Hintergründe des Nazianschlags in Bern

Autonomes Medienkollektiv Freiburg 16.08.2007 04:43 Themen: Antifa Freiräume Repression
 Am 4. August 2007 wurde das Antifa Festival in der Grossen Halle der Reitschule, Berns Autonomen Zentrum, mit einer Brandbombe angegriffen. Wäre die Bombe nicht kurz zuvor in der Menge entdeckt und ins Freie geschafft worden, wo sie kurze Zeit später zündete, hätte es wohl Schwerverletzte und Tote gegeben. Die Autonome Szene reagierte eine Woche später mit einer antifaschistischen Demonstration auf den Mordanschlag. Die schweizer Medien hingegen verharmlosen die Naziaktivitäten in Bern und Umgebung seit Jahren.

Einleitung | Das Rütli im Visier von Nazis | Mario Friso | Mord am Thunersee | Nazischütze in Thun | Gummibootdemo nach Bern | Antifa Kampagne | Naziangriffe im Hauptbahnhof | Schüsse aufs Solterpolter | Besetztes denk:mal | Gassenküche gegen Repression | Brandbombenanschlag auf Antifa Festival | Antifaschistische Demonstration (Video) | Interview in der Reitschule (Video) | Bisher | Ergänzungen

Antifa Festival | Antifa Kampagne | Bündnis Alle gegen Rechts | Antifa Bern | Autonome Gruppen Oberland | Kulturzentrum Reitschule
Die faschistische Hochburg der schweizer Naziszene ist der Kanton Aargau an der Grenze zu Deutschland. Am 15. August wurde aufgedeckt, dass Roland Wagner, Nationalratskandidat der Schweizer Demokraten, am 10. August 2007 im Schützenhaus Weidli bei Oberhof ein Schießtraining für Timo Völkel und Daniela Übelacker, zwei führende deutsche Nazis aus dem Rhein-Main-Gebiet, organisiert hat.



Von Bedeutung für die ganze Schweiz sind die Naziaktiviäten an jedem 1. August am Rütli im Kanton Uri bei Luzern am Vierwaldstätter See. Die Naziaktivitäten zum schweizer Nationalfeiertag werden maßgeblich von der Partei National Orientierter Schweizer (PNOS) organisiert. Deren Mediensprecher Mario Friso war früher Antifaschist, wechselte dann aber die Seiten und ist mittlerweile Vorsitzender der PNOS Sektion Oberland. Im Berner Oberland im Kanton Bern gibt es immer wieder militante Naziaktivitäten wie den Mord am Thunersee und die Schüsse auf Linke in Thun. Aber es gibt auch starke autonome Strukturen in der Region, die 2007 mit einer Antifa Kampagne dem faschistischen Treiben begegneten.



Als Nachtrag zur Kampagne soll es wie 2005 auch dieses Jahr eine Gummibootdemo von Thun nach Bern geben. In Bern wurde mehrere Male ein antifaschistischer Stadtrundgang organisiert, von dessen Stationen wir den Hauptbahnhof und das Solterpolter näher beschreiben. Wir stellen das denk:mal und die Gassenküche vor, die eben auch zu Bern gehören. Am Ende des Artikels fassen wir die Ereignisse rund um den Brandbombenanschlag auf das Antifa Festival zusammen und veröffentlichen unsere Eindrücke von der Antifademo und ein Interview mit einem Organisator des Antifa Festivals als Videoclip.


     Das Rütli im Visier von Nazis

Wenige Tage vor dem Brandanschlag auf das Antifa Festival in Bern detonierte bei den nationalschweizer Feierlichkleiten am 1. August 2007 auf der Rütliwiese ein zeitgezündeter Sprengsatz, den Nazis dort vergraben hatten. Auch hier war es Zufall, dass keine Verletzten oder Toten zu beklagen sind, da die bürgerlich-nationale Inszenierung einige Minuten früher als geplant endete.

Die Feier befand sich den ganzen Tag über im Visier der Nazis. Einige versuchten mit Schlauchbooten von Brunnen im Kanton Schwyz aus auf das Rütli zu gelangen, gingen allerdings baden, da sie von den Wasserkanonen der Polizeischiffe verjagt wurden. In Brunnen erhielten insgesamt 170 Nazis Platzverweise. Damit verhinderten die Bullen die Weiterreise der Nazis nach Altdorf, wo diese die Rede der sozialdemokratischen Bundespräsidenten Calmy-Rey nach ihrer Rütlirede stören wollten. Auch ein weiterer Versuch, zu Fuß das Rütli zu stürmen, scheiterte an den Bullen. Etwa 200-300 Nazis holten ihre „wahre“ Rütlibeweihräucherung dann unter den Augen der Bullen am 5. August nach.


Zivibulle Kurt Trolliet, A.C.A.B. an der Reitschule, Demobullen am Hauptbahnhof
alles cool a.c.a.b. alles bestens

Sowohl für die Naziszene wie auch für die offizielle Schweiz hat der Mythos vom „Rütlischwur“, der seit der Installation des Nationalstaates der Schweiz als Gründungsmythos dient, eine starke symbolische Bedeutung. Spätestens seit dem „Rütlirapport“ von 1940, als Unabhängigkeit und Durchhaltewille demonstriert werden sollte, ist dieser Mythos integraler Bestandteil der Staatslegitimation in der Schweiz.

Trotz oder gerade weil die Schweiz Waffen geliefert, Geld gewaschen, den Alpentransit gewährleistet und Flüchtlinge abgewiesen hat, wird von Seiten des Staates versucht, den Rütlimythos ins kollektive Gedächtnis einzubrennen. Es ist daher folgerichtig, wenn Calmy-Rey dieses Jahr in ihrer Rede unter dem Deckmantel des „Patriotismus“ gegen Nationalismus von rechts wie gegen Antinationalismus von links ins Feld zog.



Schweizer Nazis versuchen ihrerseits bereits seit mehreren Jahren den bürgerlichen Festakt am 1. August für sich zu vereinnahmen, auch wenn sich der Sinn des Rütlikults für NichtschweizerInnen und UnpatriotInnen nur schwer erschließt: 199319961997199819992000200120022003200420052006. Seit 2005 mobilisiert das antifaschistische „Bündis für ein buntes Brunnen“ gegen die Naziaufmärsche.

Im Jahr 2000 versammelten sich am 1. August zum ersten Mal mehr als hundert Nazis auf der Rütliwiese, worauf die Bullen im Jahre 2001 mit Repression reagierten. Analog agierte der Staat fünf Jahre später. Im Jahr 2005 wurde der Festredner und Bundespräsident Samuel Schmid auf der Rütliwiese von 600 bis 800 Nazis als „Judas“ und „Sau“ beschimpft, woraufhin die Bullen 2006 die Nazis hinderten, ohne Ticket zur Rütliwiese zu gelangen. Zwar wurde ein Aufmarsch von Nazis am 1. August 2007 durch die ungewöhnlich gut informierten Bullen verhindert, doch ein Aufmarsch am 5. August scheint kein Problem für die das bürgerliche PatriotInnenmilieu darzustellen.


     Mario Friso

Als besonders auskunftsfreudig bezüglich der geplanten Naziaktivitäten am 1. August 2007 erwies sich Mario Friso, der derzeitige Vorsitzende der PNOS Sektion Berner Oberland und Pressesprecher der Nazipartei auf Bundesebene. Mario Friso wohnt in Spiez und arbeitet als Koch in Bern. Ende der 1990er Jahre war Friso noch Antifaschist, bevor er zum Nazi wurde und in die PNOS eintrat. Seine Prophezeiung „Der Wind weht von Walhalla“ an der Wand des AJZ Subito in Bern bewahrheitete sich im April 2001, als Nazis einen Brandanschlag auf das Autonome Jugendzentrum verübten. Als Konsequenz kündigten die Behörden fristlos den Zwischennutzungsvertrag mit dem AJZ. Die offizielle Begründung: „Gefährdung der öffentlichen Sicherheit“.


PNOS-Kader Mario Friso 2005 und 2007, dazwischen der Vierwaldstätter See bei Altdorf
Verräter bleibt Verräter

Im September 2006 wurden Frisos Mails von einem Antifaschistischen Webkollektiv veröffentlicht, wodurch seine kriminellen Machenschaften bekannt wurden. Strafrechtliche Konsequenzen musste der Antisemit bisher jedoch keine fürchten. Ungeniert nahm Friso am 30. Juni 2007 an einem Naziaufmarsch (1 2 3) zum 621. Jahrestag der Schlacht von Sempach im Kanton Luzern teil. Doch im Berner Oberland treiben neben den von der PNOS organisierten Nazis auch noch ganz andere Nazis ihr Unwesen...


     Mord am Thunersee

Am 27. Januar 2001 wurde Marcel von Allmen bei der Ruine Weissenburg am Thunersee erschlagen, die Leiche wurde fast vier Wochen später von der Polizei im See gefunden. Die Täter, Marcel M., Michael S., Renato S. und Alexis T., sowie auch der Getötete gehörten einem von ihnen gegründeten „Orden der arischen Ritter“ an. Der Orden gehörte keiner größeren Nazigruppierung an, auch hatten die Mitglieder kaum Kontakt zu weiteren rechten Organisationen. Die Nazis waren der Polizei aber nicht unbekannt, so wurde Marcel M., der Rädelsführer der Gruppe, schon 2000 zu 18 Monaten Haft auf Bewährung verurteilt, weil er auf einen Zivilpolizisten geschossen hatte.

Die „Ordensritter“ verstanden sich selbst als Retter der Schweizer auf dem Bödeli, wie die Gegend zwischen Thuner- und Brienzersee heißt. Sie wollten eine angebliche Bedrohung durch EmigrantInnen abwenden. So planten sie bereits 1999 einen Jugendlichen aus dem ehemaligen Jugoslawien zu ermorden, da der Junge öfter Stress gemacht habe.



Noch absurder mutet die Begründung für den Mord an Marcel von Allmen an: Von Allmen hatte den Kodex des Ordens verletzt. Er wurde mit dem Tod bestraft, weil er gegenüber Außenstehenden Andeutungen über die Gruppe gemacht hatte und mit seinen Nazi-CDs vor anderen angab. Er hatte gegen einen Grundsatz verstoßen: „Man soll seine Kameraden nicht verraten.“

Die Bewohner der Gegend zeigten sich überrascht, viele wollten von der Gruppierung nichts gewusst haben, was allerdings angesichts der Aktivitäten der örtlichen Nazis unglaubwürdig klingt. So wurde zum Beispiel die Schule in Interlaken, dem Wohnort Marcel von Allmens, mit Naziparolen angesprayt. Das Urteil des Kreisgerichtes Interlaken-Oberhasli lautete für Marcel M. lebenslang, für Michael S. und für Renato S. 16 Jahre Haft und für Alexis T. eine mindestens zwei Jahre dauernde Vollziehungsmaßname in einem Erziehungsheim. Das schweizer Bundesgericht bestätigte das Urteil am 6. Juni 2006.


     Nazischütze in Thun

In der Nacht vom 8. Juli 2005 griffen in Thun im Berner Oberland drei stadtbekannte Neonazis eine Gruppe Linker an, die an dem dreitägigen Basislager in Thun gegen den G8-Gipfel in Schottland teilnahmen. Einer der Nazis schoss mehrmals mit einer Pistole auf die Linken. Ein 17-jähriger Antifaschist wurde von einer Kugel in den Oberschenkel getroffen und musste ins Krankenhaus eingeliefert werden.

Die drei Nazis wurden von den Bullen mitgenommen, zwei von ihnen wurden nach einer Vernehmung wieder freigelassen, der Nazischütze wurde festgenommen. Der Berner Gemeinderat und Polizeivorsteher Heinz Leuenberger verharmloste den Vorfall als „Gewalt zwischen rechts und links“ woraufhin die „Neue Luzerner Zeitung“ über „unklare Tathintergründe“ berichtete.



Als Reaktion auf den Naziangriff demonstrierten am 10. Juli 2005 spontan etwa 120-200 Menschen in der Thuner Innenstadt, die Bullen konnte „keine Zwischenfälle ausmachen“. Am 14. Juli 2005 sollte ebenfalls in Thun eine antifaschistische Demonstration stattfinden, welche allerdings von einem massiven Bullenaufgebot verhindert wurde. Etwa 70 angeblich vermummte Menschen wurden am Bahnhof eingekesselt, weitere anreisende AntifaschistInnen wurden aus den Zügen heraus festgenommen. Insgesamt wurden an diesem Tag etwa 300 AntifaschistInnen in Gewahrsam genommen und kamen zum Teil erst um 2:30 Uhr wieder frei. Das „Thuner Tagblatt“ schrieb am nächsten Tag von „Terroristen“ und übernahm Polizeimitteilungen ohne vorherige Prüfung.

Gegen die Polizeimaßnahmen wurde von einigen Betroffenen Widerspruch eingereicht. Der massive Polizeieinsatz vom 14. Juli wurde für illegal erklärt und die Verfahren gegen die Beschuldigten daraufhin vom 4. Verwaltungspräsidenten in Thun eingestellt. In drei Fällen erhielten die zu Unrecht Beschuldigten die Anwaltskosten ersetzt und jeweils eine persönliche Entschädigung von 100 CHF zugesprochen. Am 24. Oktober 2006 begann der Prozess gegen den 26-jährigen Nazischützen Thomas Rohrer, welcher am 30. Oktober 2006 zu einer sechsjährigen Haftstrafe wegen vorsätzlicher Tötung verurteilt wurde.


     Gummibootdemo nach Bern

Aber es gibt auch eine andere Seite von Thun. Am 10. Juli 2005 sollte eigentlich eine Gummibootdemo von Thun nach Bern als Teil des weltweiten Protests gegen den G8-Gipfel in Schottland stattfinden. Gleichzeitig sollte mit der Demo der Abschluss des Basislagers in Thun gefeiert werden. Aber auch den Badenden in der Aare sollten die Anliegen der GipfelgenerInnen näher gebracht werden.


Gummibootdemo am 10.07.05 durchs Berner Oberland von Thun nach Bern
Kein Gott! Kein Staat! Kein Kapitän!

Doch es kam anders: Wegen des kalten und regnerischen Wetters musste die Demo um eine Woche verschoben werden, fand aber am Sonntag den 16. Juli 2005 bei sonnigem Wetter und mit rund 50 Gummibooten statt. Im Anschluss wurde die Innenstadt von Bern geentert und zwischen Bundeshaus und Nationalbank zu verschiedenen Beats aus dem mitgebrachten Soundsystem getanzt und gefeiert. Gegen 22:30 Uhr zogen die AktivistInnen dann zum Bärenplatz, wo sie um etwa 2:00 Uhr von den Bullen angegriffen wurden. Diese zogen den Stecker der Soundanlage, schmissen eine Personen auf den Boden und nahmen diese in Gewahrsam, während die ganze Zeit über mit Gummischrot wahllos in die Partymenge geschossen wurde.



Als Reaktion auf die weltweite Repression gegen linke AktivistInnen suchen die schweizer GenossInnen derzeit nach neuen Aktionsmöglichkeiten, um ihre Inhalte friedlich kundzutun und den Bullen keine Angriffsfläche zu bieten. Aus diesem Grund war auch 2007 wieder eine Gummibootdemo angekündigt, diesmal im Rahmen der Antifa Kampagne „Die Dinge in Bewegung bringen“ unter dem Motto: „Auf dem Lande, auf den Wassern, nieder mit den Menschenhassern!“. Diese wurde allerdings erenut wegen schlechten Wetters auf den 18. August 2007 verschoben und wird wohl wegen der derzeitigen hohen Pegelstände der Aare erneut ins Wasser fallen. Aber heute ist nicht alle Tage, wir paddeln wieder, keine Frage!


     Antifa Kampagne

Als Reaktion auf zunehmende rassistische Tendenzen und einen fest verankerten Antisemitismus in der schweizer Gesellschaft fand vom 4. Mai bis 7. Juli 2007 eine Antifakampagne statt, um Repression gegen den antifaschistischen Widerstand zu unterlaufen und um „die Dinge in Bewegung zu bringen“.



Getragen wurde die Kampagne von einem breiten Bündnis bestehend aus dem Antifa Festival, Autonome Gruppen Oberland, Augenauf Bern, Ausstellungskollektiv Brennpunkt Faschismus, Autonome Gruppe Bern, Bündnis Alle gegen Rechts, Gassenküche SIKB, Infoladen Bern, Libertäres Antifaschistisches Kollektiv Thun, Organisation Socialiste Libertaire Biel/Bienne, Repro und Soletta Antifascista.

In der Schweiz hatte jeder zehnte Jugendliche schon Probleme mit Neonazis, laut einer Studie des „gfs-Forschungsinstituts“ vom März 2007 haben 28% der SchweizerInnen Vorurteile gegenüber JüdInnen und 10% sind klar antisemitisch. An der Wahlurne stimmen 70% der eidgenössischen BürgerInnen für eine fremdenfeindliche und rassistische Asyl- und AusländerInnenpolitik. Faschistische Gewalt ist an der Tagesordnung und mündete in den feigen Mordanschlag auf Antifas in Bern.



Im Rahmen der Kampagne gab es 19 Veranstaltungen in und um Bern, mit denen AktivistInnen die vom Faschimus ausgehende Gefahr thematisierten. Mit Vorträgen, Konzerten, Filmen, einer Ausstellung, dem legendären Bürostuhlrennen, einem Fußballturnier, einem Jahrmarkt, VoKüs und einem Kasperlitheater sollten die Dinge in Bewegung gebracht werden. Die Antifa Kampagne mündete am 7. Juli in eine kraftvolle antifaschistische Demo unter dem Motto: „Die Dinge in Bewegung halten!“

Broschüre | Communiqués | Veranstaltungsfotos | Pressespiegel


     Naziangriffe im Hauptbahnhof

„Geschichte ereignet sich nicht nur auf den großen Schlachtfeldern, nicht nur an internationalen Kongressen und nicht nur zeitlich wie räumlich weit entfernt. Sie findet überall statt, wo Menschen leben und wirken. So auch in Bern.“



Im Juni, Juli und August 2007 wurde mit einem antifaschistischen Stadtrundgang im Rahmen der Antifa Kampagne ein Einblick in die lokale Bewegungsgeschichte vermittelt. Eine Station des Stadtrundgangs ist der Hauptbahnhof. Dort kam es zum Jahreswechsel 1999/2000 zu mehreren Naziangriffen.


Dieser Nazi zeigte den antifaschistischen DemonstrantInnen am 11.08.07 in Bern mehrmals den Hitlergruß und flüchtete anschließend in den Hauptbahnhof
Wir kriegen euch alle!

Als Reaktion auf die Naziangriffe rief das Bündnis Alle gegen Rechts zum 1. Antifaschistischen Abendspaziergang am 22. Januar 2000 in Bern auf. Bereits am 23. Januar folgte der nächste Naziangriff im Hauptbahnhof. Das ganze Jahr über gab es weitere militante Naziaktivitäten, beispielweise die Fasnachtsangriffe im März und die Angriffe auf das Solterpolter im Juli.


     Schüsse aufs Solterpolter

Das Solterpolter, ein mittlerweile abgerissenes Geäude in der Marzilistraße 3 auf dem ehemaligen Soltermann-Areal im Marzili-Quartier, wurde am 26. Juni 1997 von Autonomen und Punks besetzt. Dies war die erfolgreichste Besetzung der Gruppe, welche bereits unter dem Namen „Sputnik“ mehrere Häuser und Fabrikhallen besetzt, jedoch nie eine längerfristige Nutzung erreicht hatte. Der neu entstandene linksalternative Freiraum wurde schon bald über die Kantonsgrenzen bekannt und beliebt. Die zahlreichen Konzerte, der Mittagstisch, die Bar und das alljährliche Grümpelturnier zogen junge und ältere Menschen aus der ganzen Schweiz an.



Diese Beliebt- und Bekanntheit war den schweizer FaschistInnen allerdings ein großer Dorn im Auge. Mehrmals wurde das Haus Ziel von Naziangriffen. Am 29. Januar 1999 überfiel eine Gruppe von etwa 30 Nazis das Haus und verprügelte die Anwesenden. In der Nacht vom 21. August 1999 wurde mit einer Schusswaffe auf das Haus gefeuert, doch es wurde glücklicherweise niemand verletzt. Der heftigste Angriff fand jedoch am 10. Juli 2000 statt: Eine Gruppe von drei Neonazis wollte bei der Reithalle eine Schlägerei anstiften, entschloss sich aber kurzfristig, lieber zum Solterpolter zu fahren, da die Reithalle zu zentral lag. Die drei Nazis griffen das Haus mit zwei Sturmgewehren an, und feuerten fünf Magazine ab. Die Polizei zählte später 110 Einschusslöcher. Es war nur einem großem Zufall zu verdanken, dass die fünf Personen im Gebäude unverletzt blieben.

Bei der Verhaftung sagte einer der beiden Schützen, dass „Hass gegen Linke“ das einzige Motiv gewesen sei. „Ja, ich war ein Skinhead, aber nur aus Spass“, erklärte der 23-jährige Schütze vor Gericht unbekümmert. „Ich hatte eine Glatze und eine Bomberjacke. Springerstiefel trug ich aber nicht, die sind unbequem.“ Die zwei Schützen, Simon Vogt aus Ittigen und Stefan Benninger aus Bern-Bümpliz, wurden wegen versuchter Tötung für je fünf Jahre in eine Psychiatrie eingewiesen, der dritte Angeschuldigte, Reto Gasser aus Wabern, kam mit 18 Monaten Gefängnis auf Bewährung glimpflich davon.



Bereits zwei Jahre zuvor gab es einen militanten Nazianschlag auf einen Squat in Zollikofen, einem nördlichen Vorort von Bern. In der Nacht auf den 9. August 1998 griffen rund 30 Nazis die besetzte Stricki an, eine ehemalige Strickwarenfabrik in der Bernerstr. 271. Sie schrieen „Sieg Heil“ und „Scheiß Juden“, warfen mit Flaschen und Steinen und schossen mit scharfer Munition auf das Haus. Zum Tatzeitpunkt hielten sich fünf Menschen in der Stricki auf, wie durch ein Wunder blieben alle unverletzt. Die Bullen kontrollierten die „eher rechtslastigen Jugendlichen“, so der Zollikofner Gemeindepräsident Gottfried Aebi, und führten zwei der angegriffenen BewohnerInnen in Handschellen ab.


     Besetztes denk:mal

In Bern gibt es neben der Reitschule einige weitere autonome Projekte wie das denk:mal, eine Autonomen Uni zur Zeit in der Stauffacherstrasse 82 in Bern-Wankdorf. Das denk:mal bietet Raum für Workshops und Seminare jenseits kapitalistischer Verwertung und LehrerInnen/SchülerInnen Hierachien. Außerdem finden im Denkmal Voküs, Kneipen und Filmeabende statt. Auch ein Internet-Café mit Linux- und Sicherheitsworkshops hat in der kleinen Villa im Norden Berns Platz.



Im Frühjahr und Sommer 2005 sammelten die denk:mal-AktivistInnen 1200 Unterschriften für eine Alternative zur staatlichen Bildung. Trotzdem stellte die Katonsregierung fest, „dass der Kanton Bern so etwas wie eine autonome Schule nicht kennt.“ Deshalb wurde am 1. August das ehemalige Erstaufnahmezentrum (Asylsuchendenunterkunft) besetzt und noch am selben Tag von den Bullen geräumt. In den darauffolgenden Wochen gab es Verhandlungen mit der Stadt und am 27. September zogen die AktivistInnen mit einem Zwischennutzungsvertrag in der Tasche ein.



Ende März 2006 musste das Gebäude verlassen werden, aber nur drei Tage später wurde ein leerstehendes Bauernhaus besetzt und ein weiterer Zwischennutzungsvertrag bis zum Herbst 2006 ausgehandelt. Nach vier Monaten während des Winters 2006/2007 in einem kleinen, teuren Raum besetzten die Denkis im März 2007 zusammen mit dem „Wagenplatz Alternative“ ein Gelände mit Werkstatt und Wohnhaus in einem Berner Gewerbegebiet. Sie mussten dieses Gelände aber Mitte Mai wieder verlassen, und zogen in ihr jetziges Domizil, für das mal wieder ein Zwischennutzungsvertrag – diesmal bis zur Fußball-EM im Mai 2008 – ausgehandelt wurde. Das denk:mal bleibt – flexibel, an immer neuen Orten in Bern, aber es bleibt!


     Gassenküche gegen Repression

Ein weiteres autonomes Projekt ist die Gassenküche (GaKü) der SchülerInnenkoordination Bern (SikB), die seit 1990 jeden Sonntag Nachmittag in den Töpfen der Volxküche rührt. Mit Warmhaltebehälter und Bollerwagen geht es am frühen Abend auf die Gasse – zumeist zum Kleinen Schanzenpark – zur Essensausgabe. Die Gassenküche ist Teil des Protests gegen die repressive Drogenpolitik der Stadt Bern und bietet deren Opfern, Junkies und Obdachlosen, eine Stunde in der Woche einen Freiraum zum Kraft schöpfen und essen. Finanziert wird das Projekt durch private SpenderInnen.



Seit der Vertreibung der offenen Drogenszene aus dem Kocherpark Ende 1992, gibt es in Bern keine offene Szene mehr. Drogenhandel und -konsum findet seither an verschiedenen, wechselnden Orten in der Innenstadt statt. Die Gassenküche ist ein Dorn im Auge der Stadt, beweist ihre Notwendigkeit doch, dass es trotz aller Versuche der Marginalisierung eine Drogenszene in Bern gibt. Die GaKü wurde von den Bullen mit Tränengas angegriffen, mehrmals mussten beschlagnahmte Kochtöpfe am Montag bei den Bullen wieder abgeholt werden. In der Folge beruhigte sich die Situation wieder weitgehend, es kam aber immer wieder zu Angriffen auf die GaKü:

Am 6. Mai 2000 beschlagnahmte eine Gruppe nervöser Polizeigrenadiere 1500 Exemplare der Rechtshilfe-Flugblätter sowie ein Transparent und kontrollierte drei der FlugblattverteilerInnen. Alle drei bekamen eine Anzeige wegen „Widerhandlung gegen das Betäubungsmittelgesetz“. Gegen die Geldbuße für diesen lächerlichen Vorwurf legten die drei Angeklagten Einspruch ein. Unverständlicherweise verurteilte der Gerichtspräsident 13 des Gerichtskreis VIII Bern-Laupen die drei wegen „Widerhandlung gegen das Betäubungsmittelgesetz“ zu niedrigen Geldbußen.



Am 26. Oktober 2003 wurde die GaKü von 20 mit Baseball-Schlägern bewaffneten Nazis angegriffen aber von den Bullen zurückgeschlagen. Im April 2007 griff die rotgrüne Stadtregierung die GaKü erneut an mit der Ankündigung, sie nur noch an behördlich zugewiesenen Orten dulden zu wollen. Trotz dieser Ankündigung organisierte die GaKü die Essensabgabe weiterhin wo sie wollte. Am 27. Mai griffen Berner Bullen dann erneut mit Tränengas die Essensausgabe an. Bis auf weiteres bleibt es dabei: Die Gassenküche kocht jeden Sonntag leckeres, kostenloses Essen und die Ausgabe muss weiterhin mit Menschenketten und/oder Transparenten abgeschirmt und geschützt werden.


     Brandbombenanschlag auf Antifa Festival

Ein Großprojekt der autonomen Szene ist das jährliche Antifa Festival. Das erste Antifascist Festival fand vom 4.-6. August 2006 in der Grossen Halle der Reitschule Bern statt. Zum Abschluss des Antifa Wochenendes wurde zu einem Antirassistischen Abendspaziergang aufgerufen. Wegen der unbequemen Erfahrungen mit den Antifaschistischen Abendspaziergängen wurde die Demo bereits im Vorfeld von der Presse diffamiert. Dennoch beteiligten sich über 1.000 AntifaschistInnen an der Demonstration.


Am 4. August wurde in der Grossen Halle der Reitschule während des Antifa Festivals eine Brandbombe entdeckt
Augenblicke verändern uns mehr als die Zeit

Ein Jahr später, vom 2.-5. August 2007, wurde das 2. Antifacist Festival in Bern organisiert. Wieder kamen tausende AntifaschistInnen aus der Schweiz und dem europäischen Ausland in die Reitschule, doch dieses Mal endete das Festival beinahe in einer Katastrophe. Am 4. August wurde kurz vor Mitternacht mitten in der Menge ein nach Benzin riechender Rucksack entdeckt und vor die Grosse Halle gestellt. Dort zündete die Brandbombe kurz darauf.



Wäre die zeitgesteuerte Brandbombe neben dem Mischpult detoniert, hätte es durch den entstehenden Feuerball Tote geben können. Zudem war der Rucksack neben elektrischen Geräten abgestellt, so dass beim Löschen mit Wasser die Gefahr von Stromschläge bestanden hätte. In einem Communiqué beschreiben die OrganisatorInnen den weiteren Ablauf: „Als Reaktion auf den Brandanschlag wurde die Grosse Halle evakuiert und die weiteren Konzerte abgesagt. Dank der besonnenen Reaktion aller Beteiligten vor Ort verließen die BesucherInnen die Halle ohne Panik. Kurz darauf wurde die Feier auf dem Vorplatz der Reitschule fortgesetzt.“



Nach dem Festival verfassten die OrganisatorInnen einen ZeugInnenaufruf und riefen für Samstag, den 11. August 2007, zu einer spontanen Antifademo gegen rechte Gewalt und gegen den Angriff auf das Antifa Festival auf. Zwar berichtete die „Berner Zeitung“ am 6. August und später auch die linken deutschen Tageszeitungen „junge Welt“ und „Neues Deutschland“ ausführlich über den Anschlag, doch der Rest der Medien blieb erschreckend einsilbig. Der populistische Blick propagierte als Konsequenz gar eine Vogel-Strauß-Taltik: „Erst explodiert ein Sprengsatz auf dem Rütli und am Wochenende wird, gerade noch rechtzeitig, ein Brandsatz in der Berner Reithalle entdeckt: Soll man öffentliche Veranstaltungen meiden?“



In der Nacht nach der Antifaschistischen Demonstration gab es in Bern Auseinandersetzungen mit den Bullen, bei denen ein Punk durch ein Gummigeschoss schwer am Auge verletzt wurde. Autonome hatten Plakatwände mit rassistischen SVP-Plakaten nahe der Reitschule abgerissen und auf die Straße geworfen. Die Bullen rückten mit zwei Kastenwägen an und feuerten mit Gummischrot und Tränengas auf die Autonomen, gasten den Vorplatz der Reitschule ein und feuerten zweimal Gaspetarden in den Innenhof des Autonomen Zentrums.



Der durch die Bullen schwerverletzte Punk wurde bereits operiert und muss eventuell noch ein weiteres Mal operiert werden. Ob das Auge irreparabel beschädigt wurde bzw. wieviel Sehkraft übrig bleibt, ist noch unklar. Die Partei der Arbeit hat im Berner Stadtparlament einen Antrag eingereicht, der den Einsatz von Gummischrot verbieten soll.


     Antifaschistische Demonstration (Video)




     Interview in der Reitschule (Video)




     Bisherige Indyberichte des
Autonomen Medienkollektivs Freiburg


01.08.2007 Reclaim Freiburg am 28. Juli 2007
29.07.2007 Dossier zur Polizeigewalt in Freiburg
10.07.2007 Antifaschistischer Protest in Frankfurt/Main
10.07.2007 Aktionen gegen den Freiburger Uni-Festakt
15.06.2007 Repression während des Gipfels
25.05.2007 Squat « Le Tobbogan » in Dijon geräumt
23.05.2007 Espace Autogéré des Tanneries in Dijon bleibt
21.05.2007 Kampf um Freiräume in Dijon
08.05.2007 Besetztes Hotel Stein&Graben in Basel geräumt
03.05.2007 Schwarz-roter 1. Mai in Strasbourg & Freiburg

Freiburger Indyberichte Stadtberichte

     Ergänzungen
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Ergänzungen

Interview am Tag der Demonstration

Autonomes Medienkollektiv Freiburg 16.08.2007 - 19:57
 
Ihr organisiert das Antifafestival schon zum zweiten Mal, kannst du bevor wir zu dem Anschlag kommen, einiges zu den Zielsetzungen dieses Festivals sagen?

Wir verstehen dieses Festival als einen Teil antifaschistischer Gegenkultur und als Bestandteil des alltäglichen Kampfes. In erster Linie geht es darum Raum zu besetzen, präsent zu sein in der Öffentlichkeit mit unseren Anliegen. Weiter ist uns aber auch ein Anliegen Raum zu bieten für Austausch, Zusammensein und Vernetzung regionaler wie überregionaler antifaschistischer Strukturen.

Wie lief der Bombenfund ab und was wurde unternommen?

Aufgrund starker Geruchentwicklung in der Halle starteten wir eine Suchaktion. Als wir dann fündig wurden, entschieden wir uns den Rucksack zuerst mal aus der Halle zu bringen. Draussen wurde er dann untersucht und die Brandbombe kam zum Vorschein. Daraufhin alarmierten wir die Polizei, da dies uns eine Nummer zu groß erschien. Dies war etwa 23:50 Uhr. Einige Minuten darauf explodierte der Rucksack.

Die Flamme schoss etwa 4-5 Meter in die Höhe und der sich dabei gebildete Feuerball hatte ca. einen Durchmesser von 9 Metern. Daraufhin evakuierten wir die Halle, da wir nicht ausschliessen konnten, dass noch weiter Brandsätze in der Grossen Halle platziert worden waren. Dieser ganze Prozess verlief sehr ruhig, draussen wurden dann die Anwesenden informiert und aufgefordert doch in die Zeltstadt zu gehen, was viele befolgten. Einige blieben aber, die Stimmung jedoch blieb ruhig.

Wie verhielt sich die Polizei? Was man von außen mitbekommt, wurde zuerst die Explosion geleugnet und nach dem Auftauchen der Bilder – als nichts mehr geleugnet werden konnte – versucht alles runterzuspielen?

Die Polizei tauchte erst nach der Detonation auf, als wir das Feuer schon gelöscht hatten, haben also nichts vom Ganzen mitbekommen. Normalerweise werden bei solchen Vorfällen ZeugInnenaussagen ernst genommen, nicht so in unserem Fall. Die Explosion wurde in der polizeilichen Medienmitteilung am Sonntagabend als „Stichflamme“ und „Abbrennen eines Rucksackes“ dargestellt.

Zu diesem Zeitpunkt hatten wir aber schon lange Bilder mit unserer Pressemitteilung versandt. Ein großes Problem war, dass die SDA (Schweizerische Depeschenagentur), ihre Mitteilung vor allem auf der Medienmitteilung der Polizei aufbaute und die Bilder gänzlich missachtete. Bis jetzt, Samstag, 11. August, hat die Polizei nichts weiteres bekannt gegeben.

Auch in der Nacht selbst war das polizeiliche Verhalten eher mangelhaft. Sie beschränkten sich darauf den Tatort abzusperren, was wir auch selbst gekonnt hätten. Die Suche nach weiteren Brandbomben in der Halle wurde uns überlassen, es war offensichtlich, dass sie die ganze Situation unterschätzten. Dies verdeutlichte auch der Umgang mit den Überresten der Brandbombe. Diese wurde noch bevor dem Eintreffen der Spurensicherung, befingert und bewegt.

Wen vermutet ihr als Täter?

Für uns kommen eigentlich nur Exponenten der extremen Rechten in Frage. Wir können uns schlicht und einfach keinen anderen TäterInnenkreis vorstellen. Dieses Attentat wurde mit solch grausamem Kalkül verübt, mit dem klaren Ziel, dass es Tote geben sollte, so dass eigentlich sämtliche anderen TäterInnenkreise ausgeschlossen werden können.

Zudem war vier Tage zu vor schon ein ähnlicher Sprengsatz, kurz nach den Feierlichkeiten zum schweizerischen Nationalfeiertag am 1. August auf dem Rütli detoniert. Auch dort kam nur mit viel Glück niemand zu Schaden. Dieses Jahr war zum ersten mal konsequent der Naziaufmarsch, in vergangen Jahren bis zu 700 TeilnehmerInnen, durch die Polizei verhindert worden. Weiter stellten sich die RednerInnen auf dem Rütli konsequent, auch wenn auf einer bürgerlichen Linie, gegen die extreme Rechte. Somit wurde in beiden Fällen Anschläge auf politische GegnerInnen derer verübt und in beiden Fällen wurden Fernzündmechanismen verwendet. All diese Faktoren lassen uns eine Verbindung zwischen diesen Beiden Attentaten vermuten.

Für viele aus Deutschland kam diese Nachricht sehr überraschend, da sie die Schweiz bis jetzt bezüglich der Nazis eher als ruhiges Gebiet abgestempelt haben. Deshalb wäre es für uns interessant zu erfahren, ob es denn früher schon solche Auseinandersetzungen gegeben hat?

Ende der 90er Jahre war die Naziszene mit einigen massiven Übergriffen auch in breiten öffentlichen Kreisen aufgefallen. Bekanntester Übergriff war jener 1995 auf eine linkes Kulturfest in Hochdorf (LU), wo eine Nazitrupp das ganze Fest kurz und klein schlug.

Während der letzen Jahren wurden immer wieder Anschläge verübt. Besetzte Häuser, darunter jener Angriff auf das Solterpolter (Bern) im Januar 1999 wo mit einem Sturmgewehr das Haus im Schnellfeuer unter Beschuss genommen wurde, und Asylunterkünfte wurden als Ziele gewählt.

Es kam zu unzähligen Auseinadersetzungen zwischen linken und rechten Jugendlichen, welche teilweise in regelrechte Schlagabtausche im „Kampf um die Strasse“ ausuferten. In den grösseren Städten kehrte um den Jahrtausendwechsel, nach dem erstarken antifaschistischer Gegenwehr und einiger sehr grossen Demonstrationen, etwas ruhe ein.

Die Nazis verlagerten ihre Agitation in die kleineren Städte und die ländlichen Regionen, vor allem die Ostschweiz, ein Hort rechter Gedankengutes, wurde immer stärker durch die extreme Rechte eingenommen. Es kam zu diversen massiven Übergriffen. Schlagzeilen machte der Fall „von Allmen“, ein Vergeltungsmord innerhalb der Naziszene. Weitere Übergriffe folgten, in deren Verlauf nur durch sehr großes Glück keine Toten zu beklagen waren.

Ein weiter Fall, welcher Schlagzeilen machte, war ein brutaler Angriff auf einen Skakonzertbesucher in Frauenfeld (TG). Die Täter schlugen den jungen Mann so schwer zusammen, dass er schwerst behindert aus dem Koma aufwachte. Die Täter wurden zwar gefasst, kamen aber in erster Instanz mit sehr milden Haftstrafen davon. Die traurige Liste könnte beliebig ergänzt werden.

Auch entdeckten die Nazis die Partei. Nach einigen fehlgeschlagenen Versuchen sich auch parteipolitisch zu betätigen, wurde im Jahr 2000 die Partei national orientierter Schweizer gegründet (PNOS). Mit Parteitagen und Demonstrationen, welche aber meist unangekündigt stattfinden mussten, da sie die antifaschistische Gegenwehr zu sehr fürchteten, begannen sie ihre Agitation. Im Jahr 2004 konnte gar ein Parteitag durch AntifaschistInnen aufgesprengt werden und eine Demonstration zum 1. Mai wurde massiv attackiert.

Nichts desto trotz konnte sich die Nazipartei, trotz ihres anfänglich dem 20 Punkte-Programm der NSDAP sehr ähnelnden Parteiprogramm, zu Wahlen stellen und wurde auch gewählt. So hat die PNOS im Bernbiet je eine Vertretung in Exekutive und Legislative.

Auch wenn es an der Oberfläche in den letzen zwei Jahren etwas ruhiger war, zeigen die Taten deutlich auf, dass es ganz und gar kein Grund zur Entwarnung gibt. Denn diese Entwicklung wird massiv durch die allgemeine Stimmung im Land getragen. In einem Land wo Rassismus, Ausgrenzung, Xenonphobie, Nationalismus bis weit in die Gesellschaft hinein zum allgemeinen politischen Repertoire gehören, fühlen sich die Nazis als legitime VerteidigerInnen ihres Vaterlandes und finden damit auch Zustimmung.

Wie werdet ihr jetzt konkret weiter verfahren?

Kurzfristig wird am Samstag 11. August eine Demonstration stattfinden. Im Zusammenhang mit dem Anschlag wird auch die polizeiliche Arbeit in die Pflicht genommen werden müssen, solche Vorfälle dürfen nicht versanden.

Längerfristig wird die antifaschistische Arbeit, vor allem auch Öffentlichkeitsarbeit wieder verstärkt werden müssen. Es muss aber damit gerechnet werden dass sich solche Vorfälle wiederholen können.

Denn offenbar gibt es in der Schweiz militante Nazistrukturen, die über die erforderlichen Fähigkeiten und die notwendige Logistik zur Durchführung von Anschlägen dieser Qualität verfügen.

Hinweise: Bombenbastler aus dem Seeland?

Berner 18.08.2007 - 14:53
 
Kim Sury, ein junger Neonazi aus Pieterlen, bildet sich gerne vermummt und mit gezückter Waffe ab. Kein Zufall, die Interessen des 19-Jährigen drehen sich laut eigenen Angaben in einem Kontaktforum vor allem um „Waffen, Waffen und nochmals Waffen. Angefangen bei (RealSteal-)Waffen, Kleinkaliber, Luftgewehr aber auch Kampfsport und noch viel mehr...“

Weitere Infos und Fotos auf ch.indymedia.org.

Communiqué und Videoclip vom 18.08.2007

Autonome Antifa Freiburg 19.08.2007 - 02:34
 
Nie wieder Antisemitismus!

Communiqué vom 18.08.2007

Antisemitische Sprechchöre in Frankfurt

Durch Frankfurt am Main marschierten am 7. Juli 2007 mehr als 600 Nazis. Im „Jerusalem am Main“ skandierten die Nazis: „Zionisten, Mörder und Faschisten“, „Israel: Internationale Völkermordzentrale“, „Nie wieder Israel“, „Juden raus aus deutschen Straßen“, „BRD, Judenstaat, wir haben dich zum Kotzen satt“, „Linkes Gezeter, neun Millimeter“, „Gegen Demokraten helfen nur Soldaten“ und „Schlagt den Roten die Schädeldecke ein“, während sie von 8.000 PolizistInnen vor der Autonomen Antifa beschützt wurden.

Bei der Abreise stiegen die Nazis, darunter viele Schwarzvermummte aus Süddeutschland, im Hauptbahnhof um. Die Polizei drängte AntifaschistInnen vom Bahnsteig, woraufhin diese ihren Protest auf dem benachbarten Bahnsteig äußerten. Erst bewarfen die Nazis die Antifas mit Steinen, dann drängte die Polizei die AntifaschistInnen ab. Die einzige Person, die in dieser Situation in Gewahrsam genommen wurde, war nicht ein steinewerfender Nazi, sondern ein Antifaschist, der das skandalöse Verhalten der Polizei filmte.

Antisemitische Zerstörungen in Ihringen

In Ihringen am Kaiserstuhl wurde in der Nacht auf den 12. August 2007 der jüdische Friedhof verwüstet. Der Ermittlungsdruck auf die Freiburger Polizei war hoch: Aufgrund ihres Versagens bei der Aufklärung der antisemitischen Anschläge auf den Friedhof in den Jahren 1990 und 1991 und wegen des jüngsten Rassismus-Skandals in den eigenen Reihen. Am 16. August wurden vier Täter aus dem Breisgau im Alter von 15, 17, 19 und 28 Jahren festgenommen. Bei allen vier Tätern fand die Polizei Nazimusik und -devotionalien und leitete daraus eine „rechtslastige Gesinnung“ ab.

Die drei jüngeren Nazis sind Jugendliche aus Dörfern am Kaiserstuhl, auch wenn nach Angaben des Ihringer Bürgermeisters, Martin Obert, „diesbezüglich nichts zu vermelden“ sei. Beim vierten Täter wurde eine Pistole und passende Patronen des Kalibers 9 mm gefunden, wobei es sich nach Angaben der Polizei „um eine scharfe Schußwaffe und um funktionstüchtige Munition“ handeln dürfte.

Antisemitische Transparente in München

In München fand am 17. August 2007 unter den Augen der Polizei am Stachus eine Ersatzveranstaltung für die vom VGH Bayern verbotene Heß-Mahnwache auf dem Marienplatz statt. Thomas Wulff konnte in seiner Lobrede auf Rudolf Heß den Nationalsozialismus verherrlichen und wurde erst danach verhaftet. Die Rede war ein ebenso klarer Verstoß gegen die Auflage, keinen Bezug zu Heß herzustellen, wie das Zeigen eines Transparentes der Kameradschaft München mit der Aufschrift: „Mord verjährt nie – in stiller Trauer.“

Über Stunden wurde ein antisemitisches Transparent mit der Aufschrift „Deutsche macht euch frei von der One-World-Tyrannei“ gezeigt. Die Parole ist dem Lied „Völker wehrt euch“ der Naziband „Stahlgewitter“ entlehnt. Sie hat ihr historisches Vorbild in der SA-Parole „Deutsche macht euch frei von der Judentyrannei“. Mit diesem Satz auf den Lippen zogen SA-Horden am 1. April 1933 durch Berlin und schlugen die Schaufensterscheiben der „jüdischen Warenhäuser“ ein. Noch immer ist der gleiche Hass, das gleiche geschlossene, antisemitische Weltbild die Motivation der Nazis. Und die Polizei schaut noch immer zu.

Antisemitische Propaganda in Friedrichshafen

Durch Friedrichshafen marschierten am 18. August 2007 rund 170 Nazis unter dem Motto: „Gegen Faschismus und Intoleranz! Meinungsfreiheit für Alle!“. Die Stadt Friedrichshafen unternahm nichts gegen den Aufmarsch, obwohl wie in Frankfurt der bekannte Nazikader Christian Worch als Redner angekündigt war, der schon in den 70er Jahren mit Schildern „Ich Esel glaube, dass in Deutschland Juden vergast worden sind“ den Holocaust leugnete. Es war schon im Vorfeld klar, dass die Kundgebung als Ersatzveranstaltung für den verbotenen Heß-Marsch in Wunsiedel konzipiert war. Die Stadtverwaltung und ihr OB Josef Büchelmeier wollten dem Treiben der FaschistInnen jedoch erneut, wie zuletzt am 20. Mai 2006, keine Aufmerksamkeit schenken. Im Gegenteil: Eine antifaschistische Gegendemonstration wurde verboten.

Während antifaschistische Blockaden der Naziroute in Friedrichshafen von Polizeipferden niedergetrampelt wurden, konnten die Nazis ohne Problem gegen § 130 StGB und damit für das Recht auf Verherrlichung des Nationalsozialismus marschieren. Sie zeigten Schilder, auf denen die Namen der wegen Volksverhetzung verurteilten Nazis Siegerist, Latussek und Wöll, sowie deren Strafen standen.

Paul Latussek, der ehemalige Vizepräsident des „Bundes der Vertriebenen“, behauptete 2001, dass es in Auschwitz „offensichtlich keine 6 Millionen Opfer“ gegeben habe, sondern dass nur „930.000 nachgewiesen“ seien und dass „es nicht um die Relativierung des Verbrechens“ gehe, „sondern um die geschichtliche Wahrheit.“ 2006 wurde die Verurteilung wegen Volksverhetzung vom Bundesgerichtshof bestätigt.

Joachim Siegerist, der geschäftsführende Vorsitzende der „Deutschen Konservativen“, einem Naziverein mit Einfluss auf rechtsradikale Kreise in der CDU, bezeichnete 1992 in Spendenaufrufen „Zigeuner“ als „durchweg ein übles, kriminelles Pack“, das sich „bei uns aufführt wie von Nazis verfolgte Juden“, die „rauben, stehlen, betrügen, erpressen und bedrohen“. Siegerist schaltete am 20. August 1987 eine Traueranzeige in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung für den drei Tage zuvor verstorbenen Heß.

Marcel Wöll, der Anmelder der Nazidemonstration am 7. Juli in Frankfurt am Main, bezeichnete im März 2007 Auschwitz und Buchenwald als „Stätten des sogenannten nationalsozialistischen Terrors“ und Fahrten von Schulklassen dorthin als „Gehirnwäsche für Vorschüler“. Gegen Wöll läuft zur Zeit das Revisionsverfahren wegen Volksverhetzung vor dem Landgericht Gießen.

...dass Auschwitz nicht noch einmal sei.

Nach einer Studie (PDF) der Bertelsmann-Stiftung aus dem Februar 2007 sind 38% der Deutschen überzeugt, „die Juden seien mitschuldig, wenn sie gehasst und verfolgt werden“. Weiter sind 33% der Überzeugung, „die Juden haben auf der Welt zu viel Einfluss“ und 46% meinen zum Vorwurf, Juden würden versuchen, Vorteile aus der Vergangenheit zu ziehen: „Da ist was Wahres dran.“ Wenn also die Nazis ihren offenen Antisemitismus auf die Straße tragen, dann formulieren sie mitnichten eine anachronistische oder gar marginale Position in der deutschen Gesellschaft. Nach wie vor verknüpfen die Nazis ihre rassistische Ideologie mit verkürzter Kapitalismuskritik zu einem eliminatorischen Antisemitismus.

In Ihringen waren überzeugte Antisemiten am Werk, die eine Schusswaffe besaßen. Sie wurden gefasst, weil klar war, dass sich der Vorfall aufgrund einer wachsamen Öffentlichkeit nicht ad acta legen lassen würde. In Frankfurt und Friedrichshafen skandierten die Nazis: „Nie wieder Krieg nach unserem Sieg“. Die Parole wird verständlich vor dem Hintergrund, dass sich Nazikader aus der Rhein-Neckar-Region von schweizer Nazis am Sturmgewehr ausbilden lassen.

Die Gefahr eines braunen Terrors ist real und dutzende Waffen- und Sprengstofffunde in den letzten Monaten und Jahren belegen die Bereitschaft der Nazis zum bewaffneten Kampf immer wieder aufs Neue. Wann attackieren Nazis auch in Deutschland AntifaschistInnen mit Brandbomben wie in Bern? Und wann brennen hierzulande wieder Synagogen wie in Genf? Gerne würden wir mahnen: „Wehret den Anfängen!“ Doch dafür ist es zu spät.

Autonome Antifa Freiburg




In Frankfurt am Main konnten am 7. Juli 2007 rund 632 Nazis marschieren. Sie wurden beschützt von 8.000 Bullen mit Wasserwerfern, Knüppeln und Fäusten vor mehreren tausend AntifaschistInnen. Bei der Abreise griffen die Nazis im Frankfurter Hauptbahnhof AntifaschistInnen mit Steinen an. Die Bullen beschlagnahmten dieses Videotape und gaben es erst am 16. August zurück.

alles cool, alles bestens

junge Welt-Artikel zum Schießtraining der Nazis

jW-LeserIn 19.08.2007 - 17:58
 
Deutsche Neonazis trainieren in der Schweiz mit dem Sturmgewehr

Dem Antifaschistischen Pressearchiv und Bildungszentrum (Apabiz) aus Berlin liegen Informationen über ein Schießtraining deutscher und schweizerischer Neofaschisten vor. Laut Apabiz sollen der aus Bad Soden bei Frankfurt am Main stammende Neonazi Timo Völkel und seine Lebensgefährtin Daniela Übelacker bereits am 10. August an einem Trainingstag der Schützen-Gemeinschaft Wölflinswil im schweizerischen Kanton Aargau teilgenommen haben.



Auf heimlich angefertigten Videoaufnahmen und Fotos ist zu sehen, wie Völkel (links im Bild) von Roland Wagner (rechts), dem zweiten Vizepräsidenten der Rechtsaußen-Partei Schweizer Demokraten (SD) und Präsidenten der Partei im Fricktal, bei der Benutzung eines militärischen Sturmgewehrs angeleitet wird.

Die SD ist sowohl im Nationalrat als auch in verschiedenen Kantons-, Stadt- und Gemeindeparlamenten vertreten. Der 25jährige Völkel und seine 22jährige Lebensgefährtin sind Aktivisten der militanten neofaschistischen Gruppe Freie Nationalisten Rhein-Main (FNRM), die enge Verbindungen zur hessischen NPD und zur Heimattreuen Deutschen Jugend (HDJ) hat, gegen die derzeit ein Verbot vorbereitet wird.

Der Anführer der FNRM ist der hessische NPD-Landesvorsitzende Marcel Wöll, ein wegen Gewalttaten mehrfach vorbestrafter Neonazi, der erst am 7. August wegen der Leugnung des Holocaust zu einer viermonatigen Haftstrafe ohne Bewährung verurteilt wurde.

Ob zwischen dem grenzüberschreitenden Schießtraining der Neonazis und dem Brandanschlag auf ein Antifa-Festival Anfang August in Bern (jW berichtete) ein Zusammenhang besteht, ist derzeit noch unklar. Bekannt ist offenbar, daß sich die deutschen Neonazis zu diesem Zeitpunkt bereits in der Schweiz aufhielten.

Quelle: junge Welt vom 17.08.2007 / Inland / Seite 4

Fernseberichte über das Schießtraining

ZuschauerIn 23.08.2007 - 11:59
 
Schweizer Fernsehen: 10vor10

Deutsches Fernsehen: Hessenschau

PNOS gehackt

Autonome Antifa Freiburg 25.08.2007 - 18:50
 
Eine Antifaschistische HackerInnengruppe hat alle PNOS-Mails aus dem Dezember 2006 veröffentlicht. Die Webseite der PNOS war bis zum 17. August 2007 auf dem Server des selbsternannten Anführers des Blood & Honour Netzwerkes Bart Alsbrook gehostet, was auf eine enge Verstrickung zu diesem Netzwerk schliessen lässt. Mit dabei ist auch wieder der Verräter Mario Friso: „Denke nicht dass alle wissen, wo ich wohne...“

Es geht immer weiter...

Autonom@ntifA 18.10.2007 - 14:50

Beiträge die keine inhaltliche Ergänzung darstellen

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Guter Artikel — AnnaundArthur

Bravo ! — ruesel

woher? — hans

Klasse!!! — XVX

Hamburger Antifa — bidde was?

@Hamburger — jodel

Das mit den 500 — anonymeantifa

Nazipost — Ich bin wer ich Bin

Etwas Kritik — Kritiker

zur kritik des kritikers — einer von vielen

was hast du gegen kuscheln? — einer von vielen

@pertinenter kritiker — bullen syn. schweine

närrisch, kindisch und irrational — einer von vielen

@ Kritiker — Anarcho

lob+kritix — anarchistischer Verschwörungstheoretiker

@xxx — einer von vielen