Besetzung der Kölner Arge (Arbeitsagentur)

Agentur-Schluss 02.10.2007 01:31
Erwerbslose setzen Zahltag in Kölner ARGE durch

Agenturschluss besetzt Hartz IV-Behörde

Köln – Das Motto lautete „Zahltag – Schluss mit den ARGE(n) Schikanen. Deshalb versammelten sich heute (01.Oktober) rund 160 Erwerbslose und Hartz IV-Gegner/Innen an der Kölner ARGE und besetzten das Foyer der Arbeitsagentur Köln trotz eines massiven Polizeiaufgebots. Dazu hatte das Bündnis „Agentur-Schluss“ aufgerufen, um die Auszahlung verweigerter Leistungen zu erzwingen. Trotz anfänglicher Übergriffe der Polizei mit anschließenden Festnahmen konnte der selbst organisierte Begleitschutz in allen Fällen die Auszahlung erzwingen. Zudem wurde der ARGE-Mitarbeiter, Dieter Berns für besonders schikanösen Eifer gegen Hartz IV-Empfänger mit dem goldenen „A“ des Erwerbslosen Forum Deutschland ausgezeichnet. Dazu hatte Anne Radstaakt von der Initiative „Kunststimmen gegen Armut“ während der Aktion ein entsprechendes Gemälde produziert.
Dem interessierten Publikum wurden mehre Vorträge und Diashows in der besetzten Arge präsentiert. Die Themen waren: Hausbesuche vom Amt, eheähnliche Gemeinschaft, „Profiling und Zwang zur Selbstunterwerfung – auch außerhalb von Hartz IV. Zudem erklärten sich die Teilnehmer der ARGE-Besetzung solidarisch mit den seit zwei Monaten Streikenden und seither selbst verwaltenden Fahrradfabrik „Bike Systems“ in Nordhausen. Hierzu gab es eine Film- und Informationsveranstaltung.

Seit 10:00 Uhr des Tages, bot der Wuppertaler Erwerbslosenverein „Tacheles e. V.“ Einzelberatung für Betroffene an, die rege in Anspruch genommen wurde. Gerade die ARGE Köln ist nach der Umstrukturierung und Vorgaben durch die Unternehmensberatung „Roland Berger“ durch systematisches Abweisen und Vorenthaltung von Leistungen aufgefallen.

Zu Beginn verhinderte die Polizei die Vorsprache von Hartz IV-Empfänger, die für diesen Tag keinen Termin hatten, indem sie nicht zu den Sachbearbeiter/Innen vorgelassen wurden. Zudem wurde bekannt, dass offenbar einige Betroffene kurzfristig eine Terminabsage für den 1. und 2. Oktober bekamen. „Agentur-Schluss“ sah dies im Rahmen des angekündigten Aktions-Camp. Erst durch den massiven Druck der Besetzer, bei der es auch zu Übergriffen und Verhaftungen durch die Polizei kam, beugte sich Polizei und ARGE-Leitung der wütenden Menge.

Danach konnte beispielsweise einer alleinstehenden Mutter mit zwei Kindern eine Auszahlung durchgesetzt werden, die schon seit dem 10. August auf Leistungen der ARGE nicht geleitet wurde, weil kein Antrag vorliegen würde. Tatsächlich stellte sich heraus, dass sie den Antrag bei einer Mitarbeiterin abgeben hatte, deren befristeter Arbeitsvertrag inzwischen ausgelaufen war. Offenbar verschwand mit dem Ausscheiden der Mitarbeiterin auch der Antrag. Ebenfalls konnte eine anstehende Obdachlosigkeit von einer Mutter mit ihrer Tochter verhindert werden, indem die ARGE ebenfalls zur Auszahlung gezwungen wurde und die beiden ihre. – durch die ARGE verursachten – Mietrückstand ausgleichen konnten.

Bei dem Versuch dem Mitarbeiter der ARGE für das goldenen „A“ Dieter Berns, wendete das Bündnis „Agentur-Schluss“ die sogenannte „Fünffinderstrategie an, um in die oberen Etagen der Kölner ARGE zu gelangen. Allerdings scheiterte die persönliche Übergabe des Ausgezeichneten, da er sich im Moment der Übergabe in seinem Zimmer einschloss. Vondaher wurde dem Geschäftsführer der Kölner ARGE, Josef Ludwig das Gemädle und Auszeichnung überreicht, um sie zu einem späteren Zeitpunkt dem sich selbst eingeschlossenen Mitarbeiter zu überreichen. Auch hier traf auch wieder ein massives Polizeiaufgebot in der 5. Etage der Kölner Arbeitsagentur ein.

Die Besetzer verließen gegen Dienstschluss (18:00) das Foyer der Kölner ARGE. Dennoch wird vor ARGE auch heute, bei Musik und Stimmung campiert, während das Gebäude heute Nacht durch mehrere Züge der Kölner Bereitschaftspolizei besetzt bleibt, die sich darin verbarrikadiert haben. Insgesamt wurde der erste Tag durch das Bündnis „Agentur-Schluss“ als Erfolg bewertet. Für Dienstag sind ebenfalls zahlreiche Aktionen, Beratungen und Überraschungen geplant. Man wünscht sich, dass diese Aktion auch auf andere Städte und ARGEN überschwappt.

Hochauflösende Grafik des Gemäldes zur Auszeichnung: goldenes „A“
 http://www.erwerbslosenforum.de/a1.jpg

Laudatio zum goldenen „A“
 http://www.erwerbslosenforum.de/a_laudatio_kln_1_okt.pdf

Auszeichnung:
 http://www.erwerbslosenforum.de/arge_koeln.pdf

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 aktions-camp@yahoo.de
Martin Behrsing: 0160 99278357
Lutz Camper: 0176/29109373
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Ergänzungen

Fotos aus Köln

Dein Name 02.10.2007 - 12:09
Fotobericht von der Kölner ARGE
 http://de.indymedia.org/2007/10/195823.shtml

Zweiter Aktionstag

Überflüssig(er) 02.10.2007 - 18:47
Nachdem die Nacht mit SEHR guter Live-Musik und wirklich SEHR guter Stimmung vorüberging, begann der zweite Tag personell vermeintlich mau, bis dann eine Lautsprecherdurchsage die entsprechende Begründung lieferte. In etwa: "Im Gebäude und näherem Umfeld der ARGE befinden sich ca. 100 Polizisten ... und das ist gut so. Demnach sind sie nicht in Köln-Mülheim, wo zur Stunde die Büros des ARGE-Schnüffeldienstes 'besucht' werden." Beifall!

Schnell wuchs die Anzahl der Protestierenden wieder an (ich leg mich hier NICHT fest, zumal eine GANZE MENGE der ARGE-Lauf-"Kundschaft" sich spontan den Protesten anschloss.) Eine ermutigende Zeitungsschau zeigte, dass es die Aktion in viele regionale Medien geschafft hatte. Berichte, von wegen "Polizei setzte Hausrecht durch!" ... vergesst es! Wenn hier jemand sein (Haus)Recht durchgesetzt hatte, waren es die Protestierenden. Die Polizei hatte es aufgegeben, die Leute aus der ARGE drängen zu wollen und schwenkte nach dem gestrigen brutalen Angriff auf die Demo und nach dem VERGEBLICHEN Versuch, die Masse herauszudrücken, auf Deeskalation. Die Polizei hat enorm zur Steigerung der Wut und Entschlossenheit der Erwerbslosen und sonstigen Anwesenden beigetragen! Hierfür: aufrichtigen DANK!
Die Info-Veranstaltungen, Versammlungen, Spiele und kulturellen Beiträge fanden auch heute u.a. im Foyer der ARGE statt.

Die Anzahl der Fälle mit "Begleitschutz" wuchsen im Vergleich zu Gestern noch an. Wiederum konnte die Durchsetzung der Interessen und Ansprüche der Betroffenen in ALLEN Fällen vermeldet werden. Beifall! Die Dankbarkeit dieser Leute, die sich mitunter DAS ERSTE MAL innerhalb der ARGE halbwegs richtig behandelt fühlten, drückte sich bisweilen in rührenden Freudentränen aus. Allein schon für diese Tränen hat sich dieser Kampf gelohnt und gezeigt wie WICHTIG derlei Aktionen sind!

Alle Etagen der 14-stöckigen ARGE waren mit Polizei in Kampfmontur besetzt, die per Funk vernetzten Beistände jedoch hatten ungehinderten Zugang, betroffene Erwerbslose zu begleiten. In der Regel handelte es sich dabei stets um Gespräche auf Teamleiter-Ebene (ohne Termin), wenn der nicht da war, wurde kurzerhand das Büro des ARGE-Geschäftsführers aufgesucht, der auf Grund des Drucks vor der Tür und im Haus relativ problemlos die zu erledigenden Aufgaben anwies.

Der Beistand ist also der ZWEITE neben dem betroffenen "Kunden". Und wie heißt es so schön? "Mit dem Zweiten sieht man besser!"
Um diese Form im Sinne des Paragrafen 13, SGB X, weiter zu etablieren, wollen nunmehr viele Kölner Erwerbslose daran gehen, sich fortan jeden ersten Werktag des Monats als Beistand zur Verfügung zu stellen. Da es sich hierbei um einen "unbestimmten Rechtsbegriff" handelt, ist nicht geklärt, dass der Beistand zwingend aus nur EINER Person bestehen muss. Es können durchaus 10 oder 30 sein!

Ein besonderes Dankeschön muss hier den KEAs (Kölner Erwerbslose in Aktion e.V.) ausgesprochen werden, deren gut versierten Beistände ununterbrochen unterwegs und die am Ende des Camps sichtlich erschöpft waren.
Ihr wart TOLL!
Auch am Tisch von "tacheles e.V." aus Wuppertal standen die Rat suchenden Leute permanent schlange. Aber auch die Musiker von Microphon Mafia, Sambanarchia, h.n. und andere, die Sozialistische Selbsthilfe Köln (SSK), "Bundeswehr wegtreten!" und den vielen unorthodox selbstorganisierten TeilnehmerInnen und Unterstützern der Kampagne "Agentur-Schluss!": GANZ VIELEN DANK!!!

AktionsCamp "Zahltag!" in Köln, ich war dabei und bin glücklich darüber!!! Möge diese erfolgreiche Aktion ein Signal an Berlin, Göttingen, an Rostock, Bielefeld, ... an ALLE sein! Der Kampf geht weiter!


Noch mehr Fotos von Zahltag in Köln

Martin Behrsing 02.10.2007 - 18:50
Agentur-Schluss Aktion

Bilder vom AktionsCamp
Zahltag - Schluss mit den ARGE(n) Schikanen (1. bis 2. Oktober Arbeitsagentur und ARGE Köln, Luxemburger Str. 121, Köln)
4 Seiten
 http://www.erwerbslosenforum.de/nachrichten/21_022007021002_217_1.htm

Radiobeitrag

mi 02.10.2007 - 22:30
Telefoninterview von Coloradio Dresden mit Martin Behrsing (Erwerbslosenforum Deutschland) zum "Zahltag-Aktionscamp" vor Kölner Arbeitsagentur:  http://www.freie-radios.net/portal/content.php?id=19015

[Anmod:] Arbeitsagenturen zählen im allgemeinen ja nicht zu den Orten, an denen man sich gern aufhält, geschweige denn übernachtet. Am 1. und 2. Oktober haben dies dennoch Leute gemacht. In Köln fand dieser Tage ein Aktionscamp vor der Arbeitsargentur statt.
Das Motto war "Zahltag. Schluss mit den ARGen Schikanen". Am Telefon Martin Behrsing vom ErwerbslosenForum Deutschland:

Video der Besetzung auf YouTube

Dein Name 03.10.2007 - 01:03

geht nich

tut nix zur sache 03.10.2007 - 12:06
hey ich nochma

hab doch gestern glatt post von der bagis(arge) bekommen.
als erstes den bewilligungsbescheit.
ging ja mal echt schnell.
als zweites soll ich unterhaltsvorschuß beantragen sonnst krieg ich ne kürzung.
heist tu ichs nich kein geld,tu ichs hat meine exfrau schulden und das will ich nich.
mein es ging doch auch die letzten 4 jahre ohne.
der hammer es wird angerechnet,habe dann genausoviel geld wie vorher.
an jedem ersten hartz 4, an jedem 20ten kindergeld.
sind schon mal 2 institutionen.
wenn ich jetzt uvg beantrage , was ich ja laut denen muß,bekomme ich meine gelder von 3 verschiedenen institutionen.
wer keine arbeit hat macht sich welche
find frech das meine exfrau wegen derer willkür nachm studium schulden haben soll.
so kommt doch echt keiner aufn grünen zweig.
aber der wirtschaftsaufschwung kommt ja laut merkel beim volk an.
haben bei mir auch anfang januar einfach die zahlung an die stadtwerke eingestellt und mir erst im juni bescheitgesagt.
großes kino,darf so ne menge geld nachzahlen
ich nenn das willkür

fight the system

Mein ganz persönlicher Bericht

Anne Radstaak 03.10.2007 - 21:49
3. Oktober 2007 / von Anne Radstaak / KUNSTSTIMMEN GEGEN ARMUT

Mein ganz persönlicher Bericht
über den ZAHLTAG des Bündnis Agenturschluss in Köln am 1.10.007

Köln , Montag 1.10.,10.30 Uhr. Als Auswärtige finde ich mein Fahrtziel, die Arbeitsagentur in der Luxemburger Sraße 121, recht schnell: unübersehbar die Reihe von Mannschaftswagen der Polizei vor einem Hochhaus. Hier muss es sein. Also parke ich mein Auto direkt zwischen zwei grün-weissen Fahrzeugen auf dem Gelände der Arbeitsagentur. Auf dem Weg zum weißen Aktionszelt sehe ich Transparente und Info-Stände. Menschen gehen hektisch hin und her. Ich höre aufgebrachte Rufe aus dem Foyer des Gebäudes. Eine Frauenstimme spricht laut und erregt in ein Mikrofon “Wir sind Kunden hier! Wir haben ein Recht darauf hier zu sein. Ihr dürft uns nicht herausschmeissen.” Ein Gedränge und Geschubse herrscht im Foyer der Arbeistagentur. Im hinteren Bereich sehe ich ca. 30 Polizisten, dekoriert mit Schlagstöcken, die mit verschränkten Armen eine Mauer zu den dahinter befindlichen Fahrstühlen bildet. Da soll keiner durch gelassen werden. Das wird schnell klar. Die Menge davor ist aufgebracht. Wie mir später Martin Behrsing vom Erwerbslosenforum mitteilte, wurden einige Minuten zuvor drei Leute recht unsanft von Polizisten zu Boden gebracht und abgeführt. Die Situation im Foyer ist immer noch angespannt.

Ich gehe wieder hinaus und frage mich zu den Initiatoren des ZAHLTAGs durch. Von einem Herrn, dessen Namen ich leider nicht weiß, wird mir ein Plätzchen für den Infostand von KUNSTSTIMMEN GEGEN ARMUT vor dem Aktionszelt gegenüber des Foyers zugewiesen. Ich packe Tisch, Stafelei, Bilder, Malutensilien, Plakat sowie Infomaterial aus und richte mich häuslich- informativ ein. Dann treffe ich Martin Behrsing, den ich bislang nur über Telefon und EMail-Kontakt her kannte. Er erläutert mir kurz den Programmablauf des Tages und lädt mich gleich ins Aktionszelt ein, in dem ein Buffet mit warmen und kalten Getränken, Obst, Brot, Aufschnitt, und Kuchen aufgebaut ist. Zum Kaffeetrinken bleibt jedoch keine Zeit, die ersten Leute stehen am Infostand. Also verteile ich Handzettel und Aufrufe an jeden, der vorbeikommt. Schnell entwickeln sich Gespräche, und ich merke schnell, dass ich aus einer Gegend Deutschlands komme - ländlich geprägt, mit geringer Arbeitslosenqote - in denen die Welt irgendwie noch in Ordnung ist. Die erste Frau, mit der ich mich unterhalte, Mitte 20, lächelt mich mit einer Lücke im Schneidezahnbereich an. Ja, die Auswirkungen der Un-Reform Hartz IV werden mir an diesem Tag sehr deutlich spürbar gemacht.

Im Foyer spielt indessen Klaus, der Geiger. Kurz darauf fragt mich Martin Behrsing, ob ich bereit wäre, im Foyer das Bild “Das A des Monats” zu malen. Wir hatten einen Tag zuvor vereinbart, dass ich ein Bild zu einer Urkunde male, die einmal pro Monat an einen ARGE-Mitarbeiter verliehen wird – als Auszeichnung für widerliches und schikanöses Verhalten seinen Kunden gegenüber. So baute ich im Foyer meine Stafelei und Ölfarben auf, um unter Polizeipräsenz und num Geigenspiel von Klaus zu malen. In ca. 45 Minuten entstand das Bild im Format 50 x 100 cm. Es zeigt eine menschliche Figur von hinten in blau/grün mit einem runden, knackicken Po sowie dem Buchstaben A in pink-magentafarben auf dem Rücken. Nachdem eine Zuschauerin meinte, das Bild wäre noch zu schön, malte ich noch einen Pfeil in Richtung Anus zeigend. Das noch nasse Bild wurde sogleich von Martin Behrsing übernommen, die Laudatio für den Urkunden-Empfänger wurde verlesen und dann unter massiver Polizeibegleitung in den 5. Stock des Gebäudes gebracht, um es dem Mitarbeiter, Herrn Diter Berns, zu übergeben. Eine direkte Übergabe wurde jedoch vom ARGE-Agenturleiter, Herrn Ludwig, verhindert. Er nahm die Urkunde nebst Bild in Empfang und musste dies mit einigen Flecken Ölfarbe auf seinem Anzug bezahlen.

Mittagszeit. Zwei riesige Töpfe mit dampfender Gemüsesuppe stehen im Aktionszelt bereit. Lecker. Während des Mittagessens an Biertischen komme ich ins Gespräch. Neben mir sitzt eine Frau, flippig, modern angezogen mit sympathischer Ausstrahlung. Sie erzählt mir, dass sie gelernte Cutterin ist und seit einiger Zeit leider schon Mitglied im “Verein” Hartz IV ist. Sie erzählt mir von den Repressalien, die sie mit Kölner ARGE-Mitarbeitern erlebt hat. Uns gegenüber sitzen 4 junge Frauen. Eine davon berichtet, dass sie ausgebildete Diplom-Designerin im Fachbereich Modedesign ist und zuletzt bei einem Kölner Fernsehsender als Stylistin gearbeitet hat. Fast schon amüsant ist ihre Geschichte (wenn sie nicht so ernste Auswirkungen hätte), dass eine ARGE-Mitarbeiterin sie während eines Beratungsgesprächs fragte “Na ja, dann waren sie ja bestimmt schon häufiger im Fernsehen. Wann kann ich sie denn wieder im TV sehen?” - und wurde flugs von dieser in eine 1-Euro-Job-Maßnahme gesteckt. Hauptsache die Statistik stimmt, ein Kunde weniger und die Ampel steht auf “Grün”. “Wie bitte, grün?”, frage ich nach. Ja, seit dem die Unternehmensberatung Berger in der ARGE war, stehen auf Fluren Ampeln, die den Vorbegehenden signalisiert: Grün = Vermittlungs-Soll erreicht, Rot = nicht erreicht. Klassische psychologische Konditonierungs-Spielchen, wie man es mit Kindergartenkindern macht: Ein Pril-Blümchen für besonders Fleissige!

Ab 14 Uhr werden Vorträge zu den Themen Sozialschnüffler, Bedarfsgemeinschaften, Ein-Euro-Jobs, Leiharbeit, Widerstand gegen den sozialen Angriff, Profiling im Foyer der ARGE von verschiedenen Referenten gehalten. Für mich absolut interessant, da ich aus meiner “heilen” ländlich geprägten Region kommend, Fakten erfahre, die mir die Medien so bisher nicht offerierten. So beträgt beispeilsweise die Missbrauchsrate bei Hartz IV-Auszahlungen gerade einmal 0,6 % (Quelle: Bundesagentur für Arbeit). Kommunizieren unsere Medien doch immer wieder gerne “den faulen, nicht arbeiten wollenden Sozial-Schmarotzer, der morgens ab 8 Uhr mit der Bierflasche am Kiosk anzutreffen ist.” Und dies wird an Stammtischen nachgeplappert. Die Realtät sieht aber ganz anders aus. So unterhalte ich mich am Nachmittag mit einem älteren Ehepaar so um Mitte 50 herum. Die beiden sind “ordentlich”gekleidet und verraten durch ihren rheinischen Dialiekt gleich ihre Herkunft: Düsseldorf, die nordrhein-westfälische Landeshauptstadt, die vor einer Woche verlauten ließ: “Hurra! Wir sind schuldenfrei.” Die Stadt hat ihr “Tafelsilber” verkauft und ist jetzt schuldenfrei. Über diese Nachricht könnte man sich freuen. Könnnte man. Die Freude wird jedoch gleich im Keim erstickt, wenn man den folgenden Ausspruch des Düsseldorfer OB’s verinnerlicht: “Wir sind stolz darauf, im bundesdeutschen Mietkosten-Index mit unter den ersten dreien zu stehen.” Das Ehepaar kann sich die 2-Zimmer-Wohnung in Düsseldorf nicht mehr leisten. Sie wollen deshalb nach Gelsenkirchen umziehen. Das wird jedoch zu einem Problem. Die Düsseldorfer ARGE wäre froh, die beiden als Kunden verabschieden zu können. Die ARGE in Gelsenkirchen will jedoch keine neuen “Kunden” aufnehmen. Dass die beiden aus Hartz IV rauskommen, bleibt nur ein frommer Wunsch. Beide sind über 50 Jahre alt und gelten auf dem Arbeitsmarkt als nicht vermittelbar.

Bis zum Abend unterhalte ich mich noch mit vielen Menschen. Bei einigen spüre ich nur pure Resignation und Depression. Bei anderen ist noch ein Lodern in den Augen zu erkennen, Mut, die Dinge selber in die Hand zu nehmen und aus Hartz IV heraus zu kommen.

Was micht besonders an diesem Tag in und vor der Kölner ARGE beindruckt hat, war die Solidarität und konkrete Unterstützung von “ganz normal im Beruf und Leben stehenden” Menschen”, die vor Ort (und natürlich auch anderswo) diese Missstände nicht weiter akzeptieren, den Betroffenen Mut machen und konkret helfen, um aus der Hartz IV-Falle heraus zu kommen: Konkrete Hilfe von der Wuppertaler Initiative Tacheles e.V. durch permanente Einzelfall-Beratung vor Ort, eine Art “Begleitservice” zu den Sachbearbeitern und dadurch Bewirkung lang verhinderter, gerechtfertigter Ausszahlungen durch die ARGE. Konkrete Information und rechtliche Aufkläung durch die Vorträge und Workshops. Menschliche Zuwendung durch ein Lächeln von Angesicht zu Angesicht. Ich habe auch bewusst in die Gesicher der zumeist jungen Mitarbeiter/innen der Bereitsschaftspolizei geschaut. Auch bei ihnen konnte hier und dort so etwas wie Verständnis und Mitgefühl herauslesen. Und nette Poilzisten gibt es ja nun auch: Parkte ich doch im Halteverbot, und ein älterer Polizist rief zu mir herüber “Den Wagen können sie ruhig da stehen lassen. Heute lassen wir hier nicht abschleppen.”

Vermisst habe an diesem Tag die Studenten. Liegt die Universität doch direkt gegenüber der Kölner ARGE. Gerade mal zwei Studenten habe ich gesehen, die ein Transparent an einer Wand anbrachten. Gut, wenn mehr als zwei Studenten da gewesen sind, bitte ich schon mal vorsorglich um Verzeihung. Aber sichtbar waren sie für mich nicht.

Abends war ich müde und platt und fuhr mit gemischten Gefühlen die 180 km wieder nachhause:
Dankbarkeit, dass es Solidarität, Mut und Menschlichkeit gibt.
Wut über das bestehende System, welches diese Zustände hervorbringt.

Und deswegen: KUNSTSTIMMEN GEGEN ARMUT bleibt dran!
__________________
 http://www.kunststimmen-gegen-armut.de
 http://www.artoffer.com/Anne-Radstaak

Meckern war gestern. Verändern ist heute.

Zahltag! - eine erste Einschätzung

agenturschluss 05.10.2007 - 09:21
Die Entschlossenheit, diesen Ansatz von kollektiver Gegenwehr auch gegen ein massives Polizeiaufgebot durchzusetzen macht uns Mut und bestätigt uns in der Überzeugung, dass auch hierzulande soziale Rechte nicht erbettelt, sondern erkämpft werden. Anders als bei der Belagerung der Arbeitsagenturen zur Aktion „Agenturschluss“ im Januar 2005 ist es mit dem „Zahltag“ gelungen, gemeinsam mit nicht-organisierten Erwerbslosen Widerstand zu leisten und ganz unmittelbare Forderungen erfolgreich durchzusetzen ...


siehe dazu  http://de.indymedia.org./2007/10/196055.shtml

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