100. Streiktag bei Gate Gourmet in Düsseldorf

Rio 15.01.2006 13:35 Themen: Soziale Kämpfe
14.01.2006 - Eine Blockade der (streikbrechenden) Catering-Transporter von Gate Gourmet verhinderte erfolgreich das pünktliche Beladen von LTU-Langstreckenfliegern und sorgte womöglich für Verspätungen. Breite Solidarität aus dem Umland am 100. Streiktag. Wenig Hoffnung auf ein Einlenken durch die Texas Pacific Group.
Unerwartet früh begannen die Solidaritäts-Aktionen zum 100. Streiktag der Catering-Firma Gate Gourmet am Düsseldorfer Flughafen. Waren für die Mittagszeit offizielle Demonstrationen durch IGM, NGG und einzelnen Unterstützergruppen aus dem Umland angemeldet, sammelten sich bereits gegen 7.00 Uhr ca.50 AktivistInnen am Container der streikenden ArbeiterInnen, um selstbewußt ihre Solidarität zum Ausdruck zu bringen. Betrachtet man sich die Verhandlungspolitik der Texas Pacific Group (die Besitzer von Gate Goumet), so erschöpft sich der Glaube, dass es hier noch um Arbeitsplätze gehen soll. Es geht allein darum, billigst wie möglich, hohe Gewinne einzufahren, wobei der arbeitende Mensch eine untergeordnete Rolle spielt und was man im herkömmlichen Sprachgebrauch schlicht "Kapitalismus" nennt. Worum also soll es jetzt noch den Streikenden gehen ? Zumal die Firma überhaupt nicht daran zu denken scheint, in irgend einer Form auf die Forderungen einzugehen. Den Kapitalismus bzw. seine mutierte Version des Neoliberalismus abschaffen ? Dessen müssen sich sowohl Politik als auch Wirtschaft bewusst sein. Die Geister, die sie riefen, werden nicht zu Hause bleiben !

Gegen 8.00 Uhr versuchten die ersten LKWs mit Lebensmitteln für die LTU-Maschinen Richtung Flugfeld zu gelangen. Eine Handvoll herbeigerufene Polizisten versuchte vergeblich, die Durchfahrt zu ermöglichen. Ca. 50 Frauen und Männer stellten sich mutig dem Konvoi entgegen und informierten mit Sprechchören - "Keine Sklaverei bei der Firma Gate Gourmet!" - die vorbeilaufenden Flugreisenden über das gemeinsame Anliegen, das auch ihres sein sollte, ja sogar das der anwesenden uniformierten Polizisten, die erst kürzlich zuvor aus ganz ähnlichen Gründen demonstrierten.

Die Situation schaukelte sich insofern hoch, da der Security des Flughafens monierte, dass nunmehr nicht nur die LKWs, sondern auch der Personenverkehr für die Flug-Passagiere blockiert sei. Dieser Umstand aber - muss man deutlich sagen - ist nicht per se auf die Demonstranten zurück zu führen, sondern auf eine schlicht stümperhaften Logistik des Flughafens selbst. Ähnliche Aktionen, wie am Samstag, gab es bereits mehrfach im Vorfeld, weshalb man gerade am 100. Streiktag damit rechnen musste. Die blockierten sieben LKWs mussten nicht zwingend mittig auf der Straße stehen und somit selbst als Blockade für den Bus-Verkehr fungieren. Dass diese später mit einer extrem überhöhten Geschwindigkeit und arg gefährdent vor den Augen der Polizei durch umherlaufende Menschen rasten, ist ebenfalls ein denkwürdiger Teil der logistischen "Strategie".

Nach 9.30 Uhr, als die Stichzeit zur pünktlichen Belieferung der LTU-Maschinen lange vorbei war, schien sich die Situation zu beruhigen. Nachdem sich die LKWs zurückzogen, waren auch die Demonstranten im Begriff, die Straße freiwillig zu räumen. Völlig unerwartet half die (zwischenzeitlich mehr gewordene) Polizei diesem Ansinnen nach, indem sie m.E. völlig unnötig die Rückwärtsbewegung der Menschen ausnutzte, um sie per "Kette" von der Straße zu schubsen. Ein älterer Herr fiel dabei zu Boden. Während die Leute numehr unkontrolliert dem Druck wichen und wild durcheinander liefen, kam es zum besagten Durchbruch dreier LKWs, die sich - alles andere, als verkehrsgerecht - einen Slalom-Parcur durch die FußgängerInnen zumuteten. "Streikbrecher, schämt Euch !", rief man ihnen nach.

Als sich hiernach erneut alles wieder zu beruhigen schien, setzte die Polizei nach. Ein Kleinbus der Bundespolizei wurde hinzu gerufen, deren Insassen plötzlich einen Menschen durch die Gegend trieben, der sodann, im Gesicht blutend, in Gewahrsam genommen wurde. Weitere Menschen wurden schlichtweg wahllos (als bräuchte man noch schnell einige Namen für's Einsatzprotokoll) freundlich angesprochen und dann festgehalten, um deren Personalien zu erfassen. Auch von Leuten, die völlig unbeteiligt schienen bzw. soeben erst gekommen waren. Die Frage, auf welchen Verdacht hin sie nunmehr erkennungsdienstlich erfasst würden, konnten oder wollten die Polizisten nicht in jedem Fall beantworten.

Aber nicht nur die Polizei wurde zahlenmäßig aufgestockt, sondern auch die Anzahl der Demonstranten erhöhte sich allmählich. Bereits bei der unsägliche Polizeiaktion, waren Menschen mit dem Logo der IGM dabei, die sich später auf ca. 100 Mitstreiter erhöhen sollten und ein Bremer Doppelstockbus der NGG kam hinzu.

Soviel zum Bericht vom Morgen des Aktionstages. Weitere Berichte erwünscht.
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Ergänzungen

Für zukünftige Aktionen

na ich eben 15.01.2006 - 15:31
Ich finde eure Aktionen mutig und lobenswert... allerdings würde ich mehr druck auf Gate Gourmet durch Medien und Co. organisieren... vieleicht mal mit der IGM zusammensetzen die sollen da ja gute Kontakte haben...
Aus erfahrungen mit dem Samsungwerk Berlin ist den Bossen ihr ansehen verdammt wichtig, natürlich wichtiger als Ihr es ihnen seid...
Ich geh mal davon aus das die FlugCateringBranche einem harten Wettbewerb unterliegt, also Können sich werder Gate Gourmet noch die Fluglinen einen Imageschaden erlauben... und wenn ihr eh schon eure Jobs verliehrt (traurig aber momentan gang und gebe) dann solltet ihr das mit wehenden Fahnen tun.

Wegen der LKW´s anzeige wegen Fahrlässigkeit stellen.

Tip für ne Aktion... schmiert Brote, Packt sie ein und bietet sie den Fluggästen als Alternative zum Komerzfraß an... anbei natürlich Informationen über eure Lage liefern. Is zwar "nur" ne symbolische Aktion aber die habens auch in sich...

Weiter so!
Hoch die internationale Solidarität!!!

(muss ausgefüllt werden)

(muss ausgefüllt werden) 15.01.2006 - 15:36
Im großen und ganzen entspricht der bericht auch meiner Sichtweise. Nur die Sprechchöre habe ich nicht so bewusst wahrgenommen.
War aber auch sehr, sehr kalt, von daher vielen Dank an alle die trotz der Eiseskälte durchgehalten haben.

Zwei Dinge habe ich noch zu ergänzen:
1)
Zunächst waren alle Ausfahrten für die Gategourmet-LKWs blockiert, ohne dass der personenverkehr oder sonstiger Verkehr auf der Straße verhindert worden ist. Doch dann gab es eine intensive Zusammenarbeit zwischen Polizei und Gategourmet-Securities.
Während die Polizei an der Hauptausfahrt Versuchte die Leute wegzudrücken (als Ablenkungsmanöver), schubsten auf einem an das GG-Gelände grenzenden Parkplatz die Securities einige Leute brutal zur Seite. Dann gab der erste LKW Gas und fuhr einfach schnell gegen die Poller, die das GG-Gelände von dem Parkplatz trennen. So wurde eine Lücke aufgebrochen und 6 oder 7 GG-LKWs gelangten auf die Straße, wo sie von aufmerksamen Demonstranten rechtzeitig blockiert wurden. Erst dadurch entstand das Verkehrschaos, dass auch "Unbeteiligte" mit hereingezogen hat.

2)
Als dann auch die Personaliensammelaktionen langsam dem ende entgegengingen belaberte ein Cop einige frisch dazugestoßene IGMetallerInnen (da bin ich mir nicht ganz sicher, aber ich glaub es waren IGMerInnen). Der Cop erzählte dann einen von wegen, dass die autonomen Chaoten doch durch Randale&Co alles kaputt machen würden, wofür die gewerkschaften sich einsetzen würden. Mein Eindruck war, dass die IGMerInnen darauf durchaus positiv eingingen. Sollte das wirklich so gewesen sein, dann bin ich doch ein wenig enttäuscht.
Lasst uns nicht spalten! Besonders nicht von irgendwelchen dummen Cops!!!

"Express"-Bericht

Texass 15.01.2006 - 16:23
Das lokale Boulevard-Blatt EXPRESS berichtet recht aktionsfreundlich, unter anderem von einem Faustschlag durch einen Polizisten.

 http://www.express.de/servlet/Satellite?pagename=XP/index&pageid=1006361736967&rubrik=269&artikelid=1135350632000

Zeitungsartike

NGG 15.01.2006 - 18:11
100. STREIKTAG
Gate Gourmet: Jetzt flogen auch die Fäuste

Von DOMINIQUE SCHMIDT


Rund 100 Streikende blockierten am Samstag die Zufahrtswege an der Halle 8 am Flughafen.
Foto: Markus van Offern







Jetzt flogen die Fäuste Express vom 15.1,2006


Düsseldorf – Totalblockade am Samstag vor Halle acht des Flughafens.
Mehrere Stunden lang blockierten Streikende von Gate Gourmet Fahrzeuge von Streikbrechern auf ihrem Weg zu den Flugzeugen. Busse kamen nicht zum Terminal durch. Die Polizei musste eingreifen.

Am 100. Streiktag schwindet jedoch die Hoffnung auf eine Einigung im Streit um bessere Arbeitsbedingungen. 83 Mitarbeiter des Luftverkehrs-Caterers könnten schon bald ihren Job los sein.

Regelrecht eingekreist hatten die Streikenden die sieben Lkw der Streikbrecher - es ging nicht vor und nicht zurück. Kein Durchkommen auch für die Busse vom Flughafen-Bahnhof.

Die Passagiere mussten sich zu Fuß durchkämpfen. Auch bei der Polizei lagen die Nerven blank. Ein Streikender wurde bei einem Handgemenge von einem Faustschlag im Gesicht getroffen. Doch die Situation entspannte sich schnell wieder.

Die Lage im Streikmarathon bleibt aber dramatisch. Ein eisiger Wind pfeift den Streikenden um die Ohren. Und das liegt nicht nur an den frostigen Temperaturen. „Das sind doch keine Verhandlungen mehr, das ist ein Diktat“, meint Mitarbeiter Uwe M. „100 Tage Arbeitskampf liegen hinter uns, doch unsere Hoffnung stirbt zuletzt“, sagt Gewerkschafter Dieter Schormann.




Die Mitarbeiter ahnen Böses: „Der Eigentümer von Gate Gourmet, die Texas Pacific Group, lässt nicht mit sich verhandeln.“ Bei einem Armaturenhersteller im Sauerland habe der US-Konzern die Entlassung mehrerer Hundert Mitarbeiter beschlossen.

Ein ähnliches Szenario droht möglicherweise auch in Düsseldorf. „Mittlerweile ist mir die Angst um den Job schon fast unwichtig. Warum Angst haben um einen Arbeitsplatz, der Familie und Gesundheit dermaßen strapaziert? Wir werden aber die Machenschaften der großen Konzerne nicht länger mitmachen“, so M.

Jedenfalls waren die Leute von Gate Gourmet nicht allein. Über 100 IG-Metaller zeigten durch ihr Erscheinen Solidarität, und ein voller Doppeldecker-Bus der Gewerkschaft NGG aus Bremen brachte weitere Streikende mit. Für Donnerstag ist eine neue Verhandlungsrunde geplant.




Weiterer Bericht vom 100. Streiktag

surfer 15.01.2006 - 20:17
Ein weiteren ziemlich ausführlichen Bericht zum ersten Teil des 100. Streiktages findet sich unter  http://www.fau.org/artikel/art_060115-195028

Polizeipresse

Rio 16.01.2006 - 12:44
Randalierer am Flughafen im Vorfeld einer Versammlung - Polizei
ermittelt wegen Widerstand, Nötigung und Sachbeschädigung

Vor der ordnungsgemäß angemeldeten Versammlung im Zusammenhang mit
den Arbeitskampfmaßnahmen am Flughafen Düsseldorf kam es zu
Nötigungen, Sachbeschädigungen und Widerstandshandlungen aus einer
Gruppe von 40 Personen, die zu einer angeblichen Kölner
Unterstützerszene zählen. Die Polizei erstattete gegen mehrere
Personen Strafanzeigen und räumte die blockierten Zufahrten und die
Fahrbahn.
Die eigentliche Versammlung mit 120 Teilnehmern lief störungsfrei.

Gegen 7.25 Uhr erschienen circa 40 Personen einer angeblichen
Kölner Unterstützerszene und blockierten sämtliche Auffahrten einer
Catering-Firma und im weiteren Verlauf die Flughafenstraße. Catering
und Individualverkehr sowie der eingesetzte Pendelbusverkehr kamen
zum Erliegen. Ein Verantwortlicher konnte nicht ermittelt werden. Aus
der Veranstaltung heraus wurden Sachbeschädigungen an Lkw begangen.
Bei der Räumung der Fahrbahn und den anschließenden
Identitätsfeststellungen kam es zu Widerstandshandlungen. Dabei wurde
ein Polizeibeamter leicht verletzt. Der Flugbetrieb und die
Versorgung der Flugzeuge waren nicht beeinträchtigt. Die Polizei
erstattet Anzeige wegen Widerstand, Nötigung und Sachbeschädigung.

Die eigentliche Versammlung fand mit circa 120 Teilnehmern in der
Zeit von 11 Uhr und 14.30 Uhr statt und verlief störungsfrei.


ots Originaltext: Polizei Düsseldorf
Digitale Pressemappe:
 http://www.polizeipresse.de/p_story.htx?firmaid=13248

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frage mich nur

warum 15.01.2006 - 15:13
dieser Artikel nicht auf die Startseite (Newswire) kommt...

@roter sturm

egal 15.01.2006 - 18:26
was ist denn bitteschön kommerzfraß ? schon überhaupt mal geflogen ausser holzklasse ? scheinbar nicht, sonst wüsstest du was es zu essen gibt, etwas besseres als "geschmierte brote".
im übrigen sollten sich die leute mal überlegen, wen es zuletzt trifft, bestimmt nicht das ansehen der multis und ihrer bosse, sondern hinz und kunz die bei 8 (mehr oder weniger) stunden flug hunger und durst haben, und im grunde nichts für die schlechte bildung der arbeiterInnen von gate gourmet können (anders ist die freiwillige arbeit in dem breich nicht zu erklären).