Frontex mit neuen Zielen

Ralf Streck 01.03.2007 16:18 Themen: Antirassismus Globalisierung Repression
Die deutsche EU-Ratspräsidentschaft will Frontex massiv aufrüsteten, Gastbeamte aus der EU kontrollieren schon am Frankfurter Flughafen mit exekutiven Befugnissen. Bevor im Frühjahr wieder zahlreiche Boote starten, mit denen Flüchtlinge und Einwanderer versuchen nach Europa zu gelangen, soll die europäische Grenzagentur Frontex aufgerüstet werden. Derzeit wird auf Betreiben von Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble und des EU-Kommissars für Justiz, Freiheit und Sicherheit Franco Frattini die "Verordnung über einen Mechanismus zur Bildung von Soforteinsatzteams für Grenzsicherungszwecke" vorangetrieben. Mit ihr soll ein Zentralregister für Einsatzmittel – und Kräfte zur Abschottung der Grenzen geschaffen werden und über sie sollen auch Grenzbeamte gegenseitig ausgetauscht werden können, die dann im Gastland der EU auch exekutive Befugnisse erhalten sollen. Am Frankfurter Flughafen läuft schon ein Probelauf. Das sind neue Schritte hin zu einem gemeinsamen europäischen Grenzschutz, wie ihn Frattini fordert. Agiert wird, wie gerade im Fall der nach Mauretanien geschleppten Marine I deutlich wird, meist auf rechtlich schlüpfriger Basis. Unter menschenunwürdigen Bedingungen versucht die spanische Polizei dort seit Wochen die Herkunft von 400 Flüchtlingen zu ermitteln.
Dass die Grenzagentur Frontex an Bedeutung gewinnt, zeigt sich schon daran, dass sich ihr Budget in den letzten Jahren vervielfacht hat. Aus dem EU-Haushalt wurde die kleine Agentur mit Sitz in der polnischen Hauptstadt Warschau im Gründungsjahr 2005 noch mit 6,3 Millionen Euro ausgestattet. Im vergangenen Jahr verdoppelte sich die Summe schon fast auf 11,7 Millionen Euro und für dieses Jahr wurde das Budget auf rund 35 Millionen Euro noch einmal verdreifacht. Angesichts der Aufgaben, die Frontex demnächst ausführen soll, könnte es sogar noch eine weitere Aufstockung der Finanzmittel geben.

Als Aufgaben der Agentur werden offiziell genannt: Durchführung von Risikoanalysen, die Koordinierung der operativen Zusammenarbeit der Mitgliedsstaaten beim Schutz der Außengrenzen, die Unterstützung bei verstärkten Kontrollen der Außengrenzen, die Hilfe bei der Ausbildung von Grenzschutzbeamten, die Verfolgung der für den Außengrenzschutz relevanten Forschung, und die Unterstützung der Mitgliedsstaaten bei der Organisation gemeinsamer Abschiebeaktionen. Viele Details über die Agentur, bei der nachrichtendienstliche und polizeiliche Fäden der EU zusammenlaufen, gibt es nicht. Sie ist einer parlamentarischen Kontrolle weitgehend entzogen. Den Großteil der Fragen einer Anfrage der Grünen Bundestagsfraktion wies die Bundesregierung ab, weil Frontex gegenüber den Mitgliedsstaaten nicht in einer Informationspflicht stehe.

Bekannt gemacht hat Frontex, das am 15. Februar auf niedrigem Niveau mit Hera III, dem 2007 wohl bedeutsamstem Einsatz, begonnen wurde. Das ist ein Folgeeinsatz ihrer wohl bekanntesten Einsätze. Hinter dem Namen Hera verbirgt sich der Versuch die Kanarischen Inseln abzuschotten. Spanien hatte Hera I und II 2006 beantragt. An den multinationalen Einsätzen vor der westafrikanischen Küste, von Marokko bis Guinea-Bissau, beteiligten sich diverse EU-Staaten.

Schiffe, Hubschrauber und Flugzeugen wurden eingesetzt, um die Boot wenn möglich schon in Westafrika abzufangen. Die Einsätze müssen als gescheitert bezeichnet werden, denn niemals zuvor gelang so vielen Menschen die gefährliche Überfahrt. Mit mehr als 31.000 waren es gleich sechs Mal so viele Menschen als im Vorjahr. Die Kanaren wurden deshalb zum verstärkten Ziel, weil die Wege über Marokko und in die spanischen Exklaven Ceuta und Melilla weitgehend verschlossen wurden. Da die Wege immer länger werden, bis zu 3000 Kilometer werden nun schon zurückgelegt, steigt auch die Zahl derer, die den Versuch mit dem Leben bezahlen. Geschätzt wird, dass es im vergangenen Jahr mit 6000 Toten erneut ein lautloses Massensterben vor den Urlaubsinseln gegeben hat.

Hera III ist in zwei operative Einheiten aufgeteilt. Derzeit befragen Spezialisten aus Deutschland, Italien, Luxemburg und Portugal Flüchtlinge auf den Kanarischen Inseln über die Routen, die sie mit ihren Booten genommen haben. Im zweiten Teil sollen diese Routen demnächst mit Flugzeugen, Hubschraubern und Schiffen überwacht werden, um die Boote möglichst schon vor der westafrikanischen Küste abzufangen.

"Der erste Schritt ist grundsätzlich die Erstellung einer Risikoanalyse durch Frontex", erklärte deren Exekutivdirektor Ilkka Laitinen kürzlich in Frankfurt. Auf deren Basis werde mit den betroffenen Mitgliedstaaten ein Einsatzplan erstellt und an andere Mitgliedstaaten ein Hilfsersuchen gerichtet. Mit deren Angeboten werde dann der konkrete Einsatzplan für die Maßnahme mit den Beteiligten EU-Staaten erstellt, sagte der Finne. "Frontex hat eine Koordinierungsfunktion", deren Stärke sei abhängig von der Bereitschaft der Mitgliedstaaten an den Einsätzen teilzunehmen, denn Frontex verfügt über keine eigenen Einsatzmittel. Für Frattini ist Frontex nur die Keimzelle einer gemeinsamen europäischen Küstenwache "unter einer Flagge", deren Bildung er erneut gefordert hat.

Doch bis dahin ist es wohl ein längerer Weg und noch muss der EU-Kommissar die Mitgliedsstaaten zu mehr Unterstützung aufrufen. Für Einsätze im laufenden Jahr fehlten noch die Hälfte der geforderten Sachmittel und Teams, bevor die Einsatz vor Westafrika und im Mittelmeer vor Malta und Sizilien im Frühjahr in die heiße Phase übergehen werden. Bisher seien von 19 Ländern insgesamt 48 Schiffe, 13 Hubschrauber, 8 Flugzeuge und drei mobile Radarstationen zur Verfügung gestellt worden. Den Hauptteil hätten Spanien, Deutschland, Italien und Finnland gemeldet.

So legt sich für die deutsche Ratspräsidentschaft vor allem Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble für Frontex ins Zeug: "Die Bürger erwarten von Europa einen effektiven Schutz der gemeinsamen Außengrenzen. Und nur gemeinsam und solidarisch können wir illegale Migration effektiv bekämpfen.“ Deutschland gehe bei seinem Beitrag zum Aufbau eines Zentralregisters mit gutem Beispiel voran. Vier Hubschrauber für die Land- und Seegrenzüberwachung, ein Schiff für den Einsatz im Bereich der Nord- oder Ostsee sowie tragbare Wärmebildgeräte habe man für das Zentralregister der Europäischen Grenzschutzagentur gemeldet. Deutschland muss das zum Führen und Bedienen der Geräte notwendige Personal stellen, finanzieren und ständig auf Abruf bereithalten.

Die Teams und Sachmittel sollen, so wollen es Schäuble und Frattini, in ein Zentralregister, eine sich im Aufbau befindliche "Toolbox", einfließen. In der Datenbank sollen auch verfügbares Equipment, wie tragbare Wärmebildgeräte, aufgelistet werden. Frontex soll so in die Lage versetzt werden, in kürzester Zeit ein "Soforteinsatzteam" zusammenstellen können, wenn ein Mitgliedstaat "an seinen Grenzen einer besonderen Belastung durch illegale Migration ausgesetzt ist". Für die erweiterten Aufgaben, soll der Personalstamm der Agentur bis zum Jahresende auf bis zu 140 Personen ausgebaut werden.

Die Toolbox ist ein Bestandteil der "Verordnung über einen Mechanismus zur Bildung von Soforteinsatzteams für Grenzsicherungszwecke", die von Schäuble und Frattini vorangetrieben wird und in den entsprechenden Gremien gerade beraten wird. Sie sieht auch vor, dass im Rahmen der EU-Zusammenarbeit "Gastbeamte" zwischen den Mitgliedsstaaten für den Grenzschutz ausgetauscht werden, die im Gastland auch "exekutive Befugnisse" erhalten sollen.

Frontex habe bisher vier Hauptrouten illegaler Migration in die EU ausgemacht: Über die südlichen Seeaußengrenzen, sowie die östlichen Landaußengrenzen über den Balkan und dazu kämen die bedeutenden internationalen Flughäfen. Auf europäischen Flughäfen findet derzeit ein Probelauf mit Gastbeamten statt. Bis zum 9. März kontrollieren auch Grenzpolizisten aus sieben EU-Ländern auf dem Frankfurter Flughafen ankommende Passagiere. Der Einsatz begann letzte Woche.

Neben Frankfurt sind auch die Flughäfen Madrid, Barcelona, Lissabon, Paris, Amsterdam, Mailand und Rom in die Aktion eingebunden. Insgesamt 29 Grenzschutzexperten aus sieben EU-Mitgliedstaaten seien dort nun im Einsatz. Sieben Grenzschützer aus Griechenland, Rumänien, Bulgarien und Polen beteiligten sich zudem als Beobachter. Und Schäuble hat gleich Nägel mit Köpfen gemacht. In Frankfurt kann ein Reisender tatsächlich von Grenzschützern aus anderen EU-Ländern in deren Landesuniform kontrolliert werden, denn ihnen wurden schon jetzt exekutive Befugnisse übertragen.

Schäubles Staatssekretär Peter Altmaier machte klar, dass die Grenzsicherungsverordnung eine deutsche Priorität ist: "Es ist eines der Ziele der deutschen Präsidentschaft, bis zur nächsten Tagung der Innenminister im April politisches Einvernehmen zwischen Parlament und Rat zum Verordnungstext herzustellen“. Dabei weiß man in Brüssel genau, dass die rechtliche Grundlage für Einsätze von Frontex zum Teil ungeklärt ist. Das geht auch aus einer Mitteilung der EU-Kommission an den Rat hervor. Demnach sei bisher nicht "genauer festgelegt, wie beim Abfangen von Schiffen zu verfahren ist, auf denen sich nachweislich oder mutmaßlich illegale Einwanderer auf dem Weg in die Europäische Union befinden". Gefordert werden "regionale Vereinbarungen", die das "Recht auf Überwachung und Abfangen von Schiffen in den Hoheitsgewässern bestimmter Herkunfts- und Transitländer festschreiben könnten".

Bei nicht in bilateralen oder regionalen Vereinbarungen geregelten Fragen könnte die Erarbeitung praktischer Leitlinien zu mehr Klarheit und einer gewissen Vorhersehbarkeit hinsichtlich der Einhaltung der aus internationalem Recht erwachsenden Pflichten durch die Mitgliedstaaten beitragen, heißt es in dem Text. "Die Leitlinien sollten deshalb in enger Zusammenarbeit mit der Internationalen Seeschifffahrtsorganisation (IMO/ http://www.imo.org/home.asp) und dem Flüchtlingshilfswerk der UNO ( UNHCR) sowie unter Mitwirkung eines breiten Spektrums an Fachleuten ausgearbeitet werden."

Das klingt nach Einhaltung internationaler Rechtsnormen und wird deshalb auch mit den entsprechenden Floskeln angereichert. So wird auch auf "Schutzbedürftige" verwiesen, die sich in den Booten befänden, "Flüchtlinge", die internationalen Schutz benötigten. "Das Recht auf Asyl muss bei diesen Maßnahmen eine wesentliche Rolle spielen". Es müsse von den Betroffenen "tatsächlich in Anspruch genommen werden können". Deshalb sei zu gewährleisten, dass "die Mitgliedstaaten ihrer Pflicht zur Gewährung von Schutz kohärent und wirksam nachkommen und dass Personen, die internationalen Schutz benötigen, nach ihrer Landung in Aufnahmeeinrichtungen unverzüglich als solche identifiziert werden.

Doch in der exekutierten Praxis werden sowohl die Prinzipien der Seenotrettung und der Schutz von Flüchtlingen über Bord gekippt. Das wird deutlich an dem Fall der Marine I. Bisher ist eigentlich alles ein Skandal, was sich um das Schiff rankt. 12 Tage trieb der Seelenverkäufer manövrierunfähig vor der westafrikanischen Küste. 12 Tage wurden den knapp 400 Menschen erste Hilfe und eine Seenotrettung verweigert, weil kein Land zu ihrer Aufnahme bereit war. Dabei wurde 1979 internationale geregelt, dass Menschen, egal welcher Herkunft oder Nationalität erste Hilfe zu leisten sei und sie an einen sicheren Ort gebracht werden müssten. Mauretanien stahl sich aus der Verantwortung, weil es das Abkommen nicht ratifiziert hat.

Schließlich wurde das Problem von Spanien per Scheckheft gelöst, um zu verhindern, dass die Menschen die Kanarischen Inseln erreichen. Die Marine I wurde nach Nadibú in Mauretanien geschleppt. Spanien erklärte sich in den Verhandlungen mit Mauretanien bereit, die Rückführung der zumeist aus Asien stammenden Menschen zu übernehmen. Mauretanien wollte sich nur um eine kleine Zahl Schwarzafrikaner kümmern. Zusätzlich gewährte Spanien dem Land kurzfristig eine außergewöhnliche Hilfe von 655.000 Euro.

Seit dem 12. Februar sind dort nun 300 Einwanderer und Flüchtlinge unter menschenunwürdigen Bedingungen unter spanischer Obhut inhaftiert. Da sich die spanische Regierung sogar im Parlament bei den dort eingesetzten Polizisten für deren Unterbringung und Behandlung entschuldigte und "Entschädigungen" in Aussicht stellte, kann man sich die Lage der Inhaftierten lebhaft vorstellen. Doch bei ihnen entschuldigte sich die sozialistische Regierung nicht.

Die Umstände in einer alten Lagerhalle für Fisch im Hafen von Nadibú seien miserabel, kritisierte auch das Rote Kreuz. Deren Afrikakoordinator Jaime Bara sagte, der Hangar sei für die Aufnahme von wenigen Stunden eingerichtet worden, doch nun sind sie dort seit dem 12. Februar eingesperrt. "Sie können den Ort nicht verlassen und sehen nicht einmal das Tageslicht". Der seelische und körperliche Zustand der Immigranten verschlechtere sich von Tag zu Tag, beklagte er.

Derweil versuchen die Spanier die Menschen für die Rückführung in ihr Heimatland zu "identifizieren". An Kosten sind dafür trotz der menschenunwürdigen Unterbringung und Versorgung schon jetzt weitere 500.000 Euro aufgelaufen. Auf welcher Rechtsgrundlage die bewaffneten spanischen Polizisten in Mauretanien die Menschen festhalten, ist völlig unklar. Klar ist, dass geltendes spanisches Recht unterlaufen wird, wonach ihnen ein Anwalt und einen Übersetzer zusteht, kritisiert die Menschenrechtsorganisationen aus Andalusien (APDH-A) in einem Brief an den spanischen Ministerpräsidenten.

Die spanische Flüchtlingskommission ( CEAR) kritisiert auch den Umgang mit 35 Flüchtlingen aus Guinea Conakry. Die sollten schon in ihr Heimatland zurückgeschafft werden, das sich nach heftigen Unruhen aber in einem Ausnahmezustand befindet. Sie wurden aus Mauretanien ausgeflogen und befinden sich nun auf den Kapverdischen Inseln, weil Guinea-Bissau dem Flugzeug keine Landeerlaubnis erteilte. Sie sollen nach Guinea Conakry gebracht werden, wenn sich die Lage in dem Land wieder stabilisiert habe. Doch was haben diese Flüchtlinge auf den armen Kapverdischen Inseln verloren, fragen sich die Menschenrechtsorganisationen. Sie fordern, alle auf der Marine I angetroffenen Personen müssten unverzüglich nach Spanien gebracht werden, wo sie nach Recht und Gesetz zu behandeln seien. Stattdessen versucht Madrid mit einer diplomatischen Initiative Indien dazu zu bewegen, die 300 Menschen aus Mauretanien aufzunehmen. 18 wurden inzwischen nach Indien geflogen, weitere 81 Staatsbürger will Indien aufnehmen. Was mit dem übrigen 200 Personen passiert, ist weiter unklar.

Das ist ein konkretes Beispiel dafür, was in der EU von Schäuble und Frattini vorangetrieben wird. Behauptet wird gerne, die Maßnahmen dienten auch dem Schutz derer, die sich in den unsicheren Boote auf den Weg machten. Tatsächlich hat der Einsatz von Frontex bisher nur bewirkt, dass immer gefährlichere Routen gewählt werden und immer mehr Menschen sterben. Man muss kein Hellseher sein, um zu behaupten, dass die Zahl der Toten noch weiter zunehmen wird, falls es Frontex mit Hera III dieses Jahr tatsächlich spürbar gelingt, die Kanarischen Inseln abzuschotten.

Gern ergeht man sich in Brüssel auch in Phrasen über die Schutzwürdigkeit von Flüchtlingen. Doch der EU-Mitgliedsstaat Spanien leistete nicht einmal der Marine I die erforderliche Seenotrettung. Spanien unterläuft in Mauretanien auch eigene Gesetze und enthält den Flüchtlingen mit seinem Vorgehen Rechte vor. Kritik daran gibt es aus Brüssel nicht und so kann der Vorgang als Beispiel für das angesehen werden, was in der EU als "enge Zusammenarbeit" mit den "Herkunfts- und Transitländern an den Süd- wie auch an den Ostgrenzen der EU" angesehen wird. Frontex dient der Vorverlagerung der Grenzen, um ohne größere Kontrolle und außerhalb des eigenen Rechtssystems Maßnahmen durchführen zu können, die in Europa nur schwer möglich wären.

© Ralf Streck, den 01.02.2007
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Ergänzungen

Gracias

tierr@ 01.03.2007 - 19:36
Gracias a Ralf para las informaciones!

Lübeck: Bundespolizeiakademie

Auf jeder Stufe 04.03.2007 04.03.2007 - 14:05
BERLIN/LÜBECK/WARSZAWA Am Montag 05.März 2007 beginnt die deutsche Bundespolizei im norddeutschen Lübeck mit der Ausbildung von Grenztrupps aus sämtlichen EU-Staaten. Die Maßnahme erfolgt in Kooperation mit dem Abwehrapparat Frontex und festigt den deutschen Einfluss auf die operative Flüchtlingsrepression der EU. In der Lübecker Polizeiakademie werden Beamte geschult, die künftig an den europäischen Außengrenzen Migranten abfangen sollen. Die Dislozierung erfolgt in "Soforteinsatzteams", denen Berlin ein "technisches Zentralregister" zur Verfügung stellen will. Entsprechende Pilotprojekte der Frontex-Behörde werden als erfolgreich bewertet. Über Möglichkeiten, die Grenzabschottung mit den Mitteln modernster Technik zu perfektionieren, haben Experten Mitte Februar auf einem Europäischen Polizeikongress in der deutschen Hauptstadt diskutiert. Beteiligt waren Vertreter mehrerer deutscher IT-Unternehmen, darunter eine Firma aus dem Geflecht des Bertelsmann-Konzerns. Wie bereits bisher lassen auch die künftigen Maßnahmen der europäischen Grenzabschottung eine starke deutsche Prägung erkennen - auf jeder Stufe der Handlungskette von der Warschauer Frontex-Zentrale bis zur technologischen Umsetzung vor Ort. Berlin kündigt für das Frühjahr eine Intensivierung der Polizeitätigkeit an den EU-Außengrenzen an.

Bundespolizeiakademie
Das Grenzschutz-Trainingsprogramm, das morgen in Lübeck gestartet wird, geht auf eine Kooperationsvereinbarung zwischen der Bundespolizeiakademie und der EU-Grenzschutzagentur Frontex zurück. Die Akademie im Bundesland Schleswig-Holstein ist zentrale Ausbildungsstätte der Bundespolizei; dort werden deutsche Polizisten auf Auslandseinsätze vorbereitet, es finden Schulungsprojekte statt, in deren Rahmen ausländisches Sicherheitspersonal nach deutschen Standards trainiert wird. [
1 ] Die Lübecker Einrichtung erwies sich bei der Abschottung der europäischen Außengrenzen bereits in der Vergangenheit als hilfreich. Unter anderem wurden seit 1999 mehrfach sogenannte polizeiliche Ausbildungshilfemaßnahmen für Repressionskräfte aus Marokko durchgeführt, denen Berlin eine besondere Rolle bei der Sperrung der Straße von Gibraltar und der spanischen Exklaven Ceuta und Melilla für afrikanische Flüchtlinge beimisst.[2] Die marokkanische Polizei ist wegen ihres brutalen Umgangs mit Flüchtlingen bekannt. Vor wenigen Wochen haben die dortigen Behörden erneut begonnen, Migranten in der Wüste auszusetzen. [3] Von Protesten ihrer deutschen Kooperationspartner ist nichts bekannt. Das neue Trainingsprogramm der Bundespolizeiakademie richtet sich an polizeiliches Führungspersonal aus sämtlichen 27 Mitgliedstaaten der EU und stärkt die deutsche Rolle bei der operativen Flüchtlingsabwehr.

Toolbox
Operationsmöglichkeiten für das in Lübeck ausgebildete Personal eröffnet Berlin derzeit über sogenannte Soforteinsatzteams. Dabei handelt es sich um multinationale Grenzschutztrupps, die kurzfristig an jede Stelle der EU-Außengrenzen verlegt werden können; ihre Mitglieder sollen exekutive Befugnisse erhalten. Auf diese Weise bekommen deutsche Polizisten die Möglichkeit, an fremden Grenzen hoheitliche Handlungen auszuführen. Der deutsche Innenminister hat die Bildung der "Soforteinsatzteams" im Januar auf die Tagesordnung gesetzt und will die letzten Widerstände bis April aus dem Weg räumen. Ergänzend treibt er den Aufbau eines technischen Zentralregisters voran ("Frontex-Toolbox"); darin sollen Einsatzmittel verzeichnet werden, die in den Mitgliedstaaten auf Abruf bereitzustehen haben. Indem Deutschland vier Hubschrauber, ein Verfolgungs-Schiff, tragbare Wärmebildgeräte für das Aufspüren von Flüchtlingen sowie das entsprechende deutsche Personal in die "Toolbox" einbringt, setzt es sich an die Spitze nationaler Verfügungsgewalten über wesentliche Teile der Frontex-Behörde.

Herrin
Die Frontex-Zentrale ist in Warschau angesiedelt und scheint als multilaterale Körperschaft der EU-Mitglieder zu funktionieren. Tatsächlich steht sie unter dem bestimmenden Einfluss des materiell und technisch fähigsten Staates, der die kleineren Mitglieder zu seinen Erfüllungsgehilfen degradiert. Auf sämtlichen Frontex-Ebenen sind deutsche Spezialisten tätig, so im Frontex Operational Coordination Centre (F.O.C.C.). Im Februar startete die Behörde eine Maßnahme, in deren Rahmen Fluggäste auf acht europäischen Flughäfen [
4] intensiven Kontrollen unterzogen wurden. Weit über 200 Fluggäste wurden wegen unzureichender Ausweisdokumente festgenommen. Ebenfalls im Februar begann Frontex mit seiner Operation "Hera III" (griechisch: oberste Göttin, wörtliche Bedeutung: Herrin). Die Operation schließt an die Vorgängerinnen "Hera I" und "Hera II" an [ 5] und soll die Migration aus Afrika auf die Kanarischen Inseln stoppen. Sie umfasst Schiffspatrouillen, aber auch Verhöre von Einwanderern, um die Routen auszuforschen, auf denen Flüchtlinge auf europäisches Territorium gelangen. Zu den Verhörspezialisten gehören ebenfalls Deutsche.

Technologie
Deutliche deutsche Spuren finden sich auch in der hochspezialisierten Grenztechnologie, mit der die EU-Außengrenzen gegen unerwünschte Einwanderer abgedichtet werden. Der deutsch-französische Rüstungskonzern EADS etwa hat bereits vor Jahren den Auftrag erhalten, die Außengrenzen Rumäniens mit moderner Kontrolltechnologie zu versehen - ein für Flüchtlinge fatales, für das Unternehmen aber hochprofitables Geschäft.[
6] Ein EADS-Vertreter diskutierte Mitte Februar auf einem "Europäischen Polizeikongress" in Berlin mit Frontex-Mitarbeitern und anderen Polizisten über weitere Beiträge der sogenannten Sicherheitsindustrie zur Migrationsabwehr. Beteiligt waren auch mehrere Firmen der deutschen IT-Branche, die den Nutzen der Informationstechnologie für das Aufspüren unerwünschter Einwanderer darstellten.[ 7] Ein Mitglied des Vorstands der "empolis GmbH" widmete sich den Möglichkeiten, Flüchtlinge zu identifizieren: Er referierte vor Fachpublikum über das Thema "Identification of anything, anytime, anywhere".[ 8] "empolis" ist eine Tochtergesellschaft der "arvato AG", eines Unternehmensbereichs des Bertelsmann-Konzerns. Im Rahmen der Privatisierung des öffentlichen Lebens ist "arvato" mit der Verwaltung der britischen Kommune East Riding befasst.[ 9] Der Bertelsmann-Konzern übt über seine Stiftung großen Einfluss auf die Berliner Außenpolitik aus.[ 10]

Haft und Folter
Über das Schicksal von Flüchtlingen, denen trotz aller Grenzschutzmaßnahmen die Überwindung der EU-Außengrenzen in Richtung Deutschland gelingt, lässt das Berliner Innenministerium niemanden im Unklaren. Wie das Haus in einer ausführlichen Pressemitteilung kundtut, wurden am 15. Februar 28 Personen per Sammelabschiebung in ihre mutmaßlichen Herkunftsländer geflogen. "Unter der Federführung Deutschlands" hätten sich Italien, Luxemburg, Polen, Spanien und die Schweiz an der Maßnahme beteiligt, heißt es: "Hierbei handelte es sich um den dritten von der Bundespolizeidirektion koordinierten Flug innerhalb von 5 Monaten."[
11] Bei den erwähnten Flügen sind mehrfach Flüchtlinge in Staaten deportiert worden, in denen ihnen nach Auskunft von Menschenrechtsorganisationen willkürliche Inhaftierung und Folter drohen. Das Bundesinnenministerium behält seine Abschiebepraxis bei und teilt mit: "Bis zum Ende der deutschen Ratspräsidentschaft soll noch mindestens eine weitere Sammelrückführung mit internationaler Beteiligung unter deutscher Federführung geplant und durchgeführt werden."

Dossier Festung Europa
Dossier Grenzregime

[1] s. auch Pate der Polizei
[2] s. dazu Opfer unbekannt
[3 ] s. dazu Rekrutierungsbüro
[4] Es handelt sich um die Flughäfen Amsterdam, Barcelona, Frankfurt am Main, Lissabon, Madrid, Mailand, Paris und Rom.
[5] s. dazu Zur Ausnahme werden
[6] s. dazu Industrielle Gesamtrationalisierung und Betrogen
[7] http://www.steria-mummert.de/ (Hamburg), http://www.ne-sis.org/ (Berlin), http://www.empolis.de/ (Gütersloh)
[8] Panel III; http://www.europaeischer-polizeikongress.de/
[9] s. dazu Unter deutscher Verwaltung
[10] s. dazu Energie, Terror, Migration, European Way of Life , Höchste Ambitionen und Thomas Barth (Hg.): Bertelsmann
[11] Europa sicher leben/Internationale Rückführung erfolgreich durchgeführt; Pressemitteilung des Bundesministeriums des Innern 16.02.2007.
S. auch In die Wüste



Rekrutierungsbüro
11.02.2007 BAMAKO/BRÜSSEL/BERLIN Die Eröffnung des ersten EU-Rekrutierungsbüros für saisonale afrikanische Arbeiterkontingente steht in Bamako (Mali) bevor. Das "Informations- und Verwaltungszentrum Migration", das dort zur Zeit mit Personal und Geld aus Brüssel aufgebaut wird, wirbt auf Bestellung europäischer Unternehmen Billigarbeiter aus Afrika an und entspricht damit Forderungen Berlins. Hintergrund sind Berechnungen, denen zufolge die Staaten der EU in den kommenden 20 Jahren Millionen außereuropäischer Arbeitskräfte benötigen werden. Um die Einwanderung nach Europa auf vernutzbares Personal zu beschränken, verschärft die Bundesregierung die Abwehr unerwünschter Flüchtlinge an den EU-Außengrenzen und will die Kompetenzen der Grenzschutzagentur Frontex ausweiten. Sie soll in Zukunft eigenständig hoheitliche Tätigkeiten auf dem Territorium von EU-Mitgliedstaaten übernehmen dürfen. Beim Treffen der EU-Innen- und Justizminister am kommenden Donnerstag steht die Bildung von Frontex-"Soforteinsatzteams für Grenzsicherungszwecke" auf der Tagesordnung. Wie aus Marokko berichtet wird, führt die Abschottungspolitik der EU dort zu neuen humanitären Katastrophen. Die Behörden des Landes haben seit Ende Dezember mehr als 500 Flüchtlinge in ein Wüstengebiet an der Grenze zu Algerien deportiert und setzen damit ihre mörderische Praxis der vergangenen Jahre fort. Rabat führt dies auf Absprachen mit der EU zurück.

Nutzungsdauer
In der malischen Hauptstadt Bamako wird noch in diesem Jahr das erste "Informations- und Verwaltungszentrum Migration" (Centre d'information et de gestion des Migrations/CIGM) die Arbeit aufnehmen. Die Einrichtung wird in der deutschen Presse als "EU-Jobcenter" bezeichnet.[1] Vermittelt über die jeweiligen Regierungen, nimmt das "Zentrum" Personalwünsche europäischer Unternehmen entgegen und teilt ihnen Billigarbeiter aus den afrikanischen Armutsstaaten zu. Deren Einreisevisa sind an Arbeitsverträge gekoppelt; beides wird in Bamako ausgefertigt. Gegebenenfalls werden die Arbeiter mit Sprachkursen und branchenspezifischen Trainingsmaßnahmen an den Bedarf der europäischen Firmen angepasst. Nach einer Nutzungsdauer von sechs bis neun Monaten müssen sie wieder aus der EU ausreisen. Um die Kontrolle zu vereinfachen, werden ihre biometrischen Merkmale gespeichert und ein elektronischer Vermerk mit dem Ende des Arbeitszeitraums angelegt.[2] Zudem will Brüssel mit sämtlichen afrikanischen Herkunftsstaaten sogenannte Rücknahmeabkommen schließen, die die Abschiebung überflüssig gewordener Arbeitskräfte erleichtern. Netzwerk Das Zentrum in Bamako, dessen Aufgaben EU-Entwicklungskommissar Louis Michel in der vergangenen Woche mit der formal verantwortlichen malischen Regierung besprochen hat, gilt als Modellprojekt für entsprechende Einrichtungen in weiteren afrikanischen Staaten. Allein für migrationsregulierende Vorhaben in Mali und Senegal stellt Brüssel rund 40 Millionen Euro zur Verfügung. Perspektivisch soll ein "Netzwerk" von Rekrutierungsbüros in ganz Afrika entstehen. Die EU-Kommission beabsichtigt, Angaben über qualifizierte afrikanische Arbeitskräfte in einer Datenbank zu sammeln, um Arbeiterreserven für europäische Unternehmen zur Verfügung zu haben. Hintergrund sind Berechnungen, denen zufolge im Jahr 2030 aufgrund der Bevölkerungsentwicklung in Europa bis zu 90 Millionen Arbeitsplätze von außereuropäischem Personal bedient werden müssen.[3] Derzeit verlangen vor allem Betriebe aus der südeuropäischen Landwirtschaft sowie aus der dortigen Bau- und Tourismusbranche nach Billigpersonal für die jeweilige Saison.

Gebückte Haltung
Die Einrichtung von Rekrutierungsbüros in Afrika folgt einem Kompromiss, den der damalige deutsche Innenminister Otto Schily (SPD) und sein italienischer Amtskollege Giuseppe Pisanu im Sommer 2004 aushandelten.[4] Hintergrund war der anhaltend hohe Bedarf an afrikanischer Billigarbeit in Italien sowie in weiteren südeuropäischen Staaten. Damals gestand Berlin den Regierungen Italiens, Spaniens und Frankreichs zu, Arbeiter aus Afrika ins Land holen zu dürfen, verlangte aber im Gegenzug eine strikte Abschottung der EU-Außengrenzen gegen unkontrollierte Einwanderung. Die Bundesrepublik selbst bezieht saisonales Niedriglohnpersonal aus Osteuropa und hat die phasenweise Zufuhr von Arbeitskräften und ihren pünktlichen Abschub längst gesetzlich geregelt.[5] Im Jahr 2004 etwa erteilten die deutschen Behörden Arbeitern aus osteuropäischen Staaten insgesamt 333.710 Arbeitserlaubnisse, die jeweils auf maximal vier Monate befristet waren. Die Arbeitsbedingungen gelten vor allem in der Landwirtschaft, in der mehr als 90 Prozent der sogenannten Saisonarbeiter beschäftigt sind, als katastrophal. "(N)icht selten 12 Stunden täglich, meist in gebückter Haltung, Sonne und Regen ausgesetzt", heißt es in einem Bericht aus dem Jahr 2005 über die Tätigkeit des kontingentiert anforderbaren Billigpersonals: "das Ganze bei einem tariflichen Stundenlohn von 5,42 Euro".[6]

Soforteinsatzteams
Während das erste EU-Rekrutierungsbüro in Bamako die Vorbereitung auf seine Tätigkeit abschließt, treibt die deutsche EU-Ratspräsidentschaft die Abschottung der EU-Außengrenzen voran. Bei der Konferenz der EU-Innen- und Justizminister am kommenden Donnerstag steht unter anderem die Bildung von "Soforteinsatzteams für Grenzsicherungszwecke" durch die Grenzschutzagentur Frontex auf der Tagesordnung. Berliner Plänen zufolge sollen die Frontex-Sondertrupps in Zukunft exekutive Befugnisse in ihrem Einsatzgebiet erhalten.[7] Der Vorschlag hebelt faktisch die Souveränität der Staaten an den Rändern der EU aus: Die Kontrolle ihrer Außengrenzen soll einer nicht demokratisch legitimierten EU-Behörde übertragen werden. Brüssel hat dafür den Frontex-Etat in diesem Jahr auf rund 22 Millionen Euro aufgestockt.

Schüsse
Die von Berlin forcierte Abschottungspolitik der EU führt inzwischen in Marokko zu neuen humanitären Katastrophen. Wie aus dem nordafrikanischen Land berichtet wird, haben die dortigen Behörden seit Ende Dezember mehr als 500 Flüchtlinge in ein Wüstengebiet an der Grenze zu Algerien deportiert. Sie wurden "mitten in der Nacht bei Temperaturen um die 0 Grad dort ausgesetzt und mit Schüssen gezwungen, Marokko zu verlassen", heißt es.[8] Algerische Sicherheitskräfte jagten die Flüchtlinge ihrerseits mit Schüssen nach Marokko zurück. Damit wiederholen sich erneut dramatische Szenen, wie sie zuletzt im Herbst 2005 von der europäischen Öffentlichkeit zur Kenntnis genommen wurden. Auch damals deportierten marokkanische Sicherheitskräfte Tausende in die Wüste, mindestens elf Menschen wurden beim Versuch, in die spanischen Exklaven Ceuta und Melilla einzureisen, erschossen.

Zum Opfer gefallen
Wie es in Rabat heißt, beruft sich die Regierung des nordafrikanischen Landes auf Absprachen mit der EU, um den offenkundigen Bruch mehrerer internationaler Flüchtlingskonventionen zu legitimieren. Demnach führen die marokkanischen Behörden ihre Maßnahmen auf der Grundlage von Beschlüssen durch, die von den Mitgliedstaaten der EU und zahlreichen afrikanischen Ländern auf einer Konferenz im vergangenen Juli gefällt wurden.[9] Der europäischen Flüchtlingsabwehr muss sich inzwischen offenbar auch das Flüchtlingskommissariat der Vereinten Nationen (UNHCR) beugen. Wie Kritiker berichten, hat der für Marokko zuständige UNHCR-Vertreter im Januar zugesagt, Flüchtlinge nur noch in Übereinstimmung mit Rabat zu registrieren und Kritik nicht mehr öffentlich zu äußern.[10] Damit fällt ein weiterer Bestandteil des internationalen Flüchtlingsschutzes der Berliner Migrationspolitik zum Opfer.


Pate der Polizei
Die am Wochenende aufbrandenden Aufstandsversuche im Gefängnis von Policharki (Afghanistan) offenbaren, dass die deutschen Polizeiinstrukteure ihre Beihilfe zu Repressionsmaßnahmen in einer faktischen Kriegssituation leisten.

27.02.2006 DOHA/ KABUL/ BERLIN Am Montag 26.Februar 2007 eröffnet der deutsche Innenminister Wolfgang Schäuble in Doha (Qatar) die zweite internationale Konferenz zum Aufbau der afghanischen Polizei. Das Treffen wird von blutigen Aufständen gegen die Besatzungskräfte und ihre lokalen Helfer überschattet. Auf Einladung Schäubles sowie unter der Schirmherrschaft der von dem Deutschen Tom Koenigs geleiteten UN-Mission in Afghanistan stehen die weitere Anpassung hoheitlicher Strukturen des Landes an "internationale Standards" sowie Fragen des "Grenzmanagements" auf der Tagesordnung. Die grenzpolizeiliche Spezialformation der Bundesrepublik, die Bundespolizei (ehemals Bundesgrenzschutz), beteiligt sich seit Jahren an der Umstrukturierung der afghanischen Sicherheitsapparate und trägt mit internationalen Trainings- und Kontrollmaßnahmen zur globalen Ausdehnung deutscher Polizeikonzepte bei. Derzeit sind 307 Beamte der Bundespolizei in neun Staaten Ost- und Südosteuropas, Afrikas, des Nahen Ostens und Asiens tätig.


Umfassende Organisationsreform
Ziele der Konferenz in Doha (27./28. Februar), die maßgeblich vom deutschen Innenministerium durchgeführt wird, sind der "Aufbau einer modernen Grenzpolizei in Afghanistan" sowie die "Schaffung von Strukturen regionaler Sicherheit und Zusammenarbeit". Eine "große Aufgabe der nächsten Jahre" werde "die Reform von Polizei und Innenministerium sowie der Aufbau eines funktionierenden Grenzschutzmanagements" in dem zentralasiatischen Land sein, erklärt der deutsche Außenminister; eine "umfassende Organisationsreform" der Polizei stehe bereits in diesem Jahr an. Außerdem will die Bundesregierung zentrale Ordnungsstrukturen in den Provinzen Afghanistans etablieren sowie die angrenzenden Staaten in den Aufbau einer regionalen Sicherheits- und Grenzschutzarchitektur einbinden.[1]

Ausdehnung
Die "internationale Führungsrolle beim Aufbau einer modernen Polizei und Grenzpolizei in Afghanistan" ("lead nation") hat sich Deutschland bereits Anfang 2002 gesichert [2] - eine Neuauflage außenpolitischer Einflussnahmen, die Berlin zuletzt in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts nach Afghanistan geführt und dort im Polizeiwesen hatte aktiv sein lassen.[3] Im April 2002 nahm das deutsche "Projektbüro Polizei" in Kabul diese Spur wieder auf. Außenstellen befinden sich seit Januar 2004 in Kunduz und Herat sowie seit 2005 in Feyzabad. Im Rahmen der Ausdehnung des deutschen Militäreinsatzes im Norden des Landes soll noch im ersten Halbjahr 2006 eine Außenstelle des deutschen Polizei-Projektbüros in Mazar-i-Sharif eröffnet werden. Danach werden unter dem militärischen Schutz der deutschen Armee auch in diesem Gebiet hoheitliche Aufgaben unter Anleitung deutscher Beamter durchgeführt. Bislang hat die Bundesregierung 58 Millionen Euro für ihre Einflussnahme auf die afghanische Polizei aufgebracht, für dieses Jahr sind weitere zwölf Millionen Euro vorgesehen. Effektive Führungsstruktur Für die polizeiliche "Beratung" des afghanischen Innenministeriums stehen 40 Beamte der Bundespolizei, des Bundeskriminalamtes und der Bundesländer sowie der "Sonderbotschafter" Helmut Frick zur Verfügung. Sie instruieren Polizisten und Rekruten, entwickeln ein Aus- und Fortbildungssystem ("Polizeiakademie"), setzen die bilaterale polizeiliche Ausrüstung durch die Bundesrepublik um, koordinieren die internationalen Umstrukturierungsmaßnahmen und beraten Flughafenmitarbeiter in Fragen der Luft- und Grenzsicherheit. Auch die "organisationsrechtlichen Grundlagen der neuen Polizeistruktur" wurden von dem deutschen Projektbüro erarbeitet. Dessen "Mentorentätigkeit" habe eine "schlanke(...) und effektive(...) Führungsstruktur" hervorgebracht, heißt es im Berliner Innenministerium. Mindestens 63.000 der ehemals 150.000 Mitarbeiter zählenden afghanischen Polizei wurden bis heute auf deutsche Initiative aus- oder fortgebildet. Deutschland sei "Pate" der afghanischen Polizei, erklärt Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD).[4]

Krisenmanagement
Trainingsmaßnahmen für ausländische Polizeikräfte, wie sie mit Unterstützung der Bundespolizei in Afghanistan durchgeführt werden, finden auch an der Bundespolizeiakademie in Lübeck statt. Dort wurden beispielsweise im August 2004 Grenzpolizisten der Mongolei in die Organisation der deutschen Bundespolizei eingewiesen, um den Auf- und Ausbau des Grenzschutzes in ihrem Land zu effektivieren.[5] Die Bundespolizeiakademie ist die zentrale Aus- und Fortbildungsstätte der Bundespolizei, in ihr werden auch die in Afghanistan eingesetzten Beamten auf ihren Einsatz vorbereitet. Sie gilt - neben weiteren Ausbildungsstätten in Nordrhein-Westfalen (Institut für Aus- und Fortbildung der Polizei Nordrhein-Westfalen, Brühl) sowie Baden-Württemberg (Polizeiakademie, Wertheim) - als bedeutendste Trainingsstätte für internationale Einsätze im Rahmen des "Zivilen Krisenmanagements" der Europäischen Union. Eine Einsatzhundertschaft für derartige Maßnahmen, die das Militär von Besatzungsaufgaben entlasten und für kriegerische Tätigkeiten freistellen soll, wird im niedersächsischen Gifhorn aufgebaut.[6]

Verbindungsbeamte
Wie das Bundesministerium des Inneren auf Anfrage von german-foreign-policy.com mitteilt, sind gegenwärtig 307 Beamte der deutschen Bundespolizei bei neun Missionen in Europa, Asien und Afrika im Einsatz.[7] In Rafah beispielsweise überwachen seit November vergangenen Jahres Bundespolizisten die Grenzabfertigung der Palästinensischen Autonomiebehörde an der Grenze nach Ägypten. Die deutschen Staatsbediensteten sind dort berechtigt, Grenzkontrollen zu beanstanden und eine Wiederholung durch die lokalen Behörden zu verlangen.[8] Insgesamt waren seit 1989 mehr als 1.700 [9] deutsche BGS- und Bundespolizei-Beamte an Auslandseinsätzen in 15 Staaten beteiligt [10] - Einsätze im Rahmen sogenannter humanitärer Hilfe nicht eingerechnet [11]. Nicht eingerechnet sind auch 18 deutsche Bundespolizisten, die als "Grenzpolizeiliche Verbindungsbeamte" in 17 Staaten stationiert sind. Ihre Aufgabe ist die bilaterale Koordination der Grenzbehörden - und die Instruktion ausländischer Institutionen zur Verhinderung staatlich unerwünschter Einreise in die BRD.

Krieg
Die am Wochenende aufbrandenden Aufstandsversuche im Gefängnis von Policharki (Afghanistan) offenbaren, dass die deutschen Polizeiinstrukteure ihre Beihilfe zu Repressionsmaßnahmen in einer faktischen Kriegssituation leisten. Diese ist nicht auf Afghanistan beschränkt, sondern herrscht in zahlreichen Staaten deutscher Ausbildungsmaßnahmen und lässt die Grenzen zwischen polizeilicher und militärischer Tätigkeit verwischen.


Europa sicher leben/Internationale Rückführung erfolgreich durchgeführt; Pressemitteilung des Bundesministeriums des Innern 16.02.2007
Am 15. Februar 2007 ist eine internationale Rückführung unter deutscher Leitung erfolgreich abgeschlossen worden. Am Vortag war vom Flughafen Hamburg ein von der Bundespolizeidirektion in Koblenz und der Behörde für Inneres – Einwohnerzentralamt / Ausländerabteilung – Hamburg geplanter und koordinierter Charterflug nach Kamerun und Ghana abgeflogen. Unter der Federführung Deutschlands beteiligten sich Italien, Luxemburg, Polen, Spanien und die Schweiz mit Rückzuführenden an dem Flug. Beobachter aus der Tschechischen Republik, Rumänien und von der europäischen Grenzschutzagentur Frontex waren mit an Bord.

Insgesamt wurden 28 Personen in ihre Heimatländer zurückgeführt, davon 12 aus Deutschland. Die ausreisepflichtigen Personen hatten vorherige Rückführungsversuche durch Widerstandshandlungen vereitelt oder wurden unmittelbar aus der Haft abgeschoben. Hierbei handelte es sich um den dritten von der Bundespolizeidirektion koordinierten Flug innerhalb von 5 Monaten.

Bundesinnenminister Dr. Wolfgang Schäuble bewertet diesen Rückführungsflug als weiteres wichtiges Signal für den entschlossenen Willen der beteiligten europäischen Partner, die illegale Migration durch eine konsequente gemeinsame Rückführungspolitik wirksam zu bekämpfen. „Um dieses Ziel zu erreichen, muss die Zusammenarbeit der europäischen Partner auch zwischen den handelnden Behörden weiter intensiviert werden. Auch unter der deutschen EU-Ratspräsidentschaft wird dieser Prozess engagiert fortgesetzt“ sagte Schäuble.

Bis zum Ende der deutschen Ratspräsidentschaft soll noch mindestens eine weitere Sammelrückführung mit internationaler Beteiligung unter deutscher Federführung geplant und durchgeführt werden.