[Leipzig] Bericht + Pics 1/2
[Vorgeschichte]
Der erste Mai in Leipzig steht seit Jahren unter dem Eindruck der Demonstrationsversuche sogenannter "Freier Kräfte" um den Nazikader Christian Worch. Obwohl es an Versuchen durch Leipzig und insbesondere durch Connewitz, einem alternativ geprägten Stadtviertel Leipzig, nicht mangelte, waren die Erfolge bisher bescheiden. Nachdem es letztes Jahr zunehmend massivere Kritik an Worchs Vorhaben gab, konterte dieser mit einem durchaus überraschenden Coup. In Leipzig sollte es einen Sternenmarsch geben. Zwar nicht wie üblich viele Demonstrationen die sich auf einen Punkt zubewegen, sondern nur zwei Demonstrationen sich unterwegs treffen und von dort aus weitermarschieren. Aber wohl besser als nichts.
Eine angeführt von Worch vom Ostplatz und eine zweite vom Hauptbahnhof. Beide sollten sich dann am Bayerischen Platz vereinen und von dort aus nach Connewitz. Unbestritten hatte diese neue Strategie einen gewissen Charme. Seitens der Nazis wurde spekuliert, dass es in den AntifaschistInnen unmöglich wäre beide Aufmärsche zu blockieren. "[...] Die Antifa muss sich entscheiden, ob sie nur einen Demonstrationszug angreifen und blockieren, oder ob sie versuchen beide so gut es geht anzugreifen, wobei bei der zweiten Variante natürlich die Chance auf eine komplette Verhinderung unseres Marsches deutlich kleiner sein wird. [...] Gerade wegen dem Konzept welches ja am 1. Mai in Leipzig (soweit ich weiß) das erste mal angewandt wird, erhoffe ich von der Demonstration viel." (So ein Post im "Freien Widerstand (FW)")
Überraschend war das Konzept zum diesjährigen 1. Mai aber vielmehr dadurch, dass ausgerechnet Steffen Hupka, der nicht zuletzt aufgrund seiner "Immobiliengeschäfte" einen sehr schlechten Ruf in der Naziszene hat, die zweite Demonstration anführen sollte. So ergaben sich für den 1. Mai durchaus einige spannende Fragen:
- Wie wird sich die Beteiligung Hupkas auf die Anzahl der Nazis auswirken
- Welchen Einfluss haben die Demonstration in Magdeburg und Rostock auf die Mobilisierung
- Wie wird die Polizei auf die neue Situation reagieren
- Gelingt die Koordinierung der AntifaschistInnen, die sich ja auf beide Aufzüge aufteilem müssen
[Tanz in den Mai]
Traditionell fand wieder das "Rock am Kreuz", sowie ein eher bürgerliches Konzert statt. In Connewitz nahmen rund 500 AntifaschistInnen an dem Konzert teil, im Umfeld hielt sich eine ähnliche große Menge auf. Die Polizei zeigte Präsenz aber hielt sich zurück. Es kam zu keinerlei Auseinandersetzungen. Anwesende wurden nochmals auf den letzten Stand der Dinge gebracht. Die bürgerlichen Festivitäten wurden offiziellen Angaben zur Folge von zwischen 11 000 und 14 000 Menschen besucht.
[Ab 12:00 Uhr dezentrale Aktionen...]
Von 9:00 Uhr - 13:00 Uhr war eine Demonstration vom Connwitzer Kreuz in Richtung Augustusplatz (der Platz liegt in unmittelbarer Nähe des Hauptbahnhofes) angemeldet. Etwa über 1000 Menschen beteiligten sich an der Demonstration die von der Gewerkschaft durchgeführt wurde. Die Stimmung war im Vergleich zum Vorjahr weniger kämpferisch, dass mag zum einen an der schlechten Soundanlage im Antifablock gelegen haben, zum anderen aber auch daran, dass sich zunehmend mehr AntifaschistInnen zurückfielen ließen und in Kleingruppen zum Bayerischen Platz liefen.
War dieser noch ohne Probleme zu erreichen, war ein weiteres Vordringen nicht mehr möglich. Zwar gelang es Kleingruppen in unmittelbarer Nähe der Route zu gelangen an einer Blockade oder ähnliches war aber nicht zu denken. Doch bevor sich Frustration breitmachen konnte, platzte die Nachricht herein, dass Hupka festsitzt.
Lange Zeit hielt sich die Falschmeldung die Demo würde sich nun Worch anschließen. In Wahrheit wurden nur etwa 60 Neonazis vom Bahnhof zum Ostplatz geleitet. Diese Falschmeldung hatte dennoch positive Konsequenzen...
Kurze Zeit später strömten aus beinahe jeder Straße AntifaschInnen in Richtung Bayerischer Platz. Der Polizei gelang es nur knapp diese Menschmassen aufzuhalten. Von hieraus lösten sich aber mehrere hundert Personen und es gelang ihnen an der überforderten Polizei vorbei auf die Route zu kommen. (Johannisallee) Hier kam es mehrfach zu Barrikadenbau (vgl. Fotos). Von Balkons aus wurde Worchs Umzug bereits gesichtet. Doch dann war er weg. Zwischendurch versuchte die Polizei einzelne Personen aus der Sitzblockade rauszuziehen. Die "Kabarettisten" der Apfelfront kommentierten dies mit den Worten: "Sollte sich das Verhalten der Polizei wiederholen, so wird das nicht nur ernsthafte politische Konsequenzen haben, nein, dann schlagen wir auch mit Atomwaffen zurück!" Obwohl die BlockierInnen die Lacher auf ihrer Seite hatten, machte sich Unruhe breit. Das Gerücht: Worch machte eine "Flankenbewegung" und umgeht die Sitzblockade, in dem er auf die Straße des 18. Oktobers (16. - 19. Oktober 1813 Völkerschlacht bei Leipzig) ausweicht. Als dieses Gerücht sich bestätige, sprang fast die gesamte Sitzblockade auf und bewegte sich die wenigen Meter zurück auf die vermeintlich neue Naziroute. Nachdem den Nazis entgegengelaufen wurde und es kleineren Auseinandersetzungen mit der Polizei gab, gelang es eine Sitzblockade zu bilden. Wenig später kam auch Worch getrennt durch Polizei bis auf 75m auf die Sitzblockade heran. Insbesondere aufgrund der Tatsache, dass im Rücken der Sitzblockade auch der Bayerische Platz blockiert war, konnte eine Räumung nicht stattfinden. Spätestens jetzt war klar, damit ist die Sache gelaufen. Zumal der die Nazis bereits regelrecht umzingelt waren und bereits einige Angriffe erlebten mussten.
Doch nun begann der eigentliche heikle Teil für Nazis, der Rückmarsch zum Ostplatz. Während es einige dutzend AntifaschistInnen über Schleichwege vor und an die nun umgekehrten Nazis gelangten, wurde gleichzeitig zum Ostplatz mobilisiert. Die Nazis waren eingekeilt von GegendemonstrantInnen. Die Polizei war nun absolut nicht mehr Herr der Lage. Beständig wurden die Nazis mit Wurfgeschossen attackiert. Die Polizei beschränkte sich mangels ausreichend Personal darauf, unmittelbar im Umfeld der Nazis agierende Antifas anzugreifen. Das Werfen von Gegenständen konnte sie damit nicht unterbinden. Die Nazis versuchten so gut es ging sich mit Pappschildern vor den Flugeschossen zu schützen und warfen ferner auch diverse male zurück. Treffer (nach meiner Beobachtung zumindestens) gelangen ihnen nicht, dafür mussten sie enorm einstecken. Einen kleiner Ausbruchversuch scheiterte und führten zu nur noch mehr Verletzten auf ihrer Seite. Am Ostplatz erwartete die Nazis eine weitere böse Überraschung. Weit mehr als 1000 AntifaschistInnen hatten den Platz besetzt. Ein wahrer Stein und Flaschenregen hagelte auf die "Kameraden" nieder. Nur mit Mühe gelang es der Polizei wenigstens ein Teil der Antifas die Prager Straße entlang zurückzudrängen.
[Fazit]
Die Naziaufmärsche wurden verhindert. Die Sanis mussten zahlreiche Behandlungen wegen des Einsatzes Tränengas/Pfefferspray vornehmen
[Und sonst so?]
"Alle die meinen zum Ostplatz zu kommen würde ich meinen in größere Gruppen dort hinzu gelangen um so kein Ziel für Antifamob's zu sein! [...] Viel Glück, Leipzig ist und bleibt unsere Stadt. (FW)
Na wenn die Stadt euch gehört, habt ihr anscheinend schwerwiegende Managementprobleme. Vor einem eventuellen Börsengang sind diese aber abzustellen...
"Nach ca. 1000 Metern gab es wieder eine Blockade von Antifaschisten, diesmal wollten die Bullen wieder nicht räumen. Wir hielten eine Kundgebung ab, danach ging es auf gleichem Weg zurück zum Ostplatz. Jetzt verballerten die Linken alles, was sie noch hatten: Jede Menge Steine, Glasflaschen, Silvesterraketen und Kanonenschläge (sehr laute "Knallböller")."(FW)
Wahnsinn! Also Kanonschläge die knallen und mit denen man böllert. Wahnsinn!
"Mal ganz ehrlich: was hattet ihr erwartet? 13 Demos kamen nicht ins Ziel. Sollte das bei der 14. anders sein? Es ist doch logisch, dass die AFA's alles daran setzen, dies weiter zu verhindern."(Wikingerversand (WV))
Erklär das mal dem Worch...
"Ja und ich gucke mir die Demos nur noch vom Balkon meiner Freundin an,jedes mal das gleiche in Leipzig heute schaffen wir es nach Connewitz was für ein Witz nagut dann halt nächstes Jahr." (WV)
Aber was ist dann mit dem Endsieg?
"Dat sehe ich genauso. War nun schon öfter in Leipzig und bin wirklich schon mehr Stunden gestanden als Meter gelaufen.Dann wirklich noch solch Sprüche zu bringen nächstes mal lassen wir uns net vertreiben." (WV)
Quatsch - das sind alles erfolgreichste Abwehrschlachten, wie damals bei Addi!
"Unsere Demo führte dann an einem Park entlang und ab da ging es dann richtig zur Sache. Von Eiern über Farbbeutel bis hin zu Sprengkörpern und Leuchtspurmunition, wurden wir eigentlich mit allem beschoßen was man sich so vorstellen kann." (skadi)
Leuchtspurmunition... Ich nehme an du wurdest ausgemustert und weißt auch sonst nicht so wirklich was du so erzählst?
"Also erstmal ein dickes Lob an die Sanitäter vom Braunen Kreuz, welche erstklassige Arbeit geleistet haben und unermüdlich verletzte Kameraden versorgt haben." (skadi)
Ohne Worte ;)
Weitere Beiträge:
(Moderationskriterien von Indymedia Deutschland)
Ergänzungen
Ergänzung
http://www.mob-action.de
http://www.adf-berlin.de
vielen dank....
besten gruss
p.s. das prinzip kleingruppen und stadtguerilla scheint ansich doch noch sehr gut zu funktionieren.
Bullenzahlen - fällt mir mal grad ein
2000 in Leipzig, 5000 in Rostock (G8-Übung), 2700 in Heppenheim, 5500 in Berlin, 1000 in Wuppertal, tausende in Hamburg, in mindestens 50 weiteren Städten je Hunderte... kommt man bestimmt auf irgendwas zwischen 20.000 und 30.000. Würde mich mal interessieren, ob die dann am 1.Mai noch die Kapazitäten hätten, auf unvorhergesehene Zwichenfälle zu reagieren, ob ob das das Maximum ist.
Es wird immer besser...
http://www.lvz-online.de/aktuell/ar.html?p=/aktuell/content/189786.html
Fazit: Entweder hatte Hupka Angst oder es ging ihnen tatsächlich nur um eine Spaltung. Dann wäre ich aber als aufrechter Deutscher der stundenlang am Hbf gestanden hat, nur um dann wieder heimzufahren, damit Worch ein paar Meter laufen kann, sauer - verdammt sauer.
die bekloppten und ihre realitätsverzerrung
anscheinend ja denn irgendwie schaffen sie es sogar jetzt immer noch verbal einen erfolg für sich rauszuinterpretieren...was ihre realitätsverzehrung umso mehr bekräftigt!
pferdestaffel
anmerkungen und anfragen
Es wird zumindest unter dem indymedia-Artikel "Unverhältnismäßige Gewalt...", aber auch ansatzweise hier beklagt, dass die Polizei übermäßig scharf reagiert. Aus meiner Erinnerung heraus, sowohl in Leipzig als auch auch in Dresden (13.2.), hätte man früher jeglichen auch friedlichen Protest mit Wawes und gewaltsamer Auflösung von Sitzblockaden unnötig scharf verhindert. Ich aber habe den Eindruck, dass Polizeien immer weniger bereit sind, Nazi-Demos auf Teufel komm raus durchzusetzen: Beleg dafür sind nicht mehr nur länger linke Medien wie hier, sondern auch Verfassungsschutzberichte, Kommentare im Deutschlandfunk etc., nach denen die Rechte seit dem Scheitern des NPD-Verbotes zunehmend aggressiv auf Demos auftritt und Missfallen erntet. Bilder und Berichte sowohl besonders hier als auch bei den offiziellen Medien bestätigen es:zwar behelmte, aber relaxte Polizeigruppen, solange es friedlich zugeht (!, das war noch vor wenigen Jahren anders!), andererseits mehr misstrauische Blicke Behelmter auf die Nazis! (! auch das war bei Nazidemos unmittelbar begleitenden Polizisten seinerzeit anders!)
Dass es andererseits überharte Reaktionen bei fliegenden Steinen, Raketen usw. gibt, ist mir allzu verständlich. Polizisten sind, ob wir wollen oder nicht, nun mal in allen ihren Gefühlen wie Angst, Hass und Vorurteilen Menschen, leider nicht immer auf der richtigen Seite. Dass sie dabei nicht immer die Kontrolle über die Situation und ihre Gefühle haben und übermässig reagieren, mag man kritisieren können. Unverschuldet Leidtragende der Gewalt sind wie auch immer Unbeteiligte und friedliche Demonstranten/Blockierer. Auch von daher wie auch wegen der rechten Gefahr wäre es zunehmend wichtiger, Bullen und Politiker zumindest in dieser wichtigen Hinsicht nicht mehr länger nur als Feinde, sondern auch als potentielle Verbündete zu betrachten. Die Situation ist - für alle Seiten! - für ein Lagerdenken ein bißchen zu ernst!
Fragen:
1) Ich vermisse sowohl bei dir wie bei Kommentaren Antworten auf deine Fragen unter der "Vorgeschichte"
2) Hat sich die Stadt Leipzig diesmal überhaupt um ein Verbot der Nazis bzw. um Auflagen bemüht? Weder unter Indymedia noch unter den mir zugekommenen Medien (SZ, DNN, gelegentlich LVZ, Dresdner Mopo)fand ich im Gegensatz zu früher was dazu. Das ist bemerkenswert, aber verständlich, wenn man die unmögliche Reaktion der sächsischen Gerichte in der Vergangenheit dazu berücksichtigt. Und wenn es Auflagen gab, wie ging die Polizei damit um?
3) Ich habe den Eindruck, dass bei solchen Einsätzen die Polizeien der Länder durchaus verschiedene Herangehensweisen haben. Fielen bestimmte Polizeieinheiten besonders negativ auf?
4) Frage an aufmerksame Zeitungsleser bzw.etwaige Politiker, die diese Seiten lesen: Welche Konsequenzen wollen Politik bzw. Gerichte in Sachsen in Bezug auf Nazidemos bzw. überhaupt Rechte in Sachsen in Zukunft ziehen?
Bild 8
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22765 — txapote
06.mai, münster-hiltrup — keilof
Selbstbeweihräucherung — Leipziger Allerlei
No passare — bensidad
Wasn das!? — Hase
Ordner — Tom