Jena (Thür.): REP Tell kündigt Burschenschaft

Antifaschistische Selbstjustiz [ASJ] 12.04.2006 17:59 Themen: Antifa
Seit Juni 2002 hatte die extrem rechte Burschenschaft Normannia zu Jena ihr Verbindungshaus in der "Wilhelmsburg" in der Jenaer Schleidenstraße. Nun gab der REPublikaner und Hauseigentümer Wilhelm Tell bekannt, der Burschenschaft aufgrund der "ungezählten gewaltsamen Übergriffe" gekündigt zu haben.
Ereignisse der letzten Tage

Am Sonntag, dem 9.4.2006, spielte der FC St. Pauli in Jena und verlor unglücklich mit 0:1. Dabei hatten in der Nacht zuvor noch zwei junge Männer versucht, ihren Hoffnungen und Wünschen mit Sprüchen wie "St. Pauli siegt" und "Nazis und Bullen aufs Maul" Ausdruck zu verleihen, die sie an acht Häuser in der Jenaer Kefersteinstraße sprühten. Ein aufmerksamer Bürger rief am Sonntagmorgen gegen 6 Uhr die Polizei, die die beiden vorläufig festnahm und nun gegen sie ermittelt.

In der selben Nacht hatte es auch in der Parallelstraße gekracht. "Bereits gegen 4 Uhr randalierte eine Gruppe in der benachbarten Schleidenstraße. In das bereits mehrfach mit Farbbeuteln angegriffene Eckgebäude zum Magdelstieg wurden diesmal Steine in zwei Fenster und eine Türscheibe geworfen. Bei zwei daneben geparkten Pkw - ein Audi und ein Polo - wurden ebenfalls Scheiben zerstört und eine Motorhaube beschädigt. Der Schaden wird mit insgesamt 3500 Euro beziffert. In unmittelbarer Nähe des Tatortes konnte die Polizei drei Personen aufgreifen. Eine Verbindung zu den Taten wird überprüft" (TLZ Jena vom 10.04.06). In der Nacht auf den Dienstag hat es laut Bericht der TLZ Jena "im Eckgebäude Schleidenstraße/Magdelstieg ... , 1.15 Uhr wieder geknallt. Drei Doppelglasscheiben gingen laut Polizei zu Bruch. Die unbekannten Täter flüchteten."

Darauf hin wendete sich der Hauseigentümer Wilhelm Tell per eMail an die Redaktionen der TLZ und OTZ und gab bekannt: "Die ungezählten gewaltsamen Übergriffe auf mein Haus in der Schleidenstr. 2 und insbesondere die des Sonntags haben mich dazu veranlaßt, den Mietvertrag mit dem Verein "Jenaische Burse" e.V. aufzulösen und somit die Vereinsräume der Burschenschaft Normannia zu Jena zu kündigen." Die Entscheidung erfolge laut Wilhelm Tell "zum Schutze der zumeist ausländischen Mieter des Hauses, die sich mittlerweile in Angst und Schrecken versetzt fühlen." Er gebe sich dem Druck der Gewalt geschlagen. Sein "Glaube an Demokratie und Recht in diesem Land" sei ihm abhanden gekommen.

Warum gerade dieses schöne Eckhaus?

In einer Bildunterschrift des TLZ-Artikels heißt es weiter: "Eingeworfene Scheiben in der Schleidenstraße 2: Auf dem Fußweg lagen gestern noch lose Pflastersteine und ein Felsbrocken. Die Gründe für den Angriff sind unklar."

Leider versäumten es Herr Tell und die TLZ, die LeserInnen besser über das Haus und seine BewohnerInnen zu informieren.

Die Wilhelmsburg

Das Haus Schleidenstraße 2 im zentrumsnahen Jenaer Westviertel, wenige Minuten vom Westbahnhof entfernt, wurde am 1. Juni 2002 von dem Jenaer Parteimitglied der REPublikaner Wilhelm Tell erworben und aufwendig saniert. Seither ziert die Aufschrift "Wilhelmsburg" (erneut) die Fassade. Anschließend stellte es Tell dem Verein "Jenaische Burse e.V." zur Verfügung, der illustre Herren in seinen Reihen sah. Zu den Mitgliedern des Vereins gehörten neben dem Hauseigentümer Tell der Publizist und Multifunktionär der extremen Rechten Peter Dehoust, der ehemalige REP-Bundesvorstand Klaus Weinschenk, der Landesvorsitzende der Thüringer REP Heinz-Joachim Schneider sowie Dirk Metzig, zu dem Zeitpunkt führendes Mitglied der Burschenschaft Normannia zu Jena. Die schlagende Burschenschaft bekam eine komplette Etage zur Verfügung gestellt, in der auch der "Paukboden" eingerichtet wurde.

Die im Erdgeschoss eingerichtete Kneipe mit großem Veranstaltungsraum wurde ebenfalls überwiegend von den Burschenschaftern und den mit ihnen aufs engste befreundeten Jenaer Neonazis genutzt, die seither nichts selten nach den Mittwochstreffen oder gemeinsamen Besäufnissen an den Wochenenden Naziparolen gröhlend und Hitlergruß zeigend den Magdelstieg hinunterzogen.

In den übrigen Etagen wurden "Studentenwohnungen" eingerichtet und diese in einschlägigen Blättern wie der bundesweit erscheinenden Neonazi-Monatszeitschrift "Nation und Europa" angeboten. Entsprechendes Klientel schlug daraufhin seinen Wohnsitz hier auf, so z.B. der ehemalige Geraer Neonazi-Liedermacher und Ex-Landesvorstandsmitglied der NPD Martin Rocktäschel oder eifrige Besteller der verschiedensten Nazi-Versände wie dem Geraer "Aufruhr Versand". Erst als die Wohnungen damit nicht voll wurden, wurden sie auch in diversen Wohnungs-Börsen im www und anderswo als günstige Wohnmöglichkeit in Jena angeboten. Die wenigsten der BewohnerInnen hielten es hier jedoch lange aus. Unter ihnen waren und sind auch einige ausländische Studierende, die nur für kurze Zeit in Jena bleiben und oft durch die Anzeigen im Internet aufmerksam wurden, ohne natürlich dort auf ihre extrem rechten MitbewohnerInnen hingewiesen zu werden.

Burschenschaft Normannia zu Jena

Die Burschenschaft Normannia zu Jena entstand als Abspaltung der Burschenschaft Jenensia zu Jena. Diese hatte unter ihrem damaligen Pressesprecher Dirk Metzig am Ende der 1990er Jahre mehrere Veranstaltungen mit rechtskonservativen bis rechtsextremen Referenten, darunter Alfred Mechtersheimer, Rolf Sauerzapf und Peter Lothar Groppe organisiert. Am 1. Dezember 1999 referierte Peter Dehoust über "Wiedergutmachung und kein Ende?". Neben Vertretern anderer Burschenschaften nahmen auch bekannte Thüringer Neonazis wie Tino Brandt aus Rudolstadt - zu dem Zeitpunkt Mitarbeiter des extrem rechten "Nation und Europa"-Verlags von Dehoust in Coburg - , Jörg Krautheim aus Gera und André Kapke aus Jena sowie weitere Aktivisten des Kameradschaftsnetzwerkes "Thüringer Heimatschutz" (THS) teil, die den "Schutz der Veranstaltung" übernommen hatten. Metzig, der bereits 1997 als Teilnehmer einer Demonstration der NPD in Magdeburg aufgefallen war, pflegte seit längerer Zeit enge Kontakte zu der Partei und den "Freien Kameraden" des THS. Auch waren einige THSler selbst Mitglied der Burschenschaft "Jenensia". Der von heftigen Protesten der Antifa, Gewerkschaften und Kirchen begleitete Auftritt von Dehoust führte zu einem Eklat in der Universitätsstadt. Auf Druck der Alten Herren der Jenensia, unter denen mehrere Politiker der CDU und FDP sind, schieden elf aktive Burschen, darunter Dirk Metzig, daraufhin aus und gründeten am 14. Dezember 1999 die Burschenschaft Normannia zu Jena. Zu den Alten Herren gehört seit der Gründung Peter Dehoust. Als Festredner auf der Gründungsveranstaltung trat der rechtskonservative Politiker und ehemalige Berliner Innensenator Heinrich Lummer (CDU) auf, der auch Kontakte zu extrem rechten Kreisen pflegt.

Selbst das sonst eher mit Sehschwächen auf dem rechten Auge geschlagene Thüringer Landesamt für Verfassungsschutz bezeichnet die Burschenschaft Normannia zu Jena als "rechtsextremistisch ausgerichtet" bzw. "Sammelbecken für rechtsextreme Studenten und Neonazis". Allein die Zusammensetzung des Vereins "Jenaische Burse" lässt nach Aussage des Amtes vermuten, dass hier ein Scharnier zwischen rechtskonservativen Studenten und der Thüringer Neonaziszene entstanden ist. Der Präsident des Landesamtes für Verfassungsschutz wertete die Gründung der Burschenschaft als "ein Zeichen für eine Intellektualisierung der rechtsextremen Szene."

Nachdem Metzig nicht mehr zu den Aktivitas zählte und sich in anderen Vereinigungen wie dem Thüringer Landesverband des "Bundes der Vertriebenen" und dem Thüringer Landesverband der "Schlesischen Jugend" engagierte, gingen Aktionen und Bedeutung der Normannia rapide zurück. Nur hin und wieder fielen neue Aktivitas auf, so z.B. Metzigs Nachfolger Ralph Oertel (rechts) und sein Bundesbruder Martin Liebeskind, der im Forum "Freien Widerstand" unter "NaTaS" mitdiskutierte, beim Abwerfen von Kränzen während der Neonazi-Kundgebung in Halbe am 13. November 2004.

Proteste vor der Schleidenstraße 2

Entsprechend artikulierte sich bereits mehrfach friedlicher Protest gegen die Aktivitäten von Verein und Burschenschaft. Nach einer Demonstration gegen das Neonazi-Zentrum "Braunes Haus" in der Jenaischen Straße 25 in Jena-Lobeda fanden sich erstmals am 1. Februar 2003 spontan etwa 80 AntifaschistInnen vor der Wilhelmsburg zusammen. Sie waren einem Aufruf der Initiative "Stoppt rechte Zentren" (STORZ Jena) gefolgt. Seither war die Schleidenstraße bzw. andere Veranstaltungsorte der Normannia wie das Hotel "Schwarzer Bär" zum "Stiftungsfest" am 21. Februar 2004 noch mehrfach Zielort antifaschistischer Demonstrationen und Kundgebungen.

Es kann außerdem vermutet werden, dass die von Unbekannten verübten Würfe von Farbbeuteln und neulich auch Steinen ebenfalls das Ziel hatten, den Protest gegen die Etablierung einer "rechten Denkfabrik" in Jena zum Ausdruck zu bringen.

In der Kombination wurden beide Protestformen nun von Erfolg gekrönt!
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Ergänzungen

Wie alles anfing... W. Tell im September 2002

Spürhund 12.04.2006 - 18:24
Gleich am Anfang der zentrale Satz von Wilhelm Tell zum auf der Zunge zergehen lassen:
Was regt ihr euch über eine nazistische Burschenschaft als Mieter auf, "ich frage doch auch nicht, ob jemand einen Neger ins Haus lässt."

Thüringische Landeszeitung (TLZ) vom 26.09.2002

Jenaische Burse ist Wilhelm Tells Mieter

Jena. (tlz) Nein, es werde kein Nationales Jugendzentrum oder ähnliches in seinem Haus in der Schleidenstraße entstehen, sagte gestern Hausbesitzer Wilhelm Tell, der den Jenaern vor Jahren als Wahlkandidat der Republikaner bekannt wurde. In der August-Sitzung des Stadtrats war bereits einmal die Frage danach gestellt worden, was in dem Haus entstehen soll, das Tell von der Städtischen Wohnungsbau- und Verwaltungsgesellschaft erworben hatte. Es hieß damals, dass keine Gesinnungsprüfung bei Immobilienkäufern gemacht werde und dass es keinen Antrag auf eine Nutzungsänderung gebe. Ergo bleibe nur die Nutzung als Wohnhaus."Wegen dieser Anfrage kennt die ganze Stadt inzwischen die Adresse, und ich habe die Konsequenzen zu tragen", sagt Wilhelm Tell. Als Beispiele dafür zählt er auf: Im Juli hätten ihm Unbekannte die Wasserleitung zerschnitten, etliche Kubikmeter seien ins Haus geflossen. Sieben Fensterscheiben seien im August zerschlagen worden. Und vor zwei Tagen schließlich flogen blaue Farbbeutel gegen die Fassade. Jetzt warte er drauf, was im Oktober passiert. "Allein die Fassadensanierung und der Mehraufwand für die Fenster haben 50 000 Deutsche Mark gekostet." Er habe das Haus gekauft, als es eine Ruine war und als unverkäuflich galt. Und jetzt ärgere er sich sehr über die Gerüchte, die über ihn und sein Haus in der Stadt verbreitet werden. "Als ob das jemanden etwas angeht. Ich frage doch auch nicht, ob jemand einen Neger ins Haus lässt."Studenten aus ganz Deutschland werden in dem Haus in der Schleidenstraße wohnen, sagt Tell. Er habe das Haus an den Verein "Jenaische Burse" vermietet. Und die werde an 15 Studenten untervermieten. Und da werde es für die Mieter natürlich auch einen Gemeinschaftsraum geben.Wenn am Wochenende die ersten Studenten das Tellsche Haus beziehen, "dann werden sie gleich sehen, was hier Phase ist. Ich werde ein Schild aufhängen ´Das ist der Linksterror von Jena´", sagt Wilhelm Tell. Denn das sei für ihn Terror. Ihm seien schon ein Mercedes verbrannt und Autoreifen zerstochen worden. Und Polizeibeamte hätten ihm schon gesagt, dass sie in seinem Falle gar nicht ermitteln könnten. Tell versichert: "Ich bin seit einem Jahr politisch völlig inaktiv."

Neue braune Mitte im Schatten des Ettersberg

Telepolis-Leserin 12.04.2006 - 18:31
Zum Weiterlesen und Mitdiskutieren:

Die neue braune Mitte im Schatten des Ettersberg
Thüringen wird zum "Rückzugsort für Neonazis"
Olaf Meyer 12.04.2006
 http://www.heise.de/tp/r4/artikel/22/22410/1.html

Seit einiger Zeit häufen sich Berichte über rechtsextremistische Umtriebe aus thüringischen Regionen. Der Fokus der Aufmerksamkeit hat sich seit dem Herbst 2004 ([local] Rechter Aufbau Ost - NPD im Sächsischen Landtag) stärker auf den östlich benachbarten Freistaat gerichtet, den die Landesregierung als 'Deutschlands starke Mitte' bewirbt.

Verbindungen kappen, überall

m 12.04.2006 - 19:07
Demo gegen den Festkommers zum 175. Burschijubiläum
am 06.05.2006 in Hannover

Klaus Weinschenk

berliner@boy.de 12.04.2006 - 19:47
Klaus Weinschenk, war Berliner Landesvorsitzender der Republikaner Mitte der 80 Jahre.

Klaus Weinschenk war (ist ?) Professor für SONDERPÄDAGOGIK an der (damals) Evangelischen Fachhochschule für Sozialarbeit / Sozialpädagogik jetzt EFB (Evangelische Fachhochschule Berlin).

Dort hat er Seminare über Behinderungen gegeben.

Ein Behinderten freundlicher Rechstextremist ?

ergänzung

.. 12.04.2006 - 22:18
nach spaltung der jenensia sind nicht nur 11 burschen ausgetreten, sonder auch 2 alte herren

und bilder daß nächste mal etwas was besser unkenntlich machen ...

coburg: pfingstkongress des cc

bald 13.04.2006 - 13:18
an pfingsten ist es wieder soweit: noch mehr nazis in coburg, der ersten nsdap-stadt vor ww2, am pfingstkongress des coburger convent (cc) feat. ?s?pd-ob als vorredner von solchen wie dehoust.

Medienecho

Studioso 15.05.2006 - 20:11
Burschenschaft sucht Asyl. Republikaner Tell wirft "Normannia" aus der Wilhelmsburg. In: Akrützel. Jenas führende Hochschulzeitung Nr. 226 vom 11. Mai 2006, S. 3.
 http://www.uni-jena.de/akruetzel/akruetzel226.pdf

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ergänzung Klaus Weinschenk — berlin@boy.de