Thüringen: NPD im Aufwind

Antifaschistische Gruppe Südthüringen [AGST] 29.05.2007 21:52 Themen: Antifa
NPD im Aufwind – Mitgliederkampagne und „Deutschlandpakt“ in Thüringen

Zum so genannten „Thüringentag der nationalen Jugend“ am 19. Mai in Eisenach startete die Thüringer NPD eine umfangreiche Mitgliederkampagne. Flächendeckend sollen Infostände und Kundgebungen stattfinden, tausende Euro werden in Nazipropaganda gesteckt. Die NPD ist in Thüringen auf dem besten Weg in den 3. deutschen Landtag einzuziehen.
Die NPD im Aufwind

Nach Eigenangaben hat die Thüringer NPD bislang mehr als 450 Mitglieder, Tendenz steigend. Stetig organisiert die Partei in Thüringen neofaschistische Veranstaltungen. Ob Demonstrationen, Kundgebungen, Infostände, Konzerte oder Familienfeste, die NPD und ihre Aktionen sind in Thüringen zu einem festen Bestandteil des Alltagslebens geworden. Landesweit ist es der rechtsextremen Partei gelungen organisierte Neonazis an sich zu binden, sich dezentral zu organisieren und über die Landesgrenzen hinaus zu vernetzen. Der Vormarsch der NPD zeigt sich nicht zuletzt an den gestiegen Teilnehmer_innenzahlen auf neonazistischen Veranstaltungen, wie der verhinderten 1. Mai-Demonstration in Erfurt mit 1300 Rechten oder dem Nazifest am 19. Mai in Eisenach mit ca. 400 Teilnehmer_innen. In mittlerweile 20 von 23 Thüringer Landkreisen und kreisfreien Städten existieren aktive NPD-Kreisverbände.
In den Jahren 2004/2005 erlebte die NPD einen ersten Mitgliederboom als im Rahmen der Volksfrontbestrebungen einst „freie“ (parteiungebundene) Kader in die Partei eintraten, sich engagierten und für einen neuen Aufschwung sorgten.
Die Einigkeit der Extremen Rechten machte sich bezahlt. Nach zwei Jahren des kontinuierlichem Wirkens und Erstarkens scheint der Einzug der NPD zur Landtagswahl 2009 in den Thüringer Landtag zum Greifen nahe. Schon zur Bundestagswahl 2005 erhielt die NPD 3,7% der Zweitstimmen in Thüringen (2002 nur knapp 1%). Mehr erhielten die Rechtsextremen nur in Sachsen (4,9%).



Die NPD präsentiert sich als bürger_innennahe Partei und übt sich zunehmend in Kommunalpolitik. Die Partei wird auch nicht müde sich als letzte Opposition gegen das verhasste „BRD-System“ zu lobpreisen. Die Früchte dieser Politik können sich sehen lassen. Antifaschist_innen beobachten die aktuelle Entwicklung mit Besorgnis.

Kostspielige Mitgliederoffensive

Schon Ende des Jahres 2006 deutete die NPD an, was sie sich für das kommende Jahr vornimmt. In einem Artikel sprach die Partei vom Ausbau der Infrastruktur und erneutem Mitgliederzuwachs, gar von gezielten „Mitgliederwerbeaktionen“.
Laut Angaben eines internen Strategiepapieres wird sich die NPD ihre Mitgliederkampagne etwa 10.000€ kosten lassen. Angedacht sind mehr als 100 Infostände, dutzende Kundgebungen, Feste und spontane Aktionen in Thüringer Städten. Außerdem ließ die NPD jüngst eine Kampagnenzeitung in einer Auflage von 300.000 Exemplaren drucken. Das Blatt wird Thüringenweit verteilt. Weiterhin will die NPD eine Broschüre, Jugendflyer und Programmflugblätter drucken lassen. Außerdem erscheint die Homepage des NPD-Landesverbandes seit Mitte Mai im neuen „Glanze“.
Nach dem Nazifest am 19. Mai in Eisenach fanden schon Infostände im Rahmen der Kampagne in Gotha, Weimar, Apolda und Suhl statt.

Schlüsselfigur Patrick Wieschke

Schlüsselfigur für den Aufstieg der NPD ist der 26 jährige Neonazi Patrick Wieschke. Als Landesgeschäftsführer der NPD zieht er in Thüringen die Fäden. Wieschke saß wegen Anstiftung zu einem Sprengstoffanschlag auf einen türkischen Imbiss und wegen Körperverletzung zwei Mal im Gefängnis. Wieschke ist Gründungsmitglied der NPD-Jugendorganisation „Junge Nationaldemokraten“ (JN) und war dort bis 2002 stellvertretender Landesvorsitzender, Landespressesprecher und JN-Stützpunktleiter in Eisenach. Im Januar 2002 trat Wieschke von allen Ämtern zurück und verließ die Partei, begründete dies mit „reaktionären und rückwärts gewandten Tendenzen im NPD-Kreisverband Wartburgkreis sowie dem derzeitigen Verhalten des NPD-Bundesvorstands gegenüber kritischen Parteimitgliedern und "Freien Nationalisten“.
Im März kehrte Wieschke als stellvertretender Kreisvorsitzender im Wartburgkreis in die NPD zurück. Seit Mai 2006 arbeitet Patrick Wieschke als hauptamtlicher Mitarbeiter für den NPD-Landesverband Thüringen als Landesgeschäftsführer. Bezieht Bahncard 50 und Spesen aus Parteimitteln, arbeitet Konzepte aus, koordiniert die Arbeit der Landesverbände, schlichtet Streits zwischen Partei und rechten Parteigegnern (z. B. „Autonomen“ Nationalisten).
Durch die Schaffung dieser hauptamtlichen Stelle und die Besetzung derselben mit einem langjährigen Nazikader legte die NPD den Grundstein für eine weiter zunehmende Professionalisierung der politischen Arbeit in Thüringen.
Weitere Infos zu Patrick Wieschke gibts bei Wikipedia.



Infostand in Suhl

Einer der ersten Auftritte der Kampagne nach dem Auftakt fand in Suhl in Form eines NPD-Infostandes am Donnerstag, dem 24. Mai statt. Anwesend waren neben dem Landesvorsitzenden Frank Schwerdt, auch Südthüringens üblicher Verdächtiger der NPD, Tommy Frenck, welcher für Schlagzeilen sorgte, als er sich während eines Interviews mit dem Freien Wort entblödete und beteuerte Roberto Blanco abschieben zu wollen. Außerdem tummelten sich 5-10 weitere Neonazis am Stand.
Ein Großteil des verteilten Infomaterials wurde ein paar Meter weiter von Antifaschist_innen eingesammelt und ihrer wahren Bestimmung zugeführt. Ihr angefertigtes Filmmaterial mussten die Nazis wieder löschen, als ein Gewerkschafter auf die Wahrung des Rechts aufs eigene Bild bestand.





Nur drei Tage darauf, am Sonntagabend gegen 22.30 Uhr, ereignete sich auf dem Himmelreich (Stadteil von Suhl) ein Übergriff, als 4 Neonazis, welche auch den Stand am Donnerstag betreuten, 2 Jugendliche angriffen. Die Opfer kamen mit einigen Blessuren und dem Schrecken davon. Der Vorfall zeigt, dass das NPD-Klientel in Suhl und anderswo zu einem großen Teil aus Schlägern besteht, die das menschenverachtende Programm der NPD und die Ideologie der Neofaschist_innen auf der Straße und gegen Andersdenkende umzusetzen wissen.
Zu den Tätern gehörte u.a. der einschlägig als Schläger bekannte Christan Graf.



„Deutschlandpakt“? - Von wegen!

Am 15. Januar 2005 schlossen NPD und DVU (später auch DP) ein Bündnis, welches besagt, dass die rechtsextremen Parteien nicht konkurrierend bei Wahlen in Deutschland antreten. Der Freistaat Thüringen gehörte von da an zum Antrittsland der DVU. Zur Landtagswahl 2009 soll sich also laut „Deutschlandpakt“ die DVU der Wahl stellen.
Die Thüringer DVU weist weit weniger Strukturen als die NPD auf, ihre politische Bedeutung und Präsenz auf den Straßen konvergiert gen Null, während der Einfluss, Präsenz und Bedeutung der NPD im Land zusehends steigt.
Immer wieder beteuern führende Funktionäre der NPD die Einhaltung des „Deutschlandpaktes“. So auch NPD-Vorsitzender Udo Voigt und DVU-Chef Gerhard Frey, der im November 2006 zum Abschluss des NPD-Bundesparteitages noch zitiert wurde: „In Thüringen treten wir an - mit 2 NPD- Leuten auf der Liste“. Auch Patrick Wieschke, Thüringens NPD-Strippenzieher betonte im Gespräch mit den Neuen Deutschland (ND), dass die Mitgliederkampagne der „kommunalen Verankerung“ diene und man auf kommunaler Ebene Sitze anstrebe.
Anders hingegen klingt der doppelzüngige Wieschke in zwei internen Anträgen, die er im Herbst 2006 an die Landesvorstandssitzung der NPD richtete. Im ersten Antrag forderte Wieschke, dass der Landesverband trotz bestehendem Deutschlandpakt darauf „hinwirkt“, dass zur Landtagswahl 2009 in Thüringen die NPD antrete. Begründet hat Wieschke seinen Antrag mit den fehlenden Strukturen der DVU in Thüringen. „Thüringen würde bei Beibehaltung des Deutschlandpaktes in der jetzigen Form quasi an eine Partei verschenkt, der Bindung, Basiskontakt, Nähe und Haftung in Thüringen fehlt.“, so Wieschke.
Der zweite Antrag ging noch weiter forderte quasi nichts anderes den Boykott der DVU. Die versprochenen zwei Listenplätze solle der Landesverband ablehnen, da es zwischen NPD und DVU einige „weltanschauliche“ Unterschiede gebe. Die NPD würde Schaden davon tragen, wenn sie mit 2 Leuten in einer DVU-Fraktion vertreten werde. „Aus politischer Vernunft sollten wir also auf die Besetzung der zwei im Deutschlandpakt festgehaltenen Listenplätze verzichten.“, so Wieschke.

Was tun gegen die Untolerierbaren?

Für die aktiven Antifaschist_innen in Thüringen stellt sich immer häufiger die Frage, was man angesichts der immensen Präsenz von Neonazis im Straßenbild vieler Gegenden tun kann. Was tun gegen die flächendeckenden Propagandaaktionen, gegen unzählige Infostände und Kundgebungen.
Schafft Gegenöffentlichkeit, sammelt Nazipropaganda ein, entsorgt sie umweltgerecht, stört und blockiert Kundgebungen. Zeigt den Faschist_innen überall, dass wir ihnen keinen Platz für das Propagieren einräumen! Organisiert euch in Gruppen, wehrt euch!


(aufs Bild klicken, um zu erfahren, was auch du tun kannst)

Der zunehmenden Rechtstendenz in Thüringen kann nur mit dem Entgegensetzen einer antifaschistischen Kultur und Politik begegnet werden. Geschichtsrelativierende Totalitarimustheorien, gleichsetzende Bürger_innenbündnisse, welche sich zwar gegen alle Formen des „Extremismus“ artikulieren, aber das Problem in ihrer Stadt immer noch nicht erkennen wollen, sind dem Kampf gegen Faschismus abträglich.
Um den nationalistischen und rassistischen Tendenzen entsprechend zu begegnen, bedarf es antifaschistischer Politik und Kultur, welche der menschenverachtenden Ideologie der Nazis keinen Fußbreit Platz lässt. Es bedarf einer radikalen Politik, welche das Problem in seinen Ursachen kritisiert und bekämpft.

Organisiert den antifaschistischen Widerstand!
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Ergänzungen

Kontakt zu Thüringer Antifas

antifa 29.05.2007 - 23:35
wer Kontakt oder Infos über Antifas aus Thüringen sucht , bitte auf dieser Seite umsehen


 http://www.antifa-aktion.info/

Ergänzung und Termin

Antifaschist 30.05.2007 - 15:32
Da es über Thüringen geht, will ich auch kurz was schreiben!
Thorsten Heise (aus Fretterode im Eichsfeld) und Konsorten haben am 05.05.2007 den NPD-Kreisverband Eichsfeld gegründet. Sie wollen wohl auch vor der Kommunalwahl 2009 in die Offensive gehen und Mitglieder werben, dies soll wohl vorallem durch Kundgebungen geschehen und hier ist der erste Termin: Am 09.06.2007 NPD-Kundgebung in 37308 Heiligenstadt (Marktplatz) von 11 - 13 Uhr. Heiligenstadt liegt nur wenige Kilometer von Göttingen entfernt. Ich hoffe wir können Heise und CO. einen angenehmen Empfang bereiten und hoffe auf Unterstützung!

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Klasse! — ttt

5%+X für NPD unrealistisch — Antivölkischer Beobachter