Ablauf der Demonstration in Rostock

Klischee 05.06.2007 20:20 Themen: G8 Heiligendamm
Bewertung von Ak- und Reaktion der Polizei und Demonstranten mit 2 Videos und 3 Bildern
Sonnabend Mittag fuhren wir mit der S-Bahn vom Camp Rostock zum Hauptbahnhof der Stadt um uns dort dem Demonstrationszug anzuschließen. Der große Platz vor dem Haupteingang des Bahnhofes war gut gefüllt, überall waren Menschen, Stände verschiedener Ak- und Organisationen, auf der Bühne spielten diverse Künstler, hin und wieder gab es Redebeiträge. Von Polizei war weit und breit keine Spur, was mich etwas irritierte, aber vermutlich zur ruhigen und friedlichen Stimmung der Menschen maßgeblich beitrug. Wir gingen ein paar Male über den Platz, kauften gegen Spenden Buttons und nahmen Aufkleber und Prospekte mit. Selbst im gegenüberliegenden Netto war alles friedlich und gesittet. Nicht die geringsten Ausschreitungen, kein Gedränge. Jeder bezahlte seine Ware und verließ das Geschäft. Nach einer geringen Verzögerung machte sich dann der Demonstrationszug auf den Weg - wir waren etwa 33tausend Menschen. Hier und dort standen Polizeibeamte und Mannschaftswagen und sperrten Straßen außerhalb der Demoroute ab. Viele Geschäfte hatten ihre Schaufenster mit Holzplatten geschützt, aber die Demonstration verlief ruhig. Lediglich 3 Fensterscheiben einer Sparkassenfiliale wurden eingeworfen und eine Deutschlandfahne, die jemand aus seinem Fenster hatte hängen lassen, heruntergerissen.

Als wir dann das Hafengelände erreicht hatten, stand am Rande der Demoroute ein leerer Polizeiwagen, in dessen Umgebung auch keine Beamten zu Gange waren. Was die Polizei damit bezwecken wollte bleibt schleierhaft. Dass es zu Ausschreitungen kommt wenn 33tausend Menschen an einem leeren Mannschaftstransporter vorbeiziehen, dürfte niemanden verwundern. Dass nahm die Polizei dann auch zum Anlass, nun gegen die Demonstration vorzugehen. Sie behinderte ihren Weitergang und provozierte unnötig. Als Folge dessen kam es zu ersten Ausschreitungen, in deren Folge später auch Flaschen und Steine flogen. Die Polizei war zu keinem Zeitpunkt auf Deeskalation aus. Sie knüppelte immer wahlloser in kleinere Menschengruppen, ohne davon einen Effekt zu erzielen, denn Festnahmen gab es so gut wie keine. Die Polizei rannte in die Menge, knüppelte, zog sich dann unter Steinewürfen wieder zurück - und so ging es hin und her, bis sich die Stimmung aufheizte. Dann brannten Barrikaden und ein Auto; die Polizei setzte Tränengasgranaten ein, die auch in die völlig unschuldige Menge zogen.

Die Demoleitung versuchte immer wieder die Polizei aufzufordern sich zurückzuziehen und verhandelte, allerdings mit wenig Erfolg. Die Aktionen der Polizei zogen nur weitere Gewalt nach sich und provozierten die aufgeheizte Menge immer weiter, vor allem, da sie völlig unverhältnismäßig und sinnlos waren.
Als auch die Polizei sah, dass ihre Aktionen nicht den gewünschten Erfolg zeigten, fuhren sie mit schweren Geschützen auf. Sie setzten Wasserwerfer, aber nicht etwa gegen die steinewerfende Minderheit, sondern gegen die bis dahin völlig friedlich dem Konzert und Redebeiträgen lauschende Menge, ein, ohne deren Einsatz vorher anzukündigen, wie es im Gesetzt geregelt ist. Hundertschaften prügelten auf die friedliche Menge ein, Menschen die mit erhobenen Händen vorbeigingen wurde mit Wasser bespritz, und sogar ein Rollstuhlfahrer aus seinem Rollstuhl gezogen und geknüppelt. Dem Wasser war übrigens auch Tränengas beigemischt. Später in der Nacht durchsuchte die Polizei die Stadt nach Menschen mit nasser Kleidung.

Die völlig fassungslose und bis dahin auch friedliche Menge zeigte wenig Gegengewalt und nach zahlreichen Aufrufen zog sich die Polizei dann auch zurück, blieb aber bis zum Ende der Veranstaltung an deren Rändern stehen. Die aggressive Stimmung klang langsam wieder ab und besserte sich, als die Polizei immer weitere Zugeständnisse machte. Diese Kooperative Haltung erwies sich als deutlich sinnvoller. So konnte man bis etwa 22 Uhr dann doch noch ein gutes Konzert erleben und die Menge gab Applaus als bekannt wurde, dass die Polizei versicherte, jedem ein ruhiges Heimkommen zu ermöglichen.

Hätte die Polizei anfangs nicht so übertrieben reagiert, wäre es niemals zu solchen Ausschreitungen gekommen. Es ist schade, dass in den Medien völlig einseitig nur diese Bilder gezeigt, und Inhalte völlig vergessen werden. Den Vogel aber schoss die BILD ab: Sie veröffentlichte ein Bild des Hafengeländes aus Luftperspektive (jetzt wissen wir wozu die Hubschrauber da waren...) am frühen Nachmittag, als bei weitem nicht alle Menschen anwesend waren und schrieb darunter, die Beteiligung blieb mit etwa 25tausend Menschen unter allen Erwartungen zurück. Fakt ist, dass das gesamte Hafengelände später von Menschen gefüllt war und bereits der eine Demozug etwa 33tausend Menschen enthielt. Insgesamt waren wir am Ende etwa 80tausend.

Zumindest von den Inhalten her war es ein guter Auftakt der Aktionen gegen den G8 Gipfel und ich bin entsetzt, wie die Medien mit einseitigen Artikeln die öffentliche Meinung manipulieren.
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Ergänzungen

Falsche Berichterstattung wohin man schaut...

Luise 05.06.2007 - 21:52
Also über die einseitige Berichterstattung der Medien bin ich weniger entsetzt. Das habe ich erwartet. Ich bin entsetzt darüber, dass Attac, NGOs, Taz und andere diese Darstellungen so unhinterfragt übernehmen. Als Beispiel nehme ich da nur z.B. die vollkommen übertriebene Zahl der Verletzten. Damit wird Politik gemacht und Attac etc. sollten sich schleunigst mal überlegen, wem sie hier eigentlich welche Informationen glauben.
Selbst der Focus hat in einem Artikel eingeräumt, dass die Zahl der verletzen Polizisten vollkommen aus der Luft gegriffen war und viel zu hoch und dass es zudem nicht einen einzigen schwer verletzen Beamten gab. Also ist es auch absolut nicht angebracht "von ungekannter Brutalität seitens der Demonstranten" oder ähnlichem Mist zu schreiben oder sprechen. Das ist einfach nur Schwachsinnig. Genauso wie zu übernehmen, dass die Clowns-Army Polizisten mit ätzenden Säuren angegriffen hätte...gehts noch????? Selbst der Spiegel sagt mittlerweile dass das wohl eine ziemliche Ente der Polizei ist...

Und wieso fregat eigentlich niemand nach dem ungeschützen Polizeibus, der ausgerechnet gegenüber der ganzen Fernsehkameras direkt an die Demo-Strecke gestellt wird??? Vorher war kaum Polizei nahe der Demo zu sehen und deshalb gab es auch keine Eskalation. Und dann standen sie plötzlich alle schon Kampfbereit da und haben einen kaputten Bus als Aufhänger genommen auf einen Schlag die ganze Demo anzugreifen. Ich verstehe das echt nicht, dass hier nicht mal kritisch hinterfragt wird.

Und Attac und andere kommen gleich reflexartig in gutmenschen-manier her und distanzieren sich von was auch immer ehe sie überhaupt wissen was genau Sache ist und war...


zuspruch

a 05.06.2007 - 22:04
sehr guter bericht, deckt sich exakt mit meinen beobachtungen!!!
Schade das nicht einmal tageszeitungen wie die taz oder fr differenzierter berichteten.

Geisterfahrer????

XXXX 05.06.2007 - 22:35
"Als wir dann das Hafengelände erreicht hatten, stand am Rande der Demoroute ein leerer Polizeiwagen, in dessen Umgebung auch keine Beamten zu Gange waren"

Mich würde interessieren wie die bösen Medien es denn hingekriegt haben, den Polizeibus wegfahren zu lassen, ohne dass jemand drin saß....

Oder gibt es mittlerweile Auto-Piloten in Bullenautos?????

Zu dem zweiten Video

John Doe 05.06.2007 - 22:36
Also mal ganz im Ernst:
Wie man auf dem zweiten Video ja unschwer erkennen kann, habt ihr sogar neben den laufenden Kameras mit Steinen geschmissen. Wie sollte der Wasserwerfer da auch gezielter vorgehen, wenn es von allen Seiten abgeht?
Lasst doch einfach die Gewalt weg, lasst das Vermummen und das Steine schmeißen. Wenn dann Videos auftauchen, auf denen ersichtlich ist, dass die Polizei unberechtigt / ungezielt vorgeht, sähe sowas ganz anders aus. Aber durch eure Taten und auch durch dieses Video, wo eine scheinbar weibliche Person im kindlichen Alter (und nicht der "Schwarze Block") Steine in Richtung der Polizei wirft, erteilt ihr der Polizei einen Freibrief, für alle ihre Maßnahmen. Sie werden sich bis zum Ende des G8-Gipfels für gar nichts mehr rechtfertigen müssen und damit schneidet ihr allen friedlich protestierenden Menschen ins Fleisch. Der gesamte G8-Protest erscheint im Auge des Großteils der Bevölkerung als Ansammlung von Chaoten. Der gute Gedanke ist dahin.

Angriff Bullenwanne

verlinker 05.06.2007 - 23:35
ich glaube, dass sowohl Menschen im schwarzen Block als bei den Bullen heiss auf eine richtige Konfrontation waren.
Es hat nur der Funken gefehlt. Das wusste die Polizei auch.

Hier auf G8-tv gibt es eine Aufnahme des Angriffes auf den Wagen (Minute 31:28)
 http://g8tv.etherkiller.de/media/spezial-G-8_Treffen_in_Heiligendamm/g8-tv_2-6-2007_live_cast.ogg

Das könnten genauso agents provocateurs gewesen sein - Bullen oder Rostocker Nazikiddies - die hier am Werk waren.

kann es sein...

josefine 05.06.2007 - 23:54
gebe zu bedenken, dass die nummer mit dem polizeiauto möglicherweise ne falle war, warum sollte es denn deshalb dort stehen? (wo doch alle einsatzkräfte sich so tapfer im hintergrund gehalten haben, strassensperre, dass ich nicht lache) jedoch kann ich es nicht gutheissen, dass man dann sofort drauf einprügeln muss, völlig bescheuert. zu überlegen ist, ob es seitens der polizei die strategie gab, die demonstration so ruhig wie möglich laufen zu lassen, während man sich noch im stadtzentrum befand, um schliesslich am ende der strecke kleine fallen zu legen, entzündungspunkte. sie konnte sich ja letzlich sicher sein, dass der ein oder andere dumme kommen würde und reinfällt. bester rechtfertigungsgrund um denn gleich ein einsatzkommando wie tollwütige hunde loszuschicken. ich spreche von strategie, da ja schliesslich aufgrund der krawalle kaum mehr das vorgesehene programm laufen konnte, die kundgebung wurde zugunsten der "scharmützel" völlig an den rand gestellt, die "musik" spielte grösstenteils auf dem schlachtfeld, hat irgendjemand den rednern aufmerksamkeit geschenkt??

linke legenden

günter 06.06.2007 - 00:29
also ich (journalist) habe die randale die ganze zeit aus nächster nähe verfolgt + auch fotgrafiert. der bericht ist ein beispiel linker legendenbildung:

1. anders als auch die mainstream-medien berichteten, fing die eskalation keineswegs erst an jenem polizeiwagen an; inwiefern der eine "provokation" war, ist mir auch uneinsichtig.
schon oberhalb des stadthafens in der großen hauptstraße gab's stop des schwarzen blocks mit ausschwärmen um die schaufenster der harmlosen ostsee-sparkasse zu demolieren. und da war weit und breit keine polizei sichtbar (die war in nebenstraßen postiert), und die griff auch noch nicht ein, obwohl sie selbstverständlich durch ihre "zivilen" den vorfall ins lagezentrum gemeldet bekam.
2. das wasserwerfer-video zeigt genau das nicht, was behauptet wird. da wird nicht die kundgebung angegriffen, sondern nur für 2 feuerwehrfahrzeuge der weg freigepritzt, die dann zu dem angezündeten pkw auf dem behindertenparkplatz fuhren. bis dahin wurde auch die feuerwehr von autonomen aufgehalten und mit steinen beschwmissen, ins fahrerhaus hinein, seitenscheiben kaputt. hier werden nur, wie jeder sehen kann, die letzten störer des feuerwehreinsatzes vertrieben.

viel rauch um eine gehirnerschütterung

la_muerte 06.06.2007 - 17:15
Hier ein Artikel, der über die gefakete Zahl der "schwerverletzten" Ordnungshüter berichtet:

 http://www.tagesspiegel.de/politik/Deutschland-G-8-Gipfel-Rostock-Protest;art122,2316208

Ansonsten:
Wer so offensichtlich keine Ahnung von der täglichen, brutalen und unbegründeten Gewalt der Hüter dieses Systems gegen Linke, Flüchtlinge und andere nicht gesellschaftskonforme Menschen zu haben scheint und darum Aktion und Reaktion verwechselt, für den gilt auch hier.

Einfach mal die Fr... halten.
Und, btw. die Provokateure (ca. 25 Mann, durchtrainiert und im typischen Bullenlaufschritt) hab ich ganz zu Beginn der Demo an der Hamburger Strasse auch gesehen.


support your local antifa - fight borders and fences

Heisse Grüße an die Leutz vor Ort, ich wär gern noch bei Euch!

La_muerte

Wasserwerfereinsatz, mein Eindruck

friendofmisery 27.06.2007 - 22:02
Ich war an diesem Samstag von Anfang bis zum Ende dabei und musste teilweise
aufpassen nicht zwischen die Fronten zu geraten. Als friedlicher Demo-Teilnehmer
muss ich sagen dass ich extremes Glück hatte nichts abzubekommen.
Ich stimme zu wenn jemand sagt dass Steinewerfen und das Abfackeln von Autos
von der Polizei nicht untätig beobachtet werden können und entsprechend vor-
gegangen wird. Das ändert aber nichts an dem Gebot der Verhältnismässigkeit, die
von seiten der Polizei am diesem Tag und danach umso stärker oftmals nicht im
Geringsten eingehalten wurde. Diese Leute haben umfangreiche Trainings hinter sich
was den Umgang mit Menschenmassen und Gewalt angeht, und ich denke auch dass Stress-
bewältigung dazu gehört.
Wer in einer solchen Situation die Nerven verliert und ohne konkreten Grund (unmittel-
bare Bedrohung der eigenen Gesundheit) wahllos drauflos schlägt ist bei der Polizei
fehl am Platz. Mich wundert immer wieder welche Narrenfreiheit sie in Sachen Gewalt-
anwendung geniesst, und mit wieviel Verständnis Unrecht relativiert wird.
Ja, an diesem Tag habe ich Wasserwerfer gesehen die wie wildgewordene Bienen die Menge
Richtung Bühne drängten und dabei jeden in Reichweite grossflächig mit Wasser eindeckten.
Das war nicht mehr zielgerichtet, nur noch blindwütig drauflos (es wurde von oben mit
Wasserfächern gesprüht, nicht gegen einzelne). Wer nass war konnte theoretisch heimgehen,
der Wind am Stadthafen war eisig kalt. Wenn da nicht unsere Freunde und Helfer gewesen
wären für die erstmal jeder Nasse ein potentieller Gewalttäter ist...
verquerte Logik.

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Quellen — Thomas Möller

@luise — meiner

Rechtfertigung? — Klischee

Objektivität — Valentin

Ist das nicht verdient? — Jürgen T.