Minden: Polizei ermöglicht Naziaufmarsch

Schaumburger AntifaschistInnen 18.03.2007 00:19 Themen: Antifa
Nach drei Fehlversuchen gelang es der neofaschisischen Szene am 17.03.07 nun erstmals, einen richtigen Aufmarsch in Minden (Westfalen) durchzuführen. Ermöglicht wurde dies durch ein Großaufgebot von über 800 PolizistInnen, die mit einer repressiven Taktik gegen antifaschistischen Widerstand vorgingen. Insgesamt beteiligten sich über 1.000 Menschen aus unterschiedlichen Spektren an den vielfältigen Gegenaktionen zum Naziaufmarsch.
Vorgeschichte

Alle drei vorangegangen Naziaufmärsche in Minden konnte erfolgreich verhindert werden. Während der erste Aufmarschversuch am 16.09.06 noch unter einem pseudo-antikapitalistischen Motto stand ( http://www.de.indymedia.org/2006/09/157283.shtml), handelt es sich bei den darauf folgenden Versuchen am 25.11.06 ( http://www.de.indymedia.org/2006/11/163014.shtml) und 24.12.06 ( http://de.indymedia.org/2006/12/164910.shtml) um Reaktionen auf die erfolgreiche Verhinderung, für welche die Polizei verantwortlich gemacht wurde. So stand auch der Aufmarsch am vergangenen Samstag unter dem Motto: "Für Frieden, Freiheit und Demonstrationsrecht". Ursprünglich fungierte Christian Worch als Anmelder. Wegen Streitigkeiten mit der maßgeblich für den Aufmarsch verantwortlichen "Nationalen Offensive Schaumburg" (NOS) zog er diese jedoch zurück. Es fand sich allerding schnell ein neuer Anmelder. Ein ebenfalls für den 17.03. geplanter Aufmarsch der NPD im nahe gelegenen Nienburg wurde zugunsten des Mindener Aufmarsches abgesagt.

Nazis

Die ersten Nazis trafen ab etwa 09.00 Uhr am Bahnhof ein, von wo aus sie um 10.30 Uhr ohne nennenswerte Verzögerungen von der Polizei über die Weserbrücke zum Wesertor geleitet wurden. Erst dort begann der offizielle Aufmarsch. Die meisten der knapp 170 Nazis reisten mit dem Zug an. Viele von ihnen kamen aus dem Ruhrgebiet und der Region Ostwestfalen-Lippe. Neben der NOS beteiligten sich auch viele anderen Niedersächsische Neonazis, wie die JN Verden und die NPD Hannover. Nach dem Rückzieher von Worch gewann die NOS Thomas "Steiner" Wullf als prominenten Unterstützer für den Aufmarsch. In seiner langen Rede heulte er sich über Polizeirepressionen und die "Auflösung des deutschen Volkes" aus. Neben ihm sprach unter anderem Sven Skoda aus Düsseldorf, der als eine Schlüsselfigur der Naziszene in NRW gilt und der NOS-Anführer Marcus Winter. Ein weiterer Redner wertete das Verhalten der Polizei dieses Mal als kooperativ. Um kurz nach 14.00 Uhr erreichten die Nazis wieder den Bahnhof und beendeten dort ihre Veranstaltung. Besonders auffällig an dem Aufmarsch war die ungewöhnliche Einheit aus NPD und sog. "Freien" Kameradschaften, die es in der Region bisher noch nicht in dieser Form zu beobachten gab.

Polizei

Mehr als 800 PolizistInnen aus ganz NRW beschützten die Nazis. Die Polizeitaktik war dieses Mal deutlich repressiver als bei den letzten Aufmärschen in Minden: Scharfe Kontrollen machten es schwierig, an die Nazi-Route heran zu kommen. Viele BeamtInnen waren ungewöhnlich aggressiv und regelrecht auf Konfrontationen mit GegendemonstrantInnen aus. Es entstand der Eindruck, als ob möglichst viele Personalien von AntifaschistInnen gesammelt werden sollten. Die Weserbrücke, die beim letzten Aufmarsch als Blockadepunkt diente, wurde dieses Mal besonders stark bewacht. Das Verhalten der Polizei am 17.03. war völlig überzogen. So wurden auch Minderjährige eingekesselt und mehrere Stunden lang festgehalten. Pauschal wurden Vorwürfe wie "Verstoß gegen das Vermummungsverbot" oder "Durchbrechen einer Polizeiabsperrung" gegen alle Nazi-GegnerInnen ausgesprochen, auch wenn es sich bei einigen um Minderjährige oder Menschen über 60 Jahren handelte. Eine ED-Behandlung aller Festgenommenen konnte nur durch das Einschreiten des Mindener Bürgermeisters und zweier Anwälten gestoppt werden. Die Polizei verstieß darüber hinaus gegen zahlreiche vorher getroffene Absprachen, wie z.B. die Zusage, auf an der Nazi-Route angebrachte Plakate von Mindener SchülerInnen aufzupassen. Unter den Augen der BeamtInnen konnten einige von Teilnehmern des Naziaufmarsches zerstört werden. Dem Bürgermeister, der diese Vorgänge zur Sprache bringen wollte, begegnete die Polizei äußerst aggressiv. Auch eine symbolische "Kehraktion" an der sich das Stadtoberhaupt beteiligen wollte, wurde von den Einsatzkräften massiv behindert, obwohl deren Gewährung zuvor fest zugesagt wurde.

Gegenaktionen

Den ganzen Tag über gab es eine Mahnwache des "Aktionsbündnis Minden gegen Nazis" am Wesertor. Diese wurde - je nachdem, wie nah die Nazis waren - zum Teil von mehreren Hundert Menschen besetzt. Um 10.30 Uhr startet eine bürgerliche Demo von der Martinikirche in Richtung Grimpenwall. Auf der Abschlusskundgebung wurde in Redebeiträgen auf die Aktivitäten der regionalen Nazi-Szene hingewiesen. Es wurde auch daran erinnert, dass Sitzblockaden ein demokratisch legitimiertes Mittel des Widerstandes sind. Nachdem die Nazis das Wesertor passiert hatten, versuchten zahlreiche AntifaschistInnen in Kleingruppen an die Naziroute heranzukommen. Trotz massiver Polizeipräsenz gelang es etwa 100 Menschen, die Hermannstraße zu blockieren. Die Polizei kesselte die BlockiererInnen ein, um sie in Gewahrsam zu nehmen. Da dies einige Zeit in Anspruch nahm, wurden die Nazis über eine Parallelstraße weiter geleitet. Einer anderen Gruppe GegendemonstrantInnen gelang es kurzzeitig auch dorthin zu kommen. Vereinzelt flogen Steine und Flaschen in Richtung der Nazis. Um Verwirrung zu stiften, setzten Unbekannte unweit der Geschehnisse einige Müllcontainer in Brand. Trotz anfänglicher Schwierigkeiten wurde die Polizei jedoch relativ schnell wieder Herr der Lage. An der Brühlstraße, direkt vor der Abschlusskundgebung der Nazis, versammelten sich knapp 50 Menschen zu einer Mahnwache.

Insgesamt waren über 1.000 Nazi-GegnerInnen in Minden unterwegs. Nachdem die Nazis auf den Rückweg über die abgesperrte Weserbrücke angetreten hatten, formierten sich etwa 60 AntifaschistInnen zu einer spontanen Demo durch die Mindener Fußgängerzone.


Fazit

Unerfreulich ist, dass der Naziaufmarsch dieses Mal nicht verhindert werden konnte. Trotzdem kann der 17.03.07 auch als politischer Erfolg für den antifaschistischen Widerstand in Minden gewertet werden. Die Stadt war voller Menschen, die mit verschiedenen Aktionen der faschistischen Provokation entgegen getreten sind. Vielen MindenerInnen wurde deutlich gemacht, dass das in der Presse propagierte "aktive Wegschauen" nicht gegen einen Naziaufmarsch hilft. Die Polizei hat in Minden polarisiert. Gegen den Willen der Menschen der Stadt, gegen jede Bedenken und Kritik ihres gewählten Bürgermeisters und mit Gewalt gegen Schüler und Antifas hat die Polizei die Nazis ausschließlich nach ihrem Konzept durch Minden geleitet. So wirkten sie auf viele Menschen wie Besatzer. Die Folgen werden sich sicherlich beim angekündigten, nächsten Aufmarsch der Nazis zeigen...

Auch die Nazis können nur einen scheinbaren Erfolg verbuchen. Ohne die eigentlich von Ihnen so verhasse Polizei wäre ihr Aufmarsch nicht möglich gewesen. Die "Nationale Revolution" fand wieder einmal nur hinter Polizeiketten statt.
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Ergänzungen

hätte deutlich mehr gehen können!

antifaschistische aktion 18.03.2007 - 13:35
kurz nach start der nazidemo, direkt am wesertor, waren die bullen extrem kurz davor, die kontrolle zu verlieren. als aktive antifas die ersten hamburger gitter abgeräumt hatten, waren auch die ersten reihen der nazis kurz davor auszubrechen und auf die gegenkundgebung zuzustürmen, nachdem sie kräftig steine und flaschen kassiert hatten. leider war in dem moment nur ein bruchteil aller antifas vor ort.
an der stelle muss auch solidarische kritik an der koordinierung erlaubt sein. als die nazis auf der weserbrücke eintrafen, waren kaum aktive antifas am wesertor, weil kurz vorher zu der späteren blockade in der walachei aufgerufen war. zu diesem zeitpunkt an dieser stelle ziemlich unsinnig! vor allem deshalb fehlten dann auch entschlossene leute, als was hätte gehen können. (siehe oben)
zum glück waren deutlich mehr antifas als die gekesselten unterwegs, und die faschos haben immer wieder gut kassiert. in kleinen gruppen anreisende genau wie möchtegern-anti-antifas, die sich in schöner regelmäßigkeit zu den bösen, bösen bullen geflüchtet haben.
alles in allem bleibt deshalb dem statement zuzustimmen, dass nur die bullen diese nazi-demo "gegen repression" ermöglicht haben, wir es den bullen aber auch leichter als nötig gemacht haben. das sollte kein zweites mal passieren.

Alex Franke

Tim 18.03.2007 - 14:18
Erwähnenswert wäre auch noch das Outing vom Nazi Alexander Franke, der sich unter die Gegendemonstranten mischte. Sein Leben scheint wohl eine einzige Blamage darzustellen. Drei kurze Videos füge ich mal an.

nazis an der brücke

bööp 18.03.2007 - 15:20
erwähnenswert sind vielleicht noch die 4 jung-nazis(darunter ein mädchen)die bei der polizei absperrung an der brücke plötzlich auf seite der antifas mit reichsflagge langstolzierten.
als schließlich 60-70 antifas hinter ihnen her waren und sie ein wenig prügel bezogen hatten, begaben sie sich zur 4 zivi's die schon dabei waren den warnschuss vorzubereiten.
die antifas wurden dann von den netten beamten die die brücke sichern sollten weggetrieben.

Fundstücke

Argwöhnischer Beobachter 18.03.2007 - 22:19
Interessant finde ich, was sich am nächsten Tag hier finden ließ...Flyer mit Werbung für den "Castle Hills Publishers" Verlag bzw. dessen Website, ein wiederlicher revisionistischer Verein von Holocaust-Leugnern um Germar Rudolfs, sowie Aufkleber des achso unschuldigen Hess...anscheinend wollte jemand witzig sein, als er den Dreck in dem Teil der Altstadt verteilte, in dem neben des Parteisitzes der Grünen auch noch die Mindener Friedenswoche, ein Weltladen sowie ein Geschäft für exotische Instrumente befindet.
Das ist nicht das erste Mal, dass Minden mit Papierverschwendung dieser Art zu kämpfen hat, wir werden die Sache weiter im Auge behalten und bei weiterer Häufung versuchen, eine Chronologie zu erstellen.

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was soll das eigentlich ???

eremitos 18.03.2007 - 14:15
Dieses ewige nazi-demo und gegen-demo kotzt einem schon längst an, ist doch höchstens selbstbefriedigung; gibt es denn wirklich keine wichtigeren sachen. hier mal ein paar vorschläge für demos: Steuererhöhungen, kriegseinsätze, überwachungsstaat, sozialabbau, arbeitsplätzeverlagerungen ...

Bild

Schaumburger AntifaschistInnen 18.03.2007 - 14:19
Hier noch ein Bild. Die Nazis sind aufgrund der vielen PolizistInnen kaum zu sehen. Das könnte mensch als "symbolisch" für den 17.03. in Minden bezeichnen.

Eigentlich sollte das Foto Vorschaubild für den Artikel werden. Vielleicht können die Mods da ja noch was machen...

los pronomes possesivos

shutup 18.03.2007 - 16:46
und was lief da jetzt mit dem franke?der läuft auch in seiner freizeit mit linken sachen rum..versteh jetzt die aufregung um den nicht so ganz ?!?

@los pronomes possessivos

Tim 18.03.2007 - 17:12
Der Alex ist bekanntermaßen ein Neonazi. Das kannst du auch hier bei Indymedia nachlesen.

los pronomes possesivos2

shutup 18.03.2007 - 17:27
ja gut,mag jeder denken was er will.diese internetseite von pforte westfalens ist aber auf einen Frank Scholz aus Altena angemeldet?weiß jemand was drüber?

Enttäuschend

Spektakel 18.03.2007 - 17:34
Im Verlauf der Antifa-Mahnwache am Wesertor wurde zwischenzeitlich ein Sprechchor mit "Torben Torben - Schade um den Baum" gerufen. Falls das eine Anspielung auf den im Dezember verunglückten Schüler Torben Voigt ist, der auch auf www.widerstand-minden.de erwähnt wird, muss ich mich mehr als deutlich von solchen Aktionen distanzieren. Man sollte meinen, das zumindest auf unserer Seite eine gewisse Achtung vor den Toten vorhanden sein muss - auch wenn es sich dabei um Neonazis und ihre Ableger handelt.

@ Spektakel u.Pnub

heul doch 18.03.2007 - 22:07
Die Antifaschistische bewegung wird toten Nazis ganz bestimmt null Toleranz entgegenbringen! Sollen wir etwa auch den toten deutschen Soldaten nachheulen? NIEMALS, insofern finde ich es voll und ganz vertretbar, wenn eine Gruppe Antifas Parolen wie "Torben Torben - Schade um den Baum" oder „Stalingrad war wunderbar, Nazi-Opa blieb gleich da“ von sich gibt. Nazis unter die Erde!!!

@ heul doch

Spektakel 18.03.2007 - 23:43
Ich glaube nicht das wir an dieser Stelle Wehrmachtssoldaten mit Neuen Rechten vergleichen dürfen. Mit Einstellungen wie dieser, stachelt man nur unnötigen Hass und Fanatismus an! Für mich als Sozialdemokrat ist dies in keinster Weise vertretbar - zumal der Vater von Torben Vogt ebenfalls SPD-Mitglied ist. Es geht im Endeffekt darum, sich nicht auf niedere moralische Ebenen einzulassen wie es die Neonazis in diesem Land tun. Denn für die Aktionen der Extremisten muss oftmals das komplette antifaschistische Lager geradestehen.