Campinski: Polizei eskaliert weiter

04.06.2007 00:58 Themen: G8 Heiligendamm Repression
Polizeiübergriffe und unterlassene Hilfeleitung.

Die Polizei setzt die Strategie der Provokation und Behinderung der Proteste fort. Auch am Tag nach der Großdemonstration in Rostock eskaliert die Polizei die Situation in Mecklenburg-Vorpommern weiter.
Im Gegensatz zu den verbalen Beteuerungen, an einer Deeskalationsstrategie festzuhalten, war die Praxis der Polizei schon seit Wochen von Provokationen und Schikanen geprägt. Kriminalisierung und Einschüchterung schaffen eine Athmosphäre der Eskalation. "Die legitimen Proteste werden unmöglich gemacht, mit der Begründung der Bundesregierung, sich als „verlässlicher Partner der G8 Staaten zu repräsentieren“. Diese Haltung der Bundesregierung spiegelt sich im Kontext der Repressionen und Polizeiübergriffe, die im Folgenden geschildert werden," so Lotta Kemper von der Pressegruppe Campinski.

* So wurden am Abend nach der Demonstration massive Polizeikräfte in den Zugangsstraßen der Camps mit mehreren Wasserwerfern und Räumpanzern stationiert. Später wurde eine friedliche Straßenparty in der Rostocker Innenstadt auf dem Doberaner Platz von der Polizei unterbunden. Dort fand ab etwa 22.30 Uhr ein „Reclaim The Streets“ mit rund 250 Beteiligten statt. Die Veranstaltung wurde gegen 01.30 Uhr von der Polizei beendet. Etwa 75 Personen wurden für längere Zeit festgehalten.

* Polizei und Krankenhaus unterlassen Hilfe für verletzte GipfelgegnerInnen nach Autounfall

Zu einem skandalösen Vorfall kam es in der Nacht vom Samstag auf Sonntag. Gegen ein Uhr rammte ein PKW kurz vor dem Autobahnkreuz Rostock West einen Transporter von französischen AktivistInnen. Der Transporter überschlug sich. Den dabei verletzten Personen gelang es, sich selbst zu befreien und - unter Schock stehend - sich um ihre Verletzungen zu kümmern. Das erste Fahrzeug, das zur Unfallstelle stieß, war ein Mannschaftswagen der Polizei. Die Beamten waren auf dem Rückweg von ihrem Einsatz in Rostock.

Statt Hilfe zu leisten, waren die Beamten sofort im Ton aggressiv, leisteten keinerlei erste Hilfe und sicherten die Unfallstelle nicht ab. Dabei fielen Äußerungen wie „Verlauste G8 Gegner, nun habt ihr eine Nonne ins Unglück gestürzt“ (Die Unfallverursacherin war eine Nonne, die am Steuer eingeschlafen war). In der Folge wurden die AktivistInnen von den Beamten von der Fahrbahn gedrängt und mit dem Schlagstock bedroht. Erst als die Autobahnpolizei und die Feuerwehr eintrafen, entspannte sich die Situation etwas. Dem Fahrer, der ebenfalls unter starkem Schock stand, sollten 500 Euro als Bergungskosten abgenommen werden. Als er dies nicht sofort an Ort und Stelle zahlen konnte, wurde er gezwungen, ein für ihn unverständliches Papier zu unterschreiben und aufgefordert, das Gepäck, was nun auf der Standspur lag, selbst schleunigst zu entfernen. Die Verletzten wurden mit mehreren Rettungswagen in die Klinik Südstadt transportiert. Dort konnte eine Person nicht sinnvoll behandelt werden und wurde mit dem Krankenwagen gegen 3 Uhr in die Uniklinik Rostock weiter transportiert. Nach Angabe ihrer Personalien wurde sie aufgefordert, ihren Sozialversicherungsausweis vorzuzeigen. Dies konnte sie nicht und nach einer halben Stunde wurde sie vom diensthabenden Arzt informiert, dass sie ohne Karte nicht behandelt würde. Auch ihrer Bitte nach einem schmerzlindernden Medikament wurde nicht nachgegangen. Dabei erwähnte der Arzt, dass ihr die Geschichte eines Autounfalls nicht abgenommen werde und sie doch bestimmt von der
Demonstration aus Rostock sei. Gegen 4.30 Uhr verließen sie per Taxi die Klinik und begaben sich im Convergence Center in Rostock-Evershagen zu einer Erste-Hilfe Station.

* Fahrradkonvoi überfallen
Regelrecht überfallen wurde am Samstag um ca.19.30 Uhr ein auf dem Rückweg von der Demonstration ins Camp Reddelich befindlicher Fahrradkonvoi von 35 RadfahrerInnen.

Die Gruppe wurde bereits seit ihrer Abfahrt von sechs Einsatzwagen der Polizei begleitet. Als sie auf der B105 aus Rostock herausfuhren, wurde das Martinshorn angeschaltet. Die Gruppe hielt daraufhin am Seitenrand, um die Einsatzkräfte vorbeiziehen zu lassen. Im Vorbeifahren versuchten Polizisten aus ihren Fahrzeugen heraus Radfahrer festzuhalten bzw. diese zu Fall zu bringen. Einer
wurde mit einem Gummiknüppel geschlagen, einem anderen sprühte der Beamte aus weniger als einem Meter Entfernung mit Pfefferspray direkt ins Gesicht. Damit nicht genug, mit Schlagstöcken schlugen die Polizisten aus den Fahrzeugen heraus auf die RadfahrerInnen ein.

Diese flüchteten panisch in den Wald. Da sie deeskalierend einwirken wollten und den Schutz der Öffentlichkeit suchten, entschieden sie, zur nahe gelegenen Essotankstelle zu fahren. Vom Camp Reddelich wurden sie von UnterstützerInnen abgeholt und begleitet.

Die prügelnde Polizeistaffel war verschwunden. Stattdessen begleiteten nun zehn Einsatzwagen einer anderen Staffel den Konvoi mit laufenden Filmkameras bis zum Camp Reddelich.

"Es gab überhaupt keine Warnung seitens der Polizei, die uns absolut grundlos Angriff. Wir sind wirklich schockiert. Vermutlich war dies ein Racheakt für den fehlgeschlagenen Einsatz am Nachmittag", meint ein Betroffener.

* Schikanen nach Freilassung

Der Anwaltliche Notdienst berichtet zudem von Schikanen an den Gefangenensammelstellen nach der Demonstration. So wurden Freigelassene, die in Gruppen entlassen wurden, gleich im Anschluss wieder festgenommen und erneut zur erkennungsdienstlichen Behandlung vorgeführt.
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Lotta Kemper + Carl Kemper
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Ergänzungen

Polizei als Parkplatzwächter

Parkplatzcamperin 04.06.2007 - 12:23
In der Nacht zum 04.06, stürmten (unbehelmte) BFE'ler auf ein Parkplatz ( Privatgrundstück ) und umstellten dort geparkte Autos. Sie vermuteten, dass sich in diesen Personen aufhalten könnten, die an den Ausschreitungen am Sa. teilgenommen haben. Eine Person wurde kontrolliert und durfte am Ort verbleiben.
Bei den anderen Autos war es schon etwas brisanter... die BFE'ler diskutierten darüber, ob sie die Scheiben mit Ihren Tonfas einschlagen sollten. Die Autos wurden abgefilmt und die AutohalterInnen ermittelt.
An der Aktion waren ca. 15 Polizisten beteiligt, wobei im Hintergrund weiter ca 7 Wannen bereitstanden (Seitenstrasse).
Dies geschah ca. eine 1/2h nachdem die gleiche Einheit (Zug) eine Person massiv verprügelt haben, die dann mit schweren Kopfverletzungen ins Krankenhaus gefahren wurde ( Warnower Ufer / Ecke Neue Werderstaße ).

Leute seid vorsichtig! Die Cops drehen gerade komplett frei... es sieht hart danach aus, als würden einige Züge der Cops einen Freifahrtschein haben. ( Göppinger, Berliner, Potsdamer )

Darüber hinaus wurden den ganzen Tag über Bullen gesehen, die Privatgrunstücke vollgepisst haben... wenn diese darauf angesprochen wurden, reagierten sie sehr aggressiv und drohen auch mal mit einer Festnahme oder dergleichen.

Tipp: Wenn die Cops an euren Autos rumhängen, dann verhaltet euch ruhig und reagiert nicht auf klopfen etc.

Beiträge die keine inhaltliche Ergänzung darstellen

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Seid vorsichtig! — sich vor sehen

@egal — corny