Stadt Langen zensiert Gästebuch

G. Behrens 09.03.2006 16:36 Themen: Medien
Im Gästebuch der Stadt Langen möchte der Magistrat keine Kritik an der rechtswidrigen Praxis der privaten Citystreife haben und zensiert deshalb einen Eintrag. Wem gehört eigentlich das Gästebuch der Stadt Langen? Dem Magistrat und dem Bürgermeister der Stadt Langen oder seinen Bürgerinnen und Bürgern?
Liebes Indymedia Medienzentrum,

bei meiner Suche nach Informationen über die Citystreife der Stadt Langen wurde ich auf Ihrer Internetseite fündig. Aufgrund der Informationen des auf Ihrer Internetseite veröffentlichten Artikels „Schweiz/BRD: Polizeigewerkschaften und PSD“, schrieb ich einen Eintrag (Text siehe unten) ins Gästebuch der Stadt Langen, weil dort auch Kritik der Bürgerinnen und Bürger veröffentlicht und vom Magistrat der Stadt Langen beantwortet wird. Eine demokratische und rechtsstaatliche Selbstverständlichkeit, wie ich meine!
Trotz einer Eingangsbestätigung per E-Mail am 26.01.06 blieb die Veröffentlichung meines Gästebucheintrags bis heute aus; auch eine Separatantwort des Magistrats erhielt ich bisher nicht. Offensichtlich möchte der Magistrat das von mir aufgegriffene Thema den Bürgerinnen und Bürgern - wegen der Brisanz - vorenthalten. Und so stellt sich nicht nur für mich die Frage: Wem gehört eigentlich das öffentlich-rechtliche Internet-Gästebuch der Stadt Langen und ist eine Zensur (ohne vorliegende Verletzungen von Strafgesetzen) durch den Magistrat überhaupt zulässig?

Bereits mehrfach wurde der privaten Citystreife der Stadt Langen unrechtmäßiges Verhalten nachgewiesen. Trotzdem verteidigt der Magistrat der Stadt Langen, insbesondere der Bürgermeister, deren Einsatz.

(Informationen über die Citystreife der Stadt Langen auf der Internetseite der Stadt Langen  http://www.langen.de, Suchbegriff „Citystreife“)



Eintrag von G. Behrens ins Gästebuch der Stadt Langen vom 26.01.06:


Guten Tag,

bei einem Besuch Ihrer Stadt im letzten Jahr ist mir die Citystreife
der Stadt Langen (Sicherheitsfirma Chrisma) aufgefallen. Interessiert
suchte ich im Internet hierzu nach Informationen und wurde auf der
Internetseite  http://www.de.indymedia.org/2005/09/128757.shtml fündig.

In diesem Text ist beispielsweise zu lesen:
[…] Sogar „Verstöße im Straßenverkehr“ werden durch die Citystreife
verfolgt: „In Langen kontrollieren private und städtische Ordnungshüter
den ruhenden Verkehr“, heißt es hierzu in einer Pressemitteilung (PM:
„Falschparker: Viele Knöllchen“, 22.01.04) der Stadt Langen. Nach einem
Urteil (Az.: 973 Owi 213 Js-Owi 2377/03-2022) des Amtsgerichts Frankfurt
vom November 2003 ist diese Tätigkeit Firmen verboten. Urteilszitat:
„Eine Übertragung dieser Tätigkeit auf Private sieht das Gesetz nicht
vor.“ (Frankfurter Rundschau, 15.11.03).“ […]

Auch das Oberlandesgericht Frankfurt a. Main ist der Meinung: „Die
Feststellung von Ordnungswidrigkeiten ist eine typische Hoheitsaufgabe aus
dem Kernbereich staatlichen Handelns.“ (Az.: 2Ss OWi 388/02). Dieses
Urteil wurde in der Hessisch Niedersächsischen Allgemeinen vom 07.11.2003
veröffentlicht, so ist es auf der Internetseite www.radarforum.de zu
lesen.

Im beschriebenen Text heißt es dann weiter:
[…] Nicht alle deutschen Städte agieren so sehr im “rechtlichen
Niemandsland“ wie die Stadt Langen mit ihrer “Citystreife“. Im Januar 2005
erhielt das Ordnungsamt der Stadt Taunusstein Verstärkung durch einen
Mitarbeiter eines Sicherheitsunternehmens. Dieser “Private“ wurde von der
Stadtverwaltung zum “Hilfspolizeibeamten“ ernannt: Als offizieller Amts-
und Hoheitsträger ist dieser Mitarbeiter ausschließlich für die
Überwachung des ruhenden Verkehrs im Stadtgebiet zuständig. […]

Wie rechtfertigt die Langener Stadtverwaltung eigentlich diese
unrechtmäßige Privatisierung der Kontrolle des ruhenden Verkehrs gegenüber den Bürgerinnen und Bürgern?
Ich gehe davon aus, dass das was die Verwaltung vom Bürger erwartet,
umgekehrt der Bürger auch von der Verwaltung erwarten kann – nämlich das
sie sich an Recht und Gesetz hält.
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Ergänzungen

Gästebucheintrag.

Gast 09.03.2006 - 23:54
Wem gehört ein Gästebuch? Na selbstverständlich dem Webmaster der dafür zu sorgen hat, das rechtswidrige Einträge gelöscht werden, weil er für verantwortlich gemacht werden kann. Nun rechtlich und prinzipiell gesehen. Natürlich muß man damit rechnen, das GB Betreiber auch Einträge löschen, deren Inhalte ihnen nicht zusagen. Das ist eben Politik, die Zeitung druckt ja auch nicht jeden Leserbrief. Wer was zu melden hat und sich nciht den Mund verbieten lassen will, der besorgt sich eigenen Webspace. Da kannst machen was du willst, mußt dafür in Kauf nehmen, das sich da nur wenige User verirren.

Impressum

eeaak! 10.03.2006 - 06:01
Wenn du mal ins Impressum schauen würdest:

"Impressum

Gestaltung, Redaktion und Realisierung

Magistrat der Stadt Langen
Stadtmarketing / Internationale Kontakte
Südliche Ringstraße 80
63225 Langen
Kontakt
E-Mail:  magistrat@langen.de

[...]"

Also ist wohl der Magistrat der Stadt Langen verantwortlich für die Website und kann da auch sowas wie ein "Hausrecht" ausüben, d.h. die können da schreiben und löschen solange sie Lust und Laune haben.

Wenn du in das CDU-Forum erhebliche Kritik an Angela Merkel schreibst, dann musst du wohl auch damit rechnen, dass das "verschwindet"...

Aber das ist nicht schlimm:
Erstens gibts noch Indymedia, zweitens kannst du ja deine Meinung noch über andere Medien als diese Website verbreiten, z.B. über Leserbriefe und Flugis oder so.

Gruß eeaak!

Löschen nach Belieben?

Rickenharp 10.03.2006 - 14:06
Ohne dass ich das jetzt auführlich geprüft hätte:

Wenn das eine Webseite der Stadt (sprich: des Staates) ist, hat diese aber eben nicht die gleichen Rechte wie ein Privatmensch (oder eine Partei o.ä.). Insbesondere muss sie die Grundrechte beachten, z.B. auf Gleichbehandlung (und ggf. Meinungsfreiheit) - als Privatmensch kann mir sowas relativ egal sein. Ähnlich die "berühmten" Stadthallen-Fälle: Als Privatmensch muss ich meine Halle nicht an politisch unsympathische Menschen vermieten, als Staat darf ich nicht nach politischen Meinungen differenzieren.

Wichtig: Nur weil Privatmenschen etwas dürfen, darf der Staat das noch lange nicht - gilt ja schließlich auch umgekehrt: als Privatmensch darf ich nicht im Panzer nach Gorleben ;-)

"Halbwissen" ist schlimmer als "Keinwissen"

CS 16.12.2006 - 18:27
Die Überwachung des ruhenden Verkehrs ist definitv keine Aufgabe der Citystreife in Langen.
Weder der rechtliche noch der vertragliche Rahmen sieht solche Aufgaben vor.
Leider gibt es im Hinblick auf die Citystreife eine vielzahl von Behauptungen die einfach nicht stimmen.

@CS

Pittbul 31.12.2006 - 12:46
An wen ist Deine Kritik gerichtet? Der Magistrat der Stadt Langen hat die o.g. Information in der "Pressemitteilung - Falschparker: Viele Knöllchen, Viele Knöllchen für Falschparker, In Langen kontrollieren private und städtische Ordnungskräfte den ruhenden Verkehr" (22.01.04), selber verbreitet.

Zitat: "Parksündern auf der Spur sind in Langen gewöhnlich zwei Beschäftigte der Stadt sowie zwei Mitarbeiter eines privaten Sicherheitsunternehmens. Schneider sprach von einer inzwischen mehrjährigen und erfolgreichen Zusammenarbeit. 'Wir sind durch die Privaten in der Lage, personelle Engpässe besser zu überbrücken und Kontrollen regelmäßiger vorzunehmen.'"

Diese Pressemitteilung (leider ohne eig. Internetadresse) ist auf der Internetseite der Stadt Langen  http://www.langen.de mit der Suchfunktion (Suchbegriff: "Falschparker") abrufbar.

Geh doch mal in Bürgermeister Pitthan's (online) Sprechstunde und konfrontiere ihn mit "'Halbwissen' ist schlimmer als 'Keinwissen'"

Die Diskussionen um die rechtswidrige Praxis der Langener Citystreife, die seinerzeit aus dem Langener Gästebuch verbannt wurden, sind aktueller denn je und werden im Hessischen Innenministerium aufmerksam verfolgt.

Merke: „Die Feststellung von Ordnungswidrigkeiten ist eine typische Hoheitsaufgabe aus dem Kernbereich staatlichen Handelns.“ (OLG Frankfurt a.M., Az.: 2Ss OWi 388/02, veröffentlicht in Hessisch Niedersächsische Allgemeinen, 07.11.03)

PM Stadt Langen zur Schließung des GB

Pittbul 04.01.2007 - 10:50
"Internet-Gästebuch verunglimpft Langen

Stadt stellt auf Online-Sprechstunde um

Die Stadt Langen schließt in den kommenden Tagen ihr Internet-Gästebuch. Dafür wird Bürgermeister Dieter Pitthan ab Herbst eine Online-Sprechstunde anbieten. Das Gästebuch habe sich im Laufe der Zeit mehr und mehr zu einem Forum mit vielen ausländerfeindlichen bis hin zu rassistischen Äußerungen entwickelt. „Das ist weder Sinn eines Gästebuches noch dem Ansehen unserer Stadt dienlich“, begründete Pitthan die Vorgehensweise.

Die Stadt hatte das Gästebuch Ende der neunziger Jahre auf ihren Internetseiten – www.langen.de – eingerichtet, damit Langener und Auswärtige Grußbotschaften hinterlassen können. Davon gab es zuletzt immer weniger. Dafür nahmen Verunglimpfungen, nicht nachprüfbare Behauptungen und Halbwahrheiten zu. Die Verfasser überboten sich in Schilderungen, die den Eindruck vermittelten, in Langen könne sich niemand mehr sicher auf die Straße trauen. Die vermeintlich Schuldigen waren in aller Regel nichtdeutscher Herkunft. Außerdem gab es Einträge, in denen beispielsweise zu Schlägereien auf dem Ebbelwoifest aufgerufen wurde.

„Es kann aber wohl nicht sein, dass die Stadt ein Forum einrichtet, das dazu genutzt wird, Langen in Verruf zu bringen“, sagte Pitthan. Der Bürgermeister ist überdies von Gesetzes wegen sogar noch verantwortlich für die Inhalte im Gästebuch, auch wenn er nicht im Entferntesten dahinter steht. „Mich haben in letzter Zeit wiederholt Leute angeschrieben, die ihren geplanten Umzug nach Langen wegen der Eintragungen ernsthaft in Frage gestellt haben“, berichtete Pitthan.

Zwar habe die Stadt bei eindeutigen Verstößen Einträge unverzüglich gelöscht und sich dadurch den Vorwurf der Zensur eingehandelt. Viele Äußerungen lägen jedoch in einer Grauzone und es sei nicht leicht, sie rechtlich zu bewerten. „Wir haben uns ständig auf einer Gratwanderung zwischen Zensur und der Unterstützung von rechten Parolen bewegt“, erklärte Pitthan.

Nachforschungen hätten ergeben, dass das Gästebuch nachweislich von vier oder fünf Personen durch massive Eintragungen gesteuert werde. Die Verfasser selbst wechselten ständig ihre Internetadresse, blieben anonym und seien daher als Gesprächspartner nicht greifbar.

Seriöse Verfasser hat die Entwicklung im Gästebuch zusehends genervt. Einige haben jetzt selbst vorgeschlagen, das Forum einzustellen. Pitthan sagte, er wolle natürlich weiterhin mit allen Bürgerinnen und Bürgern – unabhängig wie sie denken, was sie von Langen halten und welche Erfahrungen sie gemacht haben – im Dialog bleiben. Eine von mehreren Möglichkeiten dazu werde auch in Zukunft das Internet sein. Näheres zu der geplanten Online-Sprechstunde will der Verwaltungschef in den kommenden Wochen mitteilen.

Wer Anregungen oder Wünsche schildern möchte, Probleme oder sonst etwas auf dem Herzen hat, kann sich unter 203701 für die Bürgermeistersprechstunde anmelden, ein Meinungskärtchen ausfüllen (gibt’s im Rathausfoyer), auf den automatischen Anrufbeantworter des Bürgertelefons (203777) sprechen, ein Fax (20349777) oder eine E-Mail ( buergerkonkakte@langen.de) schicken oder sich direkt mit den Fachdiensten der Verwaltung in Verbindung setzen. Liegt Müll in der Landschaft herum, ist die Abfallhotline der Kommunalen Betriebe – 595472 – die richtige Nummer." (Pressemitteilung Stadt Langen vom 27.06.2006)

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huch — huch-sager