Hamburg: Nazi-Aktivist jetzt Antifaschist?

Aufwiegler 09.03.2007 23:52 Themen: Antifa
Nazi-Aktivist jetzt Antifaschist? – Oder: Die wundersame Wandlung des WALTER HOECK

In einem Artikel der lokalen Tageszeitung präsentierte sich ein langjähriger Nazi-Aktivist als Antifaschist.
Hamburg: Nazi-Aktivist jetzt Antifaschist? - Oder: Die wundersame Wandlung des WALTER HOECK

Da staunten Hamburger AntifaschistInnen nicht schlecht: In einem Artikel über den Tag des Gedenkens an die Opfer des Nationalsozialismus in den „Harburger Anzeigen und Nachrichten“ (HAN) vom 29.01.07, der lokalen Tageszeitung für Hamburgs Süden, war geradezu wundersames zu lesen. Berichtet wurde über die alljährliche Kranzniederlegung an der ehemaligen Synagoge in Hamburg-Harburg am 27.01.07. Zu der kleinen Gruppe der Gedenkenden gesellte sich WALTER HOECK und nicht nur dieses, er ließ sich für den Artikel sogar mit Portraitfoto ablichten und wurde auch wörtlich zitiert: „Ich befürchte, dass das Geschehene langsam in Vergessenheit gerät“ und „Man darf nicht aufgeben, zu erinnern“. Den Beteiligten war offensichtlich nicht bewusst, um wem es sich bei WALTER HOECK handelt.

Dass sich ein Mensch von heute auf morgen von einem langjährigen Nazi-Aktivisten zu einem Antifaschisten entwickelt scheint im Falle eines über 50jährigen doch mehr als unwahrscheinlich zu sein. Doch auch in seiner unmittelbaren Nachbarschaft in Hamburg-Heimfeld hat HOECK vor kurzem sein typisches provokant-aggressives Verhalten aufgegeben und engagiert sich dort jetzt beispielsweise für die Initiative „Rettet den Volksentscheid!“, die vom DGB, dem „rot-grünen“ Spektrum und auch von der Hamburger Linkspartei (bzw. PDS und WASG) unterstützt wird. Im Dezember 2006 war HOECK Hauptinitiator eines Treffens zur Gründung einer neuen Partei bzw. Wählervereinigung zur kommenden Bürgerschafts- bzw. Bezirksversammlungswahl. Über die Lebensfähigkeit und die politische Ausrichtung dieses Projekts ist nichts konkretes bekannt.

Noch vor wenigen Monaten gab es nicht die geringsten Anzeichen einer scheinbaren Wandlung: Am Abend des 3O. Oktober 2006 griff HOECK gemeinsam mit seinem Stiefsohn SEBASTIAN JISKE in einen Beziehungsstreit im gemeinsamen Wohnhaus in der Heimfelder Str. 11 ein. Dabei fügten sie einem 35jährigen Mann kurdischer Herkunft schwere Kopfverletzungen zu. Die Beiden Nazis wurden anschließend festgenommen, ein Totschläger sowie ein Schraubendreher und eine Gaswaffe wurden sichergestellt. Mit der Gaswaffe bedrohte HOECK zudem mindestens einen Zeugen, der die beiden Nazis aufforderte, von dem schwer verletzten Mann abzulassen, auf den beide „wie verrückt“ einprügelten, so der Zeuge. Dieser und andere Zeugen wurden zeitgleich von der ebenfalls anwesenden BARBARA JISKE im völlig blutverschmierten Hausflur rassistisch bepöbelt. Die HAN berichtete am 08.11.06 unter der Überschrift „NPD-Mann im Gewaltrausch“ auf der Titelseite über diesen Vorfall. Gegen HOECK und SEBASTIAN JISKE läuft deshalb ein Verfahren wegen schwerer Körperverletzung und Bedrohung . Sowohl BARBARA JISKE, die Lebensgefährtin von HOECK, als auch ihr Sohn SEBASTIAN JISKE waren 2005 und 2006 gemeinsam mit HOECK an zahlreichen Nazi-Aktivitäten beteiligt. Insbesondere bei Nazi-Aufmärschen und NPD-Infotischen – auch außerhalb von Hamburg – wurden sie immer wieder gesichtet.

HOECK feierte noch im September 2006 den Einzug der NPD in den Landtag von Mecklenburg-Vorpommern . Kurz darauf, im Herbst 2006, wurde er vom Landesschiedsgericht der Hamburger NPD wegen „parteischädigenden Verhaltens“ aus der Partei ausgeschlossen. Die Gründe hierfür waren neben seinem psychotischen Hang zu Pöbeleien und Gewalt in aller Öffentlichkeit auch schwerwiegende Anschuldigungen gegen den ehemaligen stellvertretenden Hamburger Landesvorsitzenden und Kreisvorsitzenden von Hamburg-Harburg, MARTIN DEMBOWSKY , mit dem HOECK zumindest bis zum Frühjahr 2006 noch eng zusammengearbeitet hat. DEMBOWSKY, der auf der Internetseite des neonazistischen „Aktionsbüro Norddeutschland“ im Dezember 2006 wegen seiner vermeintlichen Mitgliedschaft in der esoterisch-satanistischen Sekte „Thelema Society“ als „Verräter“ geoutet wurde, ist mittlerweile von allen seinen Funktionen zurückgetreten. In einer Gegendarstellung zu dieser Veröffentlichung bezeichnet DEMBOWSKY u.a. HOECK als Initiator einer Schmutzkampagne gegen seine Person. DEMBOWSKY, der nach eigenen Angaben gegen HOECK Strafanzeige erstattet hat, bezeichnet seinen einstigen „Kameraden“ darüber hinaus als Gewalttäter und Kriminellen.

Bei WALTER HOECK handelt es sich nicht um einen unbedeutenden „Mitläufer“: Mindestens seit 2004 ist er an den zahlreichen Aktivitäten des NPD-Kreisverbandes Hamburg-Harburg beteiligt gewesen. Neben den NPD-Aktivitäten startete er auch eigene politische Aktivitäten, so entwarf und verklebte er 2005 mehrere Kleinplakate, die vor wirren Inhalt und Rechtschreibfehlern nur so strotzten. HOECK war auch regelmäßiger Teilnehmer des „Arbeitskreis für deutsche Geschichte“, einen Gemeinschaftsprojekt der örtlichen NPD und von „freien Nationalisten“. Hier tat er sich als besonders engagierter „Geschichtsforscher“ hervor. Im Bundestagswahlkampf 2005 fiel HOECK mehrfach als besonders fleißiger Wahlkämpfer auf. Ihre politische Gesinnung stellte die Nazi-Familie HOECK/JISKE offen zur Schau: Im Winter 2005/06 verwendeten sie eine schwarz-weiss-rote Fahne als Fenstervorhang Darüber hinaus versuchte HOECK sich auch immer wieder als Anti-Antifa-Aktivist: So versuchte er immer wieder über vermeintliche oder wirkliche politische GegnerInnen Informationen einzuholen, diese zu beobachten und zu fotografieren. Auch vor und in Veranstaltungsorten und Treffpunkten tauchte er mehrfach auf um zu spionieren, oft so ungeschickt, dass er dadurch wieder auffiel. Gute Kontakte hat(te) HOECK auch zu den „freien Nationalisten“ aus den Raum Hamburg-Harburg und Seevetal um den CHRISTIAN-WORCH-Zögling ALEXANDER HOHENSEE und FRANK FÖRSTERLING („Frank the Tank“). Auch zu der mittlerweile abgesetzten Hamburger Landesvorsitzenden der NPD, ANJA ZYSK, hatte HOECK noch 2005 regelmäßigen Kontakt. ZYSK hielt sich auch außerhalb von öffentlichen Aktionen häufiger im Hamburger Süden auf.

Eine markante Eigenart von WALTER HOECK ist es, schon bei geringsten Anlässen die Polizei zu rufen und Strafanzeige zu stellen. Hiervon sind nicht nur vermeintliche oder wirkliche politische GegnerInnen betroffen, sondern auch NachbarInnen und Personen, mit denen HOECK an öffentlichen Orten aneinander gerät. Eine mögliche Ursache seines „Anzeigen-Fetischismus“ könnte darin liegen, dass er selbst seit Jahren mit Anzeigen und Strafverfahren überzogen wird. Kurz gesagt, bei Polizei und Staatsanwaltschaft ist HOECK ein „guter alter Bekannter“: Im Zeitraum 2004/05 wurde gegen ihn wegen Verwendung nationalsozialistischer Kennzeichen ermittelt, hinzu kam mindestens ein weiteres Ermittlungsverfahren wegen Beleidigung und Bedrohung. Im Jahr 2006 tat HOECK einiges, um seinen Bekanntheitsgrad nochmals zu vergrößern: Die Anzahl der bekannt gewordenen Anzeigen bzw. Ermittlungsverfahren gegen ihn beläuft sich für 2006 auf ein gutes halbes Dutzend! Neben dem bereits dargestellten Gewaltexzess vom 30.10.06 und der Anzeige von DEMBOWSKY, gab es eine Reihe weiterer Ereignisse, die jetzt ihre juristische Folgen nach sich ziehen:

- Am 22.04.06 kam es am S-Bahnhof Neugraben zu einer Auseinandersetzung zwischen einer Gruppe junger AntifaschistInnen und Nazi-AktivistInnen. Dabei beging HOECK eine schwere Körperverletzung, in dem er einen Jugendlichen mit einem Teleskopschlagstock auf den Kopf schlug.. Daraufhin wurden HOECK und SEBASTIAN JISKE mit Reizgas eingedeckt, beide müssen danach zur ambulanten Behandlung ins Krankenhaus. Kaum hatte HOECK das Krankenhaus verlassen, fuhr er wieder nach Hamburg-Neugraben und störte dort unter wüsten Gepöbel eine öffentliche Gedenkveranstaltung der örtlichen SPD zur Erinnerung an Opfer der Nazi-Diktatur. Das Ergebnis war eine Anzeige wegen Beleidigung und Gewaltandrohung, eine ganze Reihe von SPD-FunktionsträgerInnen wurden Zeugen seiner Ausfälle.

- Genau eine Woche später, am 29.04.06, versuchte die NPD auf dem Seeveplatz in Hamburg-Harburg mit Hilfe eines Infotisches ihre Propaganda zu verbreiten. Da dieses Vorhaben im Vorwege bekannt wurde, gab es eine antifaschistische Mobilisierung gegen die Nazis. Ein größeres Polizeiaufgebot zog auf und „gitterte“ die nicht einmal 30 Nazis auf dem Seeveplatz ein, so das diese ihr Propagandamaterial lediglich unter sich selbst verteilen konnten. Als ein älterer Nazi die Absperrung überwinden wollte, um zu seinen „Kameraden“ zu kommen, wurde dieser in Gewahrsam genommen. Daraufhin kam zu einen Tumult, bei dem HOECK und ein junger Nazi festgenommen wurden. Das Ergebnis: Ein weiteres Ermittlungsverfahren, dieses mal wegen Widerstandes, versuchter Gefangenenbefreiung, Körperverletzung (ein beteiligter Bulle wurde leicht verletzt) sowie wegen Verstoß gegen das Versammlungsgesetz. Seinen Personalausweis hatte HOECK nicht dabei, aber mal wieder seinen Teleskopschlagstock.

Was treibt einen langjährigen Nazi-Aktivisten wie WALTER HOECK dazu, sich in aller Öffentlichkeit als Antifaschist zu präsentieren? Nach der Lektüre der aufgeführten Fakten, kann es eigentlich nur eine logische Antwort geben: HOECK, der vermutlich auch vorbestraft ist, droht eine längere Haftstrafe! Aber: Haftstrafen von bis zu 24 Monaten können zur Bewährung ausgesetzt werden und nur darum scheint es ihm zu gehen. Wichtig ist es hierbei, dass einem eine günstige „Sozialprognose“ attestiert wird. Sein vermeintlicher Ausstieg aus der Nazi-Szene soll beweisen, dass er sich geändert hat. Der oben erwähnte HAN-Artikel ist somit ein wichtiger Baustein, der die Legende von seinem Ausstieg untermauern soll . Außerdem hat der langzeit-erwerbslose HOECK seit kurzem einen 1-Euro-Job, auch dieser Umstand könnte zu seinen Gunsten ausgelegt werden.

Letzten Monat hat nun die juristische Aufarbeitung von einigen der geschilderten Ereignisse begonnen. Sollte es sich bewahrheiten, dass sich HOECK vor Gericht vom bundesweit bekannten Nazi-Rechtsanwalt JÜRGEN RIEGER vertreten lässt, sollten auch die letzten Hoffnungen auf eine Wandlung von HOECK wie Seifenblasen zerplatzt sein.

Link zum HAN Artikel:  http://www.han-online.de/HANArticlePool/000001106a160f4f007f0000000000026bcb72ca
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Ergänzungen

Exegese

Leser 10.03.2007 - 14:44
Ich kann nicht erkennen, dass Hoeck in dem HAN-Artikel irgendetwas sagt, dass einen "Ausstieg" vorbereiten könnte, außer dass er es bei einer Gedenkveranstaltung am 27.1. gesagt hat. Er wird zitiert mit: "Ich befürchte, dass das Geschehene langsam in Vergessenheit gerät". "Das Geschehene" kann sehr wohl heißen: die "Heldentaten" des NS-Regimes. Und es heißt im Artikel, er mache "auch all jenen Mut, die die Geschichte der NS-Zeit immer wieder in die Gegenwart holen". Nun, das tun Neonazis doch auch, oedr? "Man darf nicht aufgeben, zu erinnern", soll Hoeck gesagt haben. Erinnern an was? An den "Bombenterror" beispielsweise, wie er und seine Kameraden es im Sommer 2006 auf dem Ohlsdorfer Friedhof taten. Hoeck war also am 27.1. bei der Gedenkveranstaltung und ist dem ahnungslosen Berichterstatter vor die Füße gelaufen und hat ein paar zweideutige Sätze gesagt. Von einem "Ausstieg" Hoecks kann auf dieser Quellengrundlage gar keine Rede sein.

Beiträge die keine inhaltliche Ergänzung darstellen

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Neues Betätigungsfeld — doof geschaut

Die Lösung ist einfach... — Borkenarrow

Fischer — lol

@geruth — mein name

was ist da los — max

mal richtig lesen.. — Der Gertruth

was hoeck wirklich meint... — neunmalklug

@Max — ex-bergedorfer

ex Bergedorfer — max

Was ist los — Mister X

Rechte Schulungstätte — Aufklärer

@Aufklärer 20.02.2010 - 11:29 — Psychoanalütiker