Gießen: Abschiebung stoppen

Elisabeth Sieberg/ Thorsten Lux 14.03.2006 15:53 Themen: Antirassismus
"Im Namen des Volkes..."

Am 01.03. ging B. S. zur Ausländerbehörde, um seinen Aufenthalt verlängern zu lassen. Dort wurde er festgenommen und sofort zum Flughafen gebracht: Ohne Chance andere zu benachrichtigen oder persönliche Sachen mitzunehmen. Kurz vor der Abschiebung versuchte B. S. sich das Leben zu nehmen: Aus Angst vor Misshandlungen im Iran.
Sowohl B. S. als auch sein Bruder Davood waren bereits im Iran in einer regimekritischen Studentenorganisation aktiv und setzten ihre politischen Aktivitäten in der AKP (Kommunistische Arbeiterpartei Iran) in Deutschland fort. Das Verwaltungsgericht Düsseldorf sah bei einem AKP-Aktivisten im Falle einer Abschiebung eine Gefährdung aufgrund seiner exilpolitischen Arbeit (Die Arbeiterkommunistische Partei ist im Iran verboten). B. arbeitete im Iran für den Flughafensicherheitsdienst. Sein Bruder leistete seinen Militärdienst im politischen Gefängnis Evin in Teheran ab. Bei ihrer Rückkehr in den Iran erwartet sie Folter und Todestrafe.
Einen Tag nach seinem Selbstmordversuch bricht B. S. vor der Verhandlung am Giessener Amtsgericht endgültig zusammen. Mittlerweile befindet er sich in Kassel in der Gefängnispsychiatrie. Trotz seiner seelischen Zerrüttung, wird ihm der Kontakt zu seinen Bezugspersonen verboten. Was hat er verbrochen?
Wir fordern die Verlegung in ein ziviles Krankenhaus in Gießen!

Beihilfe zum Mord

B. S. soll in ein Land abgeschoben werden, das

Regierungskritische Parteien verbietet
aktive Gewerkschaftsmitglieder inhaftiert und hinrichtet (im Februar 2006 wurden drei Gewerkschaftsmitglieder der verbotenen Busfahregewerkschaft hingerichtet)
Menschenrechtsverletzungen durch Folter und Todesstrafe begeht
Meinungsfreiheit unterbindet
Frauen diskriminiert und unterdrückt
Besitz von Büchern unter Strafe stellt
als nächstes Kriegsziel "nicht ausgeschlossen wird" (NATO-Sicherheitskonferenz 02/06)


"Iran bleibt der weltweit wichtigste staatliche Unterstützer von Terror.(...) Ich denke, dass unsere europäischen Verbündeten zustimmen, dass das Verhältnis Teherans zu den Menschenrechten und seinem eigenen Volk verabscheuungswürdig ist."
G.W. Bush, Rede zur Lage der Nation, 4.02.2005


Angesprochen auf politische Verfolgungen, meinte ein Sprecher aus Bouffiers Innenministerium: "Der Iran hat eine demokratisch gewählte Demokratie".
Frankfurter Rundschau 4. 03.2006

Hier wird die Doppelmoral der Herrschenden mal wieder zum Ausdruck gebracht: handelt es sich um eine Abschiebung, ist der Iran eine Demokratie, und wenn es darum geht, die Welt(UN)ordnung "aufrecht zu erhalten", ist Iran ein "Schurkenstaat" den es zu bekämpfen gilt.

Der aktuelle Fall ist kein Einzelfall, sondern Normalität!

Gerade der Iran ist keine gute Adresse für Menschen, die sich gegen das Regime engagieren. Folter, Haft bis hin zur Todesstrafe drohen als Konsequenz. Das betrifft auch viele Menschen aus anderen Ländern, die in der Bundesrepublik keinen Schutz finden. Trotz vieler Beschränkungen ist Asyl noch immer ein Grundrecht. Dieses in Anspruch zu nehmen, ist fast unmöglich geworden. Die Grenzen der "Festung Europa" sind nicht zu überwinden. Die Außengrenzen werden systematisch abgedichtet. Es wird sogar auf Schutzsuchende geschossen!

Unser Staat schützt verfolgte Menschen nicht, sondern schickt sie an ihre Henker zurück. Er erweist sich unfähig und unwillig, Menschen, die trotz dieser Abschottung hierher finden, einen Ort zum Leben zu geben - zumindest Schutz des Lebens zu gewähren. Kaum ein Flüchling bekommt tatsächlich Asyl. Das Grundgesetz ist faktisch außer Kraft gesetzt - die Gesetze werden gegen die Menschen missbraucht.
Im Asylverfahren werden Fluchtgründe nicht anerkannt, Bedrohungen nicht ernstgenommen oder gar verleugnet, die Menschen kriminalisiert. Eine unsichere und unwürdige Lebenssituation bis hin zu gewaltsamen Abschiebungen drohen - so wie bei B. S. - allen Flüchtlingen, die hier Schutz suchen.

Wir fordern:
Bleiberecht für B. S.
Menschenwürdige Behandlung von Flüchtlingen
Einhaltung der Menschenrechte
klare Stellungnahme der dt. Bundesregierung zu der Abschiebepraxis in den Iran

Wehrt Euch!

Macht mit am 17. März ab 14 Uhr vor der Auslänerbehörde (Dach Café) - macht deutlich, dass solche Verbrechen nicht in Eurem Namen geschehen sollen. Bringt Trommeln, Trillerpfeifen und alles mit womit man Aufmerksamkeit erregen kann!
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Ergänzungen

Serie von Polizeigewalt + Repressionswillkür

Anti-Repressiva 15.03.2006 - 14:34
Diesen und mehr Fälle aus Gießen zur Art, wie Behörden agieren, finden sich unter  http://www.polizeidoku-giessen.de.vu. Zum Innenminister Bouffier gibt es eine Spezialseite:  http://www.projektwerkstatt.de/bouffier. Die frühere www.volker-bouffier.de.vu wurde ohne Mitteilung und Angabe von Gründen plötzlich abgeschaltet ... Meinungsfreiheit hessischer Art. Leider hat es bei den meisten anderen Fällen gar keinen Protest gegeben und auch im Fall der Abschiebung brachten es die Menschen aus dem Umfeld selbst in Gang. Während der (wichtige) Protest läuft, werden allein in Gießen pro Werktag ca. 2 weitere Menschen per Zwang abgeschoben, ungezählte weitere verlassen nach der Ablehnung von selbst das Land oder tauchen unter. Der Widerstand muss sich daher auch gegen das Denken und die Strukturen richten, die das alles verursachen. Am 20.6.2004 bekam es das Verwaltungsgericht wegen der fortgesetzen Abschiebepolitik wenigstens einmal dicke ab:  http://www.de.indymedia.org/2003/06/55544.shtml.

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