Lübeck/Rostock: Prozess gegen Antifas

Red_Angel 23.01.2007 01:27
Vergangenen Freitag (19.01.07) fand vor dem Amtsgericht in Lübeck ein Prozess gegen 2 Rostocker Antifaschisten statt. Ihnen wurde vorgeworfen sich bei Ausschreitungen gegen einen Naziaufmarsch am 01. April 2006 in Lübeck als Randalierer hervorgetan zu haben. Ein Beamter in Zivil hatte die Kleingruppe über die ganze Zeit beobachtet. Am Ende kam es zu einem überraschenden, wenngleich dem Prozessverlauf angemessenem Urteil.

Klöpse, Klöpse, Klöpse

Als am 01. April vergangenen Jahres mehrere tausend Menschen aus allen Spektren den Naziaufmarsch durch die Lübecker Innenstadt verhinderten, kam es auch zu teils heftigen Auseinandersetzungen mit den Ordnungskräften.
Eine Kleingruppe von Antifas die unter dem Schlachtruf "Klöpse" unterwegs waren, hatte einen unerwünschten Gast.Der 33-jährige Andreas Stresow seines Zeichen Polizeimeister begleitete die Gruppe. Obwohl er die Gruppe ab und zu aus den Augen verlor, gelang es ihm die Festsetzung der Gruppe zu initiieren. Zusammen mit dem Rädelsführer Krause (Name geändert), seinem "Gefolgsmann" Müller (Name ebenfalls geändert) sowie weiteren "Gefolgsleuten", soll sich die Gruppe an den Ausschreitungen beteiligt haben. Konkret warf die Anklage Krause vor er habe eine leere Bierflasche gezielt auf eine Polizeikette geworfen. Müller habe ihn dafür gedeckt und sich zum Flaschenwurf kurz geduckt, ein Dritter (gegen ihn ist das Verfahren bereits eingestellt worden)habe ihn anschließend weggezogen um so einen polizeilichen Zugriff zu verhindern.
Eine Paradebeispiel autonomer Choreographie und umso beeindruckender wenn man sich vorstellt, dass diese sich in nur 5 Meter Abstand von den anstürmenden Polizisten abgespielt haben soll.
Anschließend sei der Kampfverband mehr oder weniger planlos durch die Lübecker Innenstadt gezogen und schleppte Mülltonnen und Absperrgitter auf die Straße. Krause demolierte einen Außenspiegel eines Fahrzeuges, half beim Umstürzen eines Flaschencontainers und tönte "Scheiß auf die Nazis - Hauptsache Randale" - so zumindest nach Herr Stresow einziger Belastungszeuge der Anklage, denn die anderen geladenen Polizisten waren nur bei der Festnahme zugegen.

Gut Ding will Weile haben

Der Prozessbeginn verzögerte sich um etwa eine Stunde. Zunächst dauerten die Einlasskontrollen der etwa 50 Unterstützer etwa 45 Minuten und schließlich entdeckte der Berliner Rechtsanwalt Lindemann auch noch mehrere Zivilpolizisten im Zuschauerraum. Bevor man also mit der Anklageverlesung beginnen konnte, verlangten die Verteidiger Aufklärung über Sinn und Auftrag der Beamten. Vier Beamte waren zur allgemeinen Fortbildung, zwei jedoch in ihrer Funktion als Vorgesetzte und Angehörige der Einsatzhundertschaft der Zeugen. Lindemann monierte ihre Anwesenheit hinsichtlich psychologischer Aspekte auf die Zeugen, zumal die Beamten angaben, dass sie den Prozess anschließend auswerten wollen. Er verzichtete jedoch auf einen förmlichen Antrag und gab nur sein allgemeines Unbehagen zu Protokoll.
Nach der vom Staatsanwalt monoton vorgetragene Anklageverlesung sorgte der erste Zeuge gleich für Erheiterung.
Bekleidet mit Kapuzenpullover, Basecap sowie einer großen, dunklen Brille betrat der damalige Zivilpolizist den Gerichtssaal. Er konnte jedoch seine Maskerade nicht aufrechterhalten, da es ihm nicht gelang schlüssig zu erläutern, warum er sich denn vor eine Identifizierung schützen müsse. Sowohl der Richter als auch die Verteidigung wiesen auf die Notwendigkeit von unvermummten Zeugen für eine ordentliche Gerichtsverhandlung hin. Die Staatsanwaltschaft dazu knapp: "Ich halte die Argumentation der Verteidigung für schlüssig."
Nun konnte die Vernehmung der Zeugen beginnen. Zusammengefasst lässt sich festhalten, dass es doch sehr erstaunlich war wie sich der Beamte fast jeden kleinen Straßennamen merken konnte, wo er sich in Lübeck doch eigentlich nicht auskannte. Auch das einige Formulierungen beinahe wie Zitate aus den Vernehmungsprotokollen wirkten war sicher bemerkenswert.
Verwunderlich hingegen warum Müller angeklagt war, er spielte bei der Vernehmung keine Rolle - auf Nachfragen des Richters, hieß es immer nur: "Ja der war auch dabei."
Übeltäter soll eigentlich nur Krause gewesen sein, die anderen liefen angeblich einfach nur hinterher.
So kam es ganz schnell zu einer Unterredung der beteiligten Parteien. Das Verfahren gegen Müller wurde schließlich ohne etwaige Kostennachteile für ihn eingestellt. Der Flaschenwurf, an dem er sich durch "abducken" mitbeteiligt haben soll, blieb nämlich auch in der Hauptverhandlung ein Mysterium. Trotz der minimalen Entfernung von nur fünf Metern und der unittelbaren Nähe des Zivilbeamten, konnte dieser nicht sagen, ob die Flasche jemanden getroffen hatte oder "der gezielte Wurf" dies überhaupt zur Folge hätte haben können.
Insofern blieb als Vorwurf für den Angeklagten Krause auch nur noch der Landfriedensbruch und kleineren Sachbeschädigungen. Hierbei rächte es sich nun, dass der Beamte Krause als unpolitischen Hooligan hinstellen wollte.
Ein paar kleinere Sachbeschädigungen ohne wirklichen örtlichen Zusammenhang mit dem Naziaufmarsch, machen noch längst keinen Landfriedensbruch aus. Zumal nach Angaben der Versorgungsbetriebe, an ihren Mülltonnen kein Sachschaden entstand. So zumindestens die Auffassung des Gerichtes. Zur Debatte stand dann eigentlich nur noch der Autoseitenspiegel und da hatte die Verteidigung noch keine einzige Frage gestellt. Somit war noch offen, inwieweit sich dieser Vorwurf noch erhärten oder widerlegen lassen ließ. Staatsanwaltschaft und Verteidigung einigten sich auch hier auf eine Einstellung des Verfahrens (hier muss Krause allerdings seine Anwaltskosten selbst zahlen) und so kamen schließlich noch alle halbwegs rechtzeitig zum Mittagessen.
Die Einstellung des Verfahrens ist nicht mehr anfechtbar und somit rechtsgültig.

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Ergänzungen

kkein urteil

krümmelkacker 23.01.2007 - 09:55
sondern einstellungen der verfahren wegen geringfügigkeit.

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