Preisverleihung in Berliner Ausländerbehörde

Antirassistin 05.10.2006 22:54 Themen: Antirassismus
Höchste Auszeichnung für SchreibtischtäterInnen übergeben

Am 5. Oktober wurde gegen 17.30 Uhr der "blutige Füllfederhalter", die derzeit höchste Auszeichnung für SchreibtischtäterInnen, an die Angestellten der Ausländerbehörde - Abteilung "Flüchtlinge und Rückführung", in den Räumen der Behörde Nöldnerstraße 32-34 in Berlin-Lichtenberg, übergeben.
Die Ausländerbehörde ist in Vergangenheit öfters als besonders rigide, in der Auslegung der Asyl- und Ausländergesetze, in Erscheinung getreten. Die Verwaltungsangestellten haben ein Großmaß an Entscheidungsbefugnis bei den Anträgen auf Duldung und Arbeitserlaubnis, die sie regelmäßig negativ entscheiden. Viele der Flüchtlinge können die Behörde nicht mehr ohne AnwältInnen und DolmetscherInnen betreten, da es hier scheinbar keine Rechtssicherheit gibt und z.T. noch aus der Behörde heraus abgeschoben wird. Wartezeiten von bis zu sechs Stunden sind die Regel und es gibt dort keine Möglichkeiten der Verpflegung. Neben den miserablen Umständen in der Ausländerbehörde sollte durch die Aktion darauf hingewiesen werden, dass trotz rot-rotem Senat die Abschiebepraxis von Verwaltungsangestellten abhängt und Einzelschicksale mit offensichtlichen Fehlurteilen die Regel sind. Die wenigsten davon werden von der Öffentlichkeit wahrgenommen.

Etwa 30 Personen betraten daher ohne Termin die Behörde, verteilten Informationszettel an die wartenden MigrantInnen, machten Musik und sprachen mit den Angestellten der Behörde. Die bereits bekannten Pullover der "Überflüssigen" zeigten, dass es einen gemeinsamen Kampf gegen die Prekarisierung von Lebensumständen gibt.
Die VerwaltungsbeamtInnen und Wachleute reagierten in geübter Weise mit Aggressivität und sperrten sechs Personen sofort in Zellen, die für ausreiseunwillige Flüchtlinge vorgesehen sind. Auch zwei JournalistInnen wurden vorrübergehend in Zellen gesperrt. Die eintreffende Polizei setzte wahllos vor dem Haus stehende Personen unter dem Verdacht des Landfriedensbruchs fest und verhinderte eine spontan angemeldete Kundgebung.

Die Preisverleihung steht im Zusammenhang mit dem europaweiten migrationspolitischen Aktionstag am 7. Oktober. In Berlin wird es dazu weitere Aktionen geben. Am Samstag wird beispielsweise gegen ein heimlich betriebenes Ausreisezentrum in der Motardstraße 101 und die schlechte Lebensmittelversorgung durch die Dussmann-Gruppe, demonstriert.
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Ergänzungen

Freiheitsberaubung?

F. 06.10.2006 - 01:28
Dürfen die Wachleute einen überhaupt irgendwo einsperren? Welche Rechte haben die (außer Hausrecht)? Ich würde auf jedenfall raten, sich zu überlegen, wie deren Verhalten Konsequenzen für sie haben kann. Denn wenn deren handeln ohne Konsequenzen bleibt, werden sie immer weiter so handeln.

Die Reaktionen

Friedlhainer 06.10.2006 - 01:32
der Migranten waren echt nett. alle kamen mit nem breitem Grinsen und Blumen (gute Idee!) aus der Behörde und wünschten noch viel Glück. Klar sind die Bullen scheiße, aber was die Flüchtlinge da tagtäglich erleben, gehört mal thematisiert und wenns halt ein paar Einheimische dicke Ordnungsgelder kostet.

Hier mal der Flyer, der an die Flüchtlinge innerhalb der Behörde verteilt wurde (auch in Russisch, Türlisch, Englisch und Französisch - hab jetzt keine Lust das abzutippen)

Liebe Leute,

wir sind heute hier um den Mitarbeiter/-innen dieser Ausländerbehörde den „Blutigen Füllfederhalter“ zu überreichen. Das ist die derzeit höchste Auszeichnung für Schreibtischtäter/-innen.

Verdient haben es sich die Mitarbeiter/-innen dieser Behörde ohne Zweifel, wie viele Menschen oft genug am eigenen Leib erfahren:

1. Die Ausländerbehörde Berlin Lichtenberg schiebt gerne ab. Diese Praxis wird schon im Wartebereich der Ausländerbehörde deutlich: eine schlechte Ausstattung, zu wenig Plätze, dreckige Teppiche, keinerlei Verpflegungsmöglichkeiten und kahle Wände. Die Fenster sind vergittert.

2. Die Mitarbeiter/-innen sind häufig unfreundlich, diskriminierend und rassistisch. Das braucht aber nicht zu verwundern, zeichnen sich die Mitarbeiter/-innen doch größtenteils durch wenig soziale, sowie keinerlei interkulturelle Kompetenz aus. Sie kennen ihre Macht und spielen diese gerne gegen die „Kunden“ aus und spielen mit den Ängsten der Menschen.

3. Die Behörde ist schlecht erreichbar und es dauert alles viel zu lange. Unzumutbare lange Wartezeiten von 5 Stunden, von denen Schwangere, Familien mit kleinen Kindern sowie kranke und alte Menschen nicht ausgeschlossen sind, sind hier total normal. Ist es mal zu voll, werden Menschen weggschickt. Termine werden oft nur tageweise vergeben mit teilweise bis zu 6 Stunden Wartezeit. Selbst für Formulare beträgt die Wartezeit eine Stunde.

4. Entschieden wird zum Nachteil der Menschen. Wenn Sachbearbeiter/-innen die Möglichkeit haben zu entscheiden, schieben sie ab. Außerdem benötigen Entscheidung für eine Gewährleistung von Aufenthalt eine viel längere Bearbeitungszeit, als wenn abgeschoben werden soll. Deshalb sind die Kabinen auch verriegelbar, damit die Beamten im Falle einer möglichen Abschiebung gleich handeln können. Die Kabinen sind da Menschen zu diskriminieren und ihnen das Gefühl zu geben, kriminell zu sein.

5. Unrechtmässige Verhöre und willkürliche Durchsuchungen passieren oft.

Durch das Verhalten der Behörde und durch die Umsetzung des staatlichen Rassismus hat sich die Ausländerbehörde den „Blutigen Füllfederhalter“ unserer Meinung nach verdient!

Wir möchten Euch zeigen, dass wir zusammen sind und dass das nicht so weiter gehen soll!

Bleiberecht für Alle!
Offene Grenzen und Bewegungsfreiheit für alle!
Wir möchten euch zeigen, dass ihr nicht alleine seid!

Zusammen sind wir stark und gemeinsam sollten wir kämpfen, für eine bessere Welt, die möglich ist...

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Das ganze Ausmaß begreift ihr erst, wenn ihr euch die elendlange Studie "Externe Evaluation der Serviceangebote der Ausländerbehörde Abteilung IV B (Nöldnerstraße) für Zuwandernde und in Berlin lebende Migrantinnen bzw. Migranten" von Kerstin Gudermuth im Auftrag der Linkspartei.PDS-Fraktion unter  http://www.pds-fraktion-berlin.de/pdf/EvaluationABH2006.pdf reinzieht.

Schon ProAsyl hat die Behörde "Integrationsverhinderungsbehörde" genannt:  http://www.proasyl.de/fileadmin/proasyl/fm_redakteure/Newsletter_Anhaenge/106/classen.pdf

2004 hat die TAZ kritisiert, dass politische Vorgaben durch die Behörde missachtet werden: "Reformen würden jedoch durch die "Blockadehaltung" der Ausländerbehörde am Nöldnerplatz stark behindert. So werde etwa mit der Verweigerung von Aufenthaltsmöglichkeiten für bosnische Flüchtlinge die bundesweite Absicht für ein Bleiberecht gezielt unterlaufen."  http://www.abschiebehaft.de/presse/p412.htm

Die Behörde ist sicherlich kein Einzelfall, aber sticht schon heraus. Wie die Sicherheitsbeamten, hauseignen LKAler und Verwaltungsangestellten auskreisen wenn sie ein bisschen geärgert werden, haben sie heute wieder bewiesen. Dabei sollte es nicht bleiben!

Hausrecht? Nix, da...

langhaariger bombenleger 06.10.2006 - 14:05
Hausrecht reicht?

Mensch, bist du blöd! oder willst du uns einschüchtern?

Also, überlegen wir mal...hmmm...Hausfriedensbruch ist es erst, wenn der/die HausrechtsinhaberIn bzw. deren Beauftragte, die unerwünschte Person darum bittet zu gehen (wir jetzt einfach von einem freundlichen Umgang mit einander aus). Wenn diese Person dem nicht nachkommt, dann ist es Hausfriedensbruch -> §123 StGB...

2§ 123
Hausfriedensbruch
(1) Wer in die Wohnung, in die Geschäftsräume oder in das befriedete Besitztum eines anderen oder in abgeschlossene Räume, welche zum öffentlichen Dienst oder Verkehr bestimmt sind, widerrechtlich eindringt, oder wer, wenn er ohne Befugnis darin verweilt, auf die Aufforderung des Berechtigten sich nicht entfernt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) Die Tat wird nur auf Antrag verfolgt."

 http://dejure.org/gesetze/StGB/123.html


Da war doch dann noch was, ähm, ja, genau, "Nötigung" heißt das Ding.
AStrafgesetzbuch

"§ 240
Nötigung
(1) Wer einen Menschen rechtswidrig mit Gewalt oder durch Drohung mit einem empfindlichen Übel zu einer Handlung, Duldung oder Unterlassung nötigt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) Rechtswidrig ist die Tat, wenn die Anwendung der Gewalt oder die Androhung des Übels zu dem angestrebten Zweck als verwerflich anzusehen ist.

(3) Der Versuch ist strafbar.

(4) In besonders schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn der Täter

1. eine andere Person zu einer sexuellen Handlung oder zur Eingehung der Ehe nötigt,
2. eine Schwangere zum Schwangerschaftsabbruch nötigt oder
3. seine Befugnisse oder seine Stellung als Amtsträger mißbraucht."

 http://dejure.org/gesetze/StGB/240.html

hmmm....

So und in deinen Augen, war das Einsperren von Menschen Notwehr?

"§ 32
Notwehr
(1) Wer eine Tat begeht, die durch Notwehr geboten ist, handelt nicht rechtswidrig.

(2) Notwehr ist die Verteidigung, die erforderlich ist, um einen gegenwärtigen rechtswidrigen Angriff von sich oder einem anderen abzuwenden."

http://dejure.org/gesetze/StGB/32.html
Oder glaubst du nen gerechtfertigten Notstand zu sehen, dann schauen wir uns den Mal an -> §34 StGB...

"§ 34
Rechtfertigender Notstand
Wer in einer gegenwärtigen, nicht anders abwendbaren Gefahr für Leben, Leib, Freiheit, Ehre, Eigentum oder ein anderes Rechtsgut eine Tat begeht, um die Gefahr von sich oder einem anderen abzuwenden, handelt nicht rechtswidrig, wenn bei Abwägung der widerstreitenden Interessen, namentlich der betroffenen Rechtsgüter und des Grades der ihnen drohenden Gefahren, das geschützte Interesse das beeinträchtigte wesentlich überwiegt. Dies gilt jedoch nur, soweit die Tat ein angemessenes Mittel ist, die Gefahr abzuwenden."
 http://dejure.org/gesetze/StGB/34.html

völlig überzogener Bulleneinsatz

muss ausgefüllt werden 06.10.2006 - 14:42
die reaktion der bullen auf diese aktion war mehr als überzogen. so zogen am ort des geschehens 16 Bullenwagen, 1 zivibus, 2 pms-wagen und zwei motorräder auf. keine ahnung was die dachten, was dort noch geschehen sollte, wahrscheinlich diente aber auch dieser einsatz einfach nur der abschreckung... solidarität mit überflüssigen, machen wir 1, 2 ... viele behördenbesuche !

Die Presse berichtet..

Zeitungsleserin 06.10.2006 - 15:42
06.10.2006 Neues Deutschland
Preisverleihung an Schreibtischtäter
Eine Aktion zum globalen Migrationstag endete mit Polizeieinsatz

Etwa ein Dutzend Personen in roten Pullovern mit der Aufschrift »Die Überflüssigen« betraten am Donnerstag gegen 17.30 Uhr die Ausländerbehörde in der Lichtenberger Nöldnerstraße. Während die »Action Samba Band« trommelnd im Foyer Stellung bezog, besuchten einige der Aktivisten die Zimmer der Sachverständigen im ersten Stock, um diese auf die massiven Missstände der staatlichen Flüchtlingspolitik aufmerksam zu machen. Schließlich sollte einem der Angestellten stellvertretend für die Einrichtung ein symbolischer Preis als »größter Schreibtischtäter« verliehen werden. Dazu kam es nicht. Die Sicherheitsbeamten hielten einzelne Personen im ersten Stock fest - unter Einsatz von Gewalt probierten sie auch, eine Pressefotografin in einen Raum zu ziehen.
»Eigentlich sollte die Aktion in zehn Minuten über die Bühne gehen - und friedlich verlaufen«, betonte ein Sprecher der »Überflüssigen«-Gruppe. Aber sie endete mit einem umfassenden Polizeieinsatz. Ob es zu Festnahmen kam, war bei Redaktionsschluss noch nicht bekannt.
Mit der Aktion bezog sich die Aktionsgruppe auf den dritten globalen Migrationstag diesen Samstag unter dem Motto »Lager Motardstraße schließen«. Die Arbeiterwohlfahrt Mitte betreibt das Spandauer Lager, das offiziell eine Erstaufnahmeeinrichtung für Flüchtlinge ist. Laut Flüchtlingsrat Berlin fungiert das Lager seit geraumer Zeit jedoch als Ausreiselager; auch Migranten, die bereits Jahre in Berlin lebten; sollten hier zur Ausreise bewegt werden.
In dem Lager leben etwa 750 Insassen. Wie der Sprecher der »Überflüssigen«-Gruppe sagte, werde die Beratung durch das Lagerpersonal oft gezielt falsch und ohne jede Übersetzung durchgeführt. Doch damit nicht genug: »Da den' Lagerinsassen entscheidende Antragformulare vorenthalten werden, sah sich der Berliner Flüchtlingsrat veranlasst, eine Reihe von Formularen zum Download im Internet bereitzustellen. So sollen die Flüchtlinge zumindest ansatzweise ihre Rechte in Anspruch nehmen können«, sagte der Sprecher.
Und das bekannte Geschäft Dussmann verdient sich nicht nur an Büchern und Musik, sondern auch an »schlechtem Essen, bei dem nichtmal die Mindeststandards für die Ernährung in deutschen Gefängnissen gelten«, eine goldene Nase. Pro Fertigmalzeit, die , in das Lager geht, verdiene Dussmann sieben Euro - ohne jede Rücksicht auf kulturelle oder religiöse Essgewohnheiten, führte der Sprecher der Aktionsgruppe aus.
Deshalb wird es am Samstag um 12 Uhr eine Kundgebung mit Showprogramm vor den Dussmann-Geschäftsräumen in der Friedrichstraße 90 geben.
Um 15 Uhr dann geht es vor dem Lager in der Motardstraße 101a, U 7 Paulsternstraße, weiter. Neben einer weiteren Kundgebung soll es hier auch endlich »gutes« Essen geben - und zwar für alle.

Ansprache an die SchreibtischtäterInnen

RedenhalterIn 06.10.2006 - 15:43
Hier gibt's die Rede, die den MitarbeiterInnen der Ausländerbehörde bei der Preisverleihung gehalten werden sollte, leider kam es nicht dazu:

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Liebe Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen der Ausländerbehörde Lichtenberg,

wir sind heute hier, um Ihnen und damit auch der Behörde Lichtenberg den «Blutigen Füllfederhalter» zu überreichen!

Warum?

Weil Sie ihre Macht gegen ihre «Klienten» ausspielen!

Weil Sie für gewöhnlich den schon schlechten Gesetzesrahmen zu ungunsten der Flüchtlinge auslegen und gerne mal abschieben!

Weil Sie wenig bis nichts über die politischen und kulturellen Hintergründe der Länder ihrer «Klienten» wissen und wissen wollen!

Weil Sie die Flüchtlinge und Migrantinnen ewig warten lassen!

Weil Sie voraussetzen, dass jeder Ihr Beamtendeutsch versteht und Sie sich um sprachliche Kompentenz im Umgang mit Menschen anderer Länder einen Dreck scheren!

Weil ihr Umgangston zum Himmel schreit!

Weil sie erwarten, dass Flüchtlinge und Migrantinnen Briefe, die ein Muttersprachler schon schwer verstehen kann, so mir nichts dir nichts verstehen und bearbeiten können!

Das ist keine Betreuung sondern Verfolgung!

Den «Blutigen Füllfederhalter», die derzeit höchste Auszeichnung für Schreibtischtäterinnen und -täter, haben Sie sich wahrlich verdient!

Wir wünschen Ihnen, einmal im Leben in der Situation einer ihrer Klienten zu sein und «Betreuern» ihres Kalibers ausgeliefert zu sein!

Die Taz wie immer zu spät

Leserin 06.10.2006 - 23:36
07.10.2006 TAZ
Blutfederhalter: Polizei kam
Die "Überflüssigen" demonstrierten in der Berliner Ausländerbehörde gegen deren Praxis. Die Gruppe wurde festgenommen und ist jetzt wegen Landfriedensbruch dran

Ein schnelles Ende nahm am Donnerstagabend eine von der Aktionsgruppe "Die Überflüssigen" geplante Preisverleihung in der Berliner Ausländerbehörde - Abteilung "Flüchtlinge und Rückführung" am Nöldnerplatz in Berlin-Lichtenberg. Circa 30 Personen betraten gegen 17 Uhr das Gebäude. Die meisten trugen rote Kapuzenpullover mit dem Schriftzug "Die Überflüssigen". Eine Sambaband sorgte für die musikalische Untermalung der Aktion. "Wir wollten den Verantwortlichen der Behörde den ,blutigen Füllfederhalter' überreichen", erklärt Theo Geiger von den "Überflüssigen" gegenüber der taz.

In einer Presseerklärung wird die Preisvergabe mit der "besonders rigiden Auslegung der Asyl- und Ausländergesetze" durch MitarbeiterInnen der Behörde begründet. Als Beispiele für Missstände werden Wartezeiten bis zu 6 Stunden und Abschiebungen direkt aus den Amtsräumen genannt. Die Ausländerbehörde war schon in der Vergangenheit wiederholt in der Kritik von Pro Asyl gewesen. Auch in einem Evaluationsbericht der PDS-Fraktion im Abgeordnetenhaus vom Frühjahr 2006 wird über mangelnden Respekt gegenüber den AsylbewerberInnen durch die Behörde geklagt. Die in der Behörde anwesenden Flüchtlinge, die mit Flugblättern über die Hintergründe der Aktion informiert wurden, reagierten überwiegend positiv.

Anders hingegen der in dem Gebäude anwesende Sicherheitsdienst und die Behörden-MitarbeiterInnen. Von Aktivisten wird berichtetet, dass 6 Personen in die in der 3. Etage befindlichen Einzelzellen gesperrt worden seien. Darunter befanden sich auch zwei JournalistInnen mit Presseausweis. Eine Dokumentarfilmerin musste ihr Filmmaterial abgeben, bekam es aber später von der Polizei wieder zurück. Die 6 Personen wurden anschließend von der Polizei erkennungsdienstlich behandelt. Die übrigen AktivistInnen kamen mit Personalienkontrollen davon. Gegen alle wird jetzt wegen schweren Landfriedensbruchs ermittelt.

Ein Wachmann hat ausgesagt, er sei an der Schließung der Eingangstür des Gebäudes gehindert worden. Theo Geiger von den "Überflüssigen" erklärte, dass man sich auf eine juristische Auseinandersetzung freue. Dort wolle man dann auch die massive Präsenz von Polizei und Sicherheitsdienst sowie die Sonderzellen für renitente AsylbewerberInnen in dem Gebäude thematisieren. PETER NOWAK

taz Berlin lokal vom 7.10.2006, S. 27, 81 Z. (TAZ-Bericht), PETER NOWAK

Die Junge Welt berichtet auch

Alte Welt 06.10.2006 - 23:38
07.10.2006 Junge Welt
Berlin: »Blutiger Füllfederhalter« für Ausländerbehörde »Flüchtlinge und Rückführung«

Berlin. Unerwarteter Besuch am späten Donnerstag nachmittag in der Ausländerbehörde »Flüchtlinge und Rückführung« im Berlin-Lichtenberg: Eine sechsköpfige Delegation antirassistischer Gruppen wollte einen »blutigen Füllfederhalter« an die Leitung des Hauses übergeben. Ein Sprecher der Aktion, Tom Geiger, verwies gegenüber junge Welt darauf, daß trotz des Linkspartei-/SPD-Senats die Behörde besonders menschenunwürdig in der Auslegung der Ausländer- und Asylgesetze sei. Sie ist Anlaufstelle für alle gemeldeten Migranten und Flüchtlinge in Berlin, die einen unklaren Aufenthaltsstatus haben.

Entsprechend auch die Wirkung des Hauses in der Nöldnerstraße: triste graue Wände, im Treppenhaus sind Netze gegen Suizidgefährdete gespannt, auf den Schildern der Mitarbeiter stehen nicht einmal Namen. Bei den Anträgen auf Duldung und Arbeitserlaubnis hätten die Angestellten einen erheblichen Spielraum, dennoch werde fast immer zuungunsten der Antragsteller entschieden, so Geiger. Zudem gebe es eine Fülle von Schikanen gegen die zynischerweise als »Kunden« bezeichneten Betroffenen der deutschen Abschiebepraxis: Erhebliche Wartezeiten sind in der Behörde die Regel, Verpflegungsmöglichkeiten nicht vorhanden, bei Bedarf werden die Betroffenen in installierten Gitterzellen eingeschlossen und von da sofort des Landes verwiesen.

Die Leitung des Hauses zeigte sich von der »höchsten Auszeichnung für SchreibtischtäterInnen« am Donnerstag wenig erfreut: Unter Führung der in der Behörde stationierten Zivilpolizisten schleppten die Angestellten die sechs ungebetenen Gäste in den Mitarbeiterbereich des Hauses und hielten sie solange fest, bis polizeiliche Verstärkung eintraf. Wegen »Verdacht des Landfriedensbruches« und Verstoßes gegen das Versammlungsgesetz wurden sie anschließend in eine Gefangenensammelstelle eskortiert und erkennungsdienstlich behandelt. Besonders rüpelhaft verhielt sich das Security-Personal am Eingang des Hauses: Etwa 20 weitere Antira-Aktivisten machten hier Musik, verteilten Flugblätter und hielten ein Transparent (Foto), das nach einigen Scharmützeln beschlagnahmt wurde. Die mit zehn Mannschaftswagen angerückte Polizei nahm die Personalien der Protestierenden auf und fotografierte sie vor Ort. Es handelte sich um eine Ak­tion im Vorfeld des Migrations-Aktionstages, der am Samstag weltweit begangen wird (Infos: www.chipkartenini.squat.net).

PDS Lichtenberg meldet sich zu Wort

Marion Seelig 10.10.2006 - 17:51
"Zu den Vorfällen in der Ausländerbehörde in der Nöldnerstraße (Siehe Artikel) äußert sich Marion Seelig, innenpolitische Sprecherin für die Linkspartei. PDS Fraktion im Abgeordnetenhaus und direkt in Lichtenberg gewählte Abgeordnete:
„Der Protest gegen die katastrophalen Zustände in der Behörde ist legitim.“ Marion Seelig weiter: „Das Thema wird in der entsprechenden Koalitions-Verhandlungsgruppe auf der
Tagesordnung stehen, denn so kann es nicht weitergehen.“ Sie erklärte allerdings auch, dass die von den Demonstranten gewählte Form des Protests fragwürdig sei. "Gewalt ist keine gute Lösung, um auf die Zustände aufmerksam zu machen." Gegen die Protestierenden waren Anzeigen wegen Hausfriedensbruch und Landfriedenbruch ergangen. Bürgermeisterin Christina Emmrich will mit der Behördenleitung Kontakt aufnehmen, um sich persönlich ein Bild von den Zuständen zu machen. "

 http://www.pds-lichtenberg.de/kat_aktionen_detail.php?v=894