dann Personalienkontrolle und erneute Durchsuchung durch BFEler. Aus dem Sako des Betroffenen fällt dabei ein Füller, den einer der Berufschläger aufhebt. Derweil sucht sein Kollege den Ausweis des Betroffenen. Der Aktivist beginnt aus einem Flugblatt „Schlauer gegen Klauer der Polizeiberatung zu zitieren. „Achtung: Taschendiebe suchen die Enge und treten in Menschenansammlungen auf (z.B. bei Großveranstaltungen, Konzerten, Gerichtsprozessen, Fussballspielen). Taschendiebe beobachten ihre Opfer lange und genau. Taschendiebe suchen körperliche Nähe, verwickeln Sie in fadenscheinige Gespräche...
„Und ich bin die Dritte Person!“ albert ein Justizcop aus der zweiten Reihe.
„Der Aktivist: Gut erkannt. Der hier lenkt ab, sie bringen die Beute weg, und der da hat schon meinen Füller eingesteckt!“

Draußen waren lediglich drei bis fünf BFE-Bullen (Beweissicherungs- und Festnahmeeinheit) aus Lich stationiert. Deren Befelslage hatte sich schon beim Transpi-Aufhängen gezeigt: Einfach machen lassen...

Eine neue und ungewohnte Situation für Giessener Dorf-Bullen. Als ein Aktivist an der Knasteinfahrt hinter dem Landgericht knastkritische Kreideprüche (z.B. „Hinter diesen Mauern wird sozial gemordert.“ ) anbringt erreifert sich ein JVA-Angestellter. Doch die au der gegenüberliegenden BFE-Einheiten winken ab...heute kein Einsatz. Derweil liest ein älteres Ehepaar den Hinweis am Eingang des Amtsgerichts: „Achtung: Sie betreten eine kriminelle Vereinigung, denn hier wird systematisch „Recht“ gebrochen.“ Das Kommentar lässt nicht lange auf sich warten: „Und wissen Sie was junger Mann: Sie haben recht!“

So geht der Vormittag vorbei. Die Zahl der rausgeschmissenen ProzessteilnehmerInnen wächst, die Zahl der Kreidesprüche auch, ein Feuerwehrwagen mit Hebebühne entfernt das Transpi, der Polizeireporter Bernd Altmeppen ist öfter vor dem Saal als im Gerichtssaal anzutreffen. Doch die nächste Eskalation lässt sich nicht lange auf sich warten: EineAktivistin entdeckt die Gerichtsmauer als Klettergerüst, und verschafft sich damit einen Überblick über die Lage im Saal und macht durch lautes Klopfen am Fenster auf sich aufmerksam. Die BFElerInnen können dies nicht verhindern. Auch ihre provisorischen Kletterversuche ändern es nicht. Erst als die Justizwaltmeister von drinnen die Heizungsverkleidung abgerissen und durchs Fenster gekrabbelt sind, lässt die AktivistIn sich fangen, da sie sich ernsthafte Sorgen um den heldenhaften Polizeiklettermaxe machen musste. Unten angekommen taucht ein Wichtig-Justizbeamter auf, und verkündet, dass er mit dem Gerichtspräsidenten gesprochen haben. Es gäbe nun Platzverweis für die Gelände beider Gerichte in Gießen. Da die gewünschte Wirkung unterbleibt verliert ein BFEler langsam aber sicher die Nerven. Ins Mikrofon der Uniform: „ Das geht echt nicht mehr mit denen . Langsam muss sich da was ändern! Doch es ändert sich nix. Die Platzverweise werden weiter nicht beachtet, die Gewahrsamnahme offensiv eingefordert. Da nicht einmal die Kreidemalereien aufhören, kommt es schließlich doch zur Entscheidung: „Einfahren!“ Doch dies klappt nicht, da es einer Aktivistin gelingt, auf einen Baum zu klettern, und sich der Festnahme zu entziehen. Ein paar Minuten stehen Wichtig-Cops, BFEler und Justizwaldmeister planlos unterm Baum, um dann den Abbruch der Massnahme zu beschliessen.

Erst der zweite Anlauf nach weiteren Kreidemalaktionen endet erfolgreicher. Die BFEler werden beider Aktivistis habhaft. Eine Wanne wird gerufen, und der Abtransport beginnt. Im Auto wieder normale Giessener Dorfbullen, und so gibt es auch den üblichen unauffälligen Schlag mit dem Handrücken ins Gesicht. Derweil die üblichen Diskussion. Ob ihm dass Spass mache, oder ob er einen Befehl bekommen habe, politisch aktiven Menschen besonders unauffällig zu misshandeln...

Kleine Witz am Rande: Als es der gefesselte Person durch ihre Beweglichkeit gelingt, ihre mit Handschellen gefesselten Arme vom Rücken nach vorne zu bringen und sich auf der Wache die Handschellen erst nicht öffen lassen, ist der Spass perfekt. Dann Tür zu, 3 Stunden schlafen, Tür auf, Freilassung zwei Stunden nach Prozessende-Jörg hatte zu doll genervt...

 

Text im Gießener Anzeiger vom 30.11.2007

"Pille-Palle-Punkte" kosten noch 100 Euro
Politaktivist muss Geldstrafe zahlen - Ursprünglich Haftstrafe

GIESSEN (hh). Die Rollen sind seit langem eindeutig verteilt. Deshalb wiederholt sich bei jedem Zusammentreffen der gleiche Ablauf: Die einen provozieren und die anderen lassen sich provozieren. Folglich wurden auch bei der Neuauflage der Berufungsverhandlung gegen den Politaktivisten Jörg Bergstedt alle seine Sympathisanten des Gerichtssaals verwiesen. Und die zahlreich anwesenden Justizwachtmeister packten ordentlich zu und zerrten die jungen Leute nach draußen. Obendrein mochte der Angeklagte auch diesmal die Entscheidung der Dritten Strafkammer nicht hören. Deshalb blieb er der Urteilsverkündung fern. Im Unterschied zum letzten Prozess vor dem Landgericht wurde er gestern allerdings nicht zwangsweise fortgeführt. Und so wurde er in Abwesenheit zu einer Geldstrafe von 100 Euro (100 Tagessätze zu 1 Euro) verurteilt. Seit rund vier Jahren bemüht sich die Justiz, ein rechtskräftiges Urteil gegen den 43-Jährigen zu fällen. Gleich wegen mehrerer Anklagepunkte: Zwei Fälle des Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte, vorsätzlicher und gefährlicher Körperverletzung, Beleidigung, Hausfriedensbruchs sowie Sachbeschädigung in acht Fällen. Das Amtsgericht sah all diese Straftaten als erwiesen an und verurteilte Bergstedt im Dezember 2003 zu einer neunmonatigen Haftstrafe. In der Berufungsverhandlung vor dem Landgericht wurde dieses Urteil inhaltlich mehrfach korrigiert, auf das Strafmaß indes hatte das kaum Auswirkungen. Im Mai 2005 wurde gegen ihn eine Freiheitsstrafe von acht Monaten verhängt.
Dabei bewertete das Gericht damals einen spektakulären Polizeieinsatz im Seltersweg als rechtmäßig. Bei einer Spontandemonstration vor einem Wahlkampfstand der CDU im Januar 2003 war der 43-Jährige auf Veranlassung von Innenminister Volker Bouffier und Polizeipräsident Manfred Meise von mehreren Beamten überwältigt und weggetragen worden. Dagegen hatte sich Bergstedt zur Wehr gesetzt und einen Polizisten getreten. Allein wegen dieses Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte und gefährlicher Körperverletzung war gegen ihn eine Freiheitsstrafe von sechs Monaten verhängt worden. Verurteilt wurde er zudem wegen letztlich sechs Sachbeschädigungen an Wahlkampfplakaten zu 72 Tagessätzen, wegen Hausfriedensbruchs während der Stadtverordnetenversammlung am 27. März 2003 zu weiteren 50 Tagessätzen und wegen Beleidigung der Grünen Oberbürgermeisterkandidatin Angela Gülle zu 40 Tagessätzen. Gegen das Urteil hatte Bergstedt Revision eingelegt. Ohne Erfolg. Erst seine Beschwerde beim Bundesverfassungsgericht verhinderte seine Inhaftierung.

Das höchste deutsche Gericht hatte nämlich festgestellt, dass es sich bei der Attacke auf Bergstedt am CDU-Wahlkampfstand "um einen offensichtlich rechtswidrigen Polizeiangriff" gehandelt hatte und Bergstedt in seinem Grundrecht auf Versammlungsfreiheit verletzt worden sei. Deshalb wurde das Urteil teilweise aufgehoben. Wenige Wochen später wurde das Verfahren gegen den 43-Jährigen in diesem Punkt eingestellt. Und so blieben von dem ursprünglichen Urteil nur die drei einzelnen Geldstrafen, die gestern zu einer Gesamtstrafe zusammengefasst werden mussten. "Geblieben sind nur Pille-Palle-Punkte", sagte Bergstedt gleich zu Beginn der Verhandlung, führte aber trotzdem noch einmal ausführlich die Prozessgeschichte aus und zum Schluss seines Plädoyers verlieh er dann noch "Preise" an Richter und Zeugen im "Wettbewerb des Verfassungsbruchs" in "verschiedenen Kategorien". (Quelle)

Und weiter?

  • Donnerstag, 13.12. im Amtsgericht Gießen, 11.45 Uhr, Raum 100 A: Prozess gegen einen Journalisten, der sich wagte, das Gengerstenfeld zu fotografieren (von der Straße aus) und dabei auch gleich verhaftet wurde. Mehr ...
  • Während AktivistInnen aus dem Umfeld der Projektwerkstatt von Polizei und Justiz nicht mehr gern angefasst werden, richtet sich das Interesse des Staatsschutzes und des politischen Staatsanwaltes nun auf andere Kreise. Kanzlei und Wohnung des kritischen Gießener Anwalts Döhmer wurden durchsucht. Außerdem laufen Ermittlungen gegen die Band "Mono für alle!"Sie wird von der Gießener Staatsschützerin Cofsky und dem Staatsanwalt Vaupel (also alte Bekannte ...) verfolgt: Übersicht zu dem Fall als PDF ++ Indymediatext ++ Teil 2 ++ Das angegriffene Lied "Amoklauf" auf YouToube.
  • Vor und im Gericht verteiltes Flugblatt zu weiteren Aktionen und Hintergrundinfos zu laufenden Verfahren: Titelseite ++ Infos zur Attacke auf "Mono für alle!" ++ ddp-Recherche auf Yahoo!

 

Infos, Aktions- und Rechtstipps

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Ergänzungen

Vorsicht vor derm 2. Strafsenat

Ulrich Brosa 01.12.2007 - 12:49
100 Tagessätze für die Schmückung von Politiker-Bildern mit Affenköpfen und Straßentheater sind immer noch eine ungerechte und darüber hinaus diffamierende Strafe, die auch das Bundesverfassungsgericht nicht verhindert hat. Es ist darum sehr wichtig den 2. Strafsenat des Oberlandesgerichts Frankfurt a.M. (2 Ss OLG Ffm) im Auge zu behalten. Gürtler und
seine Kollegen sorgen mit unschöner Regelmäßigkeit dafür, dass Menschen unter dem Unrecht bleiben, das Behörden verüben.

 http://www.althand.de/guertler.html

Was war der vorwurf?

Kein PLan 03.12.2007 - 18:18
Was wird denen den vorgeworfen. Wäre nicht schlecht zu wissen.

Beiträge die keine inhaltliche Ergänzung darstellen

Verstecke die folgenden 2 Kommentare

Respekt

Sympathisant 01.12.2007 - 16:34
Grüße nach Gießen! Super Arbeit, GenossInnen!

respekt

für 03.12.2007 - 15:39
diese standhaftigkeit. im gegensatz zu einem anderen prozess, der gerade in berlin läuft und aufmerksamkeit erregt, ist hier auch eine klare linie zu erkennen. rechtsbeuger in ihre zweifelhaften schranken weisen.