Videoaktivismus beim G8

videoistas 13.05.2007 13:36 Themen: G8 G8 Heiligendamm Medien
Einige Informationen zum Videoaktivismus während der Gipfelproteste Anfang Juni in Heiligendamm.

Inhalt

Selbstverständnis des Netzwerk Videoaktivismus

zur Medienarbeit rund um den G8 2007 in Heiligendamm

Das VideoaktivistInnen-Netzwerk ist ein Netzwerk von VideofilmerInnen, die sich zum Ziel gesetzt haben, AktivistInnen selbst zu Wort kommen zu lassen und ihnen mit dem Medium Video eine Plattform in der Öffentlichkeit zu geben. In dem seit Frühjahr 2005 bestehenden Netzwerk sind unterschiedliche Gruppe und Einzelpersonen vertreten, die 3-4 mal im Jahr Arbeitstreffen organisieren.

Ein temporärer Schwerpunkt des Netzwerkes ist die Mobilisierung und Berichterstattung rund um die Proteste gegen den G8 2007. In diesem Rahmen ist das folgende Konzept diskutiert worden, was wir hiermit vorstellen möchten.

Basics der Video-AktivistInnen

Videoaufnahmen werden auf indymedia oder indymedia nahe stehenden Strukturen veröffentlicht. Gefilmte Aktionen werden grundsätzlich verpixelt, d.h. Personen werden unkenntlich gemacht, ausser es ist mit den abgebildeten Personen anderes abgesprochen. Die Weitergabe von Aufnahmen an öffentlich-rechtliche oder private Sendeanstalten erfolgt nur auf Wunsch der Gruppe, die gefilmt wurde, oder zum Outen von Nazis.Alles Material wird mit einem Logo versehen um Lizenzvergehen zu erschweren. Es wird eine Kontaktmöglichkeit für Anfragen der Presse eingerichtet.

Vor dem Gipfel

Es werden Beiträge rund um Globalisierung vorproduziert und veröffentlicht. Eine Sammlung von Filmen zum Thema wird zusammengetragen für Programmkinos, Offene Kanäle und andere mögliche Vorführorte, für die Zeit vor dem Gipfel, aber auch während des Gipfels und danach. Ein spezielles Videofenster (Webside) wird aufgebaut oder an bereits vorhandene Strukturen verlinkt. Es besteht der Anspruch, mehrsprachige Untertitelungen zu machen und dafür einen ÜbersetzerInnen-Pool aufzubauen.

Während des Gipfels

Produktion von Videoclips fürs Internet, zum downloaden oder streaming/download in Verbindung mit temporärem live-stream.

Zusammenarbeit mit anderen Medien

Die Zusammenarbeit mit freien Radios und anderen Video-AktivistInnen wird gewünscht. Zu diesem Zweck wird ein frühzeitiger Austausch gesucht, auf lokaler und regionaler, bundesweiter und auch internationaler Ebene.Auf der Ebene von Informationsaustausch wird eine Zusammenarbeit mit NGOs angestrebt.

Infrastruktur

Das VideoaktivistInnen-Netzwerk favorisiert mehrere dezentrale Orte zur Produktion von a/v-Publikationen. Es werden mobile Schnittplätze eingerichtet. Ein Info-dispatch für Medien-AktivistInnen soll aufgebaut werden zum Sammeln und Überprüfen von Informationen.

Netzwerk Videoaktivimus im Oktober 2006, www.videoactivism.de, videoactivism at nadir punkt org


Antirepressions-Merkblatt

zum Umgang mit Bild- und Filmmaterial auf Demos und Aktionen und zum Verhalten bei einer Festnahme Version

Medienaktivismus - ein paar Überlegungen

Filmen, Fotografieren, Interviewen auf einer Demo oder während einer Aktion sehen wir als Aktionsform wie z.B. auch Sprayen, Redebeiträge halten oder Transpis tragen. Du bist nicht aussenstehend, sondern Teil der Demo / Aktion. Deshalb und im Speziellen weil Dein aufgenommenes Material nützlich sein kann, interessieren sich die Bullen für Dich.

Bei vergangenen Demos wurde die Erfahrung gemacht, dass Leute mit Kameras gezielt von der Polizei abgegriffen wurden oder Material (auch im Nachhinein z.B. zu Hause) beschlagnahmt wurde. Dieses kann von der Justiz als Beweismaterial verwendet werden.

Als FilmerIn / FotografIn hast Du Verantwortung für das aufgenommene Material und deshalb gilt es, entsprechend damit umzugehen! Du bist Teil einer kollektiven Aktion.

Am besten werden Überlegungen zum Rahmen der Veröffentlichung schon im Voraus gemacht. Infoabende, Vorbereitungstreffen und Solipartys eignen sich gut dafür.

Filmen und Fotografieren sollen Teil der Proteste gegen den G8 in Heiligendamm sein! Es kann nicht der Sinn von Medienaktivismus sein, dass sich x Leute ein Privatarchiv "zur Erinnerung" anlegen.

Bei ‘brenzligen’ Situationen wie Festnahmen und Prügeleien ist Deine Kamera Zeugin. Nutze sie auch so! Das Wissen, das alles aufgenommen wird, kann manchmal deeskalierende Wirkung haben.

Praktisches zu Medienaktivismus

Führt eure Aktionen nicht einzeln durch, sondern in Gruppen bestehend aus abgesprochenen Leuten. Wie beim Sprayen gilt es, dass Leute Schutz vor Polizei-Übergriffen organisieren.

Überlegt euch vorher, wie ihr an die Demo / Aktion kommt und wie ihr nach Haus oder einen anderen Ort gelangt.

Macht euch, BEVOR ihr auf den Auslöser drückt, Gedanken darüber, was ihr aufnehmen wollt. Aktionen zu filmen / fotografieren, insbesondere illegale, ist sehr heikel, denn damit werden andere gefährdet.

Denke jedes Mal von Neuem darüber nach, ob Du gerade Sensationsbilder machst oder nützliche Informationen sammelst. Der Schutz der Leute, die Du filmst, sollte immer vor der Sensationslust stehen!

Sprecht mit den Leuten, bevor ihr sie aufnehmt: klärt, ob, und wenn ja, wie sie aufgenommen werden wollen und ob sie mit einer Veröffentlichung des Materials einverstanden sind.

Anonymisierung

In Deutschland herrscht bei Demos vielerorts ein Vermummungsverbot; d.h., dass das Argument "wer nicht erkannt werden will, kann sich vermummen" nicht so einfach zu akzeptieren ist. Es gibt genügend Gründe (Repression, Faschos, etc.), sich an Demos zu vermummen. Das heisst noch lange nicht, dass Menschen, die sich nicht vermummen, gerne in Grossformat auf Bildern erscheinen. Um eine Stimmung und politische Inhalte einer Demo / Aktion mitzubekommen, müssen die Gesichter von Menschen nicht zu sehen sein. Du kannst auch von hinten Aufnahmen machen. Denk gleich beim Aufnehmen daran, was gesehen werden soll und was nicht!

Wenn ihr euer Material ins Netz stellen wollt, ist das sicher eine gute Idee, da es somit für viele Leuten zugänglich gemacht wird. Das Internet ist ein schnelllebiges Medium und ihr wollt sicher möglichst wenig Zeit verlieren. Nehmt euch aber vor jeder Veröffentlichung auf alle Fälle die Zeit, die "heiklen" Bildaufnahmen und Gesichter zu anonymisieren. Wichtig ist dabei auch der "Augenbalken", da die Polizei bei der Auswertung von Bildern oft den Augenabstand misst. Das Anonymisieren gehört zum Filmeschneiden. Macht euch kundig, wo ihr dafür technische Unterstützung erhalten könnt - schaut z.B. auf www.videoactivism.de unter ‘training und anleitungen’ -> Reader Videoaktivismus -> Pixeln

Ein paar konkrete Tipps

Handling beim Filmen / Fotografieren:
  • Oft ein neues Band / eine neue Chip-Karte verwenden; am Besten verschiedene Aktionen auf verschiedenen Bändern / Chip-Karten aufnehmen. Auf jeden Fall nach ‘brenzligen’ Aufnahmen das Band / den Chip austauschen und das Material an eine Person Deines Vertrauens geben, die es in Sicherheit bringen kann.
Zum Verhalten, falls es trotz aller Vorsicht zu einer Festnahme kommt:
  • Filme auch Deine eigene Festnahme, bis es nicht mehr geht. Es kann sich nachher als nützlich für eine Rekonstruktion erweisen.
  • Sich mit dem Presseausweis zu schützen versuchen. Theoretisch müssen JournalistInnen ihr Material nicht rausgeben. Wie die Erfahrung gezeigt hat, kann aber nicht davon ausgegangen werden, dass die Polizei dieses Recht respektiert.
  • Falls klar wird, dass die Polizei auf Dein Material aus ist, versuche, es zu vernichten / verschwinden zu lassen, bevor es in ihre Hände gerät
  • Verlange unbedingt eine Quittung für das beschlagnahmte Material. Zwar kann es immer noch sein, dass deine Sachen "leider verloren gegangen sind", wenn du sie später abholen willst. Wenigstens kannst du so aber nachweisen, dass die Bullen dir tatsächlich Material weggenommen haben.
  • Verlange eine Versiegelung deiner Bänder und Filme und zwar sofort bei der Konfiszierung des Materials, meist also auf dem Bullenposten. Dabei landet dein Material in einem versiegelten Behälter. Verlange dazu auch eine Quittung und den Namen des Polizeibeamten. Durch die Versiegelung kann das Material erst bei einem Verfahren verwendet werden. Wenn es zu einem Verfahren gegen dich kommt, muss die Polizei dir mitteilen dass sie das Material anschauen will, wogegen du wiederum Einspruch einlegen kannst.
  • Des weiteren gilt: mach von deinem Recht, die Aussage zu verweigern Gebrauch! Ausser deinen Personalien und der Meldeadresse musst du den Bullen nix sagen, auch wenn sie anderes behaupten mögen! Lass dich nicht in Gespräche verwickeln, auch nicht übers filmen, fotografieren etc. (siehe auch Antirep-Broschüre: Annaund Arthur halten’s Maul)
  • Wenn du verhaftet oder kontrolliert wurdest, ist es hilfreich, unmittelbar danach (in den ersten ruhigen Minuten danach), ein Gedächtnisprotokoll zu verfassen. Beschreibe darin auch das Aussehen der Wachtmeister, mit denen du zu tun hattest, da diese "Details" im Gedächtnis nicht ewig realitätsgetreu abrufbar sind.
Zum Schluss

Auch eine Überwachungskamera lebt nicht ewig. Reclaim your media!


safer journalism?

rechtsinfos für video-aktivistInnen oder solche, die es werden wollen

In diesem Kapitel geht es um allgemeine Fragen, wie Video-AktivistInnen sich und ihre "Motive" rechtlich absichern können. Wie können linke Strukturen trotz Veröffentlichung von Bildern besser geschützt werden? Wie kann ein verantwortungsbewusster Umgang mit dem aufgenommenen Material aussehen?

Zu Beginn ein paar Fälle, in denen es für die Polizei von Interesse sein könnte, deine Demo-Aufnahmen zu bekommen:
  • Du hast Leute dabei gefilmt, wie sie ein Graffitti an eine Bank gesprüht haben. Das ist eine Straftat, und dein Video kann ein Beweis sein, um die TäterInnen zu überführen.
Aber auch in Situationen, in denen der Grund vielleicht auf den ersten Blick nicht deutlich ist, können deine Videoaufnahmen für die Polizei interessant sein:
  • Du hast Leute in einer Situation gefilmt, in der sie etwas Bestimmtes gesehen haben müssen; aufgrund deiner Bilder werden sie später von der Polizei als ZeugInnen vorgeladen.
  • Oder du hast Leute gefilmt, die bevor oder nachdem du sie gefilmt hast, etwas Rechtswidriges gemacht haben sollen, und die anhand von Merkmalen, die die Polizei vielleicht auch selber festgestellt hat, jetzt deutlich in einem bestimmten, sie belastenden Kontext angetroffen werden (z.B. mit diesen oder jenen Personen sprechend, einen Gegenstand fallen lassend, etc.)
  • Nur durch deine Video-Aufnahmen entdeckt die Polizei, dass es überhaupt eine Ordnungswidrigkeit (oder eine Straftat) gegeben hat; anhand von anderen Aufnahmen kann sie dann bestimmte Menschen dieser Ordnungswidrigkeit/Straftat zuordnen.
Der nachfolgende Artikel beschäftigt sich mit der Frage, wie linke Strukturen trotz der Veröffentlichung von Bildern besser geschützt werden können. Kann es einen verantwortungsbewussten Umgang mit dem aufgenommenen Material geben?Wir haben uns mit einem Rechtanwalt über diese und andere Fragen unterhalten, und das Gespräch anhand der verschiedenen Themenbereiche zusammengefasst.

Wie kann mit strafrechtlich relevantem Material umgegangen werden, um einer Kriminalisierung vorzubeugen? In welchen Fällen ist eine Beschlagnahmung rechtmäßig?

Ein/e FotografIn oder Video-AktivistIn ist nie sicher vor Beschlagnahme und von daher immer eine Gefahr für Leute, die eine rechtswidrige Handlung begehen oder einer solchen verdächtigt werden. Aufgrund der fortgeschrittenen digitalisierten Technik ist jede Aufnahme auch eine potentielle Gefahr für Menschen, die in einer Situation sind, in der der Staat ihnen besondere Loyalität abverlangt (Einstellung in den öffentlichen Dienst; Einbürgerung u.ä.). Bilder, in die hineingezoomt werden kann, verletzen auch immer die Persönlichkeitsrechte von Leuten, die sich unerwartet am Rande von Aufnahmen wiederfinden. Es besteht ein grundsätzlicher Interessenskonflikt zwischen Video-AktivistInnen und DemonstrationsteilnehmerInnen, der politisch zu diskutieren ist. Einerseits sollten soziale Bewegungen Interesse an grösstmöglicher Öffentlichkeit haben. Andererseits tragen alle, die diese aufnehmen, möglicherweise zur perfekteren Überwachung und Registrierung und zur Bekämpfung dieser Bewegungen bei. "Sicherheit" ist etwas sehr Relatives und besteht für Menschen, die nicht gefilmt werden wollen, nur dann, wenn nicht gefilmt wird.

Zwar ist die Pressefreiheit im Grundgesetz geschützt und Beiträge und Materialien für den redaktionellen Teil von Medien oder für redaktionell aufbereitete Informationsdienste sind beschlagnahmefrei. Personen, die berufsmässig an Medien mitwirken, sind berechtigt, das Zeugnis über InformantInnen, die Herkunft und den Inhalt von Wahrnehmungen zu verweigern (was auch für Aufzeichnungen von eigenen Wahrnehmungen gilt). Die Rechtsbegriffe sind dabei umstritten und in einer konkreten Situation, in der etwa PolizeibeamtInnen die Herausgabe von Materialien einfordern, oft schwer zu klären. Für die "berufsmässige Mitwirkung" z.B. soll es einerseits nicht auf die Gewinnerzielungsabsicht ankommen, sondern es soll hinreichend sein, dass etwa eine nebenberufliche Tätigkeit in der Absicht dauernder oder doch wiederkehrender Beschäftigung erfolgt; andererseits reicht angeblich "ein Beitrag hin und wieder" nicht aus, so dass davon ausgegangen werden sollte, dass die Materialien von "normaler VideoaktivistIn" nicht beschlagnahmefrei sind und "strafrechtlich relevantes Material" selbstverständlich an die Strafverfolgungsbehörden herausgegeben werden muss, VideoaktivistIn sich u.U. sogar strafbar machen kann, wenn sie/er es wissentlich zurückhält oder vernichtet.

Wer Material aufnimmt, muss nach den Erfahrungen der letzten 20 Jahre damit rechnen, dass Material an die Polizei abgegeben werden muss, egal, ob Presse-Ausweis als Nachweis der Berufsmässigkeit vorhanden ist oder nicht. Schon zu Beweissicherungsmassnahmen können alle Aufnahmen von VideoaktivistInnen von der Polizei beschlagnahmt werden.

Wenn nicht "Gefahr im Verzug" besteht, ist eine strafrechtliche Beschlagnahme zwar nur aufgrund eines richterlichen Beschlusses zulässig. "Gefahr im Verzug" besteht nach einiger Rechtsprechung allerdings schon dann, wenn es für einen richterlichen Beschluss "zu lange" dauern würde.

VideoaktivistIn kann nicht nur mit einer "strafrechtlichen", sondern auch mit einer "polizeirechtlichen" Beschlagnahmesituation konfrontiert sein. Das heisst dann: "Durchsuchung (der Person)", "Durchsuchung (der von der Person mitgeführten Sachen)" und "Sicherstellung (nach dem Polizeigesetz)". Ob die Grundrechte auf Versammlungsfreiheit und das Grundrecht auf Pressefreiheit "polizeifest" sind, ist unter Juristen - leider - umstritten.

Wichtig ist: nie etwas "freiwillig" herausgeben oder auf einem Beschlagnahmeprotokoll "freiwillig" ankreuzen lassen! Nur dann können (hinterher) durch Rechtsanwälte (im Folgenden RAe) Rechtsmittel eingelegt werden und es kann gerichtlich überprüft werden, ob die Beschlagnahme oder die polizeirechtliche Massnahme zulässig und rechtmässig war. Stellt sich die Unzulässigkeit einer strafrechtlichen Beschlagnahme heraus, dann darf das beschlagnahmt gewesene Beweismittel im Strafverfahren nicht verwertet werden.

Ausserdem sollte VideoaktivistIn vom Recht zu Schweigen Gebrauch machen, das gegenüber der Polizei sowohl für Beschuldigte als auch für Zeugen gilt, also sich zu etwaigen Inhalten von Materialien (die meistens ja noch gar nicht bekannt sein können) und auch sonst NICHT äussern. Nur die eigenen Personalien ist mensch verpflichtet anzugeben, zu denen die "Berufsangabe" (am einfachsten: Presse-Ausweis vorlegen) gehören kann (aber z.B. nicht der "Auftraggeber" gehören sollte).

Die Polizei muss Protokoll Teil A (darin werden die Personalien aufgenommen) und Protokoll Teil B (darin werden die beschlagnahmten Gegenstände aufgeführt) aushändigen. Ausserdem können Dienstnummern erfragt werden.

Natürlich ist es immer gut, Zeugen für die Massnahme, der mensch ausgesetzt wird, zu haben.Es ist möglich, die Versiegelung der beschlagnahmten Gegenstände zu beantragen (umstritten), dann kann die Entsiegelung i.d.R. nur später im Beisein bestimmter Amtsträger erfolgen und auch RA hat Anwesenheitsrecht.

Schliesslich kann mensch auch nachfragen, ob Kopien beschlagnahmter Materialien gemacht werden können, wie es z.B. bei Hausdurchsuchungen und der Beschlagnahme von Unterlagen der Fall sein sollte.

Kann beschlagnahmtes Material, nachdem ich es zurückbekommen habe, überhaupt noch veröffentlicht werden?

In der Regel ja. Vorsichtshalber sollte mensch die Frage mit dem RA erörtern, der das Rechtsmittelverfahren gegen die Beschlagnahme geführt hat.

Im übrigen: Wenn es niemandes Recht ungerechtfertigt verletzt, d.h., wenn - was eigentlich bei jeder Veröffentlichung zu bedenken ist - auch keine sonstigen zivilrechtlichen Bedenken entgegenstehen.

Kann die Polizei verlangen, dass Aufnahmen vor Ort gelöscht werden?

Rein praktisch, ja. Rechtlich abgesichert ist das eigentlich nur, wenn es um "Portraitaufnahmen" von PolizeibeamtInnen geht. Die polizeirechtlichen und strafrechtlichen Beschlagnahme- und Durchsuchungs-/Sicherstellungsregeln sehen ein Löschen nicht vor, so dass im Hinblick hierauf auch keine "Verhältnismässigkeitsüberlegungen" angezeigt sind.

Wenn mensch nicht einer längeren Polizeisituation ausgesetzt sein will, kann es einfacher sein, darauf einzugehen.

Portraitaufnahmen

Das Gesetz, um das es hier geht, ist das Kunsturhebergesetz, §§ 22 (Recht am eigenen Bild) und 23 (Ausnahmen davon). Alle Menschen haben das Recht auf das eigene Bild (Portrait), ausser es handelt sich um Personen der Zeitgeschichte oder mensch nimmt Teil an öffentlichen Versammlungen oder es besteht ein öffentliches Interesse an den Aufnahmen. Dieses öffentliche Interesse besteht z.B., wenn rechtswidrige Handlungen stattfinden. Im Gesetzestext steht, dass Portraitaufnahmen zwar angefertigt, aber nicht veröffentlicht werden dürfen. Wenn die Polizei also sieht, dass du PolizistInnen filmst und sie ausserdem den Eindruck hat, du würdest sie veröffentlichen, kann das ein Grund für sie sein, dein Tape zu beschlagnahmen. In der Regel ist die Beschlagnahme von Videoaufnahmen aus diesem Grund zwar rechtswidrig, weil ja nur das Veröffentlichen strafbar ist. Aber da auf Internet-Foren manchmal Portraitaufnahmen von PolizistInnen veröffentlicht werden, kann die Polizei das möglicherweise als Argument benutzen.

Vielleicht besteht ein öffentliches Interesse an deinen Aufnahmen. Das kann z.B. der Fall sein, wenn die Polizei rechtswidrige Tätigkeiten ausübt (Kessel, Knüppeln, etc.). Dann erlaubt das Presse-Privileg, die PolizistInnen dabei zu filmen, auch im Portrait. Aber: das Kunsturhebergesetz besagt, dass es verboten ist, Portraitaufnahmen von Menschen ohne deren Einwilligung zu veröffentlichen. Wenn die Polizei also der Meinung ist, sie habe gar keine rechtswidrigen Tätigkeiten ausgeübt, kann sie das Videomaterial beschlagnahmen mit dem Hinweis auf das Verbot von Portraitaufnahmen.Wenn ein Videotape mit der Begründung herausgegeben werden soll, man habe Polizeibeamte in Zivil gefilmt, sollte man dem, sofern wahrheitsgemäss, entgegenstellen, man habe nicht die Beamten, sondern DemonstrationsteilnehmerInnen gefilmt.

Alle diese Argumente zu einer Verteidigung gegen eine drohende Beschlagnahme können besser und überlegter in einer späteren Auseinandersetzung über die Frage der Zulässigkeit der Beschlagnahme angebracht werden.

Welche Rechte hat der/die Video-AktivistIn gegenüber der Staatsmacht?

Die Strafprozessordnung sieht vor, dass es für JournalistInnen ein Zeugnisverweigerungsrecht gibt, wenn er/sie seine InformantInnen aufdecken soll; dies gilt auch für Inhalte von Materialien, auch für selbstrecherchiertes Material (s.o.).

Wer als JournalistIn eine Ladung zur Vernehmung als Zeuge bekommt oder - was in dem Bereich von Printmedien häufiger ist- ein Anschreiben mit bestimmten Fragen, die beantwortet werden sollen, sollte auf keinen Fall etwas ohne anwaltliche Beratung unternehmen. Häufig steckt hinter diesen Zeugenvorladungen ein Strafverfahren, dass sich gegen die JournalistIn selbst, die unter Pseudonym veröffentlicht hat, richtet. Als Zeuge musst du auf eine Ladung / ein Anschreiben der Polizei nicht reagieren, auch wenn sich die "Rechtsbelehrung" auf diesen Schreiben bedrohlich anhört. Erst ein Staatsanwalt oder Richter kann Zeugen zur Aussage zwingen (und z.B. in Beugehaft nehmen lassen, wenn die Aussage weiter ungerechtfertigt verweigert wird).

Die Materialien berufsmässiger Journalisten sind von Gesetzes wegen beschlagnahmefrei (s.o.).Gegen Beschlagnahmen, Durchsuchungen, Sicherstellungen, d.h. gegen alle polizeilichen und strafrechtlichen Massnahmen sind Rechtsmittel zulässig, die mit einem RA beraten werden sollten, möglichst bald nach der Massnahme.

Sofern mensch Beschuldigter eines Strafverfahrens ist, sollte sowieso klar sein, dass mensch von seinem Recht zu Schweigen Gebrauch macht, jedenfalls mindestens so lange bis ein RA des Vertrauens ggf. das Gegenteil rät.

Welche Rechte gibt es bei einer Einkesselung etc., wenn Pressearbeit gemacht wird?

Berufmässige Video-AktivistInnen (d.h. der Einfachheit halber, wer einen Presse-Ausweis hat) sollte die Polizei nicht an der Ausübung des Berufs, der ja zugleich auch Grundrechtsausübung ist, hindern. Die Grenzen, die die Polizei setzen kann, müssen immer wieder neu praktisch und juristisch ausgelotet werden; die Polizei wird jeweils alles untersagen wollen, was ihren Einsatz aus ihrer Sicht behindert. Dies wird häufig unrechtmässig sein - was erst hinterher auf juristischem Weg festgestellt werden kann.

Ohne Presse-Ausweis (bzw. gleichwertigen Nachweis der "Berufsmässigkeit" der Medientätigkeit) gibt es in der Praxis keine anderen Rechte als die, die jede/r DemonstrationsteilnehmerIn hat. Allerdings ist auch die einmalige Tätigkeit für Medien schon grundrechtlich geschützt, so dass du, wenn du einen RA einschalten möchtest, ggf. hinterher feststellen lassen kannst, ob eine polizeiliche Massnahme gegen Dich wegen des Grundrechtseingriffes rechtswidrig gewesen ist.

Wie werden Videos in Strafprozessen verwendet?

Wenn Videomaterial in Strafprozessen benutzt wird, muss die Authentizität der Aufnahmen bewiesen sein, am besten mit einer persönlichen Erklärung von FotografIn oder FilmerIn, dass die Aufnahmen von ihm/ihr sind, und dass sie ungeschnitten und auch ansonsten unmanipuliert sind. Sonst kann das Material nicht verwertet werden, wenn die Verteidigung sich auf dieses Argument stützt. Im Ermittlungsverfahren werden aber immer wieder auch Aufnahmen unbekannter Herkunft (meist TV-Aufnahmen oder von TV-Sendern oder Journalisten zur Verfügung gestellte oder sonst wie an die Polizei gelangte Aufnahmen) sehr wohl verwertet, z.B. auch um U-Haft zu begründen.

copyright und copyleft - Das Urheberrecht

Mit dem Urheberrecht bekommen VideoaktivistInnen in mehrfacher Hinsicht zu tun. Wenn Videos mit Musik unterlegt werden, muss, je nachdem, wo und wie sie veröffentlicht werden sollen (d.h.: fast immer!) darauf geachtet werden, dass die Musik nicht GEMA-geschützt ist oder es müssen entsprechende Anmeldungen erfolgen und Lizenzgelder an die GEMA gezahlt werden.Die GEMA ist ein Verein, der sich um die finanziellen Interessen von KünstlerInnen kümmert und bei jeder Verwertung für diese Geld kassieren darf. Das betrifft vor allem VeranstalterInnen von Konzerten, und zwar nicht nur in grossen Hallen, sondern z.B. auch in Jugendzentren oder Kneipen. Weiterhin trifft es die MacherInnen von Radiosendungen, aber eben auch Video-AktivistInnen.

Das Urheberrecht kommt auch zum Tragen, wenn ein Video nach der Veröffentlichung von andern geklaut wird und z.B. in einem kommerziellen Zusammenhang verwendet wird. Das Werk ist - allein aufgrund seiner Existenz - urheberrechtlich geschützt. Urheber (und die Inhaber der Nutzungsrechte, z.B. das Projekt, dass das Video veröffentlicht) können verschiedene Ansprüche auf Unterlassung, Beseitigung, Auskunft, Schadensersatz und Nennung als Urheber bzw. Inhaber von Rechten geltend machen. Dabei ist es unproblematisch, ob jemand unter einem Pseudonym oder Kunstnamen arbeitet oder unter dem/den richtigen Namen. In Streitfällen muss mensch aber die Urheberschaft bzw. die Rechte-Inhaberschaft beweisen können. Das kann kompliziert werden, wenn das Material vieler Leute zusammengeschnitten wird und einem Projekt zur Veröffentlichung zur Verfügung gestellt wird und kann, wenn nicht eine Vielzahl von Informationen rekonstruierbar oder schriftlich (am besten: vertraglich) dokumentiert ist, dazu führen, dass kommerziell geklaut werden kann, ohne dass mensch sich dagegen wehren kann.

Wenn Copyright egal ist, kann mit der Creative Common License gearbeitet werden. Die CCL sieht vor, dass das Werk auch von anderen benutzt werden kann, solange es nicht kommerziell verwendet wird. Missbrauch ist möglich, z.B. durch die Verwendung von Szenen in Musikvideos, und vor allem dann, wenn diese auch unter Creative Commons vertrieben werden.

trojan tv, August 2005 (alle Rechte bleiben beim Autor, nur nichtkommerzielle Verwendung gestattet), Quelle: http://www.videoactivism.de/rechtliches.html


Aufruf zu weltweiten public screenings

Aufruf zu weltweiten public screenings aktueller Video-Berichte über den Proteste gegen den G8 Gipfel 2007

Wir sind ein Netzwerk von VideoaktivistInnen aus der BRD. Im Rahmen der Proteste gegen den G8-Gipfel 2007 in Heiligendamm werden wir zusammen mit Videogruppen aus anderen Ländern Anfang Juni 2007 taeglich mehrere Videoberichte und eine live-Sendung auf der neuen Internetplattform http://g8-tv.org zum download anbieten.

Uns geht es nicht um die sensationelle Darstellung von Ausschreitungen, sondern wir wollen die Möglichkeit nutzen, inhaltlicher Kritik an der Politik der G8-Staaten eine Öffentlichkeit zu verschaffen. Unser Ziel ist es, eine unzensierte und solidarische Berichterstattung zur Protestbewegung zu gewährleisten. (Unser Konzept)

Wir planen vom 31. Mai bis zum 10. Juni täglich mindestens 3 Videoberichte mit einer Länge von jeweils ca. 5 Minuten und vom 2. - 8. Juni täglich ab 21 Uhr eine live-Sendung von einer halben Stunde im Format OggTheora bereit zu stellen. Die in deutsch und englisch moderierte live-Sendung wird im Format Nachrichtensendung / Talk-Show produziert und aktuelle Videoclips und Interviews mit AktivistInnen beinhalten.

Wir suchen weltweit Gruppen und Initiativen, die public screenings (öffentliche Aufführungen) an öffentlichen Orten, in Kinos und Offene TV-Kanälen organisieren und unsre Produktionen zeigen. Die screeningfaehige, hochqualitative Version der live-Sendung wird taeglich ab 22 Uhr (MEZ) online sein. Ausserdem wollen wir moeglichst viele unsrer tagesaktuellen Videoberichte auch in hocher Qualitaet und in moeglichst vielen Sprachen untertitelt zum download anbieten.

Um die Beiträge mit vertretbarem Zeitaufwand herunterzuladen wird ein Breitband-Internetanschluss (z.b. DSL) notwendig sein. Das ogg-Format kann z.B. mit der kostenlosen Software VLC oder mit einem Quicktime-Plugin abgespielt werden.

Meldet Euch wenn Ihr Interesse an einer solchen unkommerziellen Zusammenarbeit habt.

Mit freundlichen Grüßen

Netzwerk Videoaktivismus, www.videoactivism.de, videoactivism at nadir punkt org
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Indymedia ist eine Veröffentlichungsplattform, auf der jede und jeder selbstverfasste Berichte publizieren kann. Eine Überprüfung der Inhalte und eine redaktionelle Bearbeitung der Beiträge finden nicht statt. Bei Anregungen und Fragen zu diesem Artikel wenden sie sich bitte direkt an die Verfasserin oder den Verfasser.
(Moderationskriterien von Indymedia Deutschland)

Ergänzungen

Call for worldwide public screenings

Dein Name 14.05.2007 - 16:29
Call for worldwide public screenings of current video reports about the protests against the G8 summit 2007


We are a network of video activists from Germany. Together with video groups from other countries we will offer daily several video reports and a live-show to download from the new internet-platform  http://g8-tv.org in the context of the protests against the G8 summit 2007 in Heiligendamm starting in the beginning of June.

Our main goal is not to show sensational riot-clips but to offer a platform to publicize criticizm against the politics of the G8-states. Our aim is to grant uncensored reports in solidarity with the protest movements. You can look at our concept at  http://www.videoactivism.de/g8_en.html

Between May 31 and June 10 we plan at least three daily video-reports of approximately 5 minutes length each and between June 2 and 8 daily after 9 pm 30 minutes life-show in the format OggTheora (www.theora.org). This moderated live talk- and news show will be presented in German and English and include current video clips and interviews with activists.

We are looking for groups and initiatives worldwide who will organize public screenings in public places, cinemas and open tv-channels to show our productions. A high-quality version ready to screen of the live-show will be online daily after 10 pm (Central European Time). In addition we want to offer many of our daily video reports to download in high quality with subtitles in many different languages.

In order to download reports within a reasonable time a broadband internet-connection like DSL will be needed. The ogg-format can be played with the free software VLC (www.videolan.org) or with a quicktime-plugin ( http://xiph.org/quicktime/).

We will appreciate your interest in a non-commercial cooperation. Please let us know when and where you plan public screenings so that we can promote them.

With greetings,

Network Videoactivism
www.videoactivism.de
 videoactivism@nadir.org

Krypto

Pressefreiheit 15.05.2007 - 00:42
Wenn du in einer "kritischen" Situation Audio-/Video-Material aufnimmst
und damit rechnen musst, daß das Material hinterher (wenn man an dich rankommt)
ungerechtfertigt beschlagnahmt werden könnte, ist folgendes ebenfalls hilfreich:

1) Verschlüssele das aufgenommene Material möglichst bald (PDA oder Laptop).
Dann ist es für Dritte denen es in die Finger fällt wertlos / nicht auswertbar.
Besonders geeignet sind dazu "public key"-Verfahren.
Da verschlüsselst Du es mit einem Key (den kennst du, bzw den hast du dabei),
aber zum Entschlüsseln braucht es einen anderen Key (den kennst du evtl nicht,
weil den nur Bekannte deiner Freunde ausserhalb der kritischen Situation haben).
So kannst du selbst die aufgenommenen Daten glaubhaft/real gar nicht selbst entschlüsseln.
Das (für email-Verschlüsselung) verwendete Programm "PGP" lässt sich für sowas
prima zweckentfremden.

2) Trenne Kamera und Daten-Speicherung räumlich voneinander.
Normal gehen die Leute davon aus, daß da wo die Daten aufgenommen werden (Kamera)
diese auch gespeichert werden (und abgegriffen werden können).
Das muss aber gar nicht so sein.
Der schnelle Tausch/Weitergabe von Speicherkarten aus der Kamera an Dritte ist ein Weg,
aber es gibt noch viele andere Möglichkeiten da für Überraschungen zu sorgen.
WLAN und Bluetooth sind z.B. nett, um die Daten direkt während der Aufzeichnung
an scheinbar Unbeteiligte in deiner Nähe zu transferieren.

Technisch perfekt wäre natürlich die Kombination beider Techniken:
Erst die Daten public-key-verschlüsseln und dann sofort raus aus der Situation transferieren...
Aber das sind nur technische Tips, gute Inhalte sind natürlich das wichtigste :-)

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