Die „Freie“ Bildung

EUstruggle.net 13.11.2006 17:11 Themen: Bildung
Das „Hochschulfreiheitsgesetz“ (HFG) tritt in NRW am 1. Januar 2007 in Kraft. Was beim HFG schön gefärbt als „Freiheit“ suggeriert wird, bedeutet ausschließlich Freiheit für die Ausweitung der Wirtschaft.
Die Gründe dafür liegen auf der Hand: Hochschulen werden mit dem HFG verprivatisiert somit also „finanziell unabhängig" vom Staat und werden so gezwungen um Gelder von Unternehmen zu konkurrieren und damit ihre fachliche Ausrichtung an die Unternehmenswünsche anzupassen.
„Wirtschaftlich nicht rentable" Fächer werden als Folge dessen nicht mehr, oder zumindest nur noch vermindert angeboten werden. Dabei ist zu Bemerken, dass eine von Unternehmen gesteuerte Bildung keine freie Bildung ist sondern im Gegenteil sie dann nur noch Verwertung von Humankapital1 ist!

Doch welche Interessen stehen hinter solch einem Vorhaben?

Das Interesse, Bildung europaweit konsequent zu kommerzialisieren.
Ein Beispiel für diese Interessengruppe ist das Centrum für Hochschulentwicklung (CHE), welches von der Bertelsmann Stiftung 1994 gegründet wurde und von dieser finanziell abhängig ist. Es war maßgeblich an der Einführung von Studiengebühren beteiligt. Das CHE fordert die Intensivierung der wirtschaftlichen Kontrolle auf die staatlichen Bildungseinrichtungen, welche im Interesse des Konzerns selbst und des Kapitals liegt.
Die Bertelsmann Stiftung gehört zu 76,9 Prozent der Bertelsmann AG2, dem größten Verlags- und Medienkonzern in Deutschland. Die Verbindungen mit staatlichen Einrichtungen, wie zum Beispiel der Hochschulrektorenkonferenz3 (HRK), zahlreichen Landesregierungen (Niedersachsen, Thüringen, Baden-Württemberg) dem Bundestag und parallel dazu den Medien ermöglicht dem CHE eine unwahrscheinlich hohe Einflussnahme auf die Gesellschaft. Damit ist die Bertelsmann Stiftung und somit auch das CHE, wie das Handelsblatt schreibt, die „wahrscheinlich größte, auf jeden Fall aber einflussreichste Stiftung Deutschlands" (vgl. ver.di 2000: S. 19).

Im Einzelnen tritt das Centrum für Hochschulentwicklung für folgende Ziele ein:

  1. „Leistungsgerechtigkeit", d.h. Konkurrenz unter Lehrenden und unter Lernenden
  2. Studiengebühren, schön gefärbt „Kostenbeteiligung" genannt
  3. Hochschuleingangsprüfungen
  4. Einsetzung von Hochschulräten
  5. privatisierte Formen der Hochschulfinanzierung (mit der Folge derinhaltlichen Abhängigkeit)
  6. neue Strukturen der Mittelverteilung, Konzentration auf Führungsfunktionen (Folge: größere Machtbefugnisse auf Grund von Mittelverteilungsprivilegien für Dekane und den Präsidenten)
  7. Einführungen von Evaluationen4

All dies soll nicht nur bestehende „Mängel" in Bildung und Forschung „beseitigen" oder allzu kritische, linke, Positionen eliminieren. Nein, es geht hier um eine intensive Einflussnahme seitens des Kapitals auf inhaltliche und personelle Entscheidungen und weitergehend sogar um die komplette Kontrolle des Kapitals über die Bildung. Denn wenn die größten Konzerne und ihre Interessenverbände sich um diese „Reformen" kümmern und dies mit hohem Aufwand und Kosten betreiben, dann sind die Interessen daran offensichtlich gewaltig.

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1 Das durch allgemeine Bildungs- und andere Qualifizierungsmaßnahmen entstandene Leistungspotenzial (Arbeitsvermögen) einer Volkswirtschaft.

2 Der Bertelsmann AG gehören folgende Unternehmen an: RTL Group, Random House, Inc., Gruner + Jahr, BMG, Arvato, Direct Group. Umsatz im Jahre 2005: 17,9 Mrd. €

3Versammlung der Repräsentanten Staatlicher Bildungseinrichtungen. Vertritt die Hochschulen gegenüber Politik und Öffentlichkeit.

4Erfassen und Bewerten von Prozessen und Ergebnissen zur Wirkungskontrolle, Steuerung und Reflexion im Bildungsbereich.

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Ergänzungen

Schulbildung

freund des artikels 13.11.2006 - 21:15
Die Vorarbeit für die durchs Kapital gesteuerte Bildung liefert das Zentralabitur an den Schulen. Durch das Zentralabitur werden allen Schülern genau die gleichen Lerninhalte in den für das Kapital notwendigen Fächer unterrichtet, unter dem Dekmantel der Chancengleichheit. Dabei wird die Eigenkreativität zurückgestellt und einhergehend damit werden Fächer wie Kunst oder Musik nur noch beschränkt gefördert.
Durch das Zentralabitur hat die Regierung eine Grundlage geschaffen, damit das Kapital auf Maßgeschneitertes Humankapital zurückgreifen kann, was ihm ja eigentlich schon nach nur 12 Jahren Schule am Band und ganz nach Wunsch geliefert werden sollte.
Das Zentralabitur ist damit eine nicht zwingend notwendige, aber doch schon gute Vorarbeit für die privatisierte Uni und die darauf folgende Ausbeutung.
Sowohl bei der Schule als auch bei der Uni geht es kaum mehr um den Bildungsaspekt als solchen, als vielmehr um die Vorbereitung zur Verwertbarkeit der Auszubildenen.


P.S. Schöner Artikel. Endlich mal wieder einer, der Inhalt vermittelt.

Beiträge die keine inhaltliche Ergänzung darstellen

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CHE von NRW-Regierung beauftragt!

Thomas Nolands 14.11.2006 - 09:17
Ich habe gehört, dass das CHE vor kurzem von der NRW-Landesrehierung beauftragt wurde, die Umsetzung des HFG zu evalieren und zu begleiten!
Weiß da jemand was genueres drüber? Da könnte man sehr schön sehn, wie riesig der Einfluss des CHE ist