Chef fordert bedingunsloses Grundeinkommen

laser 20.04.2006 13:55 Themen: Medien
Spiegel-Online berichtet vom Chef einer Drogeriemarktkette, der mit recht drastischen Worten für ein "Grundeinkommen" wirbt. Er tituliert Hartz IV als "offenen Vollzug" und meint, dass die Zeiten der Vollbeschäftigung endgültig vorbei seien. Allerdings war bislang nicht davon zu hören, dass die Beschäftigten der dm-Märkte in einem Arbeiterparadis schaffen.
Der 62-jährige Goetz Werner hatte bereits im Winter letzten Jahres im Spiegel in einem längeren Interview Auskunft über seine Einstellung zu einem bedingungslosen Grundeinkommen gegeben. In der Zeitschrift Stern hat er seine Forderungen erneuert. Die Politiker seien "vernagelt" "narkotisiert vom Vollbeschäftigungswahn", sagte Werner. Es brauche ein Recht auf Einkommen und nicht ein Recht auf Arbeit.

Im Stern hatte zuvor auch die Linksparteipolitikerin Katja Kipping eine Lanze für das Grundeinkommen gebrochen. ( http://stern.de/politik/deutschland/553889.html).

Erstmal lassen die Äußerungen von Werner aufhorchen: Ein "Wirtschaftsboss" bricht das scheinbare Tabu und bezeichnet die Vollbeschäftigung als das, was sie ist: als unhaltbares Dogma. Eigentlich bietet sich dieser Mensch als Sponsor, Bündnispartner usw auch für linke Aktivisten förmlich an, oder?

Nur was stutzen lässt ist, dass Kollege Werner meines Wissens bislang nicht seine Mitarbeiter am Gewinn beteiligt oder die Dreitage-Woche in seinen Betrieben eingeführt hat. Vielmehr klingt das alles nach wir-machen-den-Kapitalismus-besser. Doch die Grundeinkommensanhänger haben einen entscheiden Denkfehler. Das derzeitige Wirtschafssysteme funktioniert nur mit Druck und Angst. Angst etwa, von der Arbeit und der Konsummöglichkeit ausgeschlossen zu werden. Deswegen sind Menschen bereit, schlimme und unangenehme Arbeiten zu erledigen - ihnen bleibt nichts anderes übrig.

Eine Grundeinkommensdebatte ohne die Mechanismen von Kapital und Konsum zu hinterfragen, bleibt sinnlos.

spiegelonlingeartikel:  http://www.spiegel.de/wirtschaft/0,1518,411921,00.html
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Ergänzungen

Laßt uns das Kapital entlassten

(A)narchia 20.04.2006 - 14:38
Es ist gut zu Fragen welches Interesse hat ein "Wirtschafsboss" an Grundeinkommen. Vorteile für ihn währen doch:
- eine konstante Kaufkraft für den Binnenmarkt (was für eine Drogerie-Kette die hier was verkaufen will ja nur nützlich sein kann)
- dazu ist diese Kaufkraft, je nach Modell, über Steuern finanziert also über die Steuerzahler und nicht wie heute die sog. "Lohnnebenkosten" von Arbeitgeber und -nehmer, was eine Entlassung des Kapitals von seiner aktuellen Verpflichtung diese Abgaben zu tätigen entsprechen würde.

Und was ist von der Kapitalseite dagegen einzuwenden, wenn es eine größere Kaufkraft gibt und sie dafür auch noch weniger Löhne (durch Wegfall der "Lohnnebenkosten") zahlen müssen und die Versorgen dieses System dem Bürger (Steuerzahler) überlassen wird.

 http://de.wikipedia.org/wiki/Grundeinkommen

Ergäänung

Naame 20.04.2006 - 17:47
Nunja,

ist erstens nix neues, der speigel berichtet da seit rund einem 3/4 Jahr regelmäßig drüber.

Warum wird denn bitte Unternehmern immer unterstellt, sie wollen grundsätzlich nur Gewinnmaximierung?
Warum wird mal wieder behauptet, "das kann doch garnicht gut sein, das muss doch einen Haken haben"?

Kann es nicht auch sein, dass es Unternehmer gibt, die begriffen haben, dass es eine Welt, in der sich alle Menschen von Lohnarbeit ernähren können garnicht geben kann, nicht heute und in der Zukunft erst recht nicht?

Schonmal der Gedanke gekommen, dass weltweit ARbeitsplätze verschwinden?
In Europa erscheint es so, als würden die Arbeitsplätze 'ins Ausland verlagert', doch auch in China ist ein 7% Rückgang der Industriearbeitsplätze zu verzeichnen (innerhalb der letzten 12 Jahre) und weltweit sogar 15% (im sleben Zeitraum).

Es MUSS also eine andere Art der LEbensführung geben, es gibt schlichtweg nicht ausreichend Arbeit um alle Menschen damit zu ernähren.
Und warum soll EIN Lösungsvorschlag nicht auch von einem Unternehmer kommen.

Dieses Konzept ist wenigstens mal eins über das es zu disskutieren lohnt.
Denn: Das es heute nicht gut ist, heißt noch lange nicht, dass diejenigen, die es nicht gut finden, auch einen Vorschlag hätten wie es praktisch besser werden könnte.

Ich bin für Konzepte offen - auch wenn sie von einem Unternehmer kommen.


Zum schluss noch ein Zitat aus obigen Artikel:
"haben einen entscheiden Denkfehler. Das derzeitige Wirtschafssysteme funktioniert nur mit Druck und Angst. Angst etwa, von der Arbeit und der Konsummöglichkeit ausgeschlossen zu werden. Deswegen sind Menschen bereit, schlimme und unangenehme Arbeiten zu erledigen - ihnen bleibt nichts anderes übrig. "

Und die Antwort von Hrn. WErner, aus einem Interview.

Frage: "Was passiert mit den Tätigkeiten die niemand machen möchte, wie z.B. Arbeiten unter Tage?"
Antwort: "Die erste Möglichkeit: Der Unternehmer macht es selber, 2. Möglichkeit, der Unternehmer zahlt einen so hohen Lohn, dass sich Leute finden die es machen wollen."


Hier noch die Links zu zwei älteren Artiklen im Spiegel:

vom 30.11.2005:  http://www.spiegel.de/wirtschaft/0,1518,386396,00.html
vom 03.11.2005:  http://www.spiegel.de/wirtschaft/0,1518,382996,00.html

Und hier noch ein pdf vom Spiegel zu deisem Thema:  http://www.spiegel.de/media/0,4906,12183,00.pdf

ergänzung

ich 20.04.2006 - 22:39
vorweg, götz werner ist undbleibt ein kapitalist, aber dennoch ist es bei DM so, dass da überdurchschnittlich gut (im vergleich zu anderen drogeriemärkten) gezahlt wird. betriebsräte nicht wie beim ausbeuter schlecker bekämpft werden. die personaldichte überdurchschnittlich gut ist, menschen mit migrationshintergrund ebenso gern gesehene mitarbeiterInnen usw
übrigens ist DM ein dfamilienunternehmen. götz werner vertritt die ansicht, dass sein laden bzw er mit einer rendite von 3 - 4 prozent ganz gut leben kann. andere konzerne würden bei so geringen gewinnen geschlossen.

Könnte ernst gemeint sein...

Tom 20.04.2006 - 23:30
+++Nur was stutzen lässt ist, dass Kollege Werner meines Wissens bislang nicht seine Mitarbeiter am Gewinn beteiligt oder die Dreitage-Woche in seinen Betrieben eingeführt hat. ... +++

Erstmal eines: Lest das Interview im "Spiegel". Ich hab´ den Link gerade nicht parat, aber auf "www.spiegel.de" lässt sich das recherchieren. Genug Links sind ja hier auch genannt.

Weiter. Entscheidender Denkfehler des Werner-Kritikers: Werner selbst kann das erst einführen, wenn der Rest der Wirtschaft mitmacht.

Das führt zu zwei Überlegungen:

1. Werner sagt das vollmundig im Wissen, dass die Wirtschaft ihm niemals folgen wird - Ergebnis: Er beruhigt sein "soziales Gewissen". Immerhin ist er selbst ja dafür.

2. Werner meint das ernst. Und das nehme ich ihm sogar ab! Dann wird die Zukunft zeigen, ob er es bei Worten belässt, oder seine Idee durchzusetzen versucht.

Warten wir´s ab.

Globales Grundeinkommen

für ein 21.04.2006 - 00:23
Ich finde die Diskussionen um Grundeinkommen, Menschenrecht auf Nahrung, Abschaffung der Zwangsarbeit - äh: des Arbeitszwangs - wichtig und richtig, denke aber, wir sollten über unsren deutschen Tellerrand mal raus-schauen...

hier einige links:  http://www.basicincome.be/Portal?language=d
Global Basic Income Foundation:
"Trotz unseres Reichtums, Wissens und Könnens leben 1,1 Milliarden Menschen in unserer Welt in extremer Armut. Sie haben weniger als einen Dollar Einkommen pro Tag. Mehr als 850 Millionen Menschen leiden täglich Hunger und jedes Jahr sterben Millionen Kinder durch Unterernährung. Das müssen wir ändern."

Info´s auch bei www.fian.de oder (auf english) bei www.fian.org

Produktivitätswachstum

Gretel 21.04.2006 - 11:31
Das Produktivitätswachstum macht ein Grundeinkommen notwendig, da stimme ich Leuten wie Götz Werner absolut zu. So weit ich weiß, möchte Götz Werner dieses über Mehrwertsteuern finanzieren, im schweben Mehrwertsteuersätze bin knapp 50% vor.
Sicher denkt er auch über Sicherung der Kaufkraft und Entlastung der Unternehmen nach, bevor man darauf mit der "Kapitalismus ih pfui"-Keule reagiert, sollte man daran denken, dass selbst im "Sozialismus" Betriebe so viel Gewinne erwirtschaften müssen, um Investitionen tätigen zu können und ihre Produktpallette den Wünschen der Kunden anpassen können müssen. In der DDR z.B. hat dies nicht funktioniert.
Aber auch das Produktivitätswachstum war dort zu beobachten, riesige Mähdrescher wurden zur Getreideernte eingesetzt und nicht abertausende von Menschen mit Sense, Harke und Schubkarren.
Pruduktivitätsteigerung ist ein Merkmal jeder funtionierenden Wirtschaft, egal ob diese "kapitalistisch" oder "sozialistisch" organisiert ist, in beiden Modellen stellt sich ab einem gewissen Punkt die Frage, wie die Menschen mit Kaufkraft für die hergestellten Produkte versorgt werden. In der DDR fand dies oft dadurch statt, dass Menschen auf Unternehmenskosten mit gänzlich unproduktiven Sachen "beschäftigt" wurden, der im Kapitalismus aus der Arbeitswelt herausfallende "Geringqualifiszierte" oder auch "Alkoholkranke" stapfte in der DDR mit nem Besen übers Gelände und stand auf der Lohnliste, in der BRD wurden diesen Tätigkeiten früh von Kehrmaschinen ersetzt. In der DDR zahlte das Unternehmen Löhne für unproduktive Arbeit, in der BRD das Arbeitsamt oder Sozialamt. Beide Modelle funktioneren nicht langfristig. Das DDR-Unternehmen konnte nicht mehr investieren, in der BRD geht Kaufkraft verloren und die Wirtschaft zersetzt sich selbst.

Tatsache ist jedoch, dass wir hier im Kapitalismus, d.h. der Privateigentumswirtschaft, leben. Tatsache ist auch, dass die Menschen gar kein anderes Wirtschaftssystem wollen, denn Kollektiveigentum bedeutet auch kollektive Verantwortung. Diese Verantwortung zu übernehmen ist die Masse der Menschen in der BRD zumindest nicht willens. Die Mehrheit hier ist froh, dass der "Chef" für sie entscheidet.

Da aber schon viele Millionen Menschen hier unter der Armutsgrenze leben müssen, ist es absolut notwendig zu handeln. Aufgrund der Ablehnung der Bevölkerung gegenüber sozialistischen Wirtschaftmodellen bleibt einzig die Option innerhalb des kapitalistischen Systemes zu handeln, denn die Millionen Verarmten hungern zu lassen, bis es zumindest in der Theorie ein sozialistisches Wirtschaftsmodell gibt, welches eine bessere Antwort auf die Folgen des Produktivitätswachstum hat, als die DDR, wäre zynisch.

Geld-und Tauschwirtschaft abschaffen!

Frau Maus 21.04.2006 - 13:57
Anstatt sich über Steuersätze und Gewinne d. Unternehmen zu streiten, könnten wir auch darüber diskutieren:

 http://www.5-stunden-woche.de

genau das richtige

... 21.04.2006 - 16:00
hier gibts das Buch in dem die 5-Stunden-Woche berechnet wird:

 http://www.5-stunden-woche.de/Band1.pdf

einfach mal lesen! liest sich sehr schnell :)))

Der DM Chef fordert dies schon lange

Patrick 22.04.2006 - 11:22
Auszug des Artikels von  http://www.gegen-hartz.de : "Die Lösung: Das Grundeinkommen für Alle?
Ein Grundeinkommen ist ein Einkommen, das bedingungslos jedem Mitglied einer politischen Gemeinschaft gewährt wird, ohne Bedürftigkeitsprüfung oder Arbeitspflicht (!). Es stellt eine Form von Mindesteinkommenssicherung dar, die sich von den zur Zeit in Europäischen Ländern und fast allen Industrienationen existisierenden in drei grundlegenden Hinsichten unterscheidet:

- sie wird an Individuen anstelle von Haushalten gezahlt;
- sie wird unabhängig von irgendeinem Einkommen aus anderen Quellen gezahlt;
- sie wird gezahlt, ohne daß Arbeitsleistung oder Arbeitsbereitschaft verlangt wird."

das konzept hakt

laser 22.04.2006 - 12:53
angenommen, in der brd gebe es ein grundeinkommen (GE) von sagen wir der einfacher halbe 1000 euro im monat für jeden.

wer arbeitet da noch im gelben-sack-sortiert-dienst? wer leert die mülltonnen? wer steht um 4 auf und backt die brötchen? wer steht noch am band oder ruiniert seine gesundheit in einem anderen scheißjob? will sagen, wer macht die unangenehmen/unbequemen/uninteressanten arbeiten, wenn er ein ausreichendes einkommen zum leben auch einfach so bekommen kann?

müsste man zwangsarbeit einführen und/oder man lässt es eben häftlinge, asylanten, billig-gastarbeiter usw machen. aber das kann es ja wohl auch nicht sein, dass hat wenig mit emanzipation zu tun.

wie gesagt, dass problem ist, dass die hohe produktivität und die marktwirtschaft gerade mit der lohnkeule und der angst arbeitslos zu werden bzw vom konsum ausgeschlossen zu werden, zu tun hat. ohne grundlegende änderung des marktes, der produktion und des generellen konsumverhaltens funktioniert das nicht - freie marktwirtschaft ade - allerdings spielen da ganz schnell weltweite wirtschafts- und arbeitszusammenhänge eine rolle. ein rein regional/nationales austreten aus der "freien marktwirtschaft" wird schwer zu realisieren sein.

der kapitaleigener hat wenig interesse daran, dass sich seine rendite verringert, weil plötzlich in der brd "jeder arbeitet soviel er lust hat" - also wird er in der regel ein bedingungsloses GE nicht unterstützen bzw dagen kämfpen. und die mentalität der protestantischen arbeitsethik und des "wer nicht arbeitet, soll auch nicht fressen" ist in vielen köpfen der "normalen" bevölkerung auch drin.

das konzept hakt gar nicht so

maser 06.05.2006 - 20:04
wieviel verdienen in deutschland über 1000€ ?

sehr viele.

obwohl man von 1000€ leben kann.

warum tun die das?

weil alle all die überflüssigen waren haben wollen.
schicke(!) klammoten, blondierungen, alkohol, aufnäher, zigarretten, pornos, autoscooterfahrten, schöne(!) computer, designermöbel, fahrzeuge die die umwelt zerstören...was auch immer nicht zum anziehen, essen, verarzten oder liebhaben ist.

und genau wegen dieser dinge werden die leute auch weiterhin arbeiten gehen.
und wenn die beschissenen arbeiten besser bezahlt werden damit wie noch eine macht - um so besser.

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schon öfter — anarcho

- — angie

@xyz — tux

@tux — xyz

also... — mal sehen...

ups... verstümmelt — marcel