Hartzer Käse – Die Arbeitslosenindustrie II

alionsonny 10.06.2006 12:36 Themen: Soziale Kämpfe
Fortbildung und Erwachsenenbildung, ein weites Feld für die Arbeitslosenindustrie. Eine Fortbildung bzw. Umschulung stellt zweifelsohne eine gute Möglichkeit dar die Bewerbungschancen zu erhöhen. Aber nur wenn die Fortbildung / Umschulung auch wirklich stattfindet und der Inhalt stimmt.
Nach meinen Erfahrungen und den Erfahrungen vieler Gesprächspartner sieht es da aber ganz schlecht aus.Oftmals wird damit geworben, daß man während der Massnahme am Arbeitsmarkt gefragte Fertigkeiten erwirbt. Oftmals werden diese aber garnicht oder derart unvollständig vermittelt, daß die gesamte Massnahme einen wieder in Wartezone XY landen lässt.

Kapitel II – Fortbildung zum Arbeitslosen

Zurück zu meinen Erfahrungen: Die ABM-Massnahme von der ich im letzten Teil dieser Artikelserie berichtete hatte ( http://de.indymedia.org/2006/06/149481.shtml) ein Gutes und dies war von mir auch so eingeplant: Damals war es nämlich so, daß man, nachdem man eine ABM-Massnahme von 2 jähriger Dauer absolviert hatte und vorher mindestens ein Jahr arbeitslos war, Anspruch auf eine Umschulung hatte.
Da ich bisher keine Berufsausbildung absolviert hatte und dies ein großes Hemmnis bei der Arbeitssuche darstellte, war das die letzte Ausfahrt vor einem lebenslangen Schicksal als Hilfsarbeiter. So sah ich das damals. Und wenigstens diesen Umschulungsanspruch brachte mir meine ABM-Tätigkeit ein.

Also suchte ich mir zum Ende der ABM-Massnahme einen geeigneten Bildungsträger, nennen wir ihn „GBB“. Dieser Bildungsträger, der inzwischen nicht mehr am Markt ist, bot speziell Ausbildungen im IT-Bereich mit Spezialisierung auf Ausbildungen zum Programmierer an. Da Computer schon immer mein Hobby waren und ich bereits einige Programmiersprachen beherrschte, war das ideal. Zur Zeit waren nur Plätze in einer Umschulung zum „Organisationsprogrammierer / mittlere Datentechnik“ frei. Für alles andere hätte ich ein Jahr warten müssen. Der nette Herr bei „GBB“ erklärte mir aber, daß Organisationsprogrammierer am Markt zur Zeit „total gefragt wären“. Naja, der Mann muss es wissen, dachte ich mir und meldete mich für die 13 Monate dauernde Umschulung an. Diese wurde vom Arbeitsamt ohne Probleme bewilligt.

Um es kurz zu machen: Ich musste von meinem Hauptdozenten erfahren, daß der gute Mann vom Vorstellungsgespräch mich belogen hatte. Organisationsprogrammierer waren zu jener Zeit ungefähr so gefragt wie Strandkörbe am Nordpol. Mittlere Datentechnik (Rechner die von der Kapazität zwischen einfachen PCs und Grossrechnern lagen) wurde in vielen Unternehmen zugunsten modernerer PC-basierter Systeme gerade entsorgt. Na fein, ich war also in einer Ausbildung, die mir bei Abschluss keine neuen Möglichkeiten am Arbeitsmarkt eröffnete. Konnte oder wollte das Arbeitsamt nicht wissen, daß die Ausbildung, deren Kosten im 5-stelligen DM-Bereich lagen, mich nach Beendigung wieder in die alte vertraute Wartezone beim Arbeitsamt befördern würde ? Ich fragte bei meinem Sachbearbeiter beim Arbeitsamt nach, und dieser erklärte mir offen, daß das schon ok wäre. Schliesslich hätte ich dann ja eine Ausbildung und das wäre ja schonmal was. Komische Logik.

Wie ich heute sagen muss, hatte ich „zum Glück„ nach einem halben Jahr Ausbildung zum Nichts einen ziemlich schweren Unfall, der mir die Weiterführung der Umschulung zum Arbeitslosen unmöglich machte.

Nachdem ich wieder genesen war, machte ich mich auf die Suche nach einer neuen Umschulung, denn den Massnahmezweig „Organisationsprogrammierer“ gab es bei „GBB“ nicht mehr. Die hatten sich von Programmiererausbildungen komplett verabschiedet. Nach kurzer Zeit bekam ich vom Arbeitsamt einen Vorschlag für eine 9 monatige Umschulung zum UNIX-Softwareentwickler bei einer namhaften Computerfirma. Hier konnte ja wohl nichts schiefgehen. Die Firma war seit Jahrzehnten international gut am Markt und ich konnte mir nicht vorstellen, daß dort gemogelt würde. Nennen wir die Firma „Schmitt Computer“.

Beim Vorstellungsgespräch wurde mir versichert, daß nach Abschluss dieser Ausbildung meine Chancen am Arbeitsmarkt gigantisch wären. UNIX-Entwickler wären gefragt wie nie und in diesem weltweit renomierten Unternehmen gelernt zu haben wäre an sich ein Qualitätsprädikat. Es hörte sich alles sehr einleuchtend und Mut machend an.

Um es wiedereinmal kurz zu machen: Ich SOLLTE UNIX-Softwareentwickler lernen. Wie ich nach kurzer Zeit erfuhr, war die Firma „Schmitt Computer“ gerade dabei ihre Fortbildungsabteilung wegen „unrentabilität“ zu schliessen. Da diese Firma ebenfalls ungefähr 15.000 Deutsche Mark pro Umschüler bei einer Klassengröße von 20-30 Teilnehmern vom Staat erhielt fand ich das ein wenig seltsam. Aufgrund der Schliessung des Fortbildungsbereiches waren sämtliche UNIX-Rechner bis auf ein veraltetes Modell bereits auf dem Wege nach irgendwo. Stattdessen lernten die Umschüler zum UNIX-Softwareentwickler nun an normalen PCs mit dem Betriebssystem Windows 3.11.
Ich lernte nun also Windows C++ Programmierer, bekam aber ein Ausbildungszeugnis als UNIX-Softwareentwickler.

Für diejenigen, die sich jetzt fragen, was daran so schlimm ist, hier eine Erklärung: UNIX und Windowssysteme unterscheiden sich grundlegend. Eine Firma die UNIX-Softwareentwickler sucht, wird nur äusserst selten Windowsentwickler einstellen und umgekehrt. Ich hatte nun ein Abschlusszeugnis für eine Tätigkeit die ich nicht im geringsten beherrschte, für das was ich aber konnte hatte ich kein Zeugnis. Das ist eine sch..öne Situation. Mein Sachbearbeiter beim Arbeitsamt fand dies wiedereinmal überhaupt nicht problematisch und meinte erneut, ich solle zufrieden sein überhaupt eine Ausbildung zu haben.

Zudem musste ich bei späteren Bewerbungsgesprächen bei potentiellen Arbeitgebern erfahren, daß Arbeitgeber durchaus informiert sind, welchen Wert Umschulungszeugnisse der Firma „Schmitt Computer“ haben, nämlich eher einen negativen. Ein Personalchef eines großen Softwarehauses sagte mir dann auch: „Wissen Sie, das Zeugnis hätten Sie besser nicht gezeigt. Das ist eine gaaanz schlechte Referenz. Da ist es schon besser wenn Sie programmieren können und garkeine Ausbildung haben. Mit dem Zeugnis, so gut die Noten auch sind, kommen Sie nirgends gut an“.

Diese Aussage bestätigte sich in meinem späteren Berufsleben mehrfach und ich versuchte dieses Zeugnis möglichst zu verbergen.Dafür hatte der Staat nun 15.000 Mark gezahlt. Für nichts und wieder nichts. Für ein Zeugnis mit dem man in der Arbeitgebergeisterbahn als Sensation auftreten konnte.Fazit: Beide Fortbildungen waren im Endeffekt nichts wert. Der Staat zahlte aber über 25.000 Euro für dieses Nichts. Das Arbeitsamt bewilligte diese Farce mit vollem Wissen über die Umstände und den zu erwartenden „Erfolg“.

Damit endet Teil II vom Hartzer Käse. Im nächsten Teil geht es weiter mit Fortbildung und Umschulung zum Wartezonenplatzbesetzer. Stay tuned...
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Ergänzungen

gleiche Erfahrungen

haben auch 11.06.2006 - 10:26
die Schüler der Kölner Wirtschaftsfachschule machen müssen.
Die Schulung kostete pro Person ca. 15600€ nach IHK Prüfung war man entweder
IT-Systemkaufmann, Fachinformatiker für Anwendungsentwicklung oder Systemintegration.
Die Bilanz des Kurses war das einer von 29 Schüler auf dem 1 Markt unterkam.
Dies nur durch Vetternwirtschaft und dies im Landratsamt.
Tolle Bilanz...
Aber egal haben so jetzt einige Bürger sich den Themen Hacken und IT-Sicherheit gewidmet und diese Wissen kann eine gute Waffe sein.
Die Datenantifa sucht sicher immer Nachwuchs.
Wann gibts die nächste HackTheNazis Aktionswoche?
Es sollte auch eine HackTheAgentur & HackTheParteien Aktionswoche eingeführt werden.
Nun sind wir ROOT :-)